2507/AB XXII. GP

Eingelangt am 21.03.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0006-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2573/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Wortlaut des Berichts der Expertenkommission“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Ich verweise auf den in der Anlage beigeschlossenen Bericht der Expertenkommission.

. März 2005

(Maga. Karin Miklautsch)

 

 

 

 

 

 

 

 

Projektgruppe zur Verbesserung

der Betreuung psychisch kranker

Insassen im Straf- und Maßnahmenvollzug

 

 

 

 

 

 

 

 

Zusammenfassung der Ergebnisse


Auftrag:

 

Am  8.  Juli 2004 hat Bundesministerin für Justiz Maga. Karin Miklautsch eine Projektgruppe eingesetzt, um die in der Zeitschrift Falter (Ausgabe 28/04) dargestellten drei Todesfälle in den Justizanstalten Göllersdorf, Stein und Schwarzau und die medizinische Betreuung von psychotischen und suizidgefährdeten Insassen auf strukturelle Mängel des Straf- und Maßnahmenvollzugs zu untersuchen und gegebenenfalls Empfehlungen abzugeben.

 

Der Projektgruppe, die sich am 16. Juli 2004 konstituierte, gehörten an:

-          Dr. Alois Jung, Präsident des Oberlandesgerichtes Linz, Vorsitzender der Projektgruppe

-          Dr. Wilhelm Klocker, Leitender Staatsanwalt i.R., Bundesministerium für Justiz

 

-          Dr. Andreas Mittermayr, Richter des Oberlandesgerichtes Linz, Vorsitzender der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Linz

 

-          Dr. Otto Presslich, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Neurologie und Intensivmedizin

 

-          Dr. Günther Winsauer, Richter des Oberlandesgerichtes Linz, Leiter der Justiz-medienstelle des Oberlandesgerichtes Linz

 

-          Oberst i.R. Willibald Zach, ehemaliger Leiter der Justizanstalt Hirtenberg

 

Die Arbeit der Projektgruppe wurde unterstützt durch:

-          Mag. Christian Gutschi, Richter des Landesgerichtes, Referent in der Strafvollzugssektion des Bundesministeriums für Justiz

 

-          Sylvia Holube, Vertragsbedienstete des Bundesministeriums für Justiz

 

-          Brigitte Kugler, Vertragsbedienstete des Oberlandesgerichtes Linz

 

Als Grundlage dienten der Projektgruppe die Personalakten der drei verstorbenen Insassen, die sie betreffenden Aktenreihen der Sektion V des Bundesministeriums für Justiz, der Strafakt 23 Vr 267/01 des Landesgerichtes Krems, der Gesamtbericht der Expertenkommission zu Fragen des Straf- und Maßnahmenvollzuges des Jahres 2001 sowie der Revisionsbericht 2003 des Bundesministeriums für Justiz über die Justizanstalt Stein. Befundaufnahmen erfolgten durch Mitglieder der Projektgruppe am 2.8., 5.8., 6.8., 1.9. und 4.10.2004 in den Justizanstalten Graz-Karlau, Garsten, Suben, Schwarzau, Göllersdorf und Stein. Außerdem wurden von allen Justizanstalten aktuelle Daten zur personellen Ausstattung der Sonderdienste (Sozialer, Psychologischer, Psychiatrischer und Allgemeinmedizinischer Dienst) eingeholt.

 

Die Arbeit der Projektgruppe lässt sich wie folgt gliedern:

A)          Todesfälle in den Justizanstalten Göllersdorf, Stein

und Schwarzau ....................................................................................         Seite   3

 

B)          Überprüfung der Struktur der Betreuung psychisch

kranker Insassen in den Justizanstalten ..............................................      Seite   9

 

C)          Allgemeine Empfehlungen ...................................................................       Seite 32

 

Personenbezogene Bezeichnungen beziehen sich, soweit sich nicht aus dem Inhalt etwas anderes ergibt, auf Frauen und Männer in gleicher Weise.


 

 

 

A)

 

Todesfälle in den Justizanstalten

Göllersdorf, Stein und Schwarzau

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

Fall 1

 

 

 

 

 


Insasse der Justizanstalt Göllersdorf,

verstorben am 27. April 1998

 

Der Untergebrachte wurde am Abend des 26.4.1998 wegen aufgetretener Unruhezustände von seinem Haftraum auf der Akutstation der Anstalt in den besonders gesicherten Haftraum gebracht. Am Morgen des 27.4. erhielt er eine Depotmedikation. Ein Abklingen der Unruhezustände war nicht festzustellen. Gegen 10.00 Uhr meldete er sich über die Gegensprechanlage beim Stationspersonal, welches an jenem Tag aus drei Justizwachebeamten und zwei Pflegerinnen bestand, wobei jedoch ein Justizwachebeamter aus dienstlichen Gründen von 8.00 bis 11.00 Uhr abwesend war, und beklagte sich über eine defekte Wasserspülung. Kurz nach 11.00 Uhr bemerkte ein Justizwachebeamter im Rahmen eines Kontrollganges, dass sich der Insasse (sitzend) mit seiner Pyjamajacke erhängt hat. Zur visuellen Überwachung der Insassen war im besonders gesicherten Haftraum eine Videokamera angebracht. Der Suizid ereignete sich in einem für die Kamera nicht einsehbaren Bereich.

 

Für die Projektgruppe war der Untergebrachte als suizidgefährdet einzustufen, sodass eine Überstellung in den besonders gesicherten Haftraum mit besserer Überwachungsmöglichkeit, wenngleich diese Maßnahme aus medizinischer Sicht gegenüber einer Sedierung des Insassen lediglich die zweite Wahl darstellte, grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Die Person des Anordnenden, die Gründe, die Meldung an den Anstaltsleiter und die Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Maßnahme sind jedoch unvollständig dokumentiert. Die Sedierung eines selbst- oder fremdgefährlichen Insassen ist aufgrund fehlenden Personals und mangelnder Sachausstattung (medizinisch-technische Einrichtungen für Monitoring) in der Anstalt nicht möglich. Nach wie vor ist daher die Verlegung in den besonders gesicherten Haftraum die praktizierte Maßnahme, die angesichts der Ausgestaltung (Gitter) und der unveränderten Personallage - ungeachtet der zwischenzeitig durch eine zweite Videokamera verbesserten technischen Überwachungsmöglichkeit kommt einer unmittelbaren Kontrolle durch Bedienstete wesentliche Bedeutung zu -  in Ansehung einer lege artis Beurteilung höchst problematisch ist.

Die Projektgruppe hat im Zuge der Befundaufnahme festgestellt, dass die Anordnung der Verlegung in den besonders gesicherten Haftraum als Frage der lege artis Behandlung gemäß § 165 Abs. 1 Z 1 StVG gesehen wird, demnach Unsicherheiten in der Anwendung bzw. Abgrenzung der Bestimmungen der §§ 103, 165 StVG bestehen.

Untersteht die Anordnung der Verlegung dem § 165 StVG, gäbe es ein unterschiedliches Rechtsschutzsystem für Untergebrachte in Sonderanstalten und für Untergebrachte in Psychiatrischen Krankenhäusern (die in Psychiatrischen  Krankenhäusern Untergebrachten sind gemäß § 167 a Abs. 2 StVG dem Regime des Unterbringungsgesetzes unterworfen).

Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen:

Ø      Einheitliche rechtliche Behandlung der in Justizanstalten und in öffentlichen Krankenanstalten  angehaltenen Untergebrachten; insbesondere Vermeidung eines unterschiedlichen Rechtsschutzsystems.

Ø      Klare Richtlinien in Ansehung der Handhabung der besonderen Sicherheitsmaßnahmen nach § 103 StVG bzw. Klarstellung der Verantwortung des Aufsicht führenden Strafvollzugsbediensteten (in Abgrenzung zur ärztlichen Diagnose der Gefährlichkeit).

Ø      Den besonderes gesicherten Haftraum der Justizanstalt Göllersdorf und seine Überwachung den anerkannten Methoden der Psychiatrie entsprechend zu verbessern.


 

 

 

 

 

 

Fall 2

 

 

 

 

 


Insasse der Justizanstalt Stein,

verstorben am 15. Juni 2001

 

Am 14.6.2001 um 21.05 Uhr wurde der Strafgefangene in seinem Haftraum des Anstaltsspitals aus einer Kopfwunde blutend vorgefunden. Aufgrund des verwüsteten Eindrucks des Haftraumes nahmen die Bediensteten an, dass er sich in einem Raptuszustand befunden hat bzw. ein psychotischer Schub vorlag. Der um 21.25 Uhr eintreffende Anstaltsarzt versorgte eine Blutung aus der Nase, verabreichte dem Insassen eine Akineton-Injektion und ordnete seine Verlegung in einen besonderen gesicherten Haftraum im Anstaltsspital (welcher außer einem Krankenbett über keine zusätzlichen Einrichtungsgegenstände verfügt und eine zusätzliche Sicherung des Eingangsbereiches in Form einer Gittertüre aufweist) sowie die Fixierung des Insassen an. Der Strafgefangene wurde daraufhin zumindest am rechten Arm, beiden Beinen und am Bauch mittels Ledergurten fixiert. Nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ob es auch eine Fixierung des linken Armes gegeben hat; zum Auffindungszeitpunkt um 7.03 Uhr des 15.6.2001 befand sich der linke Arm des Insassen jedenfalls außerhalb der dort angebrachten Lederschlaufe. Die Überwachung des Strafgefangenen fand durch Sichtkontrollen (bis 2.00 Uhr großteils durch die Gittertüre, danach nur noch durch das Sichtfenster der verschlossenen Haftraumtüre) statt, womit keine der anerkannten Regeln der Psychiatrie entsprechende Beobachtung eines akut psychiatrisch Behandelten gewährleistet war.

