2076/AB XXII. GP

Eingelangt am 29.10.2004
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

 

 

GZ. BMVIT-12.500/0002-I/CS3/2004     DVR:0000175

 

An den

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

Parlament

1017  Wien

                                                                                                              

Wien, am       . Oktober 2004

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2104/J-NR/2004 betreffend der Haltung der österreichischen Bundesregierung zur Patentierung von "Computerimplementierten Erfindungen" und geplanter Maßnahmen zur Minderung der Auswirkungen auf die benachteiligten österreichischen Unternehmen, die die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde am 31. August 2004 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Im Allgemeinen und zum Motiventeil der Anfrage:

In den EU-Mitgliedsstaaten sind bis dato einige zehntausend sogenannten „Softwarepatente“  erteilt worden.

 

Die angesprochene Richtlinie fordert im Einklang mit dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ), dass nur solche Softwareentwicklungen dem Patentschutz zugänglich sein dürfen, die einen technischen Beitrag leisten (EG 7, 10, 11, 12, 13a-d, Artikel 2b, 4, 4a).

 

Die erteilten Patente beruhen auf der Tatsache, das zwar Software als solche gemäß EPÜ nicht patentierbar ist, sehr wohl aber Software, die in einen technischen Kontext eingebettet ist. Die entsprechenden Patente sind  – falls sie die geforderte Technizität aufweisen –  gemäß den Gesetzen der Mitgliedsstaaten rechtsgültig erteilt, und werden  keinesfalls durch die Bestimmungen der Richtlinie „rückwirkend “ legalisiert.

 

Im Gegenteil wird durch die unmissverständliche Forderung nach einem technischen Beitrag die Argumentationsbasis für eine Nichtigkeitsklage gegen etwaig fehlerhaft erteilte Patente verbreitert  (z.B. Artikel 4, 4a. EG 11-13).

 

In den USA gibt es das Patentierungsverbot für Software nicht, sodass dort auch Geschäftsmethoden etc. patentiert werden dürfen.

Dies steht in schroffem Gegensatz zur Gesetzeslage in der EU.

Dieser Gegensatz soll gemäß der RL bestehen bleiben und wird bekräftigt (EG 7, sowie die Bestimmungen zum technischen Beitrag).

 

Die Richtlinie stärkt die Rechtssicherheit, indem sie keine neue Bestimmungen schafft, sondern die Verwaltungspraktiken der Mitgliedsstaaten harmonisiert und auf einem strengen, restriktiven Auslegungsniveau einfriert (EG 3, 7b, 10-15, Artikel 4, 4a, 5).

 

Handlungen gemäß der Urheberrechtsrichtlinie 91/250/EWG (z.B.reverse engineering, falls der source code nicht offengelegt wird) werden ausdrücklich als, auch gegen den Willen des Patentinhabers, zulässig bezeichnet. (Fußnote 1, Artikel 6, EG 18).

 

Schrankenlose Patentierbarkeit (wie beispielsweise in den USA) wird also nicht angestrebt und durch nichts in der Richtlinie begünstigt, sondern im Gegenteil die divergente Entwicklung der Verwaltungspraxis in den Mitgliedsstaaten in diese Richtung unterbunden.

 

Obwohl die Richtlinie die gegenwärtige Praxis nicht nur nicht ausweitet, sondern die Erteilungspraxis in restriktiver Weise harmonisiert, wird der Kommission eine umfangreiche Beobachtungspflicht hinsichtlich der Auswirkungen von Softwarepatenten besonders auf KMUs und die Open-Source-Bewegung auferlegt (Artikel 7 – 8a).

 

Die Behauptung, „schrankenlose“ Patentierung würde zugelassen ist laut meiner obigen Ausführungen als falsch zu bezeichnen.

Im Gegenteil, es wird eine diesbezügliche Entwicklung der Verwaltungspraxis unterbunden. Die Bekämpfung fehlerhaft erteilter Trivialpatente wird erleichtert.

 

Die Behauptung, dass „keine Technik beschrieben werden darf“ ist kontrafaktisch. Im Gegenteil, eine Anmeldung ohne technischen Beitrag ist gemäß der Richtlinie nicht patentierbar.

