2420/AB XXII. GP
Eingelangt am 18.02.2005
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BM für Verkehr, Innovation und
Technologie
Anfragebeantwortung
An den
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Andreas Khol
Parlament
1017
W i e n
GZ. BMVIT-10.000/0038-I/CS3/2004 DVR:0000175
Sehr geehrter Herr Präsident!
Die schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 2456/J-NR/2004 betreffend Westbahn bzw. Summerauer
Bahn und Querfinanzierung, die die Abgeordneten Moser, Freundinnen und Freunde
am 22. Dezember 2004 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Vorweg darf ich festhalten, dass der Ausbau des österreichischen
Eisenbahnnetzes eine komplexe strategische Aufgabe darstellt, bei der in
ausgewogenem Maße sowohl betriebliche und betriebswirtschaftliche als auch
volkswirtschaftliche Ziele zu verfolgen sind. Diese äußern sich auch in
unterschiedlichen Inhalten und Aufgaben der Unternehmenspolitiken im
ÖBB-Konzern und der Verkehrspolitik des Bundes, wobei eine umfassende
Verkehrspolitik auch standort-, wirtschafts-, sozial- und umweltpolitische Aspekte
umfassen muss.
Aus der Sicht des Bundes geht es neben der
Grundversorgung mit Erreichbarkeit und Mobilität und neben den bekannten
ökologischen Zielen auch darum, uns im Rahmen der großen europäischen
Verkehrskorridore so zu positionieren, dass unsere Zentren für einen schärfer
werdenden grenzüberschreitenden Standortwettbewerb nachhaltig gerüstet sind.
Das gilt insbesondere für die von uns bevorzugte umweltfreundliche Schiene.
Grundsätzlich ist zu beachten, dass jede
(sinnvolle) Investition die technischen Parameter des Netzes verbessert, was
die Attraktivität der Schiene fördert, andererseits aber zu einer erhöhten
Kostenbelastung führt, was die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene beeinträchtigt,
zumindest nach Abzug der dem erwarteten volkswirtschaftlichen Nutzen
zuzurechnenden Kostenanteile. In diesem Sinne ist es zum Beispiel durchaus
richtig, wenn wir Kapazitäten erst dann vorhalten, wenn ein entsprechendes
Nachfragepotenzial annähernd erreicht ist.
In diesem Spannungsfeld und vor dem Hintergrund der
naturgemäß beschränkten Finanzmittel stellt der Rahmenplan Schiene als
Konkretisierung des Generalverkehrsplans im Schienenbereich einen - aus meiner
Sicht durchaus gelungenen - Kompromiss dar. Jedenfalls wurde noch nie in der
Vergangenheit so viel in die Schiene investiert.
Frage 1:
In welchem Zeithorizont soll nun der Ausbau der
Westbahn als internationale Ost-West-Verbindung erfolgen?
Antwort:
Es besteht kein Zweifel, dass die Westbahn aufgrund
ihrer räumlichen Funktion und der hohen - nicht zuletzt als Folge der
EU-Erweiterung weiter steigenden - Verkehrsnachfrage, sowohl im Personen- wie
auch im Güterverkehr, die wichtigste Schienenachse in Österreich überhaupt ist.
Der Ausbau erfolgt, wie schon im Generalverkehrsplan vorgesehen, in Stufen. War
dort die Fertigstellung des viergleisigen Ausbaus zwischen Wien und Linz bis
etwa 2011 vorgesehen, so hat sich dieser Zeithorizont geringfügig auf die Jahre
2012/13 verschoben, nicht zuletzt aufgrund von Imponderabilien im Zuge der
Planung und Genehmigung.