 

Die Projektgruppe ist der Ansicht, dass der Insasse bereits seit vielen Jahren aufgrund seiner psychischen Abnormität für den Normalvollzug nicht geeignet war und daher eine Behandlung in einem Psychiatrischen Krankenhaus erforderlich gewesen wäre. Den Vollzug bestimmte aber angesichts der Gefährlichkeit das Sicherheitsbedürfnis (zur Hintanhaltung der außergewöhnlichen Fremdgefährlichkeit). Dieses Sicherheitskonzept verhinderte bis August 1993 (Überstellung in die Justizanstalt Göllersdorf) eine den anerkannten Methoden der Psychiatrie, Psychologie und Pädagogik entsprechende, über die bloße Depotmedikation hinausgehende Betreuung.

Die nach der Rücküberstellung im Mai 1995 - neben der  medikamentösen Behandlung - erforderliche therapeutische Betreuung konnte mangels geschulten Personals sachgerecht in der Justizanstalt Stein nicht stattfinden, diese Aufgabe musste (unprofessionell) durch das Justizwachpersonal geleistet werden.

Am 14./15. Juni 2001 stand für die Akutbehandlung des (behaupteten) Raptus bei gleichzeitiger Selbst- und Sachbeschädigung kein Psychiater zur Verfügung, die Beurteilung und Behandlung blieb dem Allgemeinmediziner anhand der Mitteilungen der Justizwachebeamten über ihre jahrzehntelangen Erfahrungen im Umgang mit dem Insassen überlassen. Eine sachangemessene psychiatrische Versorgung des Akutbildes war nicht möglich, geschultes Personal und Sachausstattung zur fachgerechten Sedierung waren und sind nicht vorhanden.

Das verwendete Krankenbett, versehen mit Ledergurten, wurde von der Anstaltsleitung (entsprechend den in der Psychiatrie verwendeten Fixiervorrichtungen) angeschafft. Demgegenüber war das durch die Strafvollzugsnovelle 1993 abgeschaffte „Gurtenbett“ ein lederbespannter Holzblock mit fix montierten Lederriemen, mit denen der Strafgefangene bewegungsunfähig festgeschnallt wurde. Im Hinblick auf die außergewöhnlichen Gesundheitsrisiken wurde diese Art  der besonderen Sicherheitsmaßnahme abgeschafft.

Die am Krankenbett befestigten Ledergurte sind aber nach den anerkannten Regeln der Psychiatrie kein sach- und fachgerechtes Instrument der Fixierung. Lediglich ein textiles, verstellbares und gut gepolstertes System ist lege artis.

Die mangelnde Personalausstattung verhinderte eine sachangemessene „besondere Überwachung“ des Fixierten; darüber hinaus gibt es auch heute keine medizinisch-technische Einrichtung zum Monitoring nach Sedierung eines akut psychotischen Insassen (eine solche könnte sachgerecht nur in einem Psychiatrischen Krankenhaus erfolgen und überwacht werden).

In den Berichten der Anstalt wurde die Anordnung einer besonderen Sicherheitsmaßnahme in Anwendung des § 103 StVG (wie sie aber aus dem im Personalakt erliegenden ausgefüllten und unterfertigten Formblatt ersichtlich ist) nicht expressis verbis erwähnt; der Umstand der Fixierung am Krankenbett wurde als „medizinische Sicherung zum Selbstschutz“ bezeichnet, die der Anstaltsarzt anordnete.

Die Projektgruppe hat im Zuge der Befundaufnahme festgestellt, dass in den Justizanstalten teilweise Unklarheit darüber herrscht, ob zwischen den Begriffen „medizinische Anordnung“ und Maßnahme gemäß § 103 Abs. 2 Z 5 StVG zu unterscheiden sei, insbesondere ob nicht aufgrund des Status der Krankenabteilung der Justizanstalt Stein als „Krankenanstalt“ auch der Anstaltsarzt die Fixierung eines Insassen anordnen kann.

Untersteht aber eine ärztliche Anordnung nicht dem Regime des § 103 StVG,  bestünde ohne Sachgrund ein unterschiedliches Rechtsschutzsystem zwischen einem gemäß § 71 Abs. 3 StVG in ein Psychiatrisches Krankenhaus überstellten Strafgefangenen (wo dann Fixierungen gemäß §§ 33, 38 UbG einer gerichtlichen Nachprüfung, d.h. Überprüfung der ärztlichen Anordnung, unterliegen) und einem in der Justizanstalt durch eine vom Anstaltsarzt „angeordnete, medizinisch indizierte Fixierung“ betroffenen Strafgefangenen.

Es empfiehlt sich daher eine Klarstellung über die Verantwortlichkeit für eine nach § 103 StVG anzuordnende Sicherheitsmaßnahme zu erreichen und/oder ein einheitliches Rechtsschutzsystems für psychisch Kranke in Justizanstalten nach dem Unterbringungsgesetz zu schaffen.

Die Projektgruppe hat keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer besonderen Sicherheitsmaßnahme gemäß § 103 Abs. 2 Z 4 und 5 StVG, da aufgrund des akut psychotischen Zustandsbildes und der zahlreich zugefügten Verletzungen die Gefahr einer Selbstbeschädigung (§ 103 Abs. 1 StVG) bzw. der Gefährlichkeit für sich selbst (§ 103 Abs. 3a StVG), aber auch der Gewalttätigkeit gegen Sachen (§ 103 Abs. 4 StVG) gegeben war.

Ein Bericht der Niederösterreichischen Landesregierung über die Prüfung der Krankenabteilung fordert zusätzliches, geschultes Personal. Fehlende medizinisch-technische Einrichtungen und fehlende Reglementierung (Checkliste) einer kunstgerechten Überwachung bringen es mit sich, dass die nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft einzuhaltenden Richtlinien bei Schutzfixierung akut psychotischer Patienten nicht eingehalten werden können.

Die Projektgruppe hat erhoben, dass mehr als zwei Drittel aller Fesselungen aufgrund der Gefahr einer Selbsttötung bzw. Selbstbeschädigung erfolgen.

Es wird daher empfohlen, die sachangemessene Ausstattung der besonders gesicherten Zellen und der Fesselungsmaßnahmen zu vereinheitlichen und allenfalls eine Aktualisierung/Neuregelung der in § 103 Abs. 2 Z 5 StVG genannten Mittel vorzunehmen. Weiters wäre die Regelung einer sachangemessenen Durchführung der besonderen Überwachung der abgesonderten bzw. gefesselten Insassen notwendig.


 

 

 

 

 

 

Fall 3

 

 

 

 

 


Insassin der Justizanstalt Schwarzau,

verstorben am 16. Juni 2004

 

Die Insassin wurde am 16.6.2004 gegen 10.00 Uhr in ihrem Haftraum tot am Tisch sitzend aufgefunden. Sie war offensichtlich an ihrem eigenen Erbrochenen erstickt. Das Ergebnis der durchgeführten gerichtlichen Obduktion, welches näheren Aufschluss über die Todesumstände geben sollte, lag zum Zeitpunkt der Abschluss der Arbeiten der Projektgruppe noch nicht vor. Ein Zusammenhang mit den dokumentierten psychischen Auffälligkeiten, denen man in der Anstalt durch eine entsprechende, in ihrer Dosierung als an der oberen Grenze einzustufenden Medikation begegnete, konnte jedoch nicht ausgeschlossen werden, zumal auch eine darüber hinaus gehende therapeutische Betreuung für die Insassin in der Anstalt nicht gegeben war. Von Defiziten in diesem Bereich ausgehend und unabhängig vom konkreten Einzelfall empfiehlt daher die Projektgruppe, geeignete Justizwachebeamte im Umgang mit psychiatrisch behandelten Insassen zu schulen.


 

 

B)

 

Überprüfung der Struktur der

Betreuung psychisch kranker

Insassen in den Justizanstalten

 

 

 

 

 


Eine Reihe von Todesfällen in der Justizanstalt Stein im Frühjahr 2001 führte im Sommer des gleichen Jahres zur Einsetzung einer Expertenkommission durch den damaligen Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer. Die Kommission hatte den Auftrag, sich mit den Themenkomplexen

·              Selbsttötungen in Justizanstalten,

·              Krisenmanagement bei akuten psychischen Erkrankungen von Insassen,

·              psychiatrische und therapeutische Versorgung der Sonderabteilungen gemäß § 21 Abs. 2 StGB und der psychisch auffälligen Strafgefangenen sowie

·              Unterbringung und Finanzierung der Behandlung geistig abnormer Rechtsbrecher und psychisch auffälliger Strafgefangener

zu befassen und Vorschläge für ein effizienteres Tätigwerden zu erstatten.

Außerdem sollte

·              der Beitrag der Justizwache zur Betreuung dieses Personenkreises

untersucht und bewertet werden.

 

Das Ergebnis der Arbeiten dieser Kommission liegt in einem umfangreichen Bericht vor.

Anfang Juli 2004 erschien in der Zeitschrift „Falter“, Ausgabe 28/04, ein Artikel, in dem, ausgehend vom Todesfall eines Strafgefangenen in der Justizanstalt Stein im Jahre 2001 sowie von zwei weiteren Todesfällen in anderen Justizanstalten, Vorwürfe gegen die Justiz erhoben wurden.

Die deswegen eingesetzte Projektgruppe konnte bei der Überprüfung der Struktur der Betreuung psychisch kranker Insassen der Justizanstalten von den Ergebnissen der „Expertenkommission 2001“ ausgehen und verglich die neuen Erhebungen mit jenen des Jahres 2001. Zu diesem Zweck wurde der seinerzeit an die Justizanstalten gesendete Fragebogen neuerlich an alle Justizanstalten versendet.

