2208/AB XXII. GP

Eingelangt am 21.12.2004
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

GZ. BMVIT-10.000/0014-I/CS3/2004     DVR:0000175

 

 

An den

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

Parlament

1017  Wien

 

 

 Wien,       . Dezember 2004

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2229/J-NR/2004 betreffend Pensionsangebote an MitarbeiterInnen der ÖBB bei gleichzeitigen unproduktiven Bauinvestitionen, die die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde am 22. Oktober 2004 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Fragen 1 bis 6:

Wie beurteilen Sie angesichts der von Ihnen vorangetriebenen Harmonisierung der Pensionen die Vorgangsweise des ÖBB-Managements, MitarbeiterInnen die Frühpensionierung nahezulegen?

 

In welcher Form werden Sie als Eigentümer-Vertreter darauf dringen, dass in den ÖBB keinerlei Pressionen des Managements in Richtung Frühpensionierung erfolgen?

 

In welcher Höhe würden eventuelle Frühpensionen von 4000 ÖBB-MitarbeiterInnen das allgemeine Pensionssystem belasten?

 

Wie beurteilen Sie diese beabsichtigte "Bilanzkosmetik" der ÖBB angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung zugleich darauf dringt, die Lebensarbeitszeit der ÖsterreicherInnen zu verlängern?

 

Aus welchen Gründen verzichten Sie auf die Option, darauf zu dringen, dass die ÖBB ihre Geschäftsfelder aktiviert und erweitert, damit die Beschäftigten neue Tätigkeitsfelder erhalten?

 

Gerade die ÖBB-Werkstätten wären in der Lage, zusätzliche Leistungen für die österreichische Wirtschaft zu erbringen: Aus welchen Gründen wird darauf verzichtet?

 

Antwort:

Von Seiten des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie muss grundsätzlich festgestellt werden, dass das Unternehmen ÖBB mit dem Bundesbahngesetz (BBG 92) ab 1.1.1993 hinsichtlich seines Absatzbereiches, also des Personen- und Güterverkehres, in die wirtschaftliche Unabhängigkeit entlassen worden ist. Aufgrund der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen des § 1 BBG 92 obliegt daher unter anderem der kaufmännischer Bereich dem Management der ÖBB.

 

Einflussnahmen durch den Verkehrsminister sind daher nicht möglich. Das ehemals weit gefasste Weisungsrecht des Bundesministers ist gemäß § 12 BBG 92 auf allgemeine verkehrspolitische Grundsatzweisungen und auf Anweisungen im Katastrophenfall eingeschränkt worden. Durch das Bundesbahnstrukturgesetz 2003 und die nunmehrige ÖBB-Holding AG ändert sich daran nichts.

 

Aus Unternehmenssicht stellt die Anwendung der Frühpensionierung eine legale Möglichkeit dar. Über den Umfang ihrer Anwendung beziehungsweise Nichtanwendung entscheiden die Organe der Gesellschaft.

Bezüglich der politischen Meinung der Regierung verweise ich auf meine Aussagen in der diesbezüglichen ZIB 2.

 

Weiters darf ich Ihnen - nach den mir vorliegenden Informationen der ÖBB - mitteilen, dass die Möglichkeit einer Frühpensionierung nur bei Vorliegen bestimmter inhaltlich normierter Voraussetzungen möglich ist. Es steht somit nicht im Belieben des ÖBB-Managements nach willkürlichen Gesichtspunkten Frühpensionierungen durchzuführen.

Vielmehr ist eine Reihe von sachlichen Kriterien nachvollziehbar zu erfüllen und nur dann kann eine Frühpensionierung in Betracht gezogen werden. Pressionen des ÖBB-Managements können die Erfüllung der notwendigen Kriterien nicht ersetzen, sodass rein willkürlich Pensionierungen jedenfalls ausgeschlossen werden können.