Teilabschnitte, insbesondere zwischen Linz und
Salzburg, waren aber in Abstimmung mit den Erfordernissen schon damals später
angesetzt. Der viergleisige Ausbau zwischen Attnang-Puchheim und Salzburg hatte
sich schon im Generalverkehrsplan auf eine ca. 8km lange Tunnelkette zwischen
Seekirchen und Salzburg reduziert. Deren Realisierung war für den Zeitraum 2010
- 2020 vorgesehen. Geänderte Rahmenbedingungen wie die Nichtverwendung von
Neigezugstechnik, der anhaltende Bürgerwiderstand, die aktuellen Erwartungen an
die Verkehrsentwicklung und vor allem die Verzögerungen des Ausbaus München -
Mühldorf - Freilassing haben die Dringlichkeit dieses Vorhabens wesentlich
verringert.
Die durch den Rahmenplan bedingten Zeithorizonte
werden aus heutiger Sicht aber in keiner Weise dazu führen, dass nachgefragte
Schienentransporte aus Kapazitätsgründen nicht durchgeführt werden könnten.
Frage 2:
In welchem Zeithorizont und durch welche Maßnahmen
wird die Summerauer Bahn als internationale Nord-Süd-Verbindung attraktiviert?
Antwort:
Im Rahmenplan Schiene ist ein zweigleisiger Ausbau
der Summerauer Bahn zwischen dem Gleisdreieck in Linz und St.Georgen/Gusen, der
vor allem durch den Personennahverkehr im Nahbereich von Linz zusätzlich
belastet ist, im Zeitraum 2011 - 2015 vorgesehen. Im weiteren Verlauf bis
Summerau ist im Zeitraum 2008 - 2017 eine Verbesserung des Bestandes, vor allem
die Verlängerung der mehrgleisigen Abschnitten in den Bahnhöfen, zur
bedarfsgerechten Erhöhung der Streckenkapazität vorgesehen.
Jedenfalls sind Bemühungen im Gange, mit Hilfe
einer PPP-Finanzierung eine raschere Umsetzung der Maßnahmen zu ermöglichen,
wobei der Fertigstellungshorizont von 2015 zum Teil sogar die Zeitangaben des
Generalverkehrsplans unterbieten würde.
Frage 3:
Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass angesichts
der Notwendigkeit verstärkter Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene
gerade die - z.B. im TEN-Prozess - europäisch prioritär gereihten Ost-West- und
Nord-Süd-Transversalen durch Österreich in ihrem Ausbau nun innerstaatlich
hintangereiht werden?
Antwort:
Angesichts des Gesagten kann von einem Hintanreihen
gar keine Rede sein.
Zur Summerauer Bahn als Teil der in Ihrer Frage
angesprochenen Nord-Süd-Transversale möchte ich auf die Antwort zu Frage 4
verweisen.
Was die von Ihnen angesprochenen West-Ost
Transversale Paris-Stuttgart-München-Salzburg-Linz-Wien betrifft, so wurde
hierzu bereits in Frage 1 ausgeführt, dass sich der viergleisige Ausbau
zwischen Wien und Linz, der ursprünglich bis etwa 2011 vorgesehen war,
lediglich geringfügig auf die Jahre 2012/13 verschoben hat. Somit kann, was das
Kernstück des Ausbaus der Westbahn, nämlich Wien - Linz betrifft, dem in Anhang
III der TEN-Leitlinien genannten Fertigstellungsdatum für Wien - Salzburg
beinahe vollständig entsprochen werden.
Dabei ist auch darauf zu verweisen, dass
Wien-Salzburg in einem Zusammenhang mit Salzburg - München zu sehen ist, wo das
in Anhang III der TEN-Leitlinien genannte Fertigstellungsdatum jenseits der
österreichischen Staatsgrenze voraussichtlich nicht eingehalten werden kann.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch ganz
klar zum Ausdruck bringen, dass ich nicht bereit bin, angesichts
internationaler Prioritäten unsere ureigensten nationalen Prioritäten außer
Acht zu lassen.
Die beschleunigte Realisierung der Koralmbahn
erfolgt mit einer wesentlichen Kostenbeteiligung der Länder Steiermark und
Kärnten, nämlich von je 140 Mio €. Die Koralmbahn ist wie
der Abschnitt Wien - Graz Teil des Baltisch-Adriatischen Korridors, einer
Verkehrsachse, die die Ballungsräume Südpolens, Mährens und Ostösterreichs mit
dem oberitalienischen Wirtschaftsraum verbindet.