Beim Vergleich der Ergebnisse musste man allerdings berücksichtigen, dass die Gesamtzahl der Insassen der österreichischen Justizanstalten

am 1.7.2001  6.671 und

am 1.7.2004  8.493

 

betrug – eine Tendenz, die steigend ist – und dass im gleichen Zeitraum die Zahl der (systemisierten und besetzten) Justizwachebeamten von 3.012 (1.7.2001) auf 2.877 (1.7.2004) gesunken ist. Diese Umstände relativieren so manche, positiv zu bewertende Entwicklung seit dem Jahre 2001. Dazu kommt, dass der Anteil der in den Krankenabteilungen der Justizanstalten untergebrachten Insassen mit psychischen Auffälligkeiten weiter zugenommen hat. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch bei Patienten der öffentlichen Krankenanstalten im Untersuchungszeitraum 1998 – 2002 ein Anstieg der affektiven Störungen sowie Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen diagnostiziert wurde. (Auskunftsquelle: Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitsforschung [ÖBIG])

I.                   Allgemeines

In Österreich gibt es bundesweit 28 Justizanstalten. In diesen Anstalten sind umgerechnet ca. 3.320 Vollzeitkräfte beschäftigt, davon entfallen ca. 3.000 auf den Exekutivdienst und ca. 320 auf Verwaltung und Betreuung.

Zum Stichtag 1.7.2004 betrug der Insassenstand ca. 8.5001) bei einer Belagsfähigkeit von 7.967. Die Auslastung der einzelnen Justizanstalten liegt, abgesehen von einigen Außenstellen sowie der Justizanstalt Klagenfurt, die darunter liegen, zwischen 90 und 132 %. Mit einem weiteren Anstieg der Insassenzahlen ist zu rechnen.

Von den Insassen waren zum Stichtag 2.345 in U-Haft, 5.491 in Strafhaft, 670 freiheitsentziehenden Maßnahmen unterworfen (§ 21 Abs. 1 und 2 StGB, §§ 22 und 23 StGB sowie § 429 Abs. 4 StPO) und 7 im sonstigen Vollzug (Justizgewahrsam). Zum Stichtag wurden in justizeigenen Einrichtungen 31 Personen gemäß § 429 Abs. 4 StPO vorläufig und 310 Personen gemäß § 21 Abs. 2 StGB angehalten. 313 Personen waren gemäß § 21 Abs. 1 StGB untergebracht, davon 199 im externen Maßnahmenvollzug in Krankenanstalten bzw. Psychiatrischen Krankenhäusern.

Die Kosten der medizinischen Versorgung in den Justizanstalten betrugen im Jahre 2003 insgesamt EUR 32 Mio. (im Jahr 2000: EUR 20,1 Mio.). Davon wurden EUR 4,2 Mio. (im Jahre 2000: EUR 2,8 Mio.) für Medikamente, EUR 3,3, Mio. (im Jahr 2000: EUR 2 Mio.) für Arztkosten und EUR 24,5 Mio. (im Jahr 2000: EUR 15,3 Mio.) für Spitalskosten aufgewendet.

Unterlagen über die Höhe des Anteils der Substitutionsmittel und Psychopharmaka an den Kosten der Medikamente standen nicht zur Verfügung.

Die Kosten für die stationäre Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher in öffentlichen Krankenanstalten betrugen im Jahre 2003 17,8 Mio. EUR (im Jahr 2000: EUR 10,5 Mio).

II.                 Aktueller Stand der Versorgung

1.                  Personal

1.1.           (Konsiliar) psychiatrische Versorgung

Im Bereich der Sonderanstalten hat sich die Situation zahlenmäßig gegenüber dem Jahre 2001 kaum verändert. Lediglich in den Sonderanstalten Wien-Mittersteig und Wien-Favoriten wurden die Wochenstunden der Psychiater leicht erhöht. In der Sonderanstalt Wien-Mittersteig wurden mit Ende 2002 der Vertrag mit der Universitätsklinik aufgekündigt und stattdessen Dienst- und Werkverträge mit Psychiatern abgeschlossen. 

In keiner der drei großen Strafvollzugsanstalten (Stein, Graz-Karlau, Garsten) wird der Sollstand an Psychiaterstunden erreicht. Insbesondere in der Justizanstalt Graz-Karlau herrscht ein eklatanter Mangel an Psychiatern (Soll: 2/Ist: 0,5 Stellen).

In der Justizanstalt Stein hat der Psychiatrische Dienst (ca. 53 Wochenstunden) den gesamten Insassenstand zu versorgen und im Besonderen auch die Insassen, die nach § 22 StGB angehalten und solche die nach § 68a StVG zu betreuen sind, zu behandeln. Fünf der psychiatrischen Wochenstunden sind „an die Justizanstalt St. Pölten entlehnt“.

In den sechs übrigen Strafvollzugsanstalten ist die zahlenmäßige Situation im Wesentlichen unverändert.

Bei den 16 Gefangenenhäusern hat sich seit dem Jahr 2001 insofern eine Änderung ergeben, als nur mehr in drei Gefangenenhäusern ein Psychiatrischer Dienst nicht eingerichtet ist. In der Justizanstalt Linz wird ein Psychiater nur bei Bedarf beigezogen. Im Jahre 2001 hatten nur 4 von 17 (die Justizanstalt Wien-Erdberg wurde mittlerweile aufgelöst) Gefangenenhäuser Psychiatrische Dienste!

In der Justizanstalt Wien-Josefstadt arbeiten wie im Jahre 2001 sechs Fachärzte für Psychiatrie bzw. solche in Ausbildung (teilweise Justizkliniklösung). Für die nach der Auflösung der Justizanstalt Wien-Erdberg neu geschaffene Jugendabteilung wurde zusätzlich eine Psychiaterstelle mit 30 Wochenstunden eingerichtet.

Insgesamt ist festzustellen, dass allein in der Justizanstalt Göllersdorf ein Psychiatrischer Dienst rund um die Uhr besteht.

Außerhalb der Dienstzeit ist die Erreichbarkeit des Psychiatrischen Dienstes in 11 Justizanstalten möglich, in fünf Justizanstalten (darunter Wien-Favoriten, Graz-Karlau) schwierig, in zwei Justizanstalten (darunter Innsbruck) nur in Notfällen möglich und in sechs Justizanstalten (darunter Stein, Garsten, Korneuburg, Klagenfurt) nicht möglich. Dieser Umstand findet seinen Niederschlag in der Zahl der Ausführungen und Transferierungen.

1.2.           Psychologischer Dienst

In allen Justizanstalten, ausgenommen die Justizanstalt Leoben und drei kleine Gefangenenhäuser, ist in unterschiedlicher Stärke ein Psychologischer Dienst eingerichtet. Dies bedeutet insgesamt eine Steigerung gegenüber 2001. Der Sollstand ist in acht Anstalten noch nicht erreicht. Die Zahl der für die großen Justizanstalten vorgesehenen Stellen erscheint allerdings im Hinblick auf die schwierige Insassenpopulation gering.

In der Justizanstalt Wien-Mittersteig sind zwei Psychologenstellen ausschließlich für die Zentrale Dokumentations- und Koordinationsstelle für Sexualstraftäter in der Außenstelle Wien-Floridsdorf vorhanden.

Gegenüberstellung Soll-/Ist-Stand Psychologischer Dienst:

 

Plätze

Soll/Ist

Sonderanstalten

388

19,25/18,6

Strafvollzugsanstalten

3.223

19,75/17,78

Gefangenenhäuser1)

4.341

18,6/17,48

 

 

 


1.3.           Sozialer Dienst

Mit Ausnahme der Justizanstalt Steyr besteht in allen Justizanstalten ein Sozialer Dienst. Seit dem Jahre 2001 hat sich die Differenz zwischen dem Soll- und dem Ist-Stand wesentlich verringert.

Gegenüberstellung Soll-/Ist-Stand Sozialer Dienst:

 

Plätze

Soll/Ist

Sonderanstalten

388

17,25/14,75

Strafvollzugsanstalten

3.223

32,25/31,25

Gefangenenhäuser 1)

4.341

45/43,5

 

1.4.           Pflegedienst

Seit dem Jahre 2001 wurde der Pflegedienst in den Justizanstalten spürbar ausgebaut. So wurde in den Strafvollzugsanstalten Suben, Sonnberg, Schwarzau und Gerasdorf sowie in 7 der 16 Gefangenenhäuser ein solcher Dienst neu eingerichtet. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diese Pflegedienste, ausgenommen die Justizanstalt Göllersdorf, die Justizanstalt Wien-Josefstadt, die Außenstelle Wilhelmshöhe und die Justizanstalt Wels, nur im Tagdienst je nach Maßgabe ihrer Stundenverpflichtung (10 bis 40 Wochenstunden) zum Einsatz kommen. Das heißt, dass lediglich in den vier angeführten Anstalten Pflegepersonal auch während der Nachtstunden verfügbar ist.

In der Justizanstalt Wels wurde eine Sonderkrankenanstalt für psychiatrisch chronisch Kranke (§ 429 Abs. 4 StPO) mit 12 Betten geschaffen. Die dort tätigen acht Pflegepersonen wurden von der Oberösterreichischen Gesundheits- und SpitalsAG (GESPAG) aus dem Sachaufwand „zugekauft“, wobei vorgesorgt ist, dass - wie erwähnt - auch im Nachtdienst immer eine Pflegeperson anwesend ist.


