2263/AB XXII. GP

Eingelangt am 05.01.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2322/J-NR/2004 betreffend "Seilbahnvorfall" vom
14.11.2004 in Sölden/Tirol, die die Abgeordneten Dr. Moser, Freundinnen und Freunde am 16.
November 2004 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

Einleitend möchte ich festhalten, dass die gegenständliche parlamentarische Anfrage auch an die
Ötztaler Gletscherbahn Gesellschaft m.b.H. & Co.KG in Bezug auf die Fragen 1 bis 6 sowie 8 zur
Stellungnahme weitergeleitet und wie folgt beantwortet wurde.

Zu den Fragen 1 bis 6 sowie 8

Sind Berichte zutreffend, dass Gäste des betroffenen Schigebiets nicht nur lange nach Bahnstillstand,
sondern auch nach dem Gondelabsturz mit einer anderen Bahn in den Gefahrenbereich transportiert
wurden?

Sind Berichte zutreffend, dass dabei keine Information über den "Vorfall" erfolgte?

Sind Berichte zutreffend, dass diesen Gästen ein "Weiterweg" von jener Bahn bergwärts empfohlen
wurde, der sie in die unmittelbare Gefahrenzone unterhalb der defekten Bahn brachte?

Sind Berichte zutreffend, dass Mitarbeiter des Seilbahnunternehmens in dieser etwa einstündigen
Phase nach dem Beginn des "Vorfalls" nicht über diesen bzw. dessen Tragweite informiert waren?

Sind Berichte zutreffend, dass die Öffentlichkeit erst lange im nachhinein auch vom Absturz einer
Gondel informiert wurde?

Wie war der Entscheidungsablauf über die Bergungsaktion in zeitlicher und hierarchischer Hinsicht?


Welche Folgen hätte ein "Vorfall" dieser Art kurz vor Betriebsschluß und eine folglich bis Mitternacht
oder darüber hinaus andauernde Rettungsaktion für die Gesundheit der betroffenen
SeilbahnbenutzerInnen gehabt?

Die erste Sektion der Schwarzen Schneidbahn wurde nach dem Leerfahren im Notbetrieb in

Betrieb gehalten, um die geborgenen Gäste abzutransportieren.

Überdies diente die erste Sektion zum Transport der Bergemannschaft sowie aller notwendigen

Geräte.

Die Fahrgäste wurden über die Lautsprecheranlagen informiert. Überdies waren an den
Absperrungen Posten postiert, die die Gäste ebenfalls über den Vorfall informierten. Weiters
wurden die Gäste an den Talstationen der 8 EUB Schwarze Schneid und der 4-er Sesselbahn
Rettenbach-Joch informiert.

Jene Mitarbeiter, die im Rahmen des Bergeeinsatzes tätig waren, waren voll informiert, ihre
primäre Aufgabe war es, für die Bergung zu sorgen, es ist daher nicht auszuschließen, dass
Mitarbeiter des Unternehmens nicht über alle Einzelheiten informiert waren.

Zum Entscheidungsablauf über die Bergungsaktion in zeitlicher und hierarchischer Hinsicht
werden ein Protokoll des Bezirksgendarmeriekommandos Imst sowie eine Aufstellung der
Hilfsmannschaften und der jeweiligen Personenzahl beigelegt.

Als Einsatzleiter fungierte Manfred Fiegl, Verantwortlicher der Pistenrettung in den
Gletscherskigebieten der Bergbahnen Sölden. Herr Fiegl ist seit 1.5.1981 Mitarbeiter der Ötztaler
Gletscherbahn.

Unterstützend fungierten unterhalb der Stütze 8 als Koordinator Betriebsleiter Helmut Kuprian von
der Skiliftgesellschaft Sölden - Hochsölden GmbH und oberhalb der Stütze 8 Betriebsleiter-
Stellvertreter Michael Maier, ebenfalls von der Skiliftgesellschaft Sölden - Hochsölden GmbH.

Den Einsatzkräften ist eine, in Anbetracht der äußeren Bedingungen (Kälte, Wind, einbrechende
Dunkelheit) großartige Leistung gelungen. Alle 113 Fahrgäste, ebenso wie alle im Einsatz
befindlichen Retter, blieben unverletzt. Die in der Frage angenommene zeitliche Verschiebung
würde auch zu einer entsprechenden zeitlichen Verschiebung der gesamten Rettung führen,
weitere Auswirkungen werden nicht gesehen.

Frage 7:

Sind Berichte zutreffend, wonach 14 Gondeln/Kabinen der Seilbahn mit insgesamt 113 Personen
betroffen waren?

