2220/AB XXII. GP

Eingelangt am 22.12.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

Anfragebeantwortung

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen
vom 4. November 2004, Nr. 2242/J, betreffend Finanzierung und Umsetzung des europäi-
schen Schutzgebietsprogramms Natura 2000, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

Zu den Fragen 1 und 2:

Die Umsetzung der beiden EU-Naturschutz-Richtlinien, der RL 92/43/EG und der RL
79/409/EWG fällt gemäß der Kompetenzregelung in der österreichischen Bundesverfassung in
Gesetzgebung und Vollziehung in den Aufgabenbereich der Länder. Aufgrund dieser eindeuti-
gen Kompetenzlage ist auch die Einrichtung des Natura 2000 Netzwerkes in Österreich sowie
die rechtliche Implementierung der Bestimmungen dieser beiden Richtlinien in die relevanten
Gesetze (Ländergesetze im Bereich Naturschutz, Jagd, Fischerei) im ausschließlichen Kom-
petenzbereich der Länder, ausgenommen innerhalb der Grenzen des Art. 23d Abs. 5 B-VG.

Gleichwohl ist das BMLFUW durch die regelmäßige Abhaltung der Natura 2000-Plattform be-
müht, den Ländern ein Koordinierungsgremium zu bieten und die Länder bei der Implementie-
rung der rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Anforderungen von Natura 2000 zu


unterstützen. Rechtliche Implementierungen in Bundesnormen sind jedenfalls nicht vorgese-
hen.

Zu den Fragen 3 bis 8:

Der Nominierungsprozess für Natura 2000 Gebiete auf europäischer Ebene hat in allen Mit-
gliedstaaten weit mehr Zeit in Anspruch genommen als es ursprünglich von Seiten der Kom-
mission geplant gewesen war.

Gemäß Art. 4 Abs. 3 der RL 92/43 hätte die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeu-
tung bereits sechs Jahre nach Bekanntgabe der Richtlinie, also 1998, erfolgen müssen. Tat-
sächlich wurde die ursprünglich als Gesamtliste aller biogeographischen Regionen konzipierte
Liste durch den Prozess der so genannten biogeographischen Seminare nach Regionen (alpi-
ne, mediterrane, atlantische, makaronesische, kontinentale und boreale) gesplittet, so dass die
erste für Österreich relevante Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung, nämlich
die der alpinen biogeographischen Region, erst Ende des Jahres 2003 von der Europäischen
Kommission veröffentlicht wurde.

Die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen Region ist noch
nicht fertig gestellt.

Der gesamte Zeitplan, nach dem im Jahr 2004 alle Gebiete in allen Mitgliedstaaten zu Beson-
deren Schutzgebieten erklärt sein müssten, ist somit bereits durch die Verzögerungen auf EU-
Ebene hinfällig.

Die bereits bekannt gegebene Liste der Gebiete in der alpinen Region enthält für Österreich
einige Habitate, die durch die bereits durchgeführten Gebietsnominierungen nicht oder unzu-
reichend abgedeckt sind (so genannte „reserves"). Es sind dies die Lebensräume mit den Co-
denummern 3230, 6210, 6410, 6520, 7220, 8130, 9110 und 9180 gemäß Interpretationshand-
buch zu Anhang II der RL 92/43.


Nachdem die Entscheidung der Europäischen Kommission zu den Gebieten in der kontinenta-
len Region noch nicht veröffentlicht wurde, sind auch die „reserves" für Österreich noch nicht
bekannt.

Die Nachnominierung von geeigneten Gebieten bzw. eine etwaige Erweiterung von bereits
nominierten Gebieten zur Abdeckung der „reserves" in der alpinen Region obliegt allein den
Ländern.

Zu den Fragen 9 und 10:

Die für die Novellierung der relevanten Gesetze zuständigen Länder haben neue rechtliche
Bestimmungen im Bereich des Naturschutzes, der Jagd und der Fischerei erlassen.