2.                  Versorgung allgemein

2.1.           Sonderanstalten

Die Situation in den Sonderanstalten ist im Wesentlichen gleich, wie sie im „Expertenbericht 2001“ beschrieben wurde, jedoch verschärft durch das explosive Steigen der Insassenzahlen und die gleichzeitige Reduktion des Justizwachpersonals. In der Justizanstalt Wien-Mittersteig hat sich die Erreichbarkeit des Psychiatrischen Dienstes außerhalb der Dienstzeiten nur aufgrund der (nicht entlohnten) Eigeninitiative des Psychiatrischen Leiters gebessert. In der Außenstelle Floridsdorf besteht seit 1.1.2002 eine Zentrale Dokumentations- und Koordinationsstelle für Sexualstraftäter, in die Strafgefangene mit Sexualdelikten, insbesondere Kindesmissbrauch, zur Begutachtung und Erstellung eines Therapievorschlages eingewiesen werden. Untergebrachte nach § 21 Abs. 2 StGB werden in jedem Fall (auch Sexualdelinquenten) in die Begutachtungsstation der Justizanstalt Wien-Mittersteig eingewiesen.

2.2.           Strafvollzugsanstalten

Der Anteil der in den Krankenabteilungen aufgenommenen Insassen mit psychiatrischen Auffälligkeiten ist gestiegen1). In der Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf wurde die Sonderabteilung für den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB vergrößert und dort auch psychiatrisch auffällige Strafgefangene untergebracht.

(Einschub: In der forensisch-psychiatrischen Diskussion wird eine Verbindung zwischen dem Ansteigen von psychiatrisch auffälligen Insassen der Justizanstalten und der Tendenz der allgemeinen Psychiatrie hergestellt, sich von all jenen Aspekten der Behandlung zurückzuziehen, die mit Zwangsmaßnahmen gegen Patienten zu tun haben. Die Verkleinerung oder Schließung von stationären psychiatrischen Einrichtungen führe dazu, dass Patienten vermehrt zu früh nur mehr ambulant behandelt werden. Diese ambulante Behandlung berge das Risiko vermehrter Straffälligkeit in sich. Der hiebei besonders gefährdete Personenkreis seien die Unterbegabten, die unauffälligen psychotischen Patienten, die stark Minderbegabten, die Behinderten. In Österreich sei diese Entwicklung seit dem Inkrafttreten des Unterbringungsgesetzes 1991 zu beobachten.

Manche Psychiater behaupten auch, dass diese Tendenz durch die die Patientenrechte wahrenden Institutionen (wie z.B. die Patientenanwaltschaft) noch verstärkt werde. Hinzu komme, dass der Krankheitsbegriff durch die derzeit gebräuchlichen Diagnose-Instrumente, wie etwa das ICD-10, weitgehend durch den Begriff der Störung ersetzt worden sei. Dies habe zur Folge, dass auch schwerere Erkrankungen nicht als solche wahrgenommen würden. Es bestehe die Gefahr, dass ein Teil dieser Insassen, die während der Haft unauffällig sind, keiner adäquaten Behandlung teilhaftig und ihrer Rückfallsgefährdung nicht sinnvoll entgegengewirkt werde).

 

Das eklatante Ansteigen der Maßnahmenfälle nach § 21 Abs. 2 StGB hat die Lage in den Strafvollzugsanstalten Stein, Graz-Karlau und Garsten insofern weiter verschärft, als die Zahl dieser Insassen deutlich über der Größe der jeweiligen Sonderabteilungen liegt. Die Justizanstalt Stein hat die Maßnahmenfälle nach § 21 Abs. 2 StGB in zwei Abteilungen, die außerhalb der Sonderkrankenanstalt liegen, zusammengefasst. Allerdings liegt die Zahl der Maßnahmenfälle weit über dem Fassungsvermögen der beiden Abteilungen, sodass eine nicht unbeträchtliche Zahl Untergebrachter in Abteilungen des Normalvollzuges zu finden ist.  In den Justizanstalten Graz-Karlau und Garsten ist der überwiegende Teil der Maßnahmenvollzüge in Abteilungen des Normalvollzugs untergebracht.

Justizanstalt Garsten:

Die Sonderabteilung nach § 21 Abs. 2 StGB hat sechs Plätze. Am 1.7.2004 waren 37 Maßnahmenvollzüge nach § 21 Abs. 2 StGB angehalten. Es werden Gruppentherapien durch drei externe Psychotherapeuten (Langzeitrehabilitation, Alkoholmodule) sowie soziale Rehabilitation (Wohnprojekte) angeboten. Zur Zeit befindet sich die Betreuung in einer Phase der Neuausrichtung auf den Schwerpunkt „sozialrehabilitative Maßnahmen“.

Justizanstalt Graz-Karlau:

Die Sonderabteilung nach § 21 Abs. 2 StGB hat 17 Plätze. Am 1.7.2004 waren 60 Maßnahmenvollzüge nach § 21 Abs. 2 StGB angehalten. Die nach § 21 Abs. 2 StGB Angehaltenen werden wie auch andere Insassen der Justizanstalt Graz-Karlau von 10 externen Psychotherapeuten betreut, die in unterschiedlichen psychologischen Schulen (z.B. Verhaltenstherapie, psychodynamische Gesprächstherapie, systemische Therapie) ausgebildet sind. Angeboten wird Einzel- und Gruppentherapie (Antiaggressionstraining, Therapie für Sexualstraftäter, Akoholmodul, Drogentherapie [im Aufbau]). Die Anstaltspsychologen beurteilen die Therapiewilligkeit und –fähigkeit der betreffenden Insassen. Die Ressourcen der Psychotherapie gehen allerdings mehrheitlich in den Normalvollzug. Der überwiegende Teil der Maßnahmenfälle ist psychotherapeutisch unversorgt, was zu Verzögerungen bei der Entlassung führt (Kostenfrage!).

           Justizanstalt Stein:

Am 1.7.2004 waren 64 Maßnahmenvollzüge nach § 21 Abs. 2 StGB angehalten. Die Untergebrachten werden nach dem vom Psychologischen Dienst erarbeiteten Konzept und unter dessen Aufsicht sowie Einbeziehung der Group Counsellors durch Gruppenarbeit und bei Bedarf auch durch Einzelgespräche betreut. Innerhalb der Gruppe wird mit Modulen gearbeitet, die auf Deliktstypen, aber auch auf Täterpersönlichkeiten abgestellt sind. Auch autogenes Training wird eingesetzt. Der Psychiatrische Dienst wird nur bei psychischen Auffälligkeiten befasst. Zur Erörterung von Problemen und zur besseren gegenseitigen Information der Sonderdienste sowie zur Besprechung von und Entscheidung (im Namen des Anstaltsleiters) über Anliegen der Insassen besteht eine übergreifendes Team, an dem der Psychologische, der Psychiatrische und der Soziale Dienst teilnehmen.

Die Tendenz des Maßnahmenvollzuges nach § 21 Abs. 2 StGB ist seit Jahren stark steigend:

Am   31.12.1989 gab es       118,

am    31.12.1999                     232,

am    31.12.2003                    290,

am    01.07.2004                    310 und

am    01.09.2004                   317                  dieser Maßnahmenfälle.

 

In welchem Ausmaß diese Zahlen auf längere Anhaltezeiten oder auf Neuverurteilungen zurückzuführen sind, konnte den zur Verfügung gestandenen Unterlagen nicht entnommen werden. Laut Auskunft von Dr. Frottier, dem Psychiatrischen Leiter der Justizanstalt Wien-Mittersteig, liegt das Ansteigen an drei Faktoren:

1.      Seit 1975 gibt es mehr Einweisungen als Entlassungen (jährlicher Überhang 15 - 20).

2.      Seit 2000 gibt es einen Anstieg der absoluten Zahl der Einweisungen.

3.      Seit 1980 gibt es einen kontinuierlichen Anstieg der verhängten Strafen bei Untergebrachten nach § 21 Abs. 2 StGB.

 

Dass bei dieser Population in der Justizanstalt Stein 53 Psychiater-Wochenstunden und 128 Psychologen-Wochenstunden und in den Justizanstalten Graz-Karlau und Garsten je 20 Psychiater-Wochenstunden sowie 120 Psychologen-Wochenstunden (Graz-Karlau) bzw. 55 Psychologen-Wochenstunden (Garsten) nicht ausreichen, bedarf keiner näheren Erörterung. Dazu kommt, dass Psychiater und Psychologen für sämtliche Insassen dieser Anstalten und nicht nur für die in den Krankenabteilungen Angehaltenen und für die Maßnahmenvollzüge zur Verfügung stehen müssen. In der Justizanstalt Stein ist die Situation zusätzlich dadurch erschwert, dass trotz der Einrichtung einer Sonderkrankenanstalt nicht vorgesehen ist, dass rund um die Uhr ein Allgemeinmediziner oder Psychiater anwesend oder erreichbar ist. Beim Besuch der Projektgruppe in der Justizanstalt Stein am 4. Oktober 2004 erklärte der Anstaltsleiter Hofrat Mag. Nowak allerdings, dass der Ärztliche Leiter Hofrat Dr. Schandl auch außerhalb der Dienstzeiten freiwillig zur Verfügung steht.

Auch verfügt die Sonderkrankenanstalt der Justizanstalt Stein lediglich über zwei Pflegedienststellen. Unter den dort tätigen Pflegepersonen ist keine psychiatrisch ausgebildet.

