2028/AB XXII. GP
Eingelangt am 09.09.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum
Nationalrat Mag. Stoisits, Freundinnen und Freunde haben
am 9. Juli 2004 unter der Nr. 2076/J an mich eine schriftliche parlamentarische
An-
frage betreffend Versagen in der Volksgruppenförderung - Rechnungshofkritik am
Bundeskanzleramt
gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Abgesehen von den im Rahmen des
jährlichen allgemeinen Förderungsberichtes
der
Bundesregierung an den Nationalrat über die entsprechenden finanziellen Aus-
gaben
enthaltenen Angaben hat die Bundesregierung den Nationalrat bis ein-
schließlich
des Förderungsjahres 1995 Detailberichte übermittelt, die im Wesentli-
chen darlegten, an welche Volksgruppenorganisationen für welche Zwecke Volks-
gruppenmittel
ausgeschüttet wurden. Diese Art der Darstellung erschien im Lichte
der
praktischen Erfahrungen im Zuge der parlamentarischen Beratungen nicht aus-
reichend
aussagekräftig, weil ein solcher Bericht an den Nationalrat nur einen be-
schränkten
Einblick in die tatsächliche Verwendung der Förderungsmittel durch die
Förderungsnehmer
ermöglicht. Daher hat das Bundeskanzleramt beginnend mit
dem
Jahr 1997 (für das Jahr 1996 wurde noch nach dem bisherigen System vorge-
gangen) ein Berichtssystem entwickelt, das ausgehend von den konkreten Abrech-
nungen der
ausgeschütteten Volksgruppenförderungsmittel die tatsächlich verwirk-
lichten Förderungszwecke darstellt. Die
verwendeten Förderungsmittel wurden -
Ausgabenkategorien geordnet, zahlenmäßig und grafisch dargestellt -
kommentiert
und aus dem mehrjährig dargestellten Datenmaterial Entwicklungen aufgezeigt.
Diese Art der Darstellung ermöglicht zwar effektivere
volksgruppenpolitische Rück-
schlüsse auf die Strukturen innerhalb der
Volksgruppen und die Tätigkeiten der
Volksgruppenorganisationen im Sinne der Zielsetzungen des Volksgruppengeset-
zes, war aber auch wesentlich
zeitaufwändiger. Der Entwicklungsaufwand einerseits
in Verbindung mit beschränkt zur Verfügung stehenden personellen Kapazitäten
an-
dererseits führten bedauerlicherweise
zur verspäteten (mehrjährigen) Berichtsle-
gung an den Nationalrat. Die Berichte über das Förderungsjahr 1996 und über die
Jahre 1997 - 2001
(Ende der Schillingwährung) wurden von der Bundesregierung
am 4. Juni 2004 beschlossen. Die zahlenmäßigen Darstellungen erfolgten daher
noch zur Gänze in Schilling.
Die Förderungsberichte ab dem
Förderungsjahr 2002 werden geschlossen in EURO
darzustellen sein.
Unter der Voraussetzung der Beibehaltung des neuen auf die tat-
sächliche Mittelverwendung abstellenden
Berichtssystems ist zu berücksichtigen,
daß die Abrechnung der im Jahr 2002 abgeschlossen Förderungsverträge erst im
Laufe des Jahres 2003 erfolgt. Die
Aufarbeitung der tatsächlichen Verwendung der
Förderungsmittel für einen Bericht an
den Nationalrat kann daher ablauftechnisch
erst während des Jahres 2004 erfolgen.
Zu den Fragen 3, 4, 16 und 17:
Aufgrund einer nicht vorhersehbaren weiteren
Mutterschaftskarenz konnte die vor-
erst geplante personelle Bündelung innerhalb
des Verfassungsdienstes nicht ver-
wirklicht werden. Andere Lösungsmöglichkeiten sind derzeit in Prüfung.
Zu Frage 5:
Das Bundeskanzleramt hat mit dem ELAK
verbundene Anfangsprobleme aufgear-
beitet. § 3 der Büroordnung verpflichtet zur Aufzeichnung aller Geschäftsfälle,
ins-
besondere der Geschäftsstücke, Erledigungen, Formulare sowie sämtlicher dazu-
gehöriger Grunddaten der Beilagen vom Registrieren bis zur Ablage im ELAK-Sys-
tem. Das bedeutet,
daß zum einen der interne Prozeß im ELAK abgebildet wird und
zum anderen alle von außen kommenden
Dokumentationen und dergleichen im
ELAK-System elektronisch abgebildet und jederzeit über die
Suchfunktionen herge-
stellt werden können.