Mit der Entscheidung, dieses Projekt so rasch wie
möglich umzusetzen, sichern wir unsere Position an dieser wichtigen
transeuropäischen Achse, verbessern die Wettbewerbschancen der südlichen
Bundesländer - übrigens profitieren auch das Südburgenland und Osttirol - als
Wirtschaftsstandort. Sollen wir zusehen, dass sich die Bevölkerungsprognosen
erfüllen, die von einer deutlichen Abwanderung im Süden ausgehen - oder ist es
nicht unsere politische Pflicht, dem entgegenzusteuern? Immerhin, der
Standortnutzen, der in einer Studie der TU Wien mit etwa 170 Mio.€ beziffert wird, übersteigt die
betriebswirtschaftliche Rentabilität so manches anderen - völlig unumstrittenen
- Projekts im österreichischen Netz um ein Vielfaches.
Gerade was die von Ihnen angesprochenen
Verkehrsverlagerungen betrifft, ist vor dem Hintergrund der derzeitigen
Angebotsqualität in diesem Korridor vom Ausbau der Südbahn ein besonders großer
Effekt zu erwarten.
Frage 4:
Wie ist insbesondere die Rückreihung der Summerauer
Bahn mit den Ankündigungen im geltenden Bundesregierungs-Übereinkommen
("Der Ausbau der Schieneninfrastruktur zu den EU-Beitrittskandidaten im
Norden, Osten und Süden ... bleibt jedenfalls Priorität") in Deckung zu
bringen?
Antwort:
Wie ich schon dargelegt habe, setzen wir alles
daran, die Summerauer Bahn so rasch wie möglich, jedenfalls aber innerhalb der
von den TEN-Leitlinien vorgegebenen Zeitrahmen so auszubauen, dass sie
jedenfalls den zu erwartenden Anforderungen genügen wird. Im übrigen aber
möchte ich Sie auch ersuchen, das Zitat aus dem geltenden
Regierungsübereinkommen nicht einseitig wörtlich, sondern dem ganzen Sinne nach
zu verstehen: Es geht uns ja nicht nur um die unmittelbaren Grenzabschnitte,
sondern wir müssen gerade den Schienenverkehr, der ja in der Regel größere
Transportweiten aufweist, durch unser Staatsgebiet hindurchleiten können. Die
Ausbaumaßnahmen auf der Westbahn, aber auch der Südbahn und vor allem in den
Knoten sind auch im Zusammenhang mit dieser Durchleitungsfunktion aufgrund der
mittlerweile vollzogenen EU-Erweiterung zu sehen und sind eine unabdingbare
Voraussetzung um weiteren Verkehr auf der Schiene aufnehmen zu können.
Fragen 5 und 6:
In Ihrer Antwort auf die Frage 9 im Rahmen der
Parlamentarischen Anfragebeantwortung 2197/AB lassen Sie erkennen, dass eine
der Richtlinie 1999/62/EG Art.9 Abs.2 entsprechende Ermächtigung Querfinanzierung
ermöglichen würde; einschränkend (und diese Einschränkung ist keinesfalls mit
der geltenden EU-Rechtslage, sondern nur mit der falschen verkehrspolitischen
Prioritätensetzung der Bundesregierung begründbar) bemerken Sie: "Erst die
Möglichkeit eines Zuschlages auf die Maut im Rahmen einer neuen
Wegekostenrichtlinie würde die Voraussetzung zur Querfinanzierung des
Bahnausbaus schaffen.
Werden Sie von den Möglichkeiten
a)
Querfinanzierung zum
baldmöglichsten Zeitpunkt aus den bestehenden Mauteinnahmen, wie etwa in
Italien seit Jahren und in Deutschland ab Jahreswechsel praktiziert,
b)
zusätzliche
Querfinanzierung aus künftig denkbaren Mautzuschlägen
angesichts des gravierenden Finanzierungsengpasses für
sinnvolle und prioritäre Schienenprojekte Gebrauch machen?
