2343/AB XXII. GP

Eingelangt am 31.01.2005
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN

           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0067-Pr 1/2004

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2375/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Polizeireform und Wirtschaftskriminalität – Österreichische Sicherheitstage 2004“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 3, 9 und 10 sowie 15:

Zu diesen, die sicherheitspolizeiliche Gefahrenabwehr bzw. Lagebeurteilung betreffenden Fragen verweise ich auf die Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres, an den zur Zahl 2276/J-NR/2004 eine insoweit gleichlautende Anfrage gerichtet wurde.

Zu 4 bis 6:

Ich sehe derzeit, wenn man etwa an die Vielfalt der bindenden Rechtsinstrumente vor allem im Bereich der Korruptionsbekämpfung denkt, keine einschlägigen Defizite.

Zu 7:

Angelegenheiten des Vergaberechts fallen – auch im europarechtlichen Kontext – in die Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes. Aus strafrechtlicher Sicht stünden solche Rechtsfolgen auf Grund einer bloßen Verdachtslage - die für ein Unternehmen äußerst gravierend sein können - in einem Spannungsverhältnis zur Unschuldsvermutung.

Zu 8:

Nein, weil ich mich dem Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die XXII. GP verpflichtet fühle, das anstelle der Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft die Weiterentwicklung von EUROJUST fordert.

Der Vertrag für eine Verfassung  für Europa enthält zwar eine Ermächtigungsklausel zur Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft (Artikel III-274), verlangt jedoch ein vom Rat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig zu erlassendes Europäisches Gesetz. Die Zuständigkeit dieser Staatsanwaltschaft würde sich auf die Bekämpfung von Straftaten gegen die finanziellen Interessen der Union beschränken, sofern der Europäische Rat nicht zur gleichen Zeit oder später einstimmig eine Ausdehnung der Zuständigkeiten auf andere schwerwiegende Straftaten mit grenzüberschreitender Dimension beschließt.

Gleichzeitig werden auch die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Tätigkeitsbereichs von EUROJUST durch Europäische Gesetze geschaffen (Art. III-273), wobei EUROJUST im Zusammenhang mit schwerwiegenden, mehrere Mitgliedstaaten betreffenden Straftaten die Einleitung von Strafermittlungen veranlassen sowie die Einleitung von Strafverfolgungen vorschlagen können soll.

In der Struktur dieser Bestimmung sehe ich einen Grund meiner ablehnenden Haltung, weil ich der Ansicht bin, dass zunächst die Auswirkungen einer Erweiterung der Kompetenzen von EUROJUST zu analysieren wären, bevor die Schaffung neuer Institutionen beschlossen wird. Schließlich bin ich der Überzeugung, dass die österreichischen Strafverfolgungsbehörden keinen „europäischen Supervisor“ benötigen, um Wirtschaftskriminalität effizient entgegen zu treten. Auch auf dem Gebiet der Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union braucht es keine neue Institution; einfacher und kostengünstiger wäre es, wenn der Europäischen Kommission im Strafverfahren eine der Finanzstrafbehörden (siehe § 200 FinStrG) vergleichbare Stellung mit besonderen Antrags - und Kontrollrechten eingeräumt würde.

Zu 11:

Bei den Staatsanwaltschaften gibt es Sonderzuständigkeiten für Wirtschaftsstrafsachen. Nach der Geschäftsverteilung der Staatsanwaltschaft Wien für 2004 beispielsweise werden Wirtschaftsstrafsachen als Strafsachen sehr großen Umfanges oder besonderer Schwierigkeit wegen vermögensrechtlicher Schädigung im Zusammenhang mit unternehmerischer Tätigkeit umschrieben. Im Übrigen besteht keine Veranlassung, bestimmte Delikte dem Begriff der Wirtschaftskriminalität zu unterstellen, weil eine derartige Zuordnung ohne rechtliche Bedeutung ist.

Zu 12 bis 14:

Teilweise wird Österreich noch bestehende internationale Vorgaben umzusetzen haben. Darüber hinaus sehe ich derzeit keinen legistischen Handlungsbedarf.

Zu 16 und 17:

Für den Rechtshilfeverkehr in Strafsachen im Verhältnis zwischen Österreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist grundsätzlich der direkte Geschäftsweg zwischen den Gerichten bzw. Staatsanwaltschaften vorgesehen. Das Bundesministerium für Justiz verfügt daher über keine umfassenden Daten, in welchen Fällen von Wirtschaftskriminalität im Jahr 2003 mit Justizbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten zusammengearbeitet wurde.