Zu den Fragen 6 und 7:
Das Bundeskanzleramt hat ab Beginn des
Förderungsjahres 2004 versucht, vorran-
gig möglichst viele Volksgruppenförderungsverträge mit geringen Förderungshöhen
gebündelt zu bearbeiten. Es wurden mit
diesem System aufgrund von Synergieef-
fekten und der gestiegenen Zufriedenheit der in Betracht kommenden Förderungs-
empfänger sehr gute Erfahrungen gemacht. Bis dato konnten auf diese Weise 114
Projekte in einer Gesamthöhe von €
119.910,-- vor allem in den Monaten März bis
Juni 2004 gefördert werden. Aufgrund
dieser erzielten Verbesserungen in Verbin-
dung mit gestaffelten Fristsetzungen für das Einreichen der
Förderungsanträge wird
dieses System auch in den folgenden
Förderungsjahren weiter beibehalten werden.
Zu Frage 8:
Der Rechnungshof wies in der seinem
Bericht vorangestellten Kurzfassung, Seite 3,
und
detailliert in seinem Bericht auf Seite 9, Punkt 7.2, „auf die Unausgewogenheit
zwischen den
Bevölkerungsanteilen der einzelnen Volksgruppen und ihren Anteil an
den Förderungsmitteln hin." In diesem
Zusammenhang ist allerdings zu erwähnen,
daß der Rechnungshof in seinen Schlußbemerkungen, in denen er zusammenfas-
send Empfehlungen hervorhob, zu dieser Feststellung keine Empfehlung
abgab.
Auch ist dem
Rechnungshofbericht an keiner Stelle zu entnehmen, daß die Unaus-
gewogenheit zwischen
den Bevölkerungsanteilen der einzelnen Volksgruppen [An-
merkung: angesprochen sind die Umgangssprachenerhebungen bei den Volkszäh-
lungen] für sich alleine bereits unsachlich
wäre. Dies steht auch nicht im Wider-
spruch zur Auffassung des Rechnungshofes auf Seite 9, Punkt 7.4 seines Berich-
tes,
„daß zB die Einbeziehung der
Bevölkerungsstärke der jeweiligen Volksgrup-
pe als eigenes Kriterium in die bisherige Förderungspraxis eine höhere Ver-
teilungsgerechtigkeit mit sich brächte.
Sowohl Art 8 Abs 2 B-VG als auch § 8
Abs 1 des Volksgruppengesetzes zielen nämlich auf die Achtung, Sicherung
und Förderung der Volkgruppen insgesamt ab.
Die Beibehaltung der bisheri-
gen Förderungspraxis würde - der
Argumentation des BKA folgend - wohl
den Bestand der Trägervereine sichern, ohne jedoch die demographische
Entwicklung der Volksgruppen zu berücksichtigen."
Auch dem Bundeskanzleramt war das
volksgruppengesetzlich vorgegebene Förde-
rungsziel des Erhaltes und des Bestandes der
Volksgruppen und daher auch die
Förderungsgerechtigkeit stets ein besonderes Anliegen. Das gesetzliche
Volksgrup-
penförderungssystem sieht dabei keine „kopfzahlbezogene" Förderung vor,
bei der
man an - ohnedies verzerrte - Zahlen aus der
Umgangssprachenerhebung der je-
weiligen Volkszählung anknüpfen könnte, sondern eine
organisationsbezogene För-
derung, bei der bestimmte Leistungen der
Volksgruppenorganisationen für den Er-
halt und Bestand ihrer Volksgruppe unterstützt werden sollen.