Wenn nicht, warum nicht?
Antwort:
Die derzeit geltende Richtlinie 1999/62/EG gemäß
der Formulierung in Art. 9 Abs. 2 stellt es den Mitgliedstaaten grundsätzlich
frei, einen Prozentsatz der Einnahmen aus Maut- oder Benutzungsgebühren dem Umweltschutz
oder dem ausgewogenen Ausbau der Verkehrsnetze zuzuweisen.
Bedingung ist dabei allerdings, dass diese
Einnahmen jene Höhe, die sich aus der Berechnung der Infrastrukturkosten, das
heißt dem Bau, dem Betrieb und dem Ausbau des bemauteten Netzes ergibt, nicht
übersteigen. Bereits seit vielen Jahren wird gemäß ASFINAG-Gesetz ein Prozent
der Mauteinnahmen auf den Sondermautstrecken den betroffenen Bundesländern für
Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität zur Verfügung gestellt.
Weitere derartige Zuwendungen aus den Mauteinnahmen
sind derzeit wegen des 1997 gänzlich aus dem Budget ausgegliederten und auf die
Finanzierung aus Mauteinnahmen durch die ASFINAG abgestellten Autobahn- und
Schnellstraßennetzes nicht möglich. Eine direkte Vergleichbarkeit der
Voraussetzungen in Österreich mit der Situation in Deutschland, wo die
Autobahnen trotz Maut weiterhin über das Budget finanziert werden, bzw. mit
Italien, wo eine Konzessionsgesellschaft ihre Gewinne für Maßnahmen im
Bahnbereich einbringt, ist daher nicht gegeben.
Um aber dem wichtigen Projekt des Brenner
Basistunnels notwendige Finanzierungsanteile über Mauteinnahmen von der
parallelen und zukünftig in Konkurrenz stehenden Autobahn zuführen zu können, verlange
ich im Rahmen der Verhandlungen um eine neue Wegekostenrichtlinie von Beginn an
die Festschreibung der Möglichkeit, einen ausreichend hohen Zuschlag auf die
Maut einheben und diesen zur Mitfinanzierung des alternativen Tunnelprojektes
zweckgewidmet verwenden zu können.
Frage 7:
Wie erklären Sie Ihre widersprüchlichen Angaben in
Parlamentarischen Anfragebeantwortungen der letzten Monate zur Frage der
systematischen Kostenunterschätzung bei den im GVP aufgelisteten
Schienenprojekten und des damit unausweichlichen Finanzierungsengpasses bei der
von Ihnen stets behaupteten vollständigen Umsetzung des GVP?
Antwort:
Es ist doch so, dass zu jedem Zeitpunkt, also auch
als wir den Generalverkehrsplan erstellten, die unterschiedlichen Projekte
einen ungleichen Planungsstand aufweisen. Für langfristige Projekte liegen in
der Regel nur ganz grobe Schätzungen vor, die im Laufe des Planungsprozesses
stetig verfeinert werden. Zusätzlich zeigt sich in dieser Phase oft die
Notwendigkeit erheblicher Mehraufwendungen, insbesondere durch längere
Tunnelanteile oder zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen, um das Projekt realisieren
zu können.
Erst in der Detailplanung sind einigermaßen genaue
Kostenkalkulationen möglich, und erst bei Auftragsvergabe liegt ein
"exakter" Wert vor, der sich aber im Laufe der Umsetzung durch
unerwarteten Mehraufwand und Preisgleitung noch verändert. Hinzu kommen dann
auch Bauzinsen und Finanzierungskosten, die aufgrund des veränderlichen
Zinsniveaus nicht vorhersagbar sind. Genau diese projektspezifisch
unterschiedlichen Einflüsse, deren Gemeinsamkeit es ist, dass sie fast immer zu
Kostensteigerungen führen, bewirken auch unterschiedliche Kostenangaben und
liegen deren Begründungen zugrunde.
Mit freundlichen Grüßen