 

 „Trivialpatente“ sind in der Tat unerwünscht. Die Forderung nach Technizität erhöht hier die Anforderungen – im Gegensatz zur Rechtslage z.B. in den USA.

 

Die Richtlinie enthält jedenfalls nichts, was im Vergleich zum status quo die Erteilung von Softwarepatenten rechtlich begünstigen würde, noch erniedrigt sie die Anforderungen an deren Rechtsbeständigkeit. Im Gegenteil, die Grenzen der Patentierbarkeit werden bekräftigt.

 

Frage 1:

Wie weit werden die Kosten der Patentierung, da ja keinerlei praxisrelevante Prüfung durch das Patentamt erfolgen kann und muss, im Gegensatz zu herkömmlichen Patenten gesenkt?

 

Antwort:

Das Patentamt prüft auf Neuheit, erfinderischen Schritt und gewerbliche Anwendbarkeit. Wie bei allen Erfindungen muss die Technizität gegeben sein. Die Gebühren werden wie bei allen anderen Patenten berechnet.

Es gibt kein „Sonderpatentrecht für Softwarepatente“. Die Anforderungen an die Offenbarung und die technische Prüfung ist gleich wie in allen anderen Bereichen der Technik.

 

Frage 2:

Wie hoch ist das Steueraufkommen heimischer KMUs, insbesondere dessen Anteil am Bundeshaushalt im Vergleich zu jenen nichteuropäischen Unternehmen, die laut EPO-Statistik den überwiegenden Teil an Softwareanwendungen durch Softwarepatente für sich beanspruchen?

 

 

Antwort:

Diese Frage fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.

 

 

 

Fragen 3, 4 ,5, 7, 8 und 22:

Welche außerordentlichen finanziellen Hilfen sind für KMUs geplant, um unberechtigt erteilte Patente durch Einspruch oder Klage zu beseitigen?

 

Welche außerordentlichen finanziellen Hilfen sind für KMUs geplant, um während der Zeit dieser Einsprüche, in denen keine andere Geschäftstätigkeit ausgeübt werden kann, die Existenz der Betriebe zu erhalten?

 

Ist eine steuerliche Entlastung nicht entnommener Gewinne für KMUs geplant, damit diese das notwendige Kapital für Patentauseinandersetzungen langfristig aufbauen können?

 

Mit welchen Maßnahmen wird der Auswirkung auf dem Arbeitsmarkt durch aus dem Markt scheidende KMUs entgegengewirkt?

 

Mit welchen Maßnahmen wird der verringerten Steuerleistung der KMUs begegnet?

 

Antwort:

Zu den gegenständlichen Fragen darf ich auf die Anfragebeantwortung zur parlamentarischen Anfrage Nr. 2108/J des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit verweisen.

 

Frage 6:

Welche sonstigen Maßnahmen sind geplant, um den massiven Rechtsverlust und die Enteignung von KMUs und Anwendern auszugleichen?

 

Antwort:

Die Richtlinie erweitert die Patentierungsmöglichkeit im Vergleich zur gegenwärtigen Situation nicht, sondern bekräftigt – wie ich schon im Motiventeil der Anfrage ausgeführt habe - die Schranken der Erteilungspraxis.

Sie intendiert weder Rechtsverlust noch Enteignung der KMUs, und enthält auch keine diesbezüglichen Bestimmungen.

 

Frage 9:

Wie wird den Auswirkungen der Monopolstellungen durch Patente auf ganze Anwendungsklassen (Beispiel: EP 1304615, Internetbrowser in Fabriken anwenden) begegnet?

 

Antwort:

Softwarepatente schaffen, wie alle anderen Patente auch, ein negatives Ausschlussrecht und kein positives Benutzungsrecht des Patenteigners gegenüber der Öffentlichkeit. Ein ungebührlich großer Schutzumfang durch „Trivialpatente“ soll durch die Forderung nach Technizität und – wie bei allen Patenten – die Erfordernis einer ausreichenden Erfindungshöhe vermieden werden.