Im Sinne der Selbstbestimmung steht es
jedem Volksgruppenangehörigen frei, sich
in eine Volksgruppenorganisation zu integrieren,
nur das Angebot von Aktivitäten
von Volksgruppenorganisationen in Anspruch zu nehmen oder jede aktive Verbin-
dung zu oder Mitwirkung in
Volksgruppenorganisationen zu unterlassen. Ausgehend
von dieser Betrachtungsweise wäre
jedenfalls ein alleiniges Abstellen auf statisti-
sche Zahlen - wie etwa die
Umgangssprachenerhebungen - bei der Aufteilung der
Förderungsmittel auf die Volksgruppen
sachlich nicht gerechtfertigt. Stellte man
nämlich hauptsächlich auf die
umgangssprachlichen Volkszählungsergebnisse ab,
würde dies - überzeichnet dargestellt
- bedeuten, daß eine Volksgruppe, die zwar
die größte wäre, jedoch über ihre
Volksgruppenorganisationen (denn diese sind nun
einmal die Träger der gemäß dem
Volksgruppengesetz zu fördernden Aktivitäten)
die vergleichsweise wenigsten
Aktivitäten setzte, den größten Anteil an den
Gesamtförderungsmitteln erhalten
müßte. Dies wäre jedenfalls mit den haushalts-
rechtlichen Geboten der Sparsamkeit,
Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des
Einsatzes von Förderungsmitteln nicht vereinbar.
Auch das Bundeskanzleramt bezog die
Fakten der demographischen Entwicklung
der
Volkgruppen stets in Förderungsüberlegungen ein. Erfahrungsgemäß sind be-
stehende
Volksgruppenorganisationen tendenziell mit einer zunehmenden Überalte-
rung
der aktiven Vereinsmitglieder und Volksgruppenangehörigen konfrontiert. Da-
her muß in der Förderungspraxis die Frage nach der Nachhaltigkeit und Geeignet-
heit des Einsatzes von Volksgruppenförderungsmitteln zum Erhalt und Bestand der
Volksgruppen
gestellt werden. In diesem Sinne werden z.B. Aktivitäten zugunsten
des
Spracherhalts von Jugendlichen, zweisprachiger Kindergärten, alternativloser
Privatschulen mit
zweisprachigem Bildungszug von der Vorkindergartenstufe bis zur
Matura udgl. besondere Priorität einnehmen.
Voraussetzung dafür ist allerdings,
daß solche Aktivitäten auch glaubhaft
von Trägervereinen gesetzt werden. Die Ver-
fügbarkeit von Budgetmitteln ist hiefür
jedoch nur ein - wenn zweifellos bedeutsa-
mer
- Aspekt, um den Erhalt und Bestand der Volksgruppen zu sichern und Volks-
gruppensprachen- und
-kulturen zu erhalten.
Zu Frage 9:
Die Abrechnung des Jahres 2003 erfolgt
im Jahr 2004. Wie sich die „anerkannten
Beträge
auf die sechs anerkannten Volksgruppen" verteilen, kann daher erst nach
der vollständigen Abrechnung des Förderungsjahres 2003 bekannt gegeben wer-
den.
Zu Frage 10:
Daß die Kategorie der „sonstigen
Zuschüsse" in der Volksgruppenförderung in der
Zeit 1998 bis 2003 deutliche Schwankungen aufweist, ist durch die jeweiligen
Aus-
gabenbindungen
zu erklären. Im Rahmen der Volksgruppenförderung wurde den
Ausgabenbindungen
(im Jahr 1998 8%, im Jahr 1999 5%, im Jahr 2001 3%)
dadurch
nachgekommen, daß der bei der „Volksgruppenförderung" einzubehaltende
Betrag
zur Gänze die „sonstigen Zuschüsse" belastete. Damit wurde erreicht, daß
jene
Budgetanteile, die unter Bedachtnahme auf die Beiratsempfehlungen den
Volksgruppenorganisationen auszuschütten waren, unberührt blieben und die
Ausgabenbindung
daher für die Volksgruppen nicht spürbar waren. Die in einer
Bandbreite
von 0 % bis 8 % verhängten Ausgabenbindungen bewirkten naturgemäß
Schwankungen
in den nachfolgenden Statistiken. Unter sonstige Zuschüsse fielen
in
der Vergangenheit vor allem Zuwendungen für die slowenisch-zweisprachigen
Gemeindekindergärten in Kärnten, die Aufwendungen für die Verschriftlichung der
österreichischen Roman-Varianten, volksgruppenspezifische Forschungsarbeiten
einzelner Wissenschafter, Zuwendungen zugunsten der Komensky-Schule für den
Aus- bzw. Umbau im Zusammenhang mit der schrittweisen Einrichtung des
Oberstufenrealgymnasiums
bis zur Matura; besondere Zuschüsse im
Zusammenhang
mit Roma-Organisationen und sonstige Abhilfen in
unverschuldeten
Notfällen.