Antwort:

Ja, die Berichte sind zutreffend.

Frage 9:

Welche Folgen hätte ein ähnlich gelagerter "Vorfall" bei Bahnen, die wegen noch weit höheren
Grundabstandes keine Abseilbergung zulassen, wie etwa bei der neuen Seilbahn in Kitzbühel mit
400 m Grundabstand? Bis zu welcher Windgeschwindigkeit ist die bei dieser neuen Seilbahn
vorgesehene "Fahrrad-Bergebahn" zuverlässig verwendbar?


Antwort:

Bei der 2004 in Betrieb genommene Seilbahn in Kitzbühel handelt es sich um ein völlig anderes
Seilbahnsystem, das erstmals in Österreich errichtet wurde. Dabei sind auf jeder Seite zwei
Tragseile vorgesehen, die sowohl für die Seilbahnkabinen als auch für den Bergewagen die Spur
bilden. Damit ist auch eine wesentlich höhere Verfügbarkeit der Seilbahn bei Wind gegeben.
Die erste Maßnahme bei Ausfall des Hauptantriebes (Stillstand der Seilbahn) ist eine
Weiterbeförderung mit dem Notantrieb bei aktiven Überwachungseinrichtungen beim
Notantriebsfahren. Sollte wider Erwarten auch das Fahren mit dem Notantrieb nicht möglich sein
(wie z.B. bei einem Bruch der Antriebs- oder Gegenscheibe), ist bei der Seilbahn "Schwarze
Schneid" eine Bergung der Fahrgäste mittels Abseileinrichtungen vorgesehen. Bei der Seilbahn "3-
S Safari Express" in Kitzbühel werden bei Unbeweglichkeit der Seilbahn im Bereich sehr großer
Bodenabstände die Fahrgäste mit einer Bergebahn in die Stationen gebracht. Diese Bergebahn
hat besondere konstruktive Maßnahmen auf dem Laufwerk (Gegenrollen), die ein Entgleisen auch
bei sehr starkem Wind verhindern.

Frage 10:

Sind Berichte zutreffend, dass etwa eine Woche vor dem "Vorfall" an einer anderen, technisch
vergleichbaren Bahn im Schigebiet Sölden eine Bergeübung durchgeführt wurde, bei der eine
andere Bergetechnik für einen solchen "Vorfall" vorgestellt wurde, deren Installierung jedoch aus
ökonomischen Gründen nicht erfolgt(e)?

Antwort:

Die Verpflichtung des Seilbahnunternehmens zur Durchführung jährlicher Bergeübungen ergibt
sich aus der Betriebsvorschrift, in der auch die Anzahl und Art der Bergegeräte festgehalten ist;
diese entsprechen dem Stand der Technik. Die Verwendung anderer Bergesysteme wäre
genehmigungspflichtig, ein diesbezüglicher Antrag des Seilbahnunternehmens liegt nicht vor.

Frage 11:

Welche Änderungen bei den Prüfzyklen und den einzelnen im Zusammenhang mit diesem "Vorfall"
relevanten Seilbahnkomponenten bzw. organisatorischen Abläufen sind für eine Bahn dieser
Bauart seit dem Inkrafttreten des Seilbahngesetzes schlagend geworden? Bitte um detaillierte
Gegenüberstellung im einzelnen.

Antwort:

Spezielle organisatorische oder auch betriebliche Abläufe sind im Seilbahngesetz diesbezüglich
nicht verankert. Im Seilbahngesetz 2003 wird dezitiert für jede Seilbahn eine speziell
anlagetypische Betriebsvorschrift gefordert, die das Verhalten von den Bediensteten der Seilbahn
im Normalbetrieb und bei Auftreten besonderer Umstände regelt. Eine Änderung durch das
Seilbahngesetz 2003 ist dabei nicht eingetreten.

Frage 12:

Welche Kontroll-, Prüf- und Aufsichtsmaßnahmen für eine Bahn dieser Bauart sind mit dem
Inkrafttreten des Seilbahngesetzes bzw. darauf beruhenden Verordnungen a) auf das
Seilbahnunternehmen selbst bzw. einzelne seiner MitarbeiterInnen, b) von der Seilbahnbehörde
auf Dritte übergegangen?