Bezogen auf den Maßnahmenvollzug ist zu betonen, dass die Projektgruppe, wie schon die „Expertenkommission 2001“, für eine Sonderabteilung, der etwa 50 Untergebrachte zugeordnet sind, einen Mindeststandard an Personal wie folgt für notwendig hält:

Psychiater: 20 Wochenstunden

Psychologe 40 Wochenstunden

Sozialarbeiter: 40 Wochenstunden

Ergotherapie und diplomierter Pflegedienst mit je 20 Wochenstunden,

sowie je nach Bedarf Psychotherapie-Wochenstunden

 

Als Neuerung gegenüber dem Jahr 2001 ist hervorzuheben, dass der Psychiatrische Leiter der Justizanstalt Wien-Mittersteig die Gesamtkoordination über den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB in Österreich übernommen hat.  Er hat für die Maßnahmenfälle des § 21 Abs. 2 StGB eine Begutachtungsfunktion und schlägt dem Bundesministerium für Justiz im Einzelfall die Klassifizierungsvariante vor. Nach dem (Schwerpunkte-) Konzept des Bundesministeriums für Justiz werden in der Justizanstalt Stein die instabilen, als gefährlich anzusehenden Maßnahmenfälle angehalten. Für die Maßnahmenfälle, die einer medizinischen Betreuung bedürfen, steht die Justizanstalt Wien-Mittersteig zur Verfügung. In der Justizanstalt Graz-Karlau liegt der Schwerpunkt der Betreuung in der Therapie und in der Justizanstalt Garsten im Entlassungsvollzug. Dieses Konzept ist derzeit in der Umsetzungsphase. Die Betreuungskonzepte der drei Justizanstalten haben sich danach auszurichten. Im Übrigen strebt das Bundesministerium für Justiz an, die Abteilungen des Maßnahmenvollzuges nach § 21 Abs. 2 StGB mit einem eigenen, nicht wechselnden Betreuungspersonal auszustatten, wovon eine Effizienzsteigerung erwartet wird.

In den kleineren Strafvollzugsanstalten hat sich seit dem Jahre 2001 die Lage insofern verändert, als die Psychiater- und Psychologen-Wochenstunden zum Teil erhöht und alle Anstalten mit Pflegediensten ausgestattet wurden. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass das Hauptgewicht bei der Betreuung der Insassen nach wie vor bei der Justizwache liegt.

2.3.           Gefangenenhäuser

Seit dem Jahre 2001 haben sich in den Gefangenenhäusern, ausgenommen die Justizanstalten Innsbruck, Wels und Wr. Neustadt, die Psychiater- und Psychologen-Wochenstunden erhöht. Alle Gefangenenhäuser, ausgenommen die Justizanstalten Steyr, Leoben, Feldkirch und Eisenstadt, sind nunmehr mit Pflegediensten ausgestattet.

2.3.1.  Justizanstalt Wien-Josefstadt

In der Justizanstalt Wien-Josefstadt wurde eine Sonderkrankenanstalt geschaffen und durch den „Zukauf“ von Arztstunden (aus dem Sachaufwand) sichergestellt, dass täglich auch im Nachtdienst ein Arzt anwesend ist. Diese Ärzte (Allgemeinmediziner mit Notarztausbildung) - es handelt sich um neun - werden vom Institut für Gewaltforschung zur Verfügung gestellt. Sie kommen täglich um 15.00 Uhr in den Dienst und verlassen die Anstalt zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr früh nach Übergabe an den Tagdienst. Während der Nacht eingelieferte Insassen werden sofort dem Arzt vorgestellt, der die unumgänglich notwendigen Untersuchungen vornimmt. Die im Nachtdienst tätigen Ärzte stehen auch für psychiatrische Interventionen zur Verfügung. Die Anstaltsleitung führt den Rückgang der Ausführungen im Nachtdienst seit Beginn des Jahres 2004 auf die Einführung des Ärztenachtdienstes (1.12.2003) zurück.

Besonders zu erwähnen ist auch, dass in der Sonderkrankenanstalt der Justizanstalt Wien-Josefstadt im Nachtdienst ständig zwei Justizwachebeamte und zwei Pflegedienste anwesend sind. Hinzu kommt noch ein Pflegedienst der Sonderabteilung nach § 429 Abs. 4 StPO, der bei Bedarf auch in den übrigen Teilen der Krankenanstalt eingesetzt wird.

In der Sonderabteilung (Z6) für Angehaltene nach § 429 Abs. 4 StPO mit 13 Betten sind zwei Justizwachebeamte und eine Pflegeperson tätig. Während des Nachtdienstes ist eine Pflegeperson anwesend, die allerdings – wie erwähnt – bei Bedarf für die gesamte Krankenanstalt zur Verfügung stehen muss. Psychiatrisch versorgt wird die Sonderabteilung durch einen Psychiatrischen Dienst (15 Wochenstunden) und zwei in Ausbildung stehende Psychiater (je 15 Wochenstunden).

In der Abteilung Z4 der Krankenanstalt sind drei Krankenräume, die für Einzelunterbringung konzipiert sind, für psychotische Akutfälle vorgesehen. Über die Unterbringung und deren Dauer entscheidet der Arzt. Neben diesen Krankenräumen gibt es in dieser Abteilung Räumlichkeiten für kranke Insassinnen. Zusätzlich werden dort noch eine Bodypackerstation mit fünf Plätzen und zwei weitere Krankenräume für akut psychotische Fälle eingerichtet. In der Abteilung verrichten zwei Justizwachebeamte und eine Pflegeperson Dienst. Die Anstaltspsychiater sind Montag bis Freitag täglich etwa ein bis zwei Stunden in dieser Abteilung.

Die in den 76 Betten (ohne Maßnahmenabteilung nach § 429 Abs. 4 StPO) der Sonderkrankenanstalt zu versorgenden Insassen sind zu 70 bis 80 % psychiatrisch auffällig, wobei nach Auskunft des Anstaltsleiters diese Auffälligkeiten nicht auf Haftreaktionen zurückzuführen, sondern „mitgebracht“ sind. Keine der in der Sonderkrankenanstalt tätigen Pflegepersonen ist psychiatrisch ausgebildet.


2.3.2.  Justizanstalt Wels

In der Justizanstalt Wels ist eine Sonderkrankenanstalt für psychiatrisch chronisch Kranke (§ 429 Abs. 4 StPO) mit 12 Betten eingerichtet. Acht Pflegedienste sowie ein Psychiater (vier Wochenstunden), ein Allgemeinmediziner (16 Wochenstunden) und ein Therapeut (40 Wochenstunden) wurden von der Oberösterreichischen Gesundheits- und Spitals AG (GESPAG) (aus dem Sachaufwand) „zugekauft“. In dieser Krankenanstalt sind ausschließlich diese Personen tätig. Justizwachebeamte verrichten dort nicht Dienst, müssen allerdings bei Vorfällen zur Wahrung der Sicherheit einschreiten.

Die für diese Krankenanstalt vorgesehenen Insassen werden immer zunächst in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg psychiatrisch versorgt und erst nach Abklingen einer allfälligen Akutphase in die Sonderkrankenanstalt verlegt. Auch bei späteren akuten Psychosen werden die Insassen kurzfristig in die Landesnervenklinik Wagner-Jauregg überstellt.

3.                  Krisen, Umgang mit Krisen

Wie bereits von der „Expertenkommission 2001“ festgestellt, hätte eine eingehendere Darstellung der Situation genauerer Erhebungen – zum Beispiel auch in den Justizanstalten – bedurft, was durch den Zeitdruck nicht möglich war. Der Beantwortung der Frage nach dem Umgang mit Krisen dienen zumindest ansatzweise die Erhebungen über die Zahl der akutpsychiatrisch bedingten Ausführungen und Transferierungen in andere Anstalten oder psychiatrische Krankenhäuser.

3.1.           Sonderanstalten

Die Situation der Justizanstalten Göllersdorf und Wien-Favoriten ist hinsichtlich Ausführungen und Transferierungen gegenüber dem Jahr 2001 unverändert. Die Justizanstalt Wien-Mittersteig hatte im Jahr 2003 weniger Transferierungen als im Jahr 2000, doch sagt die Zahl eines einzigen Jahres wenig aus. Die Bandbreite der möglichen Gründe reicht vom Zufall bis zu einer größeren Effizienz der psychiatrischen Betreuung. Einer der von der „Expertenkommission 2001“ angenommenen möglichen Gründe für die Zahl der Transferierungen in der Justizanstalt Wien-Mittersteig, nämlich die hohe Fluktuation im Bereich des Psychiatrischen Dienstes, ist mittlerweile durch die Aufkündigung des Klinikvertrages und die Anstellung zweier Psychiater (1 x 40 Wochenstunden, 1 x 25 Wochenstunden) sowie den Abschluss von vier Werkverträgen beseitigt.

3.2.           Strafvollzugsanstalten

Schon die „Expertenkommission 2001“ hat darauf hingewiesen, dass die Anzahl der akutpsychiatrisch bedingten Ausführungen und Transferierungen abhängig ist von der Größe der Anstalten und deren Klientel, von der geographischen Lage (Nähe zu einem Psychiatrischen Krankenhaus oder zur Justizanstalt Göllersdorf), den Verbindungen des jeweiligen konsiliar-psychiatrischen Dienstes zu den regionalen Krankenhäusern bzw. deren Bereitschaft, Patienten aus der Justiz zu übernehmen.

Wenn man nun die Größe und die geographische Lage der drei großen Strafvollzugsanstalten (Stein, Graz-Karlau, Garsten) vor Augen hat, sind die berichteten Zahlen über Ausführungen und Transferierungen relativ leicht zu erklären. Erstaunlich ist lediglich, dass die Justizanstalt Graz-Karlau bei einem Psychiatrischen Dienst von nur 20 Wochenstunden im Jahre 2003 ohne Transferierung ausgekommen ist.