Die Europäische Kommission hat auf Grund des Ergebnisses ihrer Beurteilung dieser Geset-
zes- und Verordnungsnovellen zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich in die
Wege geleitet. Die beiden Verfahren, Nr. 99/2173 und 99/2174, haben die aus Kommissions-
sicht unzureichende Umsetzung der beiden RL 79/409 und 92/43 zum Inhalt.

Zu den Fragen 11 und 12:

Gemäß Art. 6 Abs. 1 der RL 92/43 können, falls im gegebenen Fall notwendig, für einzelne
Gebiete Managementpläne erstellt werden.

Die zuständigen Länder haben für einige Gebiete bereits solche Pläne ausgearbeitet bzw. sind
gerade dabei, solche Pläne zu erstellen.

Eine Aufstellung der Gebiete, für die im jeweiligen Bundesland ein Managementplan in Ausar-
beitung ist bzw. abgeschlossen wurde, liegt meinem Haus derzeit nicht vor.


Zu den Fragen 13 und 14:

Wie bereits in Beantwortung der Fragen 3 bis 8 ausgeführt, sind in der Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung in der alpinen Region für Österreich einige Habitate angeführt,
die durch die bereits durchgeführten Gebietsnominierungen nicht oder unzureichend abge-
deckt sind.

Die „reserves" für die kontinentale biogeographische Region sind, nachdem die Entscheidung
der Europäischen Kommission zu den Gebieten in der kontinentalen Region noch nicht veröf-
fentlicht wurde, noch nicht bekannt.

Die Länder haben die Entscheidungen zu treffen, welche geeigneten Gebiete bzw. welche
etwaigen Erweiterungen von bereits nominierten Gebieten zur Abdeckung der „reserves" in der
alpinen Region geeignet sind.

Die Nominierung von Vogelschutzgebieten ist Gegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens
Nr. 99/2115, das sich im Stadium des Mahnschreibens befindet. Die Bundesländer sind ge-
genwärtig mit der Erarbeitung einer teilweise neuen Gebietskulisse beschäftigt.

Zu den Fragen 15 bis 17:

Die in der österreichischen Bundesverfassung derzeit normierten Kompetenzverteilungen zwi-
schen Bund und Ländern wurden im Rahmen der Diskussionen im Österreich-Konvent von
verschiedenen Seiten thematisiert. Der Konvent hat seine Arbeit noch nicht abgeschlossen, so
dass derzeit auch noch keine Ergebnisse dieser Beratungen vorliegen.

Zu den Fragen 18 bis 20:

Meinen Informationen zufolge haben die Länder einige Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich
mit dieser Thematik auseinandersetzen. Ziel ist es, zu einer fachlich abgestimmten Vorgangs-
weise zu kommen.


Zu Frage 21:

Zurzeit sind folgende Vertragsverletzungsverfahren anhängig:

1. Stufe:

Nr. 98/4442: (RL 79/409/EWG) Kormoran- und Graureiherjagd in Salzburg und Waldvogelfang
in Oberösterreich; Mahnschreiben, ruhendes Verfahren.

Nr. 99/4459: (RL 79/409/EWG, 92/43/EWG) Umsetzung des Urteils des EuGH in der Rs. C-
209/02 (Golfplatzerweiterung Wörschach, Steiermark); Mahnschreiben.

Nr. 99/2115: (RL 79/409/EWG) Umsetzung von Art. 4 der RL - Ausweisung bzw. Abgrenzung
von besonderen Schutzgebieten; ergänzendes Mahnschreiben.

Nr. 02/5369: (RL 85/337/EWG, RL 92/43/EWG); Ausbau der Drautalbundesstraße, Natura
2000 Gebiet „Obere Drau" (Kärnten); Mahnschreiben.

3. Stufe:

Nr. 99/2173: unvollständige rechtliche Umsetzung der RL 79/409/EWG; Beschluss der EK zur
Klageerhebung (noch keine Klageschrift).

