2130/AB XXII. GP
Eingelangt am 19.11.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für
Justiz
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum
Nationalrat Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine
schriftliche Anfrage betreffend „eine dringend erforderliche Wei-
terentwicklung der Kriminaljustizstatistik" gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 2:
Auch im Bereich der Justiz zählt die Analyse der staatlich
gesetzten Maßnahmen zu
den wesentlichen Voraussetzungen einer sinnvollen und erfolgversprechenden Kri-
minalpolitik. Will diese (z.B. durch
legistische Maßnahmen) auf gesellschaftliche
Entwicklungen zeitnah und zielgerichtet reagieren, so ist die Weiterentwicklung
be-
stehender Instrumente zur
Beurteilung der Effektivität und Effizienz unabdingbar. Die
Anpassung der Kriminalstatistiken an
geänderten Informationsbedarf hat für mich
daher große Bedeutung.
Das vorhandene Datenmaterial ist auch nach meiner
Auffassung nicht in der Weise
integriert ist, wie es wünschenswert wäre. In meinem Ressort werden daher
Überle-
gungen in Richtung einer besseren
Integrierung angestellt, wobei es sich in Anbet-
racht der Komplexität der Materie um ein längerfristiges Projekt
handelt. Die Einbin-
dung der betroffenen Berufsgruppen und der
Wissenschaft ist dabei der Tradition
des Ressorts entsprechend
selbstverständlich.
In letzter Zeit sind insbesondere im
Bereich des Strafvollzuges, der bedingten Ent-
lassungen und der
Rückfälligkeit von Straftätern Projekte in Angriff genommen wor-
den, die ein genaueres Gesamtbild und wissenschaftlich besser verwertbare
Ergeb-
nisse hervorbringen
sollen. Dabei hat sich gezeigt, dass auch relativ kurzfristig Ver-
besserungen
dadurch möglich scheinen, dass die Möglichkeiten zur Datengewin-
nung aus bereits
bestehenden elektronischen Abfragesystemen (vor allem der Ver-
fahrensautomation Justiz sowie der
Integrierten Vollzugsverwaltung) optimiert wer-
den.
Zu 3 und 4:
Aus den Daten der
integrierten Vollzugsverwaltung (IVV) kann etwa ausgewertet
werden,
wie viele Personen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einer Strafhaft
entlassen wurden und
in der Folge bis einem bestimmten Zeitpunkt wieder in Straf-
haft genommen worden sind.
Rohdaten einer
solchen Wiederkehrstatistik bedürfen meines Erachtens jedenfalls
einer
(kriminalsoziologischen) wissenschaftlichen Aufarbeitung und Interpretation,
um Aussagen über die
Wirkungen von Strafen und deren Vollzug treffen zu können.
Dabei sind auch Fragen der Einschlägigkeit von neuerlichen Verurteilungen und
der
Schwere eines neuerlichen Deliktes sowie verschiedenste intermittierende
Faktoren
aus Bereichen außerhalb der Justiz zu berücksichtigen.
Bei den Überlegungen
über eine Neugestaltung des Sicherheitsberichtes werden
auch
diese Aspekte zu berücksichtigen sein.
Zu 5:
Beginnend mit der Diversionsstatistik für das 3. Quartal
2004 enthält die Diversions-
statistik nun auch eine Aufschlüsselung auf
einzelne betroffene Delikte sowie auf
Anbote der Diversion einschließlich der Statuseintragung „Diversion ohne
Erfolg".
Neben einer Gesamtübersicht steht eine
Untergliederung nach Jugendlichen, jungen
Erwachsenen und Erwachsenen zur
Verfügung. Ausgewiesen wird weiters die An-
zahl der Diversionsanbote nach sicherheitsbehördlichen Erhebungen, nach
gerichtli-
chen Vorerhebungen sowie nach gerichtlichen
Voruntersuchungen. Hier wurden
demnach wesentliche Fortschritte
erzielt.
Zu 6:
Die Gerichtliche Kriminalstatistik wird jährlich von der Statistik Austria verfasst und
enthält Daten über die Verurteiltenzahlen. Unabhängig davon existieren im Bundes-
ministerium für
Justiz Daten des Betrieblichen Informationssystems von Staatsan-
waltschaften
und Gerichten.
Die Möglichkeiten
einer allfälligen Zusammenführung dieser Daten mit jenen des
Bundesministeriums
für Inneres (Polizeiliche Kriminalstatistik) und der Gerichtlichen
Kriminalstatistik wird - auch unter Beiziehung von sozialwissenschaftlichen
Experten
-jedenfalls zu prüfen sein.
Dabei wird jedoch zu beachten sein, dass
trotz der durch die EDV wesentlich erwei-
terten Möglichkeiten stets danach zu trachten ist, eine vertretbare Balance
zwischen
dem Informationsbedarf einerseits und den Kosten und dem Arbeitsaufwand für die
Erfassung und Ermittlung von Daten andererseits
beizubehalten.