Zu Frage 11:
Die Zuordnung von Förderungszahlen
(gemeint sind offenbar die sonstigen Zu-
schüsse) auf die
einzelnen Volksgruppen wurde bereits im zu behandelnden Förde-
rungsbericht betreffend die Jahre 1997 bis
2001, Seite 56, in Tabellenform vorge-
nommen.
Zu den Fragen 12 und 13:
Statistische Jahresvergleichszahlen unterliegen - wie etwa
bei der Frage 10 anhand
der unterschiedlichen Ausgabenbindungen
bereits dargestellt - gewissen Verzerrun-
gen durch die jeweils unterschiedlich gewichteten Relationen zwischen
den Projekt-
und den Basisförderungsdaten. Dazu kommt, daß
im Rahmen der Basisförderung
die Personal-, Miet- und Betriebskosten einen bedeutenden Stellenwert
einnehmen;
damit sind jene Ausgaben angesprochen, die
auf Grund ihres kontinuierlichen An-
falls üblicherweise nicht verschoben oder kurzfristig eingespart werden
können und
im Hinblick auf altersbedingte Gehaltssteigerungen bzw. bei vorgezeichneten
Kos-
tenerhöhungen steigerungsgeneigt sind.
Beispielsweise sind auch die im Bereich
der ADV-Anschaffungen zyklischen
Ausgabenschübe bedingt durch technische
Neuerungen bzw. abgelaufene Lebenszyklen zu Lasten von Projektförderungen zu
beobachten. Das mag zu der scheinbar signifikanten Erhöhung der Basisförderung
im Jahr 2001 beigetragen haben. Das Bundeskanzleramt legt jedoch nach wie vor
nachdrücklich Wert
auf Projektförderungen.
Zu den Fragen 14 und 15:
Das Bundeskanzleramt
hat mit Auflistungen nicht förderbarer Leistungen im Bereich
der
Volksgruppenförderung negative Erfahrungen gemacht und daher die Arbeiten
an sog.
Negativkatalogen nicht fortgesetzt. In diesem Zusammenhang wird sich das
Bundeskanzleramt nach wie vor bemühen, einen
Entwurf für Sonderförde-
rungsrichtlinien unter Einbindung auch
der Volksgruppenbeiräte zu erstellen. Die
damit verbundenen Schwierigkeiten wurden allerdings bereits in der
Regierungsvor-
lage zum Volksgruppengesetz, RV 217 BlgNR XIV.GP, Seite 12, aufgezeigt („bei
der
Umschreibung des Förderungsgegenstandes bestand die Schwierigkeit, daß
eine Aufzählung
praktisch nicht möglich ist. Die Maßnahmen reichen von der Unter-
stützung bei der Herausgabe von Büchern und
Zeitschriften in der Sprache einer
Volksgruppe bis hin zur Förderung der vielgestaltigen kulturellen
Veranstaltungen
und Kontakte. Das gemeinsame Merkmal aller dieser Vorhaben, die im
Rahmen der
Volksgruppenförderung unterstützt werden
sollen, ist aber deren Eignung, zur Erhal-
tung und Sicherung der Volksgruppen
und ihrer besonderen Eigenschaften und
Rechte beizutragen."). Wenn dieses Argument auch für andere
Förderungsbereiche
gelten mag, gilt es für den komplexen Bereich
der Volksgruppen im besonderen
Maße, sodaß eine Schematisierung in Form von Sonderrichtlinien nicht leicht
ver-
wirklichbar ist. Man hat daher in der Vergangenheit versucht, das Problem
einer-
seits durch die Gestaltung der Musterverträge, andererseits durch
besonders inten-
sive Kontakte mit den Förderungswerbern in den Griff zu bekommen.
Die Volksgruppenbeiräte sind weitgehend bereits darüber
informiert, daß im Herbst
2004 intensiv an derartigen
Sonderrichtlinien gearbeitet werden wird und sie in die-
se Richtlinienerstellung einbezogen werden. Dem Nationalrat sind die zur
Volksgruppenförderung getroffenen Maßnahmen zu berichten; im Zuge dessen
wird
auch auf erlassene Sonderförderungsrichtlinien einzugehen sein.
Zu Frage 18:
Mit der Übermittlung dieses Berichtes an den Europarat ist im Herbst 2004 zu
rechnen.