2067/AB XXII. GP
Eingelangt am
27.10.2004
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
GZ.
BMVIT-11.000/0005-I/CS3/2004 DVR:0000175
An den
Präsidenten des Nationalrates
Dr.
Andreas Khol
Parlament
1017 Wien
Wien, . 2004
Sehr geehrter Herr Präsident!
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2100/J-NR/2004 betreffend
rückwärtsgerichtete Kindersitze im Auto, die die Abgeordneten Gabriele Binder
und GenossInnen am 31. August 2004 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie
folgt zu beantworten:
Frage 1:
Sind Ihnen die oben genannten Ergebnisse der schwedischen Studien bekannt?
Antwort:
Die
potentiellen Vorteile rückwärts gerichteter Kinderrückhaltesysteme (KRS) sind
mir bekannt und haben auch in der aktuellen Broschüre über Kindersitze
Berücksichtigung gefunden. Aufgrund der biomechanischen Vorteile (geringere
Belastung der Halswirbelsäule beim schweren Frontalaufprall) sollten eigentlich
alle Insassen entgegen der Fahrtrichtung transportiert werden, was aber aus
praktischen Gründen nicht so einfach möglich ist. Ebenso gibt es aber auch mögliche Nachteile von gegen die Fahrtrichtung
montierten KRS.
Bekannte
und auch von den schwedischen Unfallforschern durchaus eingeräumte, faktische
Nachteile der rückwärts gerichteten Sicherung größerer Kinder (über 13 kg) im
Vergleich mit vorwärtsgerichteten Systemen sind:
-
größerer Platzbedarf wodurch die Sicherung insbesondere in kleinen Fahrzeugen
oder in Fahr-
zeugen mit nur drei Türen schwer bis
gar nicht realisierbar ist
-
erhöhte Gefahr der Fehlbedienung durch die zusätzlich notwendige Verwendung von
Stützfüßen
und Spanngurten bei den bislang
bekannten Modellen
- bei Montage
am Beifahrersitzplatz ergeben sich zusätzliche Schwierigkeiten durch die
Notwendigkeit
der Airbagabschaltung
-
Beeinträchtigung der Sicht für den Fahrer/die Fahrerin zum rechten Fahrbahnrand
sowie in
den rechten Außenspiegel
- in
der ersten Sitzreihe ist die Montage sämtlicher KRS nur bedingt empfehlenswert,
weil hier bei
der Frontalkollision durch die
Deformation der Fahrgastzelle ein erhebliches Gefahrenpotential
liegt.
Abgesehen
von den rein technischen Problemen ist die Akzeptanz solcher Systeme in Mitteleuropa nach wie vor sehr gering.
Das liegt auch daran, dass durch die rückwärts gerichtete Position insbesondere
auf der Rückbank die Kommunikation, vor allem aber die Beobachtung der Kinder
deutlich erschwert wird.
Frage
2:
Wie
kommentieren Sie diese Ergebnisse und die Tatsache, dass rückwärtsgerichtete
Kindersitze für Kinder über 15 Monate in Österreich kaum angeboten werden?
Antwort:
Rückwärtsgerichtete
KRS weisen - wie ich bereits unter Fragepunkt 1 ausgeführt habe - auch einige
Probleme auf, die zu einer entsprechend geringeren Marktbedeutung führen. Bei
der Betrachtung der Sicherungsrichtung (rückwärts oder vorwärts) muss man bei
den vorwärts gerichteten Systemen auch mehrere Sicherungsarten (Hosenträgersystem,
Fangkörper oder Dreipunktgurtsicherung) auseinander halten, die von der
Verletzungsgefahr unterschiedlich zu bewerten sind.
Moderne
KRS haben wie internationale Crashtests (sowohl Fahrzeugbewertungsprogramme wie
EuroNCAP, als auch Verbrauchertests wie der europäische Kindersitztest der
Verbraucherschutzverbände und Autofahrerclubs) belegen, einen sehr hohen
Schutzgrad erreicht, der bei korrekter Verwendung des Schutzsystems (weitgehend
unabhängig von der Einbaurichtung) auch bei schweren Frontalkollisionen (mehr
als 60 km/h) eine sehr gute Schutzwirkung aufweisen. Gesamt gesehen halten sich
die Vor- und Nachteile etwa die Waage.
Mit der
Kindersitzbroschüre wird die interessierte Bevölkerung schon seit langem über
die sicherheitstechnischen Vor- und Nachteile informiert.
Die
Auswahl an rückwärtsgerichteten KRS ist auch am europäischen Markt nicht
besonders groß und die Verfügbarkeit im Markt entspricht augenscheinlich der
Nachfrage.
Frage 3
und 4:
Welche
sonstigen nationalen und internationalen Studien zum Thema rückwärtsgerichtete
Kindersitze sind Ihnen bekannt?
Welche
Ergebnisse weisen diese Studien auf?
Antwort:
Da die
Wahl der Einbaurichtung eines der ältesten Themen in der Geschichte der
Kindersicherung ist, gibt es hierzu reichlich Literatur (z.B. die zahlreichen
Publikationen des renommierten schwedischen Experten Thomas Turbell).
Diese
schwedischen Studien belegen die anerkannten Vorteile bei schweren
Frontalkollisionen, insbesondere bei geringer seitlicher Ablenkung des
Fahrzeuges.
Die Nachteile,
insbesondere im Handling und in der täglichen Nutzung werden dabei
offensichtlich nicht so nachteilig dargestellt.
