2128/AB XXII. GP

Eingelangt am 19.11.2004
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BM für Gesundheit und Frauen

Anfragebeantwortung

 

 

 

Herrn

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

Parlament

1017 Wien

 

 

 

GZ: 11.001/0152-I/A/3/2004

Wien, am      18. November 2004

 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 2165/J der Abgeordneten Mag. Maier und GenossInnen wie folgt:

 

Frage 1:

Das Marktpotential von Tissue Engineering-Produkte wird im einstelligen Prozentbereich der transplantierten Produkte angesiedelt.

 

Frage 2:

Seitens des ÖBIG wurden im Auftrag des Ressorts Erhebungen zu den folgenden Zellarten durchgeführt: Autologe Knorpelzellen, Hautzellen (Keratinozyten), Stammzellen, Inselzellen und Limbusstammzellen (im Bereich der Augenchirurgie). Aus Gesprächen mit Experten ist weiters bekannt, dass Muskelzellen transplantiert werden. Leberzellen (Hepatozyten) waren zum Zeitpunkt der Erhebungen (Ende 2003) noch nicht im Einsatz.

 

Frage 3:

Diese Produkte werden als Arzneimittel eingestuft und fallen daher unter das Arzneimittelgesetz sowie die Betriebsordnung.

 

Frage 4:

In einigen EU-Mitgliedsstaaten werden diese Produkte in speziellen Gesetzen geregelt, in anderen werden sie als Medizinprodukte eingestuft und in wieder anderen fallen sie unter keinerlei gesetzliche Regelungen.

 

Frage 5:

Firmen, die im engeren Sinne „Tissue Engineering“ betreiben und dafür eine Betriebsbewilligung gemäß Arzneimittelgesetz § 63 besitzen, sind:

IGOR in Wels, ARS ARTHRO in Krems, INNOVACELL in Innsbruck und LIFECORD in Graz.

 

Frage 6:

Die Anträge nach Arzneimittelgesetz § 63 zur Erlangung einer Betriebsbewilligung werden rasch behandelt und die Betreiber hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben kompetent beraten.

 

Frage 7:

Es wurden Arbeitsgruppen im ÖBIG eingerichtet, die spezielle Leitlinien auf dem Gebiet der Herstellung von Gewebe des Stützapparates (Knochen, Knorpel, osteochondrales Material, Sehnen, Ligamente u.ä.), Gewebe für die Augenchirurgie (Hornhaut, Sklera, Amnion) sowie Gewebe für die Herzchirurgie (Herzklappen, Gefäße, Patches) erarbeitet haben. Diese wurden in Form von Erlässen durch das Ressort veröffentlicht (GZ 22.321/0-VIII/D/21/02 vom 17. April 2002, GZ 22.321/1-VIII/D/21/02 vom 17. April 2002, GZ 22.321/2-VIII/D/21/02 vom 17. April 2002). Weiters wurde beim ÖBIG eine Arbeitsgruppe zur Erstellung von Leitlinien für die Herstellung von allogenen Hautpräparaten eingerichtet.

Die Länder sollen in Arbeitsgruppen beraten werden, insbesondere „Centres of Excellence“ zu schaffen, um die Qualität und die Sicherheit der Produkte und deren gezielte Anwendung zu gewährleisten.

 

Frage 8:

Speziell für „Tissue Engineering“ sind keine nationalen Regelungen anderer EU-Mitgliedsstaaten bekannt.

 

Frage 9:

Ein europäischer Rechtsrahmen für „Tissue Engineering“ wird seitens des Ressorts deshalb für notwendig erachtet, weil derzeit insbesondere autologe Hautzellen aber auch andere Zellen wie Knorpel zu Speziallabors in anderen EU-Mitgliedsstaaten oder auch in den USA und in anderen Ländern zur Vermehrung geschickt werden. Durch einen gemeinsamen Qualitätsstandard ist der Austausch dieser Produkte über Landesgrenzen hinweg hinsichtlich Sicherheit, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sowie Nachverfolgbarkeit gewährleistet. Im Sinne dieser Vorgabe sollte insbesondere ein definiertes Qualitätssystem etabliert werden, durch welches die Nachvollziehbarkeit, die Nachverfolgbarkeit, der Transport, die Lagerung, die Sicherheitsvorkehrungen hinsichtlich Herstellung und Kontrolle, die Selbstinspektion aber auch die Überwachung durch die zuständigen Behörden definiert und festgelegt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt wird hinsichtlich der Modalitäten der klinischen Prüfung zur Feststellung der Eignung der bestimmten Methoden, die eine entsprechenden Heilungserfolg für Patienten gewährleisten sollen, festgeschrieben werden. Die Vertreter des Ressorts werden sich in den entsprechenden Gremien dafür einsetzen, dass die Verfahren zur Zellvermehrung und Produktherstellung zugelassen werden und nicht die einzelnen Produkte. Insgesamt sollen damit die derzeit noch sehr hohen Kosten bei der Herstellung und Anwendung dieser Produkte minimiert werden, ohne die Sicherheit für den Patienten zu gefährden.

