2243/AB XXII. GP

Eingelangt am 29.12.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

 

Anfragebeantwortung

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid
Weinzinger, Freundinnen und Freunde, Nr. 2237/J-NR/ 2004, vom
29. Oktober 2004, betreffend Gender Mainstreaming im Steuersystem und
Gender Budgeting, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

Einleitend möchte ich darauf hinweisen, dass mir die Chancengleichheit von
Frauen und Männern in allen Politikbereichen und politischen Maßnahmen
auf allen Ebenen ein wichtiges Anliegen ist. Dazu gilt es, Ungleichheiten
zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und allen Planungs- und
Entscheidungsschritten bewusst wahrzunehmen und zu berücksichtigen.
Die Strategie des Gender Mainstreaming auf Bundesebene ist mir damit
willkommene Gelegenheit, gemeinsam mit den anderen Ressorts im Rahmen
der eigens beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen
eingerichteten interministeriellen Arbeitsgruppe entsprechende Meilensteine
zu einem laufenden Prozess auszuarbeiten und aktive Beiträge zu einer
entsprechenden Berücksichtigung einer modernen Gesellschaftspolitik zu
leisten. Nur dadurch kann der Begriff des Gender Mainstreaming von einer


konzeptionellen Grundidee schrittweise zur gelebten Selbstverständlichkeit
werden, um tatsächlichen Wert für die Gesellschaft realisieren zu können.

Besonders hervorheben möchte ich dabei das Projekt Gender Budgeting als
weiteren Schritt zur Umsetzung des Gender Mainstreaming. Gender
Budgeting ist eine Analyse öffentlicher Haushalte im Hinblick auf ihre
Auswirkungen auf Männer und Frauen und soll die Budgets und den
Budgetprozess um die Geschlechterperspektive erweitern. Dadurch soll die
Prioritätensetzung der Ausgaben und Einnahmen sichtbar gemacht werden,
um Informationen über einen entsprechenden Änderungsbedarf der
Budgetpolitik im Sinne einer Gender Ausrichtung gewinnen zu können.

Selbstverständlich werden ob der Weiterentwicklung dieses neu eröffneten
Teilaspektes die übrigen Gesichtspunkte nicht vernachlässigt: neben der
aktiven Teilnahme hochrangiger Bediensteter meines Ressorts an
ressortinternen und interministeriellen Arbeitsgruppen wurde etwa das
Steuersystem in den jüngsten Reformen dazu verwendet, ausgleichend auf
die bestehenden Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern
in Österreich Einfluss zu nehmen. Bereits die mit 1. Jänner 2004 in Kraft
getretene erste Etappe der größten Steuerreform der 2. Republik ergab
zunächst für den niedrigeren Einkommensbereich greifbare Effekte bei der
Absenkung des Einkommensteuertarifes. Die Tarifsenkung in Form einer
Erhöhung des allgemeinen Absetzbetrages mit geänderter
Einschleifbestimmung sowie die Erhöhung der Freigrenze für den 13. und
14. Monatsbezug kommt real vor allem weiblichen Lohn- und
Einkommensteuerpflichtigen zugute. Beträgt die jährliche Pro-Kopf-
Entlastung etwa € 55 - 60 für Männer, so kann für Frauen von etwa € 70
ausgegangen werden.

Durch das Steuerreformgesetz 2005 werden dann auch höhere Einkommen
durch die Tarifreform steuerlich entlastet. Die Effekte der Tarifmaßnahmen


beider Etappen der großen Steuerreform ergeben in Bezug auf die vom
neuen Einkommensteuertarif entlasteten Steuerpflichtigen bei weiblichen
Steuerpflichtigen einen Einkommenszuwachs von annähernd 2%, bei
männlichen Steuerpflichtigen von etwa 1,5%. Auch eine Betrachtung der
Steuerentlastung bei den Medianeinkommen verschiedener
Bevölkerungsgruppen zeigt, dass die Steuerentlastung Frauen in einem
höheren Maße zu Gute kommt als Männern. Die Steuerreform konnte somit
erfolgreich eingesetzt werden, um ausgleichend auf die
Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau einzuwirken.