Nr. 99/2174: unvollständige rechtliche Umsetzung der RL 92/43/EWG; Beschluss der EK zur
Klageerhebung (noch keine Klageschrift).

Rs. C-209/04 (vormalig VVV-Nr. 01/4159) betreffend mangelhafte Ausweisung des IBA „Laute-
racher Rieds" (Vorarlberg) als besonderes Schutzgebiet nach Art. 4 der RL 79/409/EWG und
Bedrohung des „Lauteracher Rieds" durch Straßenbauvorhaben sowie diverse Tätigkeiten;
Klage vor dem EuGH.


Zu den Fragen 22 bis 26:

Die von der Europäischen Kommission bereits angekündigten Klagsschriften sind bis dato
noch nicht eingelangt.

In den laufenden Verfahren stellen die Länder ihre Position zu den im Einzelnen kritisierten
Punkten dar. Die Koordinierung wird durch das BKA-Verfassungsdienst wahrgenommen.

Nachdem die demokratische Möglichkeit einer Beschwerde bei der Europäischen Kommission
jedem EU-Bürger und jeder EU-Bürgerin offen steht, ist es auch nicht möglich, Verfahren „von
vornherein" abzuwenden.

Zu den Fragen 27 bis 29:

Im Zuge einer Kostenerhebung durch die Europäische Kommission haben die Experten der
Länder im Jahr 2003 eine erste Grobabschätzung der zu erwartenden Kosten für das Natura
2000 Netzwerk durchgeführt. Diese Schätzung belief sich auf 181 Mio. € im Jahr.

Eine eigene Kostenabschätzung des Bundes existiert aufgrund der fehlenden Zuständigkeit
nicht.

Naturschutzfachliche Maßnahmen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, die im Rahmen des
ÖPUL-Programms angeboten werden, werden in Natura 2000 Gebieten auf freiwilliger Basis
bereits seit dem Jahr 2000 durchgeführt.

Derzeit läuft auf EU-Ebene eine intensive Diskussion über die Kofinanzierung von Natura 2000
aus den Fonds der Gemeinschaft. Von Seiten der Kommission werden dafür besonders die
Finanzmittel aus der ländlichen Entwicklung, dem Strukturfonds sowie LIFE+ favorisiert. Die
Beratungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten sind noch nicht abgeschlos-
sen.


Aktuell stehen Mittel für Natura 2000 im weitesten Sinn aus folgenden Programmen oä. zur
Verfügung:

- LIFE - Kofinanzierung MS - EU 50 % für eigentliche Naturschutzvorhaben (prioritäre Arten
75 %), Begleitmaßnahmen bis zu 100 % bis 31.12.2004, Verlängerung bis 31.12.2006 vorge-
schlagen.

- Im Bereich Vertragsnaturschutz erfolgt die Finanzierung aus den Landes-
Naturschutzbudgets.

- Auch die Finanzierung der Entschädigungen oder Einlösungen bei wesentlichen Beschrän-
kungen von Bewirtschaftungs- oder Nutzungsmöglichkeiten erfolgt aus den Landesbudgets
aufgrund landesgesetzlicher Verpflichtungen.

- Im Bereich von Bewirtschaftungsvereinbarungen, insbesondere ÖPUL 2000, erfolgt die Kofi-
nanzierung MS - EU 50:50 (Ziel 1 25:75). An geeigneten Maßnahmen im ÖPUL 2000 stehen
zur Verfügung: Pflege ökologisch wertvoller Flächen, Neuanlegung von Landschaftselemen-
ten, kleinräumige erhaltenswerte Strukturen, Offenhaltung der Kulturlandschaft in Hanglagen,
Alpung und Behirtung.

