2096/AB XXII. GP

Eingelangt am 12.11.2004
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0051-Pr 1/2004

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2137/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Notwendigkeit eines Anti-Stalking-Gesetzes“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 – 13:

Die in der Anfrage angeführten Formen des „Stalking“ stellen eine Form von psychischer Gewalt dar, die aus meiner Sicht nicht akzeptabel ist. Vom „Stalking“ betroffene Menschen bedürfen eines spezifischen Schutzes, der von Beratungs- und Betreuungstätigkeiten durch Interventionsstellen bis hin zu rechtlichen Maßnahmen reicht. Hier sind neben dem Bund auch die Länder gefordert.

Im Bundesministerium für Justiz werden seit einiger Zeit“ Überlegungen zum Phänomen „Stalking angestellt. Experten und Expertinnen aus dem Bereich des Bundesministeriums für Justiz waren auch an Initiativen der MA 57 beteiligt, etwa als Diskutant bei der internationalen Konferenz am 20. November 2003 mit dem Titel „Du entkommst mir nicht – Psychoterror – Formen, Auswirkungen und gesetzliche Möglichkeiten“ oder als Interviewpartner im Zuge der Konzeption des Forschungsberichtes „Psychoterror“.

Als Bundesministerin für Justiz kann ich hier nur auf die zivil- und strafrechtlichen Belange der Anfrage eingehen; für allenfalls notwendige Änderungen im Sicherheitspolizeirecht (siehe etwa Fragen 12 und 13) wäre der  Bundesminister für Inneres zuständig.

Zur Forderung nach einem Anti-Stalking-Gesetz oder einem Straftatbestand gegen fortgesetzte und gröbliche Belästigung ist zu sagen, dass derzeit noch nicht ausreichend beurteilt werden kann, ob es eines eigenen „Anti-Stalking-Gesetzes“ bzw. eines eigenen Straftatbestandes bedarf. Bereits jetzt gibt es aber in der österreichischen Rechtsordnung zahlreiche Möglichkeiten, dem  Phänomen „Stalking“ straf-, zivil- und/oder sicherheitspolizeirechtlich wirksam zu begegnen.

Das Strafrecht kann nicht lückenlos jedwede Unbill sanktionieren, die einem Menschen von einem anderen zugefügt worden ist. Der gesetzgeberische Einsatz von Strafrecht zum Schutz von Rechtsgütern ist wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit „ultima ratio“. Daher  sind im Bereich des gerichtlichen Strafrechtes viele Formen des „Stalkings“ erst bei Überschreitung der für das Einsetzen der gerichtlichen Strafbarkeit eingezogenen Erheblichkeitsschwellen erfasst.

Soweit mit einer rein psychischen Einwirkung ein Zustand mit Krankheitswert im medizinischen Sinn herbeigeführt wird, ist etwa die Zufügung von seelischen Leiden als Körperverletzung nach den §§ 83ff StGB zu ahnden. Im Fall einer glaubwürdigen Drohung in der Absicht, die bedrohte Person in begründete Furcht zu versetzen, greift die Bestimmung des § 107 StGB und ist ein sofortiges und rasches Einschreiten der Polizei möglich. § 107 StGB verlangt nicht, dass die Drohung ausdrücklich ausgesprochen wird. Es reicht, wenn sie sich implizit aus dem Verhalten der drohenden Person ergeben kann.

Im Fall von Psychoterror in der Form, dass Gegenstände des oder der Betroffenen beschädigt oder zerstört werden, greift § 125 StGB, der Sachbeschädigung unter Strafe stellt. Durch zahlreiche weitere Verhaltensweisen, mit denen häufig unter dem Begriff „Psychoterror“ zusammengefasste Beeinträchtigungen des Lebensbereiches des Opfers bzw. seiner Lebensqualität verbunden sind, kann überdies der Tatbestand von Delikten gegen die Ehre, die Freiheit, die Privatsphäre oder das Vermögen erfüllt sein, ohne dass es bereits zu Angriffen gegen Leib oder Leben gekommen sein muss (§§ 99, 105 f, 109, 111, 115, 118, 118a, 119, 119a, 120, 152 StGB).

Im Bereich des Zivilrechtes ist es zum Beispiel bereits jetzt möglich, gemäß § 16 ABGB auf Grund einer Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten gegen den „Stalking“-Täter vorzugehen. Generell kann ein Stalking-Opfer gegen den Täter mit Unterlassungs- und Schadenersatzklagen (und vorangehender einstweiliger Verfügungen) vorgehen. Der Anspruch auf Schadenersatz umfasst seit Anfang 2004, mit der Einführung des  § 1328a ABGB, bei erheblichen Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre auch den immateriellen Schaden, also eine Art von „Schmerzengeld“. Dieser Anspruch ist der Höhe nach nicht begrenzt, seine präventiven Auswirkungen sollten nicht unterschätzt werden. Auf Grund der Ausweitung des Gewaltschutzgesetzes mit der EO-Novelle 2003 ist es nun gemäß § 382b leg. cit. möglich, eine einstweilige Verfügung gegen „Gewalttäter“ (im weiten Sinn) aus dem Familienkreis - insbesondere gegen Ex-Gatten und Lebensgefährten -  zu erlassen, auch wenn sie schon längere Zeit nicht mehr mit der gefährdeten Person zusammengelebt haben.

Trotz der bereits vorhandenen, durchaus wirksamen gesetzlichen Möglichkeiten im Bereich des Zivil- und Strafrechts stehe ich freilich nicht an, allfällige Verbesserungen der Rechtslage in die Wege zu leiten und Rechtsschutzdefizite auszuräumen, wo dies im Interesse der Opfer ist. Die Schaffung darüber hinausgehender legislativer Vorkehrungen wird noch eingehender Diskussion mit Experten und Expertinnen bedürfen. Derzeit wird selbst in Fachkreisen noch intensiv darüber diskutiert,  in welchem Rechtsbereich – Straf-, Zivil-, bzw. auch Verwaltungsrecht – eine „Anti-Stalking-Regelung“ überhaupt angesiedelt werden soll. Letztlich sollte hier aber wohl danach entschieden werden, welcher Rechtsbereich dem Opfer den besseren Schutz gewährleistet. Auch sollte der Konnex mit dem Sicherheitspolizeirecht beachtet werden.

Auch im Bundesministerium für Justiz ist die interne Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen. Ein Gesetzesentwurf liegt daher zur Zeit nicht vor.

Zu 14:

Ja.

Zu 15:

Abgesehen vom bereits dargestellten gesetzlich gewährleisteten Rechtsschutz bietet die Justiz Hilfestellungen an den Amtstagen der Gerichte. So kann sich jedermann für eine unentgeltliche Rechtsauskunft zu einem konkreten Problem - sowohl in zivil- als auch in strafrechtlicher Hinsicht - im Zuständigkeitsbereich der Gerichte an ein Bezirksgericht wenden und eine rechtliche Auskunft einholen. Auch die Staatsanwaltschaften erteilen innerhalb ihres Aufgabenbereichs unentgeltliche Auskünfte. Auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz (www.bmj.gv.at) werden im Bereich „Service“ in den Rubriken „Rechtsauskünfte“ und „Linkliste Rechtsauskünfte“ weitergehende Informationen über Institutionen, die – zumeist –  unentgeltlich Rechtsauskünfte erteilen, bereitgestellt.

 

. November 2004

 

(Maga. Karin Miklautsch)