Zu 1.:

Die erste Etappe der Steuerreform wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2003
beschlossen. Im Vorblatt der bezughabenden Regierungsvorlage wurde
bereits ausgeführt, dass es im Zuge der Steuerreform zu einer begleitenden
Überprüfung der Auswirkungen der Reformmaßnahmen auf Frauen und
Männer gekommen ist. Wie auch dort dargestellt, bringen die Tarifsenkung
sowie die Erhöhung der Freigrenze für den 13. und 14. Monatsbezug mit
einem Steuerausfall von etwa € 380 Mio den weiblichen Lohn- und
Einkommensteuerpflichtigen eine Entlastung von annähernd € 180 Mio.
Dies bedeutet eine Pro-Kopf-Entlastung von etwa 70 € beziehungsweise
3,5 %, während jene für Männer 55-60 € pro Kopf beziehungsweise 1-1,5%
beträgt. Dementsprechend profitieren Frauen von den beschlossenen
Maßnahmen mehr als Männer.

Zu 2. und 3.:

Es gibt derzeit etwa 630.000-640.000 Alleinverdiener und rund  150.000

Alleinverdienerinnen.

Zu 4. bis 6.:

Wie   auch   bei   der   ersten   Etappe   der   Steuerreform   im   Rahmen   des

Budgetbegleitgesetzes 2004, kam bei der Erstellung der Regierungsvorlage


zum Steuerreformgesetz 2005 das Gender Mainstreaming Prüfverfahren zur
Anwendung. Es ist jeweils offen gelegt, dass bewusst die Gelegenheit genutzt
wurde, korrigierend in die Einkommensverhältnisse der ÖsterreicherInnen
einzugreifen, um die bestehenden geschlechterspezifischen Einkommens-
unterschiede zu verringern. Aus dem Vorblatt der Regierungsvorlage ist
jeweils ersichtlich, welche Auswirkungen die größte Steuerreform der 2.
Republik durch die einkommensteuerlichen Änderungen auf Männer und
Frauen hat. Die Materialien zu diesen beiden Gesetzen sind der
Öffentlichkeit zugänglich, sodass jederzeit Einsicht genommen werden kann.

Die Umsetzung der Gender Mainstreaming Strategie im Bundesministerium
für Finanzen erfolgt somit in einem kontinuierlichen Prozess. Es wird auch
ständig an einer Verbesserung des in meinem Ressort entwickelten Gender
Mainstreaming-Prüfverfahrens gearbeitet. Auf diese Weise ist es möglich,
anlassbezogen und rasch zu reagieren.

Zu 7.:

Immer dann, wenn eine sinnvolle Zuordnung steuergesetzlicher Maßnahmen
zu Männern und Frauen nach objektiven Kriterien möglich ist, werden die
im Gender Mainstreaming Prüfverfahren anzustellenden Überlegungen
vorgenommen. Wie etwa auch in den Erläuterungen zum Steuerreformgesetz
2005 angeführt, lassen jedoch die meisten Steuergesetze eine sinnvolle
Zuordnung zu Männern und Frauen nicht zu. Dies auch deshalb, weil in
vielen Bereichen (z.B. Körperschaftsteuer, Gruppenbesteuerung) eine
objektive Zuordnung nach Geschlechtern nicht möglich beziehungsweise der
eigentliche Steuerpflichtige geschlechtsspezifisch nicht klar erkennbar ist.

Zu 8.:

Es  gibt im  Bundesministerium für Finanzen keine  eigenen  finanziellen

Ressourcen   für   die   Durchführung  von   Gender   Mainstreaming.   Gender


Mainstreaming ist als verwaltungsinterne Maßnahme von den Bediensteten
im Rahmen ihrer Dienstpflichten umzusetzen.

Sollten externe Kosten anfallen, würden sie aus dem laufenden Budget
bedeckt, wobei jedoch vor jedem derartigen Projekt geprüft wird, ob die
budgetäre Bedeckung vorhanden ist. Ist eine Budgetierung erforderlich,
erfolgt sie jeweils nur im Einzelfall.

Zu 9.:

Die Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming besteht aus 14 MitarbeiterInnen,
wobei auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern sowie
die im Bundesministerium für Finanzen wahrzunehmenden Fachkom-
petenzen Bedacht genommen wird.

Zu 10. und 11.:

Mit dem Ministerratsbeschluss vom 9. März 2004 wurde Gender Budgeting
als weiterer Schritt zur Umsetzung des Gender Mainstreaming vorgesehen.
Auf dieser Basis wurde beim Bundesministerium für Gesundheit und
Frauen eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet. Die erste Sitzung,
an der auch 2 VertreterInnen des Bundesministeriums für Finanzen
teilnahmen, fand am 28. April 2004 statt. Bereits im Vorfeld hat sich das
Bundesministerium für Finanzen mit dem Thema Gender Budgeting
auseinandergesetzt und internationale Beispiele untersucht. Auch nahmen
Bedienstete des Bundesministeriums für Finanzen an diesbezüglichen
Fortbildungsveranstaltungen teil.

