2261/AB XXII. GP

Eingelangt am 05.01.2005
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

GZ. BMVIT-10.000/0017-I/CS3/2004     DVR:0000175

 

 

An den

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

Parlament

1017   Wien

                                                                                                         

Wien,                         2004

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2320/J-NR/2004 betreffend Verweigerung der Zugpatronanz für Homosexuellen-Initiative Wien durch die ÖBB, die die Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde am 16. November 2004  an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Von Seiten des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie muss grundsätzlich festgestellt werden, dass das Unternehmen ÖBB mit dem Bundesbahngesetz (BBG 92) ab 1.1.1993 hinsichtlich seines Absatzbereiches, also des Personen- und Güterverkehres, in die wirtschaftliche Unabhängigkeit entlassen worden ist. Aufgrund der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen obliegen daher Entscheidungen im Personenverkehr ausschließlichen dem Management der ÖBB.

 

Einflussnahmen durch den Verkehrsminister sind daher nicht möglich. Das ehemals weit gefasste Weisungsrecht des Bundesministers ist gemäß § 12 BBG 92 auf allgemeine verkehrspolitische Grundsatzweisungen und auf Anweisungen im Katastrophenfall eingeschränkt worden. Durch das Bundesbahnstrukturgesetz 2003 und die nunmehrige ÖBB-Holding AG ändert sich daran nichts.

 

Ebenso unterliegt die Wahl von Geschäftsfeldern oder Marktstrategien der freien Entscheidung des Managements der ÖBB (Vorstand) und wird nur durch die Grenzen der Geschäftsordnung des Vorstandes eingeschränkt, die bestimmte Tätigkeiten und Maßnahmen von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig machen kann. Ausnahmen sind - wie oben erwähnt - nur in den sehr eingeschränkten Fällen des § 12 BBG (Verkehrspolitische Weisung und Weisung im Falle von Naturkatastrophen) möglich. Solche Weisungen sind jedoch auch durch den Weisungsgeber (= Bund) in jedem Einzelfall anzuordnen und auch gesondert an die ÖBB zu bezahlen.

 

Ich habe daher die Österreichischen Bundesbahnen mit der gegenständlichen Anfrage befasst,  und deren Stellungnahme meiner Anfragebeantwortung zugrunde gelegt.

 

 

Zum Motiventeil ihrer Anfrage möchte ich einleitend festhalten, dass ich in der Vorgangsweise der Österreichischen Bundesbahnen keine Diskriminierung beim Zugang zu einer Dienstleistung feststellen kann.

 

Die Richtlinien der Österreichischen Bundesbahnen betreffend die Vergabe von Zugpatronanzen sehen – wie ich unten noch ausführen werde – vor, keine Zugnamen zu vergeben, die einen Hinweis auf politische und religiöse Gesinnung oder sexuelle Orientierungen enthalten. Der Grundsatz der Gleichbehandlung wird dabei streng beachtet.

 

 

Fragen 1 und 5:

Wie lauten die Richtlinien der ÖBB für die Akzeptanz bzw. Nicht-Akzeptanz von Organisationen oder Personen für die Zugpatronanz?

 

Welche anderen Organisationen würden Sie als "sexuelle Interessensvertretungen" einstufen und ihnen den Zugang zur Zugpatronanz verweigern?

 

Antwort: 

Einleitend ist festzuhalten, dass die Entscheidung ob bzw. welche Zugnamen vergeben werden ausschließlich den Österreichischen Bundesbahnen obliegt.

 

Wie andere im freien Wettbewerb stehende Unternehmen bewerben die Österreichischen Bundesbahnen ihre eigenen Dienstleistungen - unter anderem auch auf eigenen Werbeflächen. Nach Maßgabe der vorhandenen Möglichkeiten und entsprechend interner Richtlinien stellen sie diese in eingeschränktem Ausmaß auch anderen Unternehmen entgeltlich zur Verfügung. Diese Richtlinien sind ausschließlich markenstrategisch bestimmt und keinesfalls als Wertung jedweder Art zu verstehen.

 

Die diesbezügliche Unternehmensphilosophie der Österreichischen Bundesbahnen sieht vor, dass naturgemäß keine Konkurrenzunternehmen beworben werden sowie für Zugpatronanzen keine Namen von politischen Organisationen oder von lebenden Personen sowie keine Hinweise auf sexuelle Orientierung, Religion oder religiöse und politische Gesinnung Verwendung finden.

 

Frage 2, 3 und 4:

Stufen Sie die Homosexuellen-Initiative Wien als "sexuelle oder religiöse Interessensvertretung" wie ÖBB-Kommunikationschef Hlawa oder als Menschenrechtsorganisation ein?

 

Wenn Sie die HOSI Wien als Menschenrechtsorganisation einstufen, wieso wird ihr dann die Zugpatronanz verweigert?

 

Wenn Sie die HOSI Wien als "sexuelle oder religiöse Interessensvertretung" einstufen: Wie begründen Sie die Definition der HOSI Wien als "sexuelle Interessensvertretung?

 

Antwort:

Es ist nicht meine Aufgabe als Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, im Zuge von parlamentarischen Anfragen eine Kategorisierung der Homosexuellen-Initiative vorzunehmen.

