2058/AB XXII. GP
Eingelangt am 10.09.2004
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Inneres
Anfragebeantwortung
DVR:0000051
GZ: 95.000/4401-III/1/b/04
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Dr. Andreas
KHOL
Parlament
A-1017 WIEN
Wien, am 9. September 2004
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde haben am 12. Juli 2004 unter der Nummer 2086/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Lage der AsylwerberInnen nach dem neuen Asylgesetz“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu den Fragen 1, 2 und 5:
Die Asylgesetz-Novelle 2003 sieht als Sonderverfahrensnorm die Möglichkeit der Zurückweisung an der Grenze gemäß § 17 AsylG vor. Diese Bestimmung ist auf Fremde anzuwenden, die aus der Schweiz oder Liechtenstein (sichere Drittstaaten) kommend anlässlich der Grenzkontrolle einen Asylantrag stellen.
Es gibt derzeit keine gesonderte Erfassung der Zurückweisungen gemäß § 17 AsylG.
Darüber hinaus gilt
für Fremde, die in Österreich einen Asylantrag gestellt haben, der Grundsatz
des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 19 AsylG, weshalb sie weder
zurückgewiesen noch ab- oder zurückgeschoben werden können.
Zu Frage 3:
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass allen in dieser Anfrage
angeführten Daten keine offizielle Statistik zu Grunde liegt, sondern die
genannten Daten auf tagesaktuellen Abfragen im Asylwerberinformationssystem
beruhen.
Im Monat Mai 2004 wurden 248 Konsultationsverfahren, im Monat Juni 2004
588 Konsultationsverfahren und im Monat Juli 2004 573 Konsultationsverfahren
eingeleitet. Die Zahlen umfassen sowohl Verfahren, die unter das Dubliner
Übereinkommen, als auch solche, die unter die Dublin II VO fallen. Ein
statistischer Zusammenhang zwischen in einem Zeitraum gestellten Asylanträgen
und eingeleiteten Konsultationsverfahren kann nicht hergestellt werden.
Zu Frage 4:
Im Monat Mai 2004 wurden durch das Bundesasylamt 124 Asylanträge nach
dem Dubliner Übereinkommen bzw. der Dublin II VO durch Bescheid gemäß § 5 AsylG
zurückgewiesen, im Monat Juni 2004 151, im Monat Juli 2004 294.
Zu Frage 6:
Von den in Frage 4 dargestellten Bescheiden des Bundesasylamtes gemäß §
5 AsylG im Zeitraum 1. Mai 2004 bis 31. Juli 2004 betrafen 26 die Tschechische
Republik, 247 die Slowakei, 35 Ungarn, 1 Slowenien und 9 Polen.
Zu Frage 7:
Aufgrund durchsetzbarer Bescheide gemäß § 5 AsylG wurden
- in die Slowakei im Monat Mai 2004 keine AsylwerberInnen, im Monat Juni
2004 14 AsylwerberInnen und im Monat Juli 2004 20 AsylwerberInnen
- in die Tschechische
Republik in den Monaten Mai 2004 und Juni 2004 keine AsylwerberInnen und im
Monat Juli 2004 6 AsylwerberInnen
- nach Ungarn im Monat Mai 2004 keine AsylwerberInnen, im Monat Juni
2004 2 AsylwerberInnen und im Monat Juli 2004 2 AsylwerberInnen
- nach Slowenien in den Monaten Mai 2004 und Juni 2004 keine
AsylwerberInnen und im Juli 2004 1 AsylwerberIn
- nach Polen in den Monaten Mai 2004, Juni 2004 und Juli 2004 keine
AsylwerberInnen gemäß Dublin II VO überstellt.
Zu Frage 8:
Hierüber kann nach den derzeitigen Abfragemöglichkeiten im
Asylwerberinformationssystem keine Auskunft erteilt werden.
Zu Frage 9:
Zwischen dem 1. Mai 2004 und 31. Juli 2004 wurden insgesamt 24 Bescheide
gemäß § 6 AsylG bei nach dem 1. Mai 2004 gestellten Asylanträgen durch das
Bundesasylamt erlassen.