Das auf Grund der Gemeinsamen Maßnahme vom 29. Juni 1998, ABl L 191/4, eingerichtete Europäische Justizielle Netz in Strafsachen dient der Verbesserung der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene bei der Bekämpfung schwerer Straftaten. Hauptaufgabe der in den Mitgliedstaaten eingerichteten Kontaktstellen ist es, die Justizbehörden bei der Bearbeitung von grenzüberschreitenden Strafrechtsfällen durch Bereitstellung von Information über anzuwendende Rechtsakte, Vermittlung zwischen den zuständigen Behörden, etc. mit dem Ziel zu unterstützen, die Erledigung von Rechtshilfeersuchen nicht nur zu beschleunigen, sondern insgesamt effizienter zu gestalten. Detaillierte Statistiken über die an das Europäische Justizielle Netz verwiesenen Fälle von Wirtschaftskriminalität liegen nicht vor.  

EUROJUST wurde mit Beschluss des Rates vom 28. Februar 2002, ABl L 63/1, zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität auf europäischer Ebene eingerichtet. Die zentralen Aufgaben von EUROJUST liegen in der Förderung und Verbesserung der Koordinierung der in den Mitgliedstaaten laufenden Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und Unterstützung der zuständigen Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedstaaten. Bei der Bewältigung dieser Aufgaben arbeitet EUROJUST eng mit EUROPOL zusammen, wobei die Justizbehörden entsprechend der zu beobachtenden Praxis EUROJUST bei Fällen grenzüberschreitender schwerer Kriminalität als primäre Anlaufstelle befassen.

Der Geschäftsverkehr zwischen den österreichischen Justizbehörden und EUROJUST findet im Weg des von der Bundesministerin für Justiz entsandten nationalen Mitglieds statt. Entsprechend dem Tätigkeitsbericht des österreichischen Büros bei EUROJUST haben österreichische Justizbehörden 2003 in 17 Fällen EUROJUST um Unterstützung ersucht. Darüber hinaus haben Justizbehörden anderer Mitgliedstaaten EUROJUST in 3 weiteren Fällen um Koordinierung unter anderem mit österreichischen Verfahren ersucht. Bei den vom österreichischen Büro von EUROJUST registrierten Fällen handelt es sich um schweren Einbruchsdiebstahl, Veruntreuung, (zum Teil schweren) Betrug (u.a. Internet-, Geldautomaten-, Investmentbetrug), betrügerische Krida, Hehlerei (Autoschieberei), Geldwäscherei, Urkundenfälschung, Urkundenunterdrückung und Geldfälschung. In den genannten Fällen vermittelte EUROJUST zwischen den zuständigen Behörden, insbesondere im Interesse rascher Erledigungen von im unmittelbaren Weg gestellten Rechtshilfeersuchen sowie der Erleichterung einer Übernahme der Strafverfolgung sowie einer Auslieferung. Zudem koordinierte EUROJUST Informationen über die in den einzelnen Mitgliedstaaten gegen dieselben Beschuldigten gesetzten Verfahrensschritte und leistete Unterstützung bei der Ausforschung von Geschädigten auch in anderen Mitgliedstaaten.

Zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft hat die EU 1999 das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) gegründet. Das – in organisatorischer Hinsicht der Europäischen Kommission unterstellte - Amt soll diesen Auftrag in voller Unabhängigkeit von EU-Institutionen und staatlichen Stellen erfüllen, indem es interne und externe Verwaltungshandlungen zur Bekämpfung grenzüberschreitender organisierter Kriminalität, des Betrugs und anderer illegaler Aktivitäten zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts durchführt. Dem Bundesministerium für Justiz liegt keine Statistik über die von OLAF betreuten, Österreich betreffenden Fälle von Wirtschaftskriminalität vor. Für nähere Informationen betreffend OLAF darf auf die Website www.europa.eu.int/olaf verwiesen werden.

Zu 18:

Gegenstand legistischer Vorschläge werden das Korruptionsstrafrecht sowie die Verantwortlichkeit juristischer Personen sein. Für beide Bereiche wird die erste Hälfte des Jahres 2005 in Aussicht genommen.

. Jänner 2005

 

(Maga. Karin Miklautsch)