 

Frage 10:

Österreich wird die harmonisierte Rahmenregelung mit den unter Punkt 9. erläuterten Vorsätzen unterstützen.

 

Frage 11:

Das Bundesministerium für Gesundheit ist nicht für die Forschung auf dem Gewebesektor zuständig.

 

Frage 12:

Gewebe wird nach österreichischem Recht derzeit bereits als Arzneimittel eingestuft und hat damit den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes und der Betriebsordnung zu folgen. Weiters bestehen auf Basis des Arzneimittelgesetzes bereits Vorgaben für die Spendersicherheit und dem Patientenschutz in Form von Richtlinien betreffend Knochenbanken, Hornhautbanken, Homograftbanken. Eine Richt- bzw. Leitlinie für Haut wird im Jahr 2005 ausgearbeitet werden. Mitarbeiter meines Ressorts waren bei der Ausarbeitung dieser Richtlinien 2004/23/EG  maßgeblich beteiligt und werden jetzt auch der Kommission als Experten für die Erstellung der weiteren Kommissionsrichtlinie bzw. den Anhängen zu dieser Richtlinie herangezogen.

 

Frage 13:

Derzeit werden Gewebebanken bereits gemäß § 63 Arzneimittelgesetz einem Betriebsbewilligungsverfahren unterzogen. Um den Spenderbereich betreffende Regelungen umfassend gesetzlich verbindlich zu gestalten, wird in Anlehnung an das Blutsicherheitsgesetz ein Gewebesicherheitsgesetz verfasst werden. Dieses wird entsprechend den Vorgaben des Europäischen Rates spätestens im April 2006 in Kraft treten müssen.

 

Fragen 14 und 15:

Die RL 2004/23/EG bietet den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Möglichkeit, strengere Schutzvorschriften beizubehalten oder einzuführen, solange dies im Rahmen der Verträge (also im wesentlichen unter Beachtung der Grundfreiheiten) geschieht. Die diesbezüglichen Überlegungen, ob und in wie weit von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, sind in meinem Ressort noch nicht abgeschlossen.

 

Frage 16:

Das ÖBIG hat bereits im Auftrag des Ressorts Richt- bzw. Leitlinien erstellt. In diesen wurden bereits Meldeformulare entwickelt, die die Einhaltung der europäischen Datenschutzrichtlinie gewährleisten – zumindest für den Zu – und Abgang in den Gewebebanken. Diese Formulare sind bereits seit zwei Jahren erfolgreich im Einsatz. Derzeit wird die Rückverfolgbarkeit durch die Dokumentation in den vorgegebenen Formularen sowie durch die korrekte Kennzeichnung der Produkte gewährleistet. In Zukunft sollte ein Barcodesystem mit einem „global unique coding system“ diese Rückverfolgbarkeit europaweit vereinfachen.

 

Frage 17:

Gewebebanken sind verpflichtet, Zu- und Abgänge sowie den Verwurf von Gewebe zu dokumentieren. Für den Bereich der Knochen-, Hornhaut- und Herzklappenbanken ist dies auch bereits in den unter Punkt 7 erwähnten Leitlinien umgesetzt. Die Meldung kann sowohl mit dem in den Leitlinien (Anhang 1) beigestellten Formular oder elektronisch an das ÖBIG erfolgen. Das ÖBIG wertet die Daten aus und stellt sie den Meldungen seitens der transplantierenden Einrichtungen gegenüber.

 

Frage 18:

Vom Land Niederösterreich wurde eine non-for-profit-Firma unter dem Namen „Austrian Tissue bank“ (ATB) gegründet. Diese Firma hat den Auftrag, die Entnahme von Gewebe und Zellen in den Krankenanstalten entsprechend den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes zu organisieren, die Ärzte und die Entnahmeteams zu schulen und das entnommene Gewebe zur Bearbeitung an die Betriebe zu bringen, die über eine Bewilligung gemäß § 63 Arzneimittelgesetz verfügen. Die fertigen Produkte werden dann wieder über die ATB an die Krankenanstalten abgegeben. Es ist beabsichtigt, auch die anderen Bundesländer bzw. die Landesregierungen dieser Bundesländer dazu zu bewegen, sich diesem Konzept anzuschließen und Teilhaber der Gesellschaft werden. Damit wäre bundesweit sicher gestellt, dass für die Aufbringung von Gewebe in Österreich ausschließlich eine Firma ohne Gewinnorientierung verantwortlich wäre.

Grundsätzlich wird im Krankenanstaltengesetz festgelegt, dass Spenden von Geweben oder Organen jedenfalls nicht gewinnorientiert erfolgen dürfen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Maria Rauch-Kallat

Bundesministerin