Im Rahmen der oben angeführten Arbeitsgruppe wurde vereinbart, dass vom
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen ein Pilotprojekt gestartet
wird. Bei diesem werden insbesondere Kriterien für die Durchführung der
Überprüfung eines Budgetansatzes unter dem Gesichtspunkt Gender
Budgeting entwickelt.


Parallel dazu wurde vom Bundesministerium für Finanzen im Arbeitsbehelf,
Erläuterungen zum Bundesvoranschlag 2005, erstmals allen Ressorts die
Möglichkeit gegeben, ihre Initiativen im Bereich des Gender Budgeting
darzustellen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass bei allen Ressorts das
Bewusstsein für Gender Budgeting gestärkt wird; es sollen jeweils
entsprechende Analysen durchgeführt werden. Für das Budget 2005 sollten
die Gender Auswirkungen zumindest für ein Beispiel pro Ressort dargestellt
werden.

Als Hilfestellung für die Ressorts wurden vom Bundesministerium für
Finanzen in einer Informationsveranstaltung am 27. Mai 2004 schriftliche
Anregungen für die Gestaltung des genannten Abschnittes über Gender
Budgeting gegeben.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die
Bundesverwaltung sich erst am Anfang einer Entwicklung befindet. Ein
zentraler Faktor für die weiteren Bemühungen der Bundesverwaltung im
Bereich des Gender Budgeting ist eine Verbesserung des Wissensstandes der
Bediensteten. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Finanzen
am 2. Dezember 2004 eine Informationsveranstaltung zum Thema Gender
Budgeting durchgeführt. Im Rahmen dieser Informationsveranstaltung
wurde nochmals das Konzept des Gender Budgeting dargestellt und ein
Praxisbeispiel aus Berlin vorgestellt. Adressaten dieser Veranstaltung waren
insbesondere VertreterInnen der Ressorts, aber auch VertreterInnen der
Parlamentsklubs wurden dazu eingeladen.

Zu 12. bis 14.:

Gender Budgeting ist eine Aufteilung der Ausgaben und Einnahmen nach
Geschlecht oder ein Kommentar zu den budgetierten Ausgaben und
Einnahmen, wie sie sich auf Männer und Frauen auswirken. Dies scheint
aus derzeitiger Sicht nur bei einem Bruchteil der Budgetpositionen möglich
und sinnvoll.


Generelle Aussagen über die Verfolgung frauenpolitischer Ziele mit den
Staatseinnahmen, "soziale Kosten" für Frauen, die durch das Steuer- und
Abgabensystem verursacht werden sowie frauenpolitisch relevante
Folgewirkungen der Staatseinnahmenseite auf der Staatsausgabenseite
würden eine Verallgemeinerung darstellen. Dies würde damit den
Bestrebungen des Gender Budgeting grundlegend zuwiderlaufen.

Es gilt vielmehr, der Berücksichtigung des Gebotes der Chancengleichheit in
sämtlichen Lebensbereichen einen weiteren Schritt näher zu kommen.
Damit wird auch dem Verständnis einer modernen Gesellschaft entsprochen.
Um eine ernsthafte Realisierung dieses Vorhabens nicht zu gefährden,
bedarf es zunächst konkreter Eckpunkte. Diese sollen eine objektive
Beurteilung der eindeutig geschlechterbezogen zuordenbaren Auswirkungen
von Maßnahmen sicherstellen. Verallgemeinernde Analysen gibt es somit
keine. Wie ich bereits dargelegt habe, wird vielmehr an einer stufenweisen
Aufarbeitung gearbeitet.

Zu 15.:

Das Bundesministerium für Finanzen hat anhand von internationalen
Beispielen untersucht, wie in anderen Staaten Gender Budgeting betrieben
wurde. In diesem Zusammenhang wurden Erfahrungen der Länder
Australien, Großbritannien, Frankreich, Schweiz und Südafrika beleuchtet.
Auch aus Berlin konnten praktische Beiträge studiert werden. Die
internationalen Beispiele zeigen eine unterschiedliche Gestaltung des Gender
Budgeting. Die entsprechenden Initiativen werden teilweise von externen
Gruppen und teilweise von der Regierung getragen und beziehen sich meist
auf Teile des Budgets, zum Teil aber auch auf das Gesamtbudget. Zumeist
werden Pilotprojekte gestartet. Inwieweit die Ergebnisse schließlich in die
Budgeterstellung einfließen, ist jedoch nicht immer nachvollziehbar.