 

Desweiteren weisen die ÖBB den Vorwurf der „Bilanzkosmetik“ vehement zurück. Es liegen keine Hinweise vor, dass die Entscheidungsträger der ÖBB gesetzwidrige Handlungen, insbesondere den Rechnungslegungsbestimmungen zuwider, durchführen.

 

Frage 7:

Warum werden alle vorhandenen Finanzmittel in den Neubau großer Infrastrukturen umgeleitet, anstatt bestehende Strecken auszubauen (z.B. Linz-Wels, Güterzugumfahrung St. Pölten, Semmering-Bestandsstrecken, etc.), auf denen z.B. der ÖBB-Güterverkehr rasch zusätzliche Einnahmen lukrieren könnte, was schließlich auch die Zahl und Attraktivität der damit zusammenhängenden Arbeitsplätze steigern würde?

 

Antwort:

Es ist selbstverständlich, dass Erhaltung und Erneuerung der Eisenbahninfrastruktur laufend durchgeführt werden müssen. Daher wird auch deren Finanzierung konsequent sicher gestellt. Da die hierfür erforderlichen Finanzmittel bekanntlich nicht unbeträchtlich sind, ist es falsch, von einer „Umleitung aller vorhandenen Finanzmittel“ zu sprechen.

 

Ein attraktiver Schienenverkehr kann nicht nur auf über 100 Jahre alten Bahntrassen abgewickelt werden. Der Ausbau der Schieneninfrastruktur wird daher von allen politischen Parteien seit Jahren gefordert. In der konkreten Umsetzung dieser Ziele erweist es sich oft aus topographischen Gründen als zielführend, in neue entsprechend zeitgemäß gestaltete Abschnitte zu investieren, wenn ein Ausbau der bestehenden Strecke zu aufwändig wäre und keine entsprechende Kosten-Nutzen-Relation erbringen würde bzw. nicht auch die mittelfristig erforderlichen zusätzlichen Kapazitäten erbringen könnte. Deshalb und weil das Schienennetz jedenfalls derzeit noch zusätzlichen Güterverkehr aufnehmen könnte, bedauere ich, Ihrer Argumentation nicht folgen zu können.

 

Wo es möglich ist, erfolgt der Streckenausbau zur Kapazitäts- und Qualitätsanhebung weitgehend bestandsnah (z. B.: Knoten Rohr – Ybbs, Amstetten – St. Peter - Seitenstetten). Wenn ein bestandsnaher Ausbau nicht umsetzbar ist und/oder neue Erreichbarkeiten erzielbar sind, werden Teilstrecken neu gebaut.

 

Frage 8:

Warum werden Verbindungen zu Ziel-1-Gebieten nicht ausgebaut, obwohl es dafür EU-Kofinanzierungen gäbe? Laut Generalverkehrsplan werden nur Binnen-Verbindungen ausgebaut. Österreich verzichtet also freiwillig auf Förderungen. Wie rechtfertigen Sie diese Entscheidungen?

 

Antwort:

Die Behauptung, dass der Generalverkehrsplan Österreich 2002 (GVP-Ö) nur Binnen-Verbindungen enthalte, ist nicht nachvollziehbar. Das Gegenteil ist richtig, wie man sich leicht überzeugen kann: abgesehen von den internationalen Verbindungen Brennerachse und Salzburg-Freilassing, Wels – Passau etc. sind alle wesentlichen Eisenbahnverbindungen zu den nunmehrigen Ziel-1-Gebieten der neuen Mitgliedsstaaten der EU aufgenommen worden.

 

Dazu zählen insbesondere die Summerauerbahn, die Nordbahn, der weitere Ausbau Wien-Bratislava, die Flughafenanbindung zur Ostbahn (und damit nach Bratislava und Ungarn), die Pottendorfer Linie und der Ausbau nach Sopron, Sopron – Szombathely, die Grazer Ostbahn, (Graz-) Werndorf – Spielfeld (-Maribor) und (Villach-) Gödersdorf –  Rosenbach – Karawankentunnel. Da damit alle bedeutenden Strecken zu den neuen Mitgliedsstaaten der EU erfasst sind und überdies mehrere Planungen bereits mit entsprechenden EU-Förderungen laufen, trifft Ihre Frage ins Leere.