Zu Frage 10:
Zwischen 1. Mai 2004 und 25. Juli 2004 wurden
von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 34a Asylgesetz
insgesamt 1242 AsylwerberInnen festgenommen.
Monat |
Festnahmen |
Mai |
227 |
Juni |
737 |
Juli (bis 25.7.04) |
278 |
Die Festnahmen dienten dem Zweck der
Vorführung vor die Asylbehörde (Erstaufnahmestelle).
Zu den Fragen 11 und 12:
Bei der Auswahl der RechtsberaterInnen wurden
neben den im Asylgesetz angeführten Mindestanforderungen vor allem einschlägige
Erfahrungen im Bereich der asyl- oder fremdenrechtlichen Beratung,
sozialpädagogische Zusatzkenntnisse, das Ausmaß der Fremdsprachenkenntnisse
sowie sonstige Erfahrungen/ Ausbildungen/Praktika im sozialen Bereich,
insbesondere auch mit Berührungspunkten zu Minderjährigen, berücksichtigt.
Asylrechtliche Vorkenntnisse stellten ein wesentliches Kriterium bei der
Auswahl der RechtsberaterInnen dar.
Daneben wurde bei der Auswahl weiters auf eine
ausgewogene Verteilung auf männliche und weibliche Bewerber sowie die
bedarfsgemäße Verteilung auf die Erstaufnahmestellen Ost und West
berücksichtigt.
Zu Frage 13:
Der Beirat für Asyl- und Migrationsfragen hat keine Empfehlung zur
Auswahl der RechtsberaterInnen abgegeben.
Zu Frage 14:
Das gesamte Bewerbungs- und Auswahlverfahren wurde vom Bundesministerium
für Inneres durchgeführt. Der Österreichische Integrationsfonds war in das
Auswahlverfahren nicht eingebunden.
Zu den Fragen 15 und 16:
Ja.
Allen RechtsberaterInnen, die Anfang Mai ihren Dienst angetreten haben, lagen
zum Zeitpunkt des Dienstantritts die Bestellungsverträge vor. Die freien
Dienstverträge wurden vom Österreichischen Integrationsfonds am 21. Juni 2004
nach mehrfachen Vertragsüberarbeitungen, mit denen von RechtsberaterInnenseite
geäußerte Änderungswünsche berücksichtigt wurden, ausgesandt.
Zu Frage 17:
Die Abrechnung der erbrachten Leistungen erfolgt mittels monatlicher
Honorarnoten. Für die im wöchentlichen Einsatzplan vorgesehene Zeit ist die
gesamte Anwesenheitszeit der RechtsberaterInnen verrechenbar, für
einvernehmlich vereinbarte, darüber hinaus gehende Beratungsleitungen der dafür
erforderliche Zeitaufwand.
Zu Frage 18:
Die Einteilung der RechtsberaterInnen erfolgt grundsätzlich durch die
Erstaufnahmestelle einen Monat im Voraus. Die konkrete Festlegung der
Beratungsstunden wird von den RechtsberaterInnen in diesem Rahmen selbständig
wahrgenommen.
Zu den Fragen 19 und 20:
Eine genaue Zeitangabe kann aufgrund der Individualität des einzelnen
Falles nicht genannt werden. Zwischen der Ausfolgung der relevanten
Aktenbestandteile an die RechtsberaterInnen und der darauf folgenden
Einvernahme in Gegenwart der RechtsberaterInnen liegen mindestens 24 Stunden.
Im Regelfall dauert diese Zeitspanne jedoch mehrere Tage.
Seitens des Bundesasylamtes wird aufgrund der besonderen Wichtigkeit und
Sensibilität der Rechtsberatungstätigkeit darauf Bedacht genommen, dass die
RechtsberaterInnen in der Lage sind, die rechtlichen Interessen der
AsylwerberInnen bestmöglich wahrzunehmen und den AsylwerberInnen über ihre
weiteren Perspektiven nach der erstinstanzlichen Entscheidung bestmögliche
Information zu gewähren.