Nach wie vor sticht die Justizanstalt Wien-Simmering unter den übrigen Strafvollzugsanstalten hinsichtlich akutpsychiatrisch bedingter Ausführungen und Transferierungen (45!) hervor. Mögliche Gründe (geographische Lage, Fehlen einer Krankenabteilung samt ausgebildetem Personal) hat bereits die „Expertenkommission 2001“ in ihrem Bericht angeführt.

In der Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf wurde seit dem Bericht der „Expertenkommission 2001“ der Ausbau der Sonderabteilung für den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB mit 26 Betten abgeschlossen. Mangels Auslastung durch Maßnahmenvollzüge sind dort 74 % der Betten mit psychiatrisch auffälligen Strafgefangenen belegt. Hinsichtlich der akutpsychiatrisch bedingten Ausführungen und Transferierungen bedauert die Anstaltsleiterin, dass das AKH Neunkirchen nicht in der Lage ist, psychiatrische Patienten der Justizanstalt zu übernehmen.

 

3.3.           Gefangenenhäuser

Die Situation der Justizanstalt Wien-Josefstadt wurde unter Punkt 2.3.1. ausführlich dargestellt. Der Grund für das plötzliche Absinken der Zahlen der akutpsychiatrisch bedingten Ausführungen und Transferierungen im Jahre 2003 ist nicht geklärt. Ein Zusammenhang mit der Einrichtung des ärztlichen Nachtdienstes kann jedenfalls nicht hergestellt werden, da dieser erst mit 1.12.2003 begann. So wie im Jahre 2001 konnte leider nicht festgestellt werden, wie viele der Ausführungen und Transferierungen von der Krankenanstalt und deren Sonderabteilung nach § 429 Abs. 4 StPO und wie viele direkt von den übrigen Gefangenenabteilungen erfolgten.

Unter den großen Gefangenenhäusern (Graz-Jakomini, Klagenfurt, Innsbruck) fallen nach wie vor Innsbruck und besonders Klagenfurt mit einer hohen Zahl an Transferierungen, aber auch Ausführungen (Klagenfurt) auf. Die möglichen Gründe hiefür wurden im Bericht der „Expertenkommission 2001“ erörtert. Die Krankenabteilung der Justizanstalt Innsbruck wurde mittlerweile mit 12 Betten fertiggestellt.

Die Situation in den mittelgroßen Gefangenenhäusern (Eisenstadt, Korneuburg, Wr. Neustadt, St. Pölten, Krems, Linz, Salzburg, Feldkirch) hat sich gegenüber den Erhebungen des Jahres 2001 kaum verändert. In den Justizanstalten Eisenstadt, St. Pölten (Transferierungen) und Krems sind die Zahlen gestiegen. In der Justizanstalt Korneuburg sind die Zahlen der Ausführungen und Transferierungen nach wie vor extrem hoch. In der Justizanstalt Salzburg ist die Zahl der Ausführungen gestiegen, die Zahl der Transferierungen hingegen gesunken. Die Justizanstalt Feldkirch meldete für das Jahr 2003 weniger Transferierungen, dafür aber einen hohen Anteil davon mit Bewachungen.

Die kleinen Gefangenenhäuser (Wels, Ried, Steyr, Leoben) meldeten insgesamt eine Zunahme der akutpsychiatrisch bedingten Ausführungen oder Transferierungen.

3.4.           Absonderungen

Besonders hervorgehoben muss werden, dass sieben Justizanstalten berichteten, sie hätten im Jahre 2003 akut kranke Insassen aufgrund der Unmöglichkeit der Transferierung in ein Psychiatrisches Krankenhaus oder wegen einer zu kurzen Behandlungsdauer in einem solchen Krankenhaus in der Anstalt absondern müssen. Diese Absonderungen waren zweifelsohne verbunden mit einer unzureichenden psychiatrischen Versorgung der betreffenden Insassen.

Die Justizanstalten, die dies für das Jahr 2003 berichteten, waren

Graz-Jakomini:                            8 Absonderungen

Innsbruck:                                     7 Absonderungen

Feldkirch:                                   ~ 2 Absonderungen

Korneuburg:                              ~ 3 Absonderungen

Wien-Josefstadt:                      ~ 10 bis 15 Absonderungen

Wien-Simmering:                        5 Absonderungen

Gerasdorf:                                 ~ 13 Absonderungen

 

Diese Zahlen machen den Mangel an dezentralen justizinternen psychiatrischen Einrichtungen besonders deutlich.

Schon die „Expertenkommission 2001“ wies in ihrem Bericht (Seite 49 f) darauf hin, dass das Potential der Sonderdienste in Krisensituationen „nur dann wirksam werden kann, wenn eine Verfügbarkeit bestimmter Sonderdienste auch außerhalb der Kernarbeitszeiten besteht“.

Eine Veränderung im personellen Bereich ist daher unumgänglich, will man die derzeitige psychiatrische Versorgung in den Justizanstalten verbessern. Einzelne punktuelle Maßnahmen sind unzureichend. Sie lösen die Probleme auf lange Sicht nicht.

Die Projektgruppe schließt sich auch der Meinung der „Expertenkommission 2001“ an, dass die Strategie nur lauten kann: Akutmaßnahmen treffen und gleichzeitig Konzepte zur Verbesserung der Situation entwickeln und diese umsetzen. Dabei ist nicht außer Acht zu lassen, dass der Justizwache nicht nur im Normalvollzug, sondern auch im Maßnahmenvollzug eine zentrale Stellung zukommt. Der Schlüssel Justizwache/Insassen müsste im Maßnahmenvollzug im Hinblick auf die Klientel höher liegen als im Normalvollzug.

Wie bereits die „Expertenkommission 2001“ kommt auch die Projektgruppe zu dem Ergebnis, dass die Einrichtung einiger kleinerer psychiatrischer Akut-stationen in Justizanstalten mit ausreichender personeller Dotierung (rund um die Uhr verfügbares Personal) eine unabdingbare Voraussetzung einer gesetzeskonformen psychiatrischen Versorgung der Justizanstalten darstellt. Darüber hinaus würden (personalintensive) Transferierungen schon bei relativ geringfügigen Problemen in Psychiatrische Krankenhäuser entfallen.

Schließlich gibt es unter den Insassen des Normalvollzuges Personen, die lange Haftstrafen zu verbüßen haben und die chronisch psychisch krank und/oder mehrfach behindert sind. Für diesen Personenkreis sollten etwa in der Justizanstalt Stein eine eigene Abteilung oder durch Ausweitung einer bereits vorhandenen Abteilung der Sonderkrankenanstalt Plätze geschaffen werden. Auch für diese Abteilung müsste entsprechend geschultes Personal vorhanden sein.

4.                  Bestehende Betreuungseinrichtungen und laufende Betreuungs- und Behandlungsprojekte

Gegenüber dem Jahr 2001 sind nur geringfügige Unterschiede zu beobachten. So ist zur Betreuung von allgemeinpsychiatrischen Patienten vor, während und nach der Haft mit dem Schwerpunkt Sexual- und Gewaltdelinquenz an die Stelle der Einrichtung „FRANZ“ das Forensische Zentrum Wien (Ärztlicher Leiter: Dr. Eher) getreten.

Bei den Betreuungseinrichtungen für Patienten in Haft mit dem Schwerpunkt drogeninduzierte Delikte wurden Drogenfreie Zonen auch in den Justizanstalten Wien-Simmering, Salzburg und Garsten geschaffen.

Behandlungsprogramme für Sexualstraftäter werden nunmehr in allen in Betracht kommenden Justizanstalten angeboten.

Was Projekte für Patienten nach der Haft (vorwiegend § 21 StGB) betrifft, hat das Bundesministerium für Justiz auf der Basis des § 179a StVG für eine stationäre Nachbetreuung bedingt Entlassener Verträge mit der Steirischen Wohnplattform in Graz für acht Betten und mit Pro Mente Oberösterreich für 15 Betten abgeschlossen. Gespräche mit Einrichtungen in anderen Bundesländern finden derzeit statt.

Forensische (Nach-) Betreuungsambulanzen gibt es zur Zeit in Wien, Graz, Linz und Innsbruck.


 

III.       Stand der Umsetzung der Vorschläge der „Expertenkommission 2001“ durch das Bundesministeriums für Justiz

1.      Senkung der Kosten der Unterbringung von Maßnahmepatienten in Psychiatrischen Krankenhäusern durch Abschluss einer Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG mit den Ländern.

Im November 2001 wurde von den Ländern die grundsätzliche Erklärung abgegeben, eine Vereinbarung dahin abzuschließen, dass dem Bundesministerium für Justiz die Differenz zwischen der gezahlten Leistung und den Tarifsätzen der Sozialversicherungsträger rückerstattet wird. Diese Vereinbarung wurde am 11. Mai 2004 von allen neun Landeshauptleuten unterzeichnet. Zur Wirksamwerdung bedarf diese Vereinbarung der Genehmigung des Nationalrates und der Mitteilung aller Länder, dass ihre jeweiligen länderverfassungsgesetzlichen Regelungen erfüllt sind. Die Genehmigung des Nationalrates wurde am 13. Oktober 2004 erteilt. Drei der Länder (Kärnten, Burgenland, Vorarlberg) haben die Mitteilung dem Bundesministerium für Justiz übermittelt. Vorarlberg hat bereits seine Zahlung geleistet. Die mit den Ländern getroffene Vereinbarung war auf zwei Jahre (2003, 2004) befristet. Die Verhandlungen haben sich auf alle stationären Unterbringungen (nicht nur des Maßnahmenvollzuges) bezogen. Für die Jahre 2003 und 2004 war dem Bundesministerium für Justiz ein Länderbeitrag von EUR 8,55 Mio. zuerkannt worden. Für 2005 und die folgenden Jahre wurden entsprechende Neuverhandlungen initiiert. Das Anliegen ist Tagesordnungspunkt der derzeit laufenden Länderverhandlungen.