 

Frage 9:

Der exzessive Neubau erhöht den Zinsendienst der ÖBB dramatisch, verbessert den Kundennutzen aber zumeist nur marginal, weil bestehende Engpässe und Langsamfahrstellen bestehen bleiben. Wie soll die Bahn die nötigen Kapitalaufnahmen jemals zurückzahlen, wenn sie nicht einmal den Zinsendienst bedienen kann?

 

Antwort:

Im Hinblick darauf, dass die Frage auf die Finanzierung der Infrastrukturbaumaßnahmen abzielt, darf ich bemerken, dass durch die gemäß Bundesbahnstrukturgesetz 2003 getätigte Reform mittelfristig eine Veränderung bezüglich der Ausgaben der ÖBB, hin zu Einsparungen, erreicht werden wird. Dementsprechend sollte es möglich sein, jene Bundesmittel, welche derzeit in die ÖBB Betriebs AG fließen, auch für die ÖBB Bau AG einzusetzen und die notwendige Fremdkapitalaufnahme zu reduzieren. In der Übergangsphase, die jedenfalls in den Jahren 2005 und 2006 gegeben ist und in welcher die Umstrukturierungsvorgaben umgesetzt werden müssen, kann die Fremdmittelaufnahme ohne Einstellung von Projekten nicht auf null reduziert werden. Daher ist in diesem Zeitraum eine Verschuldung der ÖBB in der bisherigen durchschnittlichen Jahresquote zu erwarten. Dieser Verschuldung gegen zu rechnen sind jedoch die Einnahmen aus der Immobilienverwertung und aus den Kraftwerken sowie der Verpachtung der Infrastruktur an die ÖBB Betriebs AG.

Die Erwartung, dass sich der Kundennutzen bereits während der Bauzeit von Neubaustrecken verbessert, kann nicht nachvollzogen werden, nachdem gerade Baumaßnahmen nicht ohne Behinderungen im normalen Verkehr möglich sind. Nach Abschluss der Baumaßnahmen ist hingegen der Kundennutzen umso deutlicher bemerkbar, wenn Langsamfahrstellen und Engpassstellen beseitigt werden konnten und die Züge deutlich schneller werden.

 

 

 

 

Frage 10:

Nach welchen verkehrsplanerischen Kriterien werden die Entscheidungen für den Streckenaus- und Neubau und die diesbezüglichen Prioritäten gefällt?

 

Antwort:

Der Streckenausbau und -neubau erfolgt auf Basis des Generalverkehrsplanes (GVP) und den diesem zu Grunde liegenden Prognosen und Vorschauen, nach Maßgabe der verfügbaren finan- ziellen Mittel.

 

Im Zuge eines Planungsprozesses wird untersucht, ob ein Ausbau einer Bestandsstrecke technisch möglich und wirtschaftlich zweckmäßig ist. Die Ausbau- und Neubau-Varianten werden einem Trassenauswahlverfahren unterzogen, in dem die Betroffenen mitwirken und insbesondere alle Umweltgesichtpunkte eingehend erörtert und abgewogen werden. Dabei stellt sich häufig heraus, dass an Stelle eines aufwändigen, bestandsnahen Ausbaus – der oft bestehende Siedlungsgebiete stark beeinträchtigen würde – ein Neubau oftmals zielführender ist.

 

Vorrangig fertiggestellt sollen jene Projekte werden, welche bereits in Bau bzw. baureif sind sowie, welche, die den größtmöglichen betriebs- und volkswirtschaftlichen Nutzen im Netzzusammenhang stiften. Hierzu zählen insbesondere die Fertigstellung des viergleisigen Ausbaus der Westbahn, der viergleisige Ausbau im Unterinntal und der Bau der Koralmbahn. Weiters fließen auch erhebliche Mittel in die Erneuerung des Fahrwegs und der Sicherungsanlagen, um den qualitativen und sicherheitstechnischen Anforderungen des modernen Eisenbahnverkehrs bei gleichzeitiger Rationalisierung der Betriebsabläufe gerecht zu werden.