Antwort:

zu a)

Durch das Inkrafttreten des Seilbahngesetzes 2003 sind nach der Inbetriebsetzung der Seilbahn
keine Kontroll-, Prüf- und Aufsichtsmaßnahmen für eine Seilbahn dieser Bauart auf das
Seilbahnunternehmen selbst bzw. einzelne seiner Mitarbeiter übergegangen. Diese Maßnahmen
sind unverändert geblieben. Es handelt sich dabei um ein sehr engmaschiges Kontroll- und
Überwachungssystem, bei dem die Seilbahnbediensteten in der Verantwortung des
verantwortlichen Betriebsleiters der Seilbahn, externe Stellen (akkreditierte Stellen),
Sachverständige des bmvit oder akkreditierte Stellen regelmäßige und festgelegte Überprüfungen
vornehmen müssen.

zu b)

Gemäß Seilbahngesetz 2003 vom 21. November 2003 und auf Grundlage der Richtlinie
2000/9/EG vom 20. März 2000 werden zur Überprüfung der Sicherheitsbauteile und Teilsysteme
einer Seilbahn benannte Stellen (notified bodies) zur Beurteilung beigezogen. Diese stellen über
die von Ihnen zu prüfenden Sicherheitsbauteile und Teilsysteme Bauteilzertifikate aus. Mit der
Vorlage der Konformitätserklärung durch den Hersteller ist dargelegt, dass der Hersteller eine
benannte Stelle beigezogen hat und bestätigt, dass die grundlegenden Anforderungen gemäß
Anhang II der Seilbahnrichtlinie 2000/9/EG eingehalten und erfüllt sind und den
Betriebsbedingungen bei dieser Seilbahn entsprechen.

Frage 13:

Wie oft haben Sie bzw. Ihr Ressort sich in den Jahren 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004

a)      schriftliche Überprüfungsaufzeichnungen österreichischer Seilbahnbetreiber insgesamt,

b)  derartige Aufzeichnungen des Seilbahnbetreibers "Bergbahnen Sölden",

c)   derartige Aufzeichnungen der von der "Vereinigten Bergbahnen GesmbH" betriebenen
Seilbahnen vorlegen lassen?

Antwort:

Bei jeder Seilbahn in Österreich muss gemäß Betriebsvorschrift jährlich eine genaue
Untersuchung aller Seilbahnanlageteile durchgeführt. Der Betriebsleiter ist dabei jene Person, die
diese Untersuchungen durchführt und bestätigt. Der Betriebsleiter ist eine speziell ausgebildete
Fachkraft, der vor seiner Bestellung als Betriebsleiter mehrere Prüfungen und entsprechende
Praxisnachweise ablegen bzw. vorlegen muss. Diese Berichte über die Hauptuntersuchung
werden für jede Seilbahn jährlich der zuständigen Behörde vorgelegt.

Spezielle Untersuchungsergebnisse an sicherheitsrelevanten Bauteilen, wie z.B. die
Aufzeichnungen über die Kontrollen der in Betrieb befindlichen Seile oder von
dauerbeanspruchten Bauteilen, werden termingemäß erfasst und überwacht.

Frage 14:

Wieviele zusätzliche Überprüfungen im Sinne von § 50 Seilbahngesetz haben Sie seit Inkrafttreten
des Seilbahngesetzes veranlasst, und wie sieht hier der Vergleich zur vorherigen Situation aus?

Antwort:

Seit Inkrafttreten des Seilbahngesetzes 2003 wurden im Sinne § 50 Seilbahngesetz 2003
zusätzlich zu den gemäß SeilbÜV vorgesehenen periodischen Überprüfungen von den in
Kompetenz des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie stehenden
Seilbahnen zusätzlich 7 Seilbahnen überprüft.


Frage 15:

Halten Sie die Tatsache, dass umfassende Überprüfungen von Seilbahnen durch unabhängige
Externe nur alle fünf Jahre erforderlich sind, angesichts dieses nach nur einjähriger Betriebsdauer
eingetretenen "Vorfalls" für hinreichend?

Antwort:

Ja. Der Betriebsleiter hat die Aufgabe für einen sicheren Betrieb zu sorgen. Damit dies
sichergestellt ist, sind umfangreiche Kontrollen täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich und
mehrjährig an der Seilbahn vorzunehmen. Es ist bei dem Ereignis "Absturz einer Kabine" noch
nicht geklärt, ob die Kontrollen, die durch das Seilbahnunternehmen vorzunehmen sind,
unzureichend vorgenommen wurden. Auch bei einer Änderung der externen Kontrollfristen auf
eine kürzere Zeitspanne hätte dies an dem Vorfall nichts geändert.