Fragen
5, 6 und 7:
Wie
viele Kinder starben im Jahr 2003 als MitfahrerInnen im Auto?
Wie
viel von Ihnen saßen korrekt gesichert im Kindersitz?
Was
waren die genauen Todesursachen dieser gesicherten, aber dennoch tödlich
verunglückten Kinder?
Antwort:
Im Jahr
2003 starben 20 Kinder als Mitfahrerinnen in einem PKW. Davon waren 9 Kinder
zum Zeitpunkt des Unfalles nicht gesichert. 11 Kinder waren in einem
Schutzsystem gesichert unterwegs.
Der
Anteil der tatsächlich korrekt gesicherten Kinder kann nachträglich nicht
erhoben werden, da der Nachweis einer korrekten Sicherung nur äußerst schwer
erbracht werden kann.
Die
genauen Todesursachen der laut Statistik gesicherten Kinder sind im Detail
nicht erhoben worden.
Frage
8:
Sind
Sie bereit, eine eigene Studie über die Schutzwirkung von Kindersitzen zu
initiieren?
Antwort:
Da es
bereits Studien zu diesem Thema gibt und die Schutzwirkung von KRS unbestritten
ist, halte ich eine eigene Studie über die Schutzwirkung von Kindersitzen nicht
für notwendig. Ich halte es für wichtiger darauf hinzuwirken, dass KRS auch
verwendet und Kinder nur entsprechend gesichert befördert werden.
Frage
9:
Welche
sonstigen Maßnahmen zu diesem Thema sind seitens Ihres Ministeriums geplant?
Antwort:
Vorweg
möchte ich zum Thema Kinderrückhaltesysteme insbesondere bezüglich der
Information in der Bevölkerung auf die bereits erzielten Erfolge hinweisen.
Seit
Jahren wurden vom Verkehrssicherheitsfonds zahlreiche Projekte und Kampagnen
gefördert, mitgetragen oder gänzlich finanziert. So z.B. Förderungsaktion für
den Verleih von Babyliegeschalen,
zahlreiche Medienkampagnen ("Danke Mami, Danke Papi", "Gurt Sei
Dank", "Hat´s
geklickt"- Ein Gurt ist wie eine Umarmung, etc.), Forschungsprojekte:
"Kindertaxi", "gebrauchte Kindersitze", "Beratungsqualität
beim Kindersitzkauf".
Aktuelle
Informationsangebote für Eltern gibt es auf der vom bmvit geförderten Homepage www.autokindersitz.at.
Weitere
Informationsmöglichkeiten sind die Kindersitzinformationsbroschüre "Sicher
unterwegs - Kindersicherheit im Auto“ oder der neue Folder "KinderSicher
im Auto", der in Kooperation mit dem Bundesministerium für Inneres bei
Schwerpunktkontrollen verteilt wird.
Österreich
hat europaweit eine der strengsten Gesetzgebungen für die Mitnahme von Kindern
in Fahrzeugen. Es soll daher verstärkt auf die Einhaltung dieser
Gesetzesvorgaben hingewirkt werden.
Weitere,
langfristig geplante Maßnahmen werden u.a. sein:
-
Schulungsprogramme für Multiplikatorinnen wie Hebammen, Kinderärzte,
Erzieherinnen,
Exekutive
und Verkaufsberaterinnen im Einzelhandel.
- Eine
weitere Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen im Einklang mit den
europäischen
Nachbarn.
-
Fernsehspots zum Thema Gurt und Kindersitz.
Frage
10:
Wären
Sie grundsätzlich bereit, dafür zu wirken, dass auch für Kinder über 15 Monate
rückwärtsgerichtete Kindersitze verstärkt angeboten werden?
Antwort:
Grundsätzlich
ist jede Maßnahme zur Verbesserung der Sicherheit von Kindern als Mitfahrer im
Auto zu unterstützen. Eine wesentliche Maßnahme ist sicherlich die Konsequenz
bei der Verwendung von Kinderrückhaltesystemen auf nahezu 100 % zu heben.
Darüber hinaus ist die korrekte Verwendung möglichst aktueller KRS besonders
wichtig.
Im
Bereich der Babyliegeschalen wäre hier durch Aufklärung der Bevölkerung und
auch der Multiplikatorinnen dahin zu wirken, dass moderne Babyliegeschalen, die
bereits bis 13 kg verwendet werden können, auch tatsächlich so lange wie
möglich verwendet werden. Eine realistische Verbesserung der Situation bei
Kleinkindern wäre dadurch zu erreichen, dass Eltern Kleinkinder zumindest so
lange in rückwärts gerichteten Kinderrückhaltesystemen transportieren bis diese
Kinder selbstständig frei sitzen können und nicht, wie oftmals üblich, die
Kinder schon zwischen dem 6. und 8. Lebensmonat in ein vorwärts gerichtetes
System gesetzt werden.
Die
weitere Verwendung von rückwärts gerichteten Systemen über den Normwert von 13
kg stellt derzeit - angesichts der vorgenannten Probleme - keine vordringliche
Aufgabe dar. Die in der Anfrage verwendete Altersangabe von 15 Monaten ist zu
ungenau, da bei der Kindersicherung im Auto nicht primär und ausschließlich das
Alter von Belang ist, sondern auch die physische Größe und das Körpergewicht
eines Kindes, welche nicht zwangsläufig mit seinem Lebensalter übereinstimmen.
Mit freundlichen Grüßen