Zu Frage 21:
Von den vertraglich bestellten RechtsberaterInnen wurde der freie
Dienstvertrag lediglich mit einem Rechtsberater auf dessen eigenen Wunsch
aufgelöst.
Zu den Fragen 22 und 24:
Der angesprochene Bericht liegt vor.
Zu den Fragen 23 und 25:
Zu den von ICMPD erstatteten Empfehlungen ist
folgendes auszuführen:
Durch die Schaffung einer
Erstaufnahmestelle im Rahmen des erstinstanzlichen Asylverfahrens durch die
Asylgesetz-Novelle 2003 mit Wirksamkeit ab 1. Mai 2004 wurden maßgebliche
strukturelle Änderungen in den Abläufen in der Betreuungsstelle erforderlich. Aus
Sicht des Bundesministeriums für Inneres sind daher fundierte Erfahrungen aus
der Praxis zu sammeln, bevor strukturelle Abläufe als bewährte Strukturen
festgelegt werden.
Der Bericht vermerkt zutreffend die
deutliche Reduktion der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Asylwerber in
Traiskirchen sowie die dadurch bedingten geringen Änderungen in der Erbringung grundlegender
Versorgungsleistungen. Die Zielsetzungen der angebotenen sozialen
Betreuungsleistungen ergeben sich einerseits aus den gesetzlichen
Rahmenbedingungen, andererseits aus den der Beauftragung der Fa. EHC zu Grunde
liegenden Ausschreibungsunterlagen.
Diese Empfehlung ist seit dem 1. Mai
2004 insofern differenziert zu sehen, als die Unterbringungskapazitäten in der
Betreuungsstelle von der organisatorischen Vorgabe her ausschließlich zur
Betreuung jener AsylwerberInnen seit 1. Mai dienen sollten, deren Asylantrag
sich im Stadium des Zulassungsverfahrens befindet. Da aber seitens der Länder,
die im Sinne der Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15 a B-VG seit 1.
Mai 2004 für die Unterbringung und Betreuung der Zielgruppe, der auch
AsylwerberInnen angehören, verantwortlich zeichnen, noch nicht durchgehend die
erforderlichen Unterbringungskapazitäten zur Verfügung gestellt werden können,
nehmen noch AsylwerberInnen Aufenthalt in der Betreuungsstelle.
Sobald seitens der verpflichteten
Länder die entsprechenden Unterbringungskapazitäten für AsylwerberInnen zur
Verfügung gestellt werden und sich somit ausschließlich AsylwerberInnen, deren
Asylantrag sich im Stadium des Zulassungsverfahrens befindet, in der
Betreuungsstelle aufhalten, wird ein auf diese Personengruppe ausgerichtetes
Betreuungskonzept zu erstellen sein. Im Rahmen dieser Aufgabe werden im Sinne
der Empfehlung quantitative und qualitative Indikatoren zur Überprüfung der
Zielerreichung festgelegt werden.
Das Bundesministerium für Inneres
wird nach Erarbeitung des diesbezüglichen Konzeptes der Empfehlung folgen.
Dieser Empfehlung wird durch
European Homecare (EHC) bereits Rechnung getragen. Unter anderem stehen den
AsylwerberInnen ein hauseigener Kindergarten, zahlreiche Fitnesseinrichtungen,
Kinderspielplätze, Deutschkurse, handwerkliche Schulungen, Tanz- und
Musikprogramme, ein interkonfessioneller Raum für Religionsausübung und
thematische Abendveranstaltungen zur Verfügung.
Die Verbesserung der edv-technischen
Vernetzung steht derzeit in Vorbereitung..
Im Hinblick auf das mit EHC
bestehende zivilrechtliche Vertragsverhältnis kann eine derartige
Institutionalisierung durch das BM.I nicht angeordnet werden, dennoch steht das
BM.I aber in ständigem Kontakt mit EHC, um den Informationsaustausch
bestmöglich sicherstellen zu können.
Dieser Empfehlung ist das BM.I
bereits nachgekommen, indem umfangreiche zusätzliche Beleuchtungseinrichtungen
ebenso errichtet wurden wie eine Videoüberwachungsanlage, um das
unkontrollierte Betreten des Areals durch Übersteigen der Mauer bzw. des Zaunes
hintanzuhalten. Darüber hinaus kann im Bedarfsfall die passive Sicherheit durch
einen vermehrten Einsatz von Mitarbeitern des ÖWD bewirkt werden.