 

 

 

Frage 6:

Teilen Sie die Ansicht von ÖBB-Kommunikationschef Hlawa, es handle sich um eine "marketing-technische Festlegung", dass die ÖBB für "bisexuelle oder heterosexuelle Initiativen nicht der geeignete Werbeträger" ist?

 

Antwort:

Es ist nicht meine Aufgabe, Marketingstrategien der Österreichischen Bundesbahnen zu kommentieren.

Die Aussage von ÖBB-Kommunikationschef Hlava hat sich aber, wie die ÖBB mitteilen, ausschließlich auf die allgemeine werbestrategische Richtlinie der ÖBB bezogen, bei der Vergabe von Zugpatronanzen keine Namen zu verwenden, die einen Hinweis auf Sexualität, sexuelle Orientierung oder religiöse oder politische Gesinnung enthalten (siehe auch oben meine Ausführungen zu den Fragen 1 und 5).

 

Frage 7:

Stimmen Sie mit der Aussage des Salzburger ÖBB-Sprechers Gfrerer überein, dass "no sex" zu den Richtlinien der ÖBB bei Gewährung der Zugpatronanz gehört?

 

Antwort:

Wie mir die Österreichischen Bundesbahnen mitgeteilt haben, erfolgte die Ablehnung in Entsprechung der geltenden internen Richtlinien, da sich die Homosexuellen-Initiative – wie auch der Selbstdarstellung im Internet zu entnehmen ist – als politische Interessensvertretung betrachtet und es sich bei dem Namen „Homosexuellen-Initiative“ demgemäss um die Bezeichnung einer politischen Organisation handelt.


Ganz allgemein wären die ÖBB jedoch – und darauf bezog sich die Aussage des Salzburger ÖBB-Sprechers – seit dem Jahre 1999 sowohl in der Eigen- als auch in der Fremdwerbung gerade bei möglichen sexuellen Werbeinhalten äußerst sensibel. So hatten sich die ÖBB damals wegen ihrer Werbelinie „Heiße Fracht“ zahlreichen Beschwerden vor dem Österreichischen Werberat wegen Sexismus in der Werbung stellen und der damalige Verkehrsminister Dr. Caspar Einem musste sich im Parlament für die Werbelinie der ÖBB entschuldigen.

 

Frage 8:

Wenn ja, sind Sie der Ansicht, dass eine Menschenrechtsorganisation wie die Homosexuellen-Initiative Wien unter die Rubrik "no sex" einzureihen ist, weil das Wort "Homosexuelle" das Wort "Sex" enthält?

 

Antwort:

Ich darf nochmals darauf hinweisen, dass im gegenständlichen Fall ausschließlich die Tatsache, dass die HOSI als politische Interessensvertretung mit ihrer namentlichen Bezeichnung klar einem Ausschlusskriterium der Zugnamen-Vergabe entspricht, zur Ablehnung geführt hat. Keinesfalls impliziert dies eine Diskriminierung oder Wertung jedweder Art für die zweifelsohne für die Gesellschaftspolitik bedeutende Arbeit der Homosexuellen Initiative Wien.

 

Frage 9:

Welche Organisation von "Heterosexuellen" ist Ihnen bekannt, die laut ÖBB-Sprecher Gfrerer abgelehnt worden wären?

 

 

 

 

Antwort:

ÖBB-Sprecher Gfrerer hat im Gespräch mit Journalisten über die Richtlinien im Allgemeinen gesprochen. Seitens der ÖBB wurde lediglich erläutert, dass auch eine Vereinigung für Heterosexualität abgelehnt worden wäre und nicht, dass sie abgelehnt worden ist.

 

Fragen 12 und 13:

Würden die ÖBB die Bezeichnung "Lila Pause" genehmigen?

 

Würden die ÖBB die Bezeichnung "Rosa Lila Villa" genehmigen?

 

Antwort:

Den ÖBB liegen weder Anträge auf eine Bezeichnung „Lila Pause“ noch auf eine Bezeichnung „Rosa Lila Villa“ vor. Aus diesem Grunde erfolgte auch ÖBB-intern noch keine Erörterung der Sachlage.

 

Frage 14:

Wenn die Richtlinien der ÖBB zur Patronanz, wie der Sprecher der Bundesbahnen in Salzburg, Johannes Gfrerer, behauptet, "keine Politik, keine Parteipolitik" enthalten: Wieso wurde dann etwa dem Sozialministerium unter Sozialminister Haupt die Patronanz für den IC 535 von Wien nach Villach unter dem Namen "Familienland Österreich" für den Zeitraum 15.6.2002 bis 11.12.2004 gewährt (vgl. Anfragebeantwortung 1275AB auf Anfrage 1283J der Abg. Muttonen)?

 

Antwort:

„Familienland Österreich“ ist weder Bezeichnung noch Name einer politischen Organisation. Vielmehr sehen die ÖBB in der Bezeichnung „Familienland Österreich“ eine Synergie zu den zahlreichen Familien-Angeboten der ÖBB im Personenverkehr wie etwa die VORTEILScard Familie oder das aktuelle Familien-Weihnachtsshopping-Ticket.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Hubert Gorbach