Für die Programmplanungsperiode 2007 bis 2013 sieht der aktuelle Vorschlag für eine neue
Verordnung über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums in den Art. 36 (Berg-
gebiete und andere benachteiligte Gebiete) und 43 (Forstmaßnahmen) derzeit Abgeltungs-
möglichkeiten für die durch die Natura 2000-Umsetzung entstandenen Kosten der Bewirtschaf-
ter vor (vorgeschlagene Höchstförderbeträge gemäß Anhang I: Art. 36 zwischen 200 und
500 € je ha LF, Art. 43 zwischen 40 und 200 € je ha).

Zu Frage 30:

Darüber liegen meinem Haus keine Informationen vor.

Zu den Fragen 31 und 32:

Meinen Informationen zu Folge binden die Länder bei der Erstellung von Managementplänen
für Natura 2000 Gebiete in der Regel die betroffenen Stakeholder ein.


Das Monitoring der Natura 2000 Schutzgüter wird sich an den Vorgaben der Europäischen
Kommission zu orientieren haben. Die Länder diskutieren derzeit die Umsetzungsmöglichkei-
ten dieser Vorgaben im Rahmen einer Arbeitsgruppe.

Zu Frage 33:

Seitens meines Hauses wurde ein Grundsatzkonzept für die Einrichtung von Nationalparks
erstellt.

Andere Strategien für Schutzgebiete abseits Natura 2000 liegen mir nicht vor.

Zu Frage 34:

Darüber liegen meinem Haus keine Informationen vor.

Zu Frage 35:

Mein Ressort hat die österreichischen Nationalparks mit folgenden Summen mitfinanziert:

1999: ca. 124 Mio. ATS
2000: ca. 130 Mio. ATS
2001: ca. 136,5 Mio. ATS
2002: ca. 10,9 Mio.
2003: ca. 11,5 Mio. €

In den Jahren 1999 bis 2003 wurden im Rahmen des Programms LIFE-Natur 42,9 Mio. € für
Naturschutzmaßnahmen ausgegeben. Für diese Projekte haben die EU 19,3 Mio. €, der Bund
über das BMLFUW 5,4 Mio. € und die Dienststellen des Landes, der Gemeinden einschließlich
der NGOs weitere 18,2 Mio. € aufgewendet.

Folgende Projekte werden bzw. wurden finanziert:

-  Auenverbund Obere Drau

-  Lebensraum Huchen (Melk, Mank, Pielach)

-  Management von Naturwäldern im Nationalpark Kalkalpen

-  Wengermoor (Salzburg)

-  Unterer Inn mit Auen (Bayern und OÖ)


-  Auenmanagement Theiss

-  Wildflusslandschaft Tiroler Lech

-  Lebensraumsicherung für Myosotis rehsteineri in Bregenz

-  Schutt - Dobratsch

-  Braunbär II - Schutz und Management

-  Revitalisierung Donauufer NP Donauauen

-  Wachau

-  Inneralpines Flussraummanagement Obere Mur

-  Weidmoos

-  Internationales Bartgeierprojekt in den Alpen

Zu Frage 36:

Im Jahr 2004 erhielten die österreichischen Nationalparks aus Mitteln des BMLFUW ca. 11,9
Mio. €. Für die Jahre 2005 und 2006 sind Finanzmittel in derselben Höhe vorgesehen.

 


Folgende neue LIFE-Projekte werden ab 2004 finanziert:

 

Gesamt-
Kosten

Kosten
BMLFUW

EU-Kofinan-
zierung

Kofin. d. Länder
einschl. NGOs

Hang und Schluchtwälder im
Donautal

3,750.000

40.000

1,500.000

2,210.000

Lafnitz 2 - Lebensraumvernet-
zung an einem alpinpannoni-
schen Fluss

4,567.454

1,958.288

2,000.000

609.166

Pannon. Steppen- und Trocken-
rasen

1,475.000

40.000

885.000

548.525

Vernetzung Donau Ybbs

3,150.771

360.385

1,575.386

1,215.000