2400/AB XXII. GP

Eingelangt am 10.02.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

 

Anfragebeantwortung

GZ. BMF-310205/0073-I/4/2004

 

»Herrn Präsidenten

des Nationalrates

 

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Erledigungstext:

»Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. »2420/J vom »10. Dezember 2004 der Abgeordneten »Mag. Johann Maier und Kollegen, betreffend »Recht auf ein Girokonto, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Einleitend möchte ich darauf hinweisen, dass die Einführung eines Kontrahierungszwanges für Kreditinstitute dem Grundsatz der Vertragsfreiheit widerspricht und in das verfassungsgesetzliche Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums eingreifen würde (VfGH B 1160/1988 sowie die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zum Grundverkehrsrecht, z.B. VfSlg 51/49/1965, 5683/1968, 7538/1975, 9014/1981, 9913/1984).

 

Ein Gesetz, das zum Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages verpflichtet, bewirkt einen Eingriff in das Eigentumsrecht des Normadressaten. Da sich der verfassungsgesetzliche Schutz des Eigentums nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs auf alle privaten Vermögensrechte erstreckt, umfasst er auch das Recht auf Freiheit des Abschlusses privatrechtlicher Verträge. Staatliche Eingriffe sind rechtlich als Enteignungen zu behandeln und dürfen daher nur unter bestimmten strengen Voraussetzungen erfolgen. Dies sind gemäß Art. 5 Staatsgrundgesetz (StGG) sowie nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) eine gesetzliche Grundlage, ein öffentliches Interesse und eine angemessene Schadloshaltung.

 

Kontrahierungszwang kann im öffentlichen Interesse dort gerechtfertigt sein, wo es keine Alternativen am Markt gibt, etwa bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Hingegen kann ein öffentliches Interesse an einem Kontrahierungszwang für Kreditinstitute – hiervon gibt es in Österreich ca. 900, die im Wett­bewerb stehen – nicht argumentiert werden. Auch die Kfz-Haftpflicht­versicherung ist kein vergleichbares Beispiel, dient doch diese Pflichtversicherung nicht primär dem Versicherten selbst, sondern dem finanziellen Schutz Dritter als Verkehrsteilnehmer und somit der Allgemeinheit.

 

Im Übrigen erhalten nach Informationen der Wirtschaftskammer Österreich durchaus auch Personen mangelnder Bonität in allen zu rechtfertigenden Fällen eine Kontoverbindung. Da Konten mittelloser Personen naturgemäß nur auf Haben-Basis geführt werden können, stellt sich jedoch das Problem des Ersatzes der anfallenden Spesen und Gebühren und deren letztendliche Tragung. Wird die Übernahme dieser Kosten den Kreditinstituten gesetzlich angelastet, so führt dies nicht nur zur notwendigen Überwälzung auf andere Bankgeschäfte bzw. Kunden, sondern wirft auch zusätzlich die bereits erwähnte verfassungsrechtliche Problematik der staatlichen Schadloshaltung auf, die bei gesetzlichen Enteignungen an sich Bedingung ist.

 

Wie aus diesen Ausführungen ersichtlich ist, handelt es sich bei der vorliegenden Materie um privatrechtliches Vertragsrecht, bzw. einen allfälligen Eingriff in die Vertragsfreiheit. Dafür ist das Bundesministerium für Finanzen jedoch grundsätzlich nicht zuständig. Geeignete Regelungsorte wären allenfalls die im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz gelegenen Zivilrechtsvorschriften, beispielsweise das Konsumentenschutzgesetz.

 

Im Einzelnen möchte ich auf Folgendes hinweisen:

 

Zu 1.:

Die Beurteilung der AK-Erhebung obliegt primär dem Bundesministerium für Justiz und dem Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz als den für die Rechtsmaterie zuständigen Ressorts. Dies deshalb, weil es sich um einen möglichen Eingriff in die Vertragsfreiheit handelt; somit um eine zivilrechtliche Materie und nicht um eine Angelegenheit des Bankenaufsichtsrechts.

 

Zu 2.:

Ergänzend zu den Ausführungen in der Einleitung zur vorliegenden Anfragebeantwortung ist darauf hinzuweisen, dass nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen eine "Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft" eine praktikable Lösung darstellen könnte. Auch wenn sich nicht alle Banken in Deutschland an eine solche Verpflichtung halten, spricht dies nach Meinung des Bundesministeriums für Finanzen nicht unbedingt gegen ein solches Abkommen. Eine Bindung aller Banken an eine derartige Verpflichtung ist zur Lösung des Problems nicht erforderlich. Im Übrigen möchte ich festhalten, dass in Österreich sehr gute Erfahrungen mit Selbstbindungsvereinbarungen bestehen. Eine Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft könnte daher in Österreich durchaus besser funktionieren als in Deutschland.

 

Zu 3. und 4.:

Nein, da es sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit handelt, für die das Bundesministerium für Finanzen nicht zuständig ist.

 


Zu 5. bis 7.:

Da, wie bereits ausgeführt, das Bundesministerium für Finanzen für diese Materie nicht zuständig ist, liegen auch keine entsprechenden Informationen vor.

 

Mit freundlichen Grüßen