Die unmissverständliche Forderung der Richtlinie, dass ein technischer Beitrag vorhanden sein soll, leistet hiezu einen konstruktiven Beitrag. Die Durchsetzbarkeit eines an den Standards der Richtlinie gemessen ungenügenden Patentes wird erschwert.

 

Frage 10:

Wie und wann wird die Regierung die betroffenen Betriebe vom Verlust des Rechts auf unbehinderte Erstellung von Softwarelösungen unterrichten?

 

Antwort:

Die Richtlinie enthält keine Bestimmungen, die die Rechte von Betrieben in bezug auf die Erstellung von Softwarelösungen im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage einschränken.

Es tritt daher kein diesbezüglicher Rechtsverlust ein.

 

Frage 11:

Wie und wann wird die Regierung die Betriebe, welche Informationstechnologie verwenden, davon unterrichten, dass das Recht auf Wiederherstellung von Interoperabilität (UrhG) nur mehr eingeschränkt gelten wird. (Beispiel: EP0923011, EP1289226 Roboter mit Netzwerken verbinden)?

 

Antwort:

Die Richtlinie enthält keine Bestimmungen, die das Urheberrecht im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage einschränken.

Die Richtlinie stellt ausdrücklich die urheberrechtliche Zulässigkeit der für die Interoperabilität notwendigen Handlungen im Sinn der Artikel 5,6 der RL 91/250/EWG fest. Hierdurch festigt sie die rechtliche Position von Urheberrechtsinhabern.

 

Frage 12:

Gibt es Übergangsfristen, die den Schaden durch die bereits vom EPO erteilten und im Vertrauen auf das Patentübereinkommen von den österreichischen Betrieben als illegal ignorierten Patente vermindern?

 

Antwort:

Bereits erteilte Patente können jederzeit mittels Nichtigkeitsklage angefochten werden, falls Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies gilt auch für technische Softwarepatente.

Die Richtlinie verdeutlicht die gesetzlichen Grenzen der Patentierbarkeit und verbessert dadurch die Möglichkeit einer kritischen Überprüfung von Patenten auf computerimplementierte Erfindungen. Da sich keine neue Rechtssituation ergibt, ist weder die Möglichkeit noch die Notwendigkeit von Übergangsfristen gegeben.

 

Fragen 13 bis 20:

Welche Maßnahmen sind geplant, um das derzeitige eGovernment-Programm mit der Richtlinie vereinbar zu machen?

 

Wurden für die Anwendungen des eGovernment-Programms die erforderlichen Patentlizenzen bereits eingeholt? Wenn ja, in welchem Umfang?

 

Wie hoch sind derzeit die Kosten für die österreichische Regierung im eGovernment-Programm durch die Patente, die vom EPO beispielsweise auf das Betreiben von Websevern, browserbasierte Anwendungen, Zertifikate, die Idee "personenbezogene Karten" oder Microsoft Office Dateiformate erteilt wurden?

 

Wie hoch sind zukünftig die Kosten für die österreichische Regierung im eGovernment-Programm durch die Patente, die vom EPO beispielsweise auf das Betreiben von Webservern, browserbasierte Anwendungen, Zertifikate, die Idee "personenbezogene Karten" oder Microsoft Office Dateiformate erteilt wurden?

 

Planen die österreichischen Regierungsstellen selbst Patente auf Computeranwendungen durch Regierungsorganisationen anzumelden, um die selbständige Arbeitsfähigkeit ihrer Rechenzentren durch ein eigenes "Tauschportfolio" zu erhalten?

 

Werden die einzelnen Regierungsstellen und -rechenzentren angehalten, sich für eine weitere selbständige Softwareentwicklung notwendigen Patentportfolios selbst aufzubauen oder ist dafür eine zentrale Stelle geplant?

 

Wie hoch sind die (ggf. geschätzten) Kosten dieser Stelle?

 

Wie wird bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen die Notwendigkeit eines Patentportfolios des Anbieters zur juristischen Absicherung gelieferter Softwareanwendungen in den Vergabeprozess einfließen?