Frage 16:

Werden Sie angesichts der beiden jüngsten Seilbahn"vorfälle" in Gmunden und Sölden eine
Aufstockung des Seilbahnkontrollpersonals in die Wege leiten, wenn nein, warum nicht?

Antwort:

Mit Inkrafttreten des Seilbahngesetzes 2003 wurden für die Seilbahnabteilung ein weiterer
technischer Mitarbeiter sowie eine juristische Mitarbeiterin aufgenommen.

Frage 17:

Werden Sie dafür sorgen, dass die nötigen Untersuchungen der möglicherweise oder tatsächlich
„vorfallsauslösenden" Seilbahnkomponenten sowie die sich daraus ergebenden Folgeaktivitäten
ohne Zeitdruck betriebswirtschaftlicher oder lokalpolitischer Art erfolgen können?

Antwort:

Ja.

Frage 18:

Werden Sie die vom Seilbahnbetreiber und von einem leitenden Angestellten des
Seilbahnherstellers öffentlich angekündigten „provisorischen" Lösungen zur Überbrückung z.B. des
sicherheitsrelevanten zerstörten Steuerkabels unterstützen?

Antwort:

Die Seilbahnbehörde hat nicht provisorische Lösungen zu unterstützen, sondern lediglich
festzustellen, ob von einem Seilbahnunternehmen geplante Maßnahmen, auch wenn sie nur
vorübergehender Natur sind, die Voraussetzungen für eine Genehmigung entsprechend den
Grundsätzen von Sicherheit und Ordnung erbringen.

Frage 19:

Sind diese konkret beabsichtigten „provisorischen" Lösungen genehmigungs-/bewilligungspflichtig
oder genehmigungs-/bewilligungsfrei, falls letzteres, warum?

Antwort:

Sie bedürfen einer Baugenehmigung und Betriebsbewilligung.


Frage 20:

Auf welcher Grundlage werden Sie bei Verlegung von Provisorien z.B. über eine naheliegende
andere Seilbahnanlage Gefährdungen der BenutzerInnen dieser anderen Seilbahnanlage
ausschließen?

Antwort:

Das Provisorium betrifft die unterirdische Verlegung des Steuerkabels in das Gletschereis. Die
Baugenehmigung und Betriebsbewilligung für die Verlegung des Steuerkabels erfolgte nach dem
Seilbahngesetz 2003. Damit wurde die Erstellung einer Sicherheitsanalyse, in der alle Gefahren,
die die Verlegung mit sich bringen kann, untersucht und in einem abschließenden
Sicherheitsbericht beurteilt. Provisorisch bedeutet hier in diesem Zusammenhang, dass das
Seilbahnunternehmen aufgrund der Gletschereisbewegung nicht jährlich umfangreiche
Versetzmaßnahmen treffen will, sondern eine endgültige andersgeartete Konstruktionslösung
anstrebt.

Frage 21:

Wie werden Sie Kettenreaktionen der hier eingetretenen Art in Zukunft vorsorglich ausschließen?
Durch welche Auflagen baulicher und/oder technischer Art wird künftig insbesondere a) das Lösen
einer Gondel vom Seil außerhalb der Stationsbereiche, b) das "Verhängen" schadhafter
Seilbahnkomponenten mit Gondeln oder anderen Komponenten bei allen österreichischen
Seilbahnen zuverlässig verhindert werden?

Antwort:

Die dem Bauentwurf zugrunde liegenden Berechnungen eines Zivilingenieurs weisen einen
kleinsten Vertikalabstand zwischen der tiefsten Lage des Steuerkabels und den Kabinen von
mehreren Metern aus. Die Lage des Steuerkabels und die Seile der Seilbahn sind regelmäßig vom
Seilbahnunternehmen zu prüfen und einzustellen, wobei sowohl Kontrollanzeigen als auch
Überwachungseinrichtungen bei der Seilbahn für die Lage des Kabels und der Seile vorhanden
sind. Erst aufgrund der Ermittlungen wird sich zeigen, welcher Umstand tatsächlich zu dem
Verfangen des Steuerkabels mit den Kabinen führte.

2 Beilagen


Aufstellung der Personenanzahl der einzelnen Rettungsteams
vom Bergeeinsatz Seilbahnvorfall 14.11.2004

Mitarbeiter der Bergbahnen Sölden           50 Personen

Freiwillige Feuerwehr                                   40 Personen

Bergrettung Sölden                                       18 Personen

Bergrettung Längenfeld                                12 Personen

Rotes Kreuz                                                   18 Personen

Alpin 2                                                             4 Personen

Alpingendarmerie                                           3 Personen

145 Helfer