Zufolge den internationalen Erfahrungen ist ein klares Bekenntnis auf
politischer Ebene ein wichtiger Faktor für das Gelingen des Gender
Budgeting. Aus diesem Grund hat sich die Bundesregierung im Ministerrat
vom 9. März 2004 klar zum Gender Budgeting bekannt.

Weiters ist zu beachten, dass bei der Entwicklung von Gender Budgeting der
Aufbau von Know-How erforderlich ist. Es ist mir daher besonders in diesem
frühen Stadium ein wichtiges Anliegen, den Wissensstand und das
Verständnis der Bediensteten in den Ministerien über Gender Budgeting zu
verbessern. Dabei sollen auch Erfahrungen aus dem Ausland einfließen.

Zu 16. und 17.:

Die MitarbeiterInnen meines Hauses werden zunehmend sensibilisiert für
die Notwendigkeit einer geschlechtsneutralen Formulierung von Texten.
Dabei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass dies nicht zu Lasten der
Systematik gehen darf. Vor allem bei umfangreicheren Gesetzen, die einer
Novellierung unterzogen werden, muss hier mit Bedacht vorgegangen
werden. Es gilt nämlich auch, die Verständlichkeit von Rechtstexten zu
wahren. So müssen Brüche in der verwendeten Terminologie unbedingt
vermieden werden. Eine systematische Herangehensweise ist daher dringend
angezeigt.

Zu 18.:

Zur Umsetzung von Gender Mainstreaming im Bundesministerium für
Finanzen habe ich unter anderem die Ressortarbeitsgruppe Gender
Mainstreaming eingesetzt, welcher hochrangige ExpertInnen des Ressorts
angehören. Die Gender Mainstreaming Beauftragte sorgt für eine
Verbreitung der Gender Mainstreaming Strategie im Ressort, initiiert und
leitet diesbezügliche ressortinterne Projekte, nimmt die koordinierende
Funktion im Rahmen der interministeriellen Arbeitsgruppe Gender
Mainstreaming (IMAG GM) wahr und koordiniert die Tätigkeiten der
Ressortarbeitsgruppe Gender Mainstreaming.


Die Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe habe ich stets ausdrücklich begrüßt. So
hat sie auch mit meiner Zustimmung das Projekt "Steuerreform" in ihr
Arbeitsprogramm aufgenommen, zu deren Ergebnissen ich bereits
obenstehend informiert habe.

Überblicksmäßig dargestellt, konzentrierte sich die Tätigkeit der Ressort-
Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming bisher auf

-         das Projekt Steuerreform,

-         die     Studie     "Ist     das     österreichische     Steuersystem     tatsächlich
geschlechtsneutral?",

-    die    Einführung    eines    Gender    Mainstreaming    Prüfverfahrens    im
     
Bundesministerium für Finanzen,

-    die Gender Mainstreaming Schulung von Führungskräften und

-    die Sensibilisierung für einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch.

Zu 19.:

Zur Umsetzung von Gender Mainstreaming können verschiedene Verfahren,
Methoden und Instrumente herangezogen werden. Die in meinem Ressort
umgesetzten Projekte, wie die Studie "Ist das österreichische Steuersystem
tatsächlich geschlechtsneutral?" und das Steuerreformgesetz 2005, basieren
auf den nach Geschlecht aufgeschlüsselten Statistiken. Nur die nach
Geschlechtern getrennte Datenerhebung lässt die für Gender Mainstreaming
wichtigen Aussagen und Analysen zu. Daher wird im Bundesministerium für
Finanzen auf eine geschlechtergetrennte Erfassung der Daten geachtet.

Weiters kommen auch bildungspolitische Instrumente zum Einsatz.
Ausbildungskurse auf der obersten Management-Ebene oder Unterrichts-
einheiten in den Grundausbildungslehrgängen leisten hier wichtige Dienste.

In den Bereichen Beratung und Beteiligung finden Informations-
veranstaltungen statt, wie kürzlich zum Thema Gender Budgeting. In den zu
Personalentscheidungen befugten Gremien wird der Dienstgeber auch durch


eine Frau vertreten. Ist dies nicht der Fall, wird eine Gutachterin gemäß § 10
Bundes-Gleichbehandlungsgesetz hinzugezogen.