Zu 7:
Eine auf die Sprengel der vier
Oberlandesgerichte bezogene Analyse der Gerichtli-
chen Kriminalstatistik sowie der übrigen Statistiken im Justizbereich ist
sinnvoll und
im Zuge der
Weiterentwicklung der gerichtlichen Statistiken jedenfalls in Aussicht zu
nehmen. Eine regionale Differenzierung auf
Landesgerichtsebene kann in einigen
Bereichen (insbesondere in den Bereichen Diversion, bedingte Entlassungen und
Rückfall) ebenfalls von kriminalpolitischer Bedeutung sein, während eine
darüber hi-
nausgehende Gliederung nach
Bezirksgerichten nicht angestrebt wird und in einigen
Gerichtssprengeln auch aus datenschutzrechtlichen Gründen bedenklich
sein könn-
te.
Zu 8:
Den anfragenden Abgeordneten ist zuzustimmen, dass die
Strafverfolgung ein Pro-
zess ist, der sich meist über mehrere
Verfahrensstadien hinweg bewegt. Je nach
Fragestellung kann dabei auch das statistische Datenmaterial zu einem konkreten
Verfahrensabschnitt Auskunft über die Praxis und bestimmte Entwicklungen
in die-
sem Bereich geben. Die Aussagekraft der
einzelnen Statistiken hängt somit nicht
zwingend davon ab, dass auch alle übrigen Verfahrensschritte vollständig und
ein-
heitlich statistisch erfasst sind.
Ein Gesamtüberblick über das
staatliche Handeln im Bereich der Strafrechtspflege
kann
freilich nur bei Darstellung sämtlicher polizeilichen, staatsanwaltschaftlichen
und
gerichtlichen Erledigungsformen - gegebenenfalls unter Einbeziehung der Jus-
tizanstalten
- gegeben werden. Derart umfassende Statistiken bedürften - die voll-
ständige elektronische Abrufbarkeit
sämtlicher Daten und die entsprechenden finan-
ziellen und personellen Ressourcen
vorausgesetzt - einer längerfristigen Planung
und Umsetzungszeit.
Zu 9:
Das Vorgehen der staatsanwaltschaftlichen Behörden und der
Gerichte wird umfas-
senden Dokumentationen und Prüfungen unterworfen. Ein Vergleich der dem Justiz-
ressort zustehenden budgetären Mittel und der Erledigungen im
staatsanwaltschaft-
lichen und richterlichen Bereich zeigt, dass
schon jetzt im Bereich der Justiz ein
„vernünftiges Ressourcenmanagement" herrscht. Die Strafrechtspflege
kann jedoch
nur eingeschränkt in Form einer einfachen „Kosten-Nutzen-Analyse"
betrieben wer-
den, weil die vielfältigen
kriminalpolitischen Ziele mitunter einen sehr hohen Res-
sourcen- und Kosteneinsatz rechtfertigen können, der zu seinem Nutzen
nicht in be-
triebswirtschaftlichem Sinn in Relation
gesetzt werden kann. Dennoch zählt die Er-
reichung der bestmöglichen spezial-
und generalpräventiven Wirkung des Straf-
rechts unter Bedachtnahme auf den
optimalen Einsatz der vorhandenen Mittel zu
meinen wichtigsten justizpolitischen Anliegen, das nicht zuletzt unter
Zuhilfenahme
statistischer Auswertungen erreicht werden
soll.
Zu 10:
Daten etwa aus dem Betrieblichen
Informationssystem der Justiz sowie aus der Ver-
fahrensautomation der
Justiz stehen grundsätzlich organisationsbezogen zur Verfü-
gung. Sie können auf einzelne Gerichte sowie die Sprengel von Landes- und Ober-
landesgerichten und den Bund aggregiert
werden.
Zu 11 und 12:
Auf Grund der
gesetzlichen Vorgaben für den Inhalt des Sicherheitsberichtes (vgl.
§ 93 Abs. 2
SicherheitspolizeiG) und der vom Bundesministerium für Justiz darüber
hinaus zur Verfügung gestellten Daten aus
den unterschiedlichsten Bereichen der
Strafrechtspflege erachte ich eine völlige Integrierung der Teile des
Bundesministe-
riums für Justiz und des Bundesministeriums
für Inneres nicht für sinnvoll; eine sol-
che würde nicht notwendig zu einer
übersichtlicheren Aufbereitung der Informationen
führen. Eine bessere Abstimmung der beide Ministerien gleichermaßen
betreffenden
Bereiche wäre jedoch ebenso wünschenswert wie eine inhaltliche
Überarbeitung der
im Bericht aufbereiteten Daten. Eine Reform
des Sicherheitsberichtes kann jeden-
falls nur in enger Zusammenarbeit mit
dem Bundesministerium für Inneres verwirk-
licht werden, Grundlage einer
Neugestaltung des Sicherheitsberichtes werden daher
auch Gespräche zwischen den beiden Ressorts sein.
Zu 13:
Auch ich bin der Ansicht, dass fundierte
statistische Auswertungen justizieller Daten
einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung
und Vermeidung von Kriminalität leisten
können und zu einer verbesserten Beurteilbarkeit der kriminalpolitischen
Situation in
Österreich führen. Im Übrigen wird auf die
Beantwortungen zu 1, 2 und 9 verwiesen.