2.      Einrichtung von drei, allenfalls vier, kleinen psychiatrischen Akutabteilungen (Wien, Graz, Innsbruck, allenfalls Linz) in den dortigen Justizanstalten mit ausreichender personeller Dotation.

Außer der Einrichtung der Sonderkrankenanstalt für § 429 Abs.4 StPO-Insassen in der Justizanstalt Wels haben nur Gespräche mit Vertretern von Psychiatrischen Krankenhäusern über eine Absicherung und Erweiterung des Betreuungsangebots für Justizpatienten stattgefunden.

3.       Schaffung einer Abteilung für chronisch psychisch kranke Insassen des Normalvollzugs.

Der Vorschlag wurde bisher noch nicht aufgegriffen.

4.       Innere Differenzierung, die den Trends in der psychiatrischen Versorgung Rechnung trägt.

Siehe hiezu Punkt III 2.2 (Schwerpunkte-Konzept für den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB).

5.       Erweiterung der externen Unterbringungsmöglichkeiten des Maßnahmen-vollzuges.

Das Pflegeheim Grüner Berg mit 60 Betten (auch mit einer Frauenabteilung), geführt als Außenstelle der Justizanstalt Wien-Mittersteig, soll im Juli 2005 den Betrieb aufnehmen und ist für solche Untergebrachte nach § 21 Abs. 1 StGB gedacht, die aufgrund ihres Krankheitsbildes nicht mehr in einem Psychiatrischen Krankenhaus angehalten werden müssen, aber dennoch nicht entlassen werden können, weil sie noch einen vorgegebenen geregelten Tagesablauf benötigen. Es handelt sich um Maßnahmepatienten im Übergangsstadium vor der Aufnahme in ein Landes- oder privates Heim.

6.       Ausbau der Vernetzung von Justizanstalten mit öffentlichen Krankenanstalten.

Der Vorschlag wurde aufgegriffen. Die Vernetzung wird ständig erweitert.

7.       Ausbau der Vernetzung mit forensischen Betreuungsambulanzen.

Der Vorschlag wurde aufgegriffen und die Vernetzung durchgeführt.

8.       Errichtung von berufsübergreifenden Anstaltsteams in den Justizanstalten.

Der Vorschlag wurde verwirklicht.

9.       Vernetzung und Integrierung der diversen Dienste.

Dem Vorschlag wurde weitgehend entsprochen.

10.  Einbindung eines externen Sachverständigen in den Behandlungsplan.

Der Vorschlag wurde bisher nicht aufgegriffen.

11.  Verstärkung der Suizidprävention.

Durch den Psychiatrischen Leiter der Justizanstalt Wien-Mittersteig ist eine wissenschaftliche Begleitung aller Bemühungen gewährleistet.

12.  Erreichbarkeit auch außerhalb der Dienstzeiten und Checklisten dazu.

Dieser Vorschlag ist nur ansatzweise verwirklicht.

13.  Schaffung klarer Strukturen und einfacher Richtlinien in der Behandlung von Akutfällen.

Klarere Handlungsanweisungen an Justizwachebeamte für den Umgang mit tobenden Insassen sind notwendig.  Der Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 15. März 2000, Zl. 40901/14-V.1/2000 ist nicht ausreichend.

14.  Inkraftsetzen des Psychologenerlasses.

Der Erlass ist seit 6.11.2001 in Kraft.

15.  Unmittelbare Nachbesetzung unbesetzter Planstellen.

Dem Vorschlag wurde nicht entsprochen.

16.  Personelle Mindestdotation für Betreuungsfachdienste.

Auch dieser Vorschlag wurde nicht aufgegriffen.

17.  Durchführung spezieller Aus- und Fortbildungslehrgänge zum Thema „Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB“ für Justizwachebeamte.

Im neuen, vom Bundesministerium für Justiz entwickelten Ausbildungskonzept besteht eine starke Ausrichtung auf diesen Bereich.

18.  Schaffung einer bedingten Nachsicht der Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB.

§ 45 Abs. 1 StGB wurde in diesem Sinne novelliert.

19.  Erweiterung des § 71 StVG auf Unterbringungsmöglichkeit von Insassen in externen privaten Einrichtungen.

Eine Novellierung des § 71 StVG wurde nicht ins Auge gefasst.

20.  Überdenken der Bestimmung des § 129 StVG.

Dieser Vorschlag wurde noch nicht aufgegriffen.

21.  Verbesserung der Dokumentation durch Führung einer eigenen Betreuungsdokumentation und Verbesserung der wechselseitigen Informationsweitergabe zwischen den Justizanstalten.

Bemühungen auf diesem Gebiet sind sichtbar, wenngleich noch immer eine EDV-Vernetzung der Arztordinationen der Justizanstalten fehlt.

IV.      Zusammenfassung

Die Projektgruppe stellte fest, dass sich die von der „Expertenkommission 2001“ aufgezeigten Entwicklungen (Ansteigen von Insassen mit schlechtem medizinischen Allgemeinzustand, Ansteigen der suchtkranken Insassen, Anstieg von Insassen mit psychiatrischen Anamnesen und Vorbehandlungen, Zunahme der Untergebrachten gemäß § 21 Abs. 1 und 2 StGB, u.a.) nicht nur fortgesetzt, sondern sich auch noch verstärkt haben. Aber auch die Trends und Auswirkungen (Integrierung einer deutlich heterogener gewordenen Gesamtpopulation, Entwickeln und Abstimmen verschiedener Konzeptionen für e i n e  Anstalt, da einheitliche Konzepte nicht mehr zeitgemäß sind u.a.), wie sie die „Expertenkommission 2001“ beschrieben hat, sind - allerdings verstärkt - die gleichen geblieben.

Verstärkt deshalb, weil zwischen 2001 und 2004 die Zahl der Insassen einen Zuwachs von ca. 27 % (ca. 1.800 Personen) zu verzeichnen hatte und gleichzeitig die Zahl der besetzten Planstellen der Justizwachebeamten um ca. 135 abgenommen hat. Auch wenn die Zahl der Sonderdienste im gleichen Zeitraum im Wesentlichen gleich geblieben ist, haben sich die Defizite, die bereits vor 2001 bestanden haben, durch den ständigen Zuwachs an Insassen in Verbindung mit deren immer schlechter werdendem medizinischen Allgemeinzustand vergrößert.

Wie schon die „Expertenkommission 2001“ bemerkte, liegen die Ursachen für die Schwierigkeiten im Betreuungsbereich in einem grundsätzlichen Personalmangel, in der Unterbesetzung der Kranken- und Sonderabteilungen sowie in dienstorganisatorischen Fragen (Nachtdienst, Erreichbarkeit von Sonderdiensten).

Die Notwendigkeit der pragmatischen Lösung von Einzelfällen – auch darauf hat die „Expertenkommission 2001“ bereits hingewiesen – darf den Blick auf das Entwickeln und Umsetzen von Konzepten nicht verstellen.

Es bei Einzelfalllösungen zu belassen, erscheint bei den derzeitigen Herausforderungen äußerst gefährlich. Bezogen auf die psychiatrische und psychologische Versorgung des Straf- und Maßnahmenvollzuges bedeutet das allein notdürftige „Reparieren von Versorgungslücken“, dass Strafgefangene unter Verletzung ihres subjektiven Rechtes auf ausreichende ärztliche Betreuung un- bis kaum versorgt entlassen werden müssen und Maßnahmenvollzüge länger angehalten bleiben. Die Kostenfrage darf hier nicht außer Betracht bleiben.

Je instabiler Insassen im Übrigen bei der Entlassung sind, ein desto größeres Sicherheitsrisiko stellen sie für die Bevölkerung dar.

Seit 2001 wurden in den Justizanstalten die Wochenstunden der Psychiater und Psychologen leicht erhöht bzw. Psychologische und Psychiatrische Dienste neu eingerichtet. Außerdem verfügen die meisten Anstalten nunmehr über Pflegedienste. In den Justizanstalten Wien-Josefstadt und Stein wurden „Sonderkrankenanstalten“ errichtet, wobei derzeit lediglich die Justizanstalt Wien-Josefstadt einen „Arzt rund um die Uhr“ hat. In der Justizanstalt Stein mangelt es in der „Sonderkrankenanstalt“ nicht nur an Ärzten, sondern auch an geschultem Pflegepersonal. Insgesamt ist die Lage in den drei großen Strafvollzugsanstalten (Stein, Garsten, Graz-Karlau) nach wie vor äußerst angespannt, wobei insbesondere in der Justizanstalt Graz-Karlau auf psychiatrischem Gebiet personell eine sehr große Lücke klafft. Zu erwähnen ist auch die Justizanstalt Wien-Simmering, für die überhaupt ein Konzept für den ärztlichen Bereich neu zu schaffen wäre.

Bei der Betrachtung der Sonderdienste soll aber die wichtige Rolle der Justizwache auch im Betreuungsbereich nicht außer Acht gelassen werden. Es kommt der Justizwache gerade auch im Maßnahmenvollzug eine zentrale Bedeutung zu. Für die Betreuung der Insassen des Straf- und Maßnahmenvollzuges ist - um ein Beispiel für den Betreuungsbeitrag der Justizwache anzuführen - das Group Counselling, das in erster Linie von Justizwachebeamten getragen wird, unverzichtbar und aus dem österreichischen Vollzugsgeschehen nicht mehr wegzudenken.