Hinsichtlich dieser Personengruppe
ist anzuführen, dass bei festgestellter Traumatisierung gemäß § 24b AsylG das
Verfahren zuzulassen ist und die AsylwerberIn einer Betreuungseinrichtung
zugewiesen werden kann. In dieser und im weiteren Verlauf des Asylverfahrens
ist auf die besonderen Bedürfnisse des Asylwerbers Bedacht zu nehmen. Daraus
resultiert, dass bei entsprechendem Unterbringungs- und Betreuungsangebot der
Länder im Sinne der Art. 15a B-VG Grundversorgungsvereinbarung ein Verbleib
traumatisierter Asylwerber in der Betreuungsstelle ab festgestellter
Traumatisierung nicht vorgesehen ist. Selbstverständlich steht dieser
Personengruppe auch entsprechende medizinische Erstversorgung und Betreuung in
der Erstaufnahmestelle bis zur Übernahme durch die Länder offen.
Zu dieser Empfehlung ist
auszuführen, dass es sich bei der verpflichtenden Rechtsberatung im
Zulassungsverfahren - entgegen der Ansicht von ICMPD - nicht um eine
zusätzliche Dienstleistung handelt, die mit bestehenden Betreuungsangeboten in
Einklang zu bringen ist. Diese Empfehlung wird daher durch das BM.I nicht
befolgt.
Der Umsetzung dieser Empfehlung sind
durch die bestehenden Unterbringungskapazitäten einerseits natürliche Grenzen
gesetzt, andererseits bedarf es bei entsprechender Umsetzung der
Grundversorgungsvereinbarung durch die Länder einer diesbezüglichen Trennung
nicht, da AsylwerberInnen nach Zulassung des Verfahrens in die Grundversorgung
der Länder zu überstellen sind.
Das BM.I kann dieser Empfehlung
nicht folgen, weil weder das Bundesbetreuungsgesetz noch die
Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG Begriffe wie „Normalbetreuung“
und „Notaufnahme“ und daher auch keine Differenzierung in der Betreuung kennen.
Zu Frage 26:
Den MedizinerInnen werden nach Bedarf von den
Erstaufnahmestellen und von EHC Dolmetscher zur Verfügung gestellt. Die
Befragungen finden in einem eigenen, ruhigen und freundlich eingerichteten
Bereich der Erste-Hilfe-Stationen in den Betreuungsstellen/Erstaufnahmestellen
statt. Die Dolmetscher verfügen über fundierte medizinische Kenntnisse und sind
erfahren im Umgang mit AsylwerberInnen. Sie werden von den MedizinerInnen auf
die jeweiligen Befragungen im Vorfeld vorbereitet und geschult.
Zu Frage 27:
Nein.
Zu Frage 28:
Eine anlässlich dieser Anfrage durchgeführte Umfrage bei den nachgeordneten Behörden hat ergeben, dass in der Zeit vom 1. Mai 2004 bis 31. Juli 2004 insgesamt 49 AsylwerberInnen gemäß § 34b Absatz 1 Z 1 AsylG in Schubhaft genommen wurden.
Zu Frage 29:
Ungerechtfertigt ist das Entfernen aus der Erstaufnahmestelle dann, wenn
die AsylwerberInnen trotz Aufforderung zu den ihnen vom Bundesasylamt gesetzten
Terminen nicht erscheinen und nicht in der Erstaufnahmestelle angetroffen
werden können. Ein Krankenhausaufenthalt ist jedenfalls kein ungerechtfertigtes
Entfernen aus der Erstaufnahmestelle (§ 30 Abs. 1 AsylG).
Zu Frage 30:
Grundsätzlich stellt das ungerechtfertige Entfernen aus der
Erstaufnahmestelle gemäß § 34b Abs. 1 Z 1 AsylG einen von der
Fremdenpolizeibehörde festzustellenden Schubhaftgrund dar.