 

Frage 11:

Wie hoch sind die zum Stichtag 21. Oktober 2004 tatsächlich getätigten Investitionen für den Lainzer Tunnel? Wie viele Bauabschnitte wurden per Verordnung wann tatsächlich übertragen? Warum wird beim dritten Bauabschnitt nicht die finanziell wesentlich günstigere Variante eines reinen Güterverkehrstunnels gewählt, welche die Anrainer deutlich entlasten würde, extrem teure Sicherheitsauflagen aber entbehrlich machen würde?

 

Antwort:

Die gesamten Projektkosten für den „Lainzer Tunnel“ (Verbindungsstrecke zwischen West-, Süd-

und Donauländebahn) betragen 1.095 Mio.  (gemäß Finanzplan Mai 2004, Preisbasis 01.01.2003). Die Summe aller Aufträge mit Stichtag 21.10.2004 beträgt 448 Mio. , davon sind 339  Mio.  abgerechnet. Die Summe der Aufträge die 2005 ergehen werden, beträgt rd. 200 Mio. .

 

Die Verbindungsstrecke zwischen West-, Süd- und Donauländebahn (Lainzer Tunnel)“ wurde der HL-AG am 23.02.1990 zur Planung (BGBl 107/1990) und am 27.08.1996 zum Bau (BGBl 450/1996) übertragen.

Es liegen die eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungen für den Abschnitt 1 „Einbindung Südbahn“ vom 28.07.1997, den Abschnitt 3 „Verbindungstunnel“ vom 14.09.2004 und Abschnitt 4 „Verknüpfung Westbahn“ vom 10.06.2001 vor. Ausständig ist lediglich die Genehmigung für den Abschnitt 2 „Anbindung Donauländebahn“.

Gemäß Stellungnahme der ÖBB-Netzplanung Wien widerspricht eine Variante eines reinen Güterverkehrstunnels den Nutzungsabsichten des Lainzer Tunnels und wird deshalb abgelehnt.

Im Betriebskonzept sind für den 3. Abschnitt „Verbindungstunnel“ 90% Güterzüge (vom bzw. zum Zentralverschiebebahnhof) und 10% Personenzüge (vom bzw. zum „Bahnhof-Wien“) vorgesehen. Die Entlastung der Anrainer der Verbindungsbahn von den Erschütterungs- und Lärmbelastungen des Güterzugverkehrs, der insbesondere nachts abgewickelt werden muss, weil die Verbindungsbahn auch dem S-Bahn-Verkehr dient, ist durch den geplanten Tunnel für Mischverkehr selbstverständlich gegeben.

Die vorgesehenen baulichen Sicherheitsmaßnahmen des Lainzer Tunnels dienen sowohl dem Personenschutz (Zugpassagiere, Betriebspersonal) als auch dem Objektschutz (Tunnelbauwerk, Objekte Dritter an der Oberfläche) und wären deshalb auch bei einem „reinen Güterverkehrstunnel“ vorzusehen. Diese Sicherheitsmaßnahmen und auch das gesamte Sicherheitskonzept wurden in enger Abstimmung mit der MA 68 (Feuerwehr- und Katastrophenschutz) festgelegt. Insbesondere durch die Anordnung und Gestaltung der Sicherheitsausstiege kann die MA 68 erforderlichenfalls innerhalb kürzestmöglicher Zeit jeden Einsatzort im Tunnel erreichen und effiziente Maßnahmen zur Rettung von Personen und zur Minimierung von Schadensauswirkungen ergreifen. Die baulichen Sicherheitsmaßnahmen wären deshalb auch im Fall eines „reinen Güterverkehrstunnels“  keinesfalls entbehrlich.

 

Mit freundlichen Grüßen