 

Antwort:

Zu den gegenständlichen Fragen darf ich auf die Anfragebeantwortung zur parlamentarischen Anfrage Nr. 2103/J des Herrn Bundeskanzlers verweisen.

 

Frage 21:

Wie wird der Unvorhersagbarkeit, Langwierigkeit und der Höhe üblicher Patentrechtsstreitigkeiten bei der Implementierung der Intellectual-Property-Enforcement-Richtlinie Rechnung getragen?

 

Antwort:

Diese Frage fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.

 

Frage 22:

Welche Maßnahmen plant die Regierung, um über die Verweigerung der Zustimmung zur Richtlinie im Wettbewerbsrat hinaus eine Beschlussfassung im Sinne der österreichischen Wirtschaft und der europäischen KMUs im Allgemeinen zu unterstützen?

 

Antwort:

Bei der Abstimmung über den Vorschlag für die gegenständliche Richtlinie am Rat für Wettbewerbsfähigkeit am 17./18. Mai 2004 hat sich Österreich der Stimme enthalten, um im Hinblick auf wichtige Fragen wie die Sicherstellung der Interoperabilität, der Erfindungshöhe und der Erfordernis des technischen Beitrags an der Formulierung eines noch deutlicher gefassten Textes mitzuwirken. Diese ungeklärten Fragen sind im Rahmen des weiteren europäischen Beschlussfassungsprozesses einer Klärung zuzuführen.

 

Frage 23:

Plant die Regierung, sich für die Beibehaltung der vom europäischen Parlament beschlossenen Abänderungen der Richtlinie, welche einen adäquaten Schutz einer Erfindung als Gesamtes und ohne die nachgewiesenen Nachteile unbeschränkter Patentierbarkeit realisiert, einzusetzen?

 

 

 

 

Antwort:

Die Bundesregierung unterstützt jene Maßnahmen auf europäischer Ebene, die einen adäquaten Schutz der Erfindung als Gesamtes sicher stellen und der Patentierbarkeit von Software dadurch Schranken auferlegen, dass ein technischer Beitrag geleistet werden muss.

 

Frage 24:

Durch welche Maßnahmen wird die Regierung sich für die Beibehaltung der vom europäischen Parlament beschlossenen Abänderungen einsetzen?

 

Antwort:

Die Bundesregierung wird jene Maßnahmen auf europäischer Ebene unterstützen, die zu mehr Rechtssicherheit führen und daher die Patentierung ausschließlich solcher Anmeldungen erlauben, die einen technischen Beitrag leisten, und über ausreichende Erfindungshöhe verfügen.

 

Frage 25:

Wie sind Stellungnahmen von Mitarbeitern des Patentamtes und/oder des Wirtschaftsministeriums, welche den Inhalt der Richtlinie auf eine Art und Weise wiedergeben, die dazu führt, dass ein sehr stark vom tatsächlichen Inhalt abweichender Eindruck entsteht, zu verstehen?

 

Antwort:

Das bmvit sieht sich verpflichtet einen offenen und auch kritischen Dialog sachlich und objektiv zu führen.

Dabei muss es allen Seiten unbenommen bleiben jene Standpunkte zu vertreten, die aus ihrer jeweiligen Sicht richtig und verantwortbar sind. Daraus abzuleiten, dass eine Gegenmeinung den Inhalt verfälscht, ist nicht legitim.

 

Frage 26:

Wie wird sich die Regierung verhalten, wenn die Richtlinie im EU-Parlament scheitert und der von Kommissar Bolkestein für diesen Fall angekündigte Versuch unternommen wird, denselben Rechtetransfer durch eine Änderung des Patentübereinkommens zu ermöglichen?

 

Antwort:

Die Bundesregierung wird sich wie bisher um das Zustandekommen einer ausgewogenen Richtlinie, die die österreichischen Interessen berücksichtigt, bemühen. Sollte eine Einigung auf einen Richtlinientext jedoch nicht möglich sein, wird die Reaktion der neu bestellten EU-Kommission abzuwarten sein, um die dann entstandene Situation neu zu bewerten.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Hubert Gorbach