Die Zahl der Maßnahmenvollzüge nach § 21 Abs. 1 StGB ist vom Jahre 2001 von 244 (31.12.) auf 313 im Jahr 2004 (1.7.) gestiegen, desgleichen die Zahl der Maßnahmenvollzüge nach § 21 Abs. 2 StGB von 255 (31.12.2001) auf 310 (1.7.2004).  Im Zeitraum 2000 bis 2003 haben sich die Kosten für die externe Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher bzw. vorläufig Angehaltener in öffentlichen psychiatrischen Krankenanstalten von EUR 10,5 Mio. (2000) auf EUR 17,8 Mio. (2003) erhöht.

Die Projektgruppe kam in diesem Zusammenhang zur gleichen Feststellung wie die „Expertenkommission 2001“, nämlich, dass der Kostenaufwand für geistig abnorme Insassen, deren Behandlung und Betreuung keine Kernaufgabe des Strafvollzuges ist, zu einer ständigen Reduktion der Mittel zur Bewältigung der eigentlichen Vollzugsaufgaben führt.

Das Bundesministerium für Justiz ist bisher nicht auf die Empfehlung der „Expertenkommission 2001“ eingegangen, in Justizanstalten psychiatrische Akutstationen mit entsprechender personeller Dotation einzurichten. Ebenso wenig wurde das Problem der Nachtdienste und der Erreichbarkeit bestimmter Sonderdienste außerhalb der Kernarbeitszeiten in Angriff genommen. Beides sind Maßnahmen, ohne die der Vollzug insbesondere bei weiterem Ansteigen der Maßnahmenfälle und der Verschlechterung des medizinischen Allgemeinzustandes der Strafgefangenen auf Dauer nicht auskommen wird. Man muss sich vor Augen halten, dass derzeit z.B. in Justizanstalten wie Stein und Garsten der Psychiatrische Dienst außerhalb der Dienstzeiten nicht verfügbar ist.

Seit dem „Expertenbericht 2001“ hat das Bundesministerium für Justiz Erfolge bei der Senkung der Kosten für die Unterbringung von Insassen in externen Krankenanstalten erreicht. Ferner soll im Juli 2005 das Pflegeheim Grüner Berg mit 60 Betten seinen Betrieb aufnehmen, wovon ebenfalls eine Senkung der Kosten des Maßnahmenvollzuges nach § 21 Abs. 1 StGB zu erwarten ist. In der Justizanstalt Wels wurde eine Sonderkrankenanstalt für vorläufig Angehaltene nach § 429 Abs. 4 StPO geschaffen. Auch diese Einrichtung dient dem Zweck der Einsparung von teuren externen Spitalsaufenthalten. Für den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB wurde ein anstaltenübergreifendes Konzept entwickelt, welches sich zur Zeit in der Umsetzungsphase befindet und wovon man sich eine größere Effizienz dieses Vollzuges erwartet. In der Außenstelle Floridsdorf (Justizanstalt Wien-Mittersteig) besteht seit 1.1.2002 eine Zentrale Dokumentations- und Koordinationsstelle für Sexualstraftäter, in die Strafgefangene mit Sexualdelikten, insbesondere Kindesmissbrauch, zur Begutachtung und Erstellung eines Therapievorschlages eingewiesen werden. Zur stationären Nachbetreuung bedingt Entlassener wurden mit zwei Bundesländern (Steiermark, Oberösterreich) Verträge abgeschlossen. Gespräche mit anderen Bundesländern finden statt. Dies alles sind Maßnahmen, von denen man sich eine nachhaltige Wirkung auf die Kosten, aber auch auf die Versorgung versprechen kann.

Der Projektgruppe ist es auch ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass nach der Empfehlung R (87) 3 des Europarates über die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze vom 12. Februar 1987, Grundsatz 100, Personen, bei welchen eine Geisteskrankheit festgestellt wird, nicht in Anstalten des Strafvollzuges untergebracht werden sollen.

Die Justiz hat somit Aufgaben und budgetäre Lasten übernommen, die in Wahrheit in die Zuständigkeit des Gesundheits- und Krankenanstaltenbereiches fallen.

Es ist bekannt, dass immer wieder Überlegungen angestellt werden, den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 1 StGB aus der Justiz „auszulagern“. Infolge des Zeitdruckes, unter dem die Projektgruppe gearbeitet hat, sah sie sich nicht in der Lage, eine fundierte Äußerung zu einem solchen Vorhaben abzugeben.

Doch schiene ihr vom legislativen und vom Verwaltungsaufwand her gesehen der einfachste Weg wohl der zu sein, dass das Gesundheitsressort einen angemessenen Teil der Kosten des Maßnahmenvollzuges nach § 21 Abs. 1 StGB (etwa die Kosten der externen Unterbringung) bei Beibehaltung der derzeitigen Struktur übernimmt.  Aber auch die zuständigen Behörden in den Ländern müssten durch die Bereitstellung von Heimplätzen für die zu Entlassenden einen Beitrag leisten, zumindest dann, wenn es sich um Angehörige des betreffenden Bundeslandes handelt.

Wie der Projektgruppe mitgeteilt wurde, läuft derzeit eine EU-weite Untersuchung über den Maßnahmenvollzug, an der auch Österreich beteiligt ist (Research Project - Agreement No. SPC.2002448 - Placement and Treatment of Mentally Ill Offenders - Legislation and Practice in EU-Member States). Mit dem Abschlussbericht sei Ende 2004 zu rechnen. Die Projektgruppe empfiehlt, weitere Überlegungen über Änderungen des Maßnahmenvollzuges nach § 21 Abs. 1 StGB erst nach Kenntnis dieses Berichtes anzustellen.


 

 

C)

 

Allgemeine Empfehlungen

 

 

 

 

 

 

 


I.             Organisatorische Maßnahmen

1.            Einrichtung von vier psychiatrischen Akutabteilungen in Justizanstalten (Wien, Graz, Innsbruck und Linz) mit Wochenend- und Feiertagsdienst, Nachtdienst und psychiatrischer Rufbereitschaft.

      Die Betreuungsqualität würde dadurch entscheidend verbessert und die Zahl der Transferierungen in psychiatrische Krankenhäuser (zum Teil mit personell aufwändigen Bewachungen) reduziert werden. Die Notwendigkeit solcher Einrichtungen ergibt sich auch aus der ständig zunehmenden Zahl psychisch auffälliger Insassen.

2.            Schaffung einer Abteilung für geriatrische Fälle und chronisch psychisch kranke Insassen des Normalvollzuges.

         Der dringende Bedarf für eine solche Einrichtung besteht für Strafgefangene mit langen Freiheitsstrafen, chronisch psychischen Problemen und/oder Mehrfachbehinderungen.

3.            Vereinheitlichung und sachgerechte Ausstattung der besonders gesicherten Zellen.

Die Projektgruppe stellte fest, dass in den Justizanstalten die besonders gesicherten Zellen unterschiedlich ausgestattet sind und unterschiedlich überwacht werden. Außerdem herrschen Unklarheiten, welche Fesselung bei tobenden Insassen anzuwenden ist.

4.            EDV-Vernetzung der Arztordinationen der Justizanstalten.

         Die rasche  Abrufbarkeit einer elektronischen Krankengeschichte würde überflüssige Untersuchungen bei Überstellungen vermeiden und zu Einsparungen bei der Medikation führen.

5.            Weiterentwicklung der Aufbauorganisation der Abteilungen für den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB.

         Die Abteilungen für den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB verfügen über zu wenige Haftplätze. Außerdem ist ein ständig wechselndes Personal einer intensiven Betreuung der Untergebrachten abträglich.

 

6.            Veranlassung genauerer Kontrollen des Medikamentenverbrauchs in den Justizanstalten.

         Die Höhe der Aufwendungen für Medikamente zwingt zu schärferen Kontrollmaßnahmen.

II.          Verbesserung der Personalstruktur

7.            Verbesserung der Erreichbarkeit psychiatrischer Konsiliardienste und anderer Sonderdienste auch außerhalb ihrer Dienstzeiten.

Der derzeitige Zustand ist im Hinblick auf die geschilderte gesundheitliche Verfassung eines großen Teiles der Insassen unzulänglich; die Vorgangsweisen sind im Einzelfall nicht weiter zu vertreten (siehe Kapitel B Punkt III. 3.4.: Absonderungen statt psychiatrischer Versorgung!).

8.      a) Vermehrung des Nachtdienstes von Pflegepersonal in den Sonderkrankenanstalten und großen Krankenabteilungen.

         b) Anstellung von psychiatrisch geschultem Pflegepersonal.

         c) Einrichtung eines ärztlichen Nachtdienstes  in der Justizanstalt Stein und entsprechend personelle Ausstattung ihrer Sonderkrankenanstalt nach den am Bedarf der Justizanstalt orientierten landesgesetzlichen Vorgaben.

         Der prozentuelle Anstieg von kranken Insassen und die gesetzlichen Verpflichtungen der Justiz gegenüber diesen Insassen erfordern diese Empfehlungen.

9.            a) Eine wissenschaftliche Begleitung der Tätigkeit des Bundesministeriums für Justiz auf dem Gebiet des Strafvollzugs (Maßnahmenvollzugs) zu initiieren.

Die solcherart gesicherten Daten würden längerfristige Planungen erleichtern.

b) Eine Studie (etwa des Österreichischen Bundesinstitutes für Gesundheitsforschung = ÖBIG) über den Gesundheitszustand der Insassen von vier großen Justizanstalten in Auftrag zu geben.

         Eine solche Studie würde Klarheit darüber schaffen, ob und inwieweit bei den vorhandenen Behandlungsressourcen der Bedarf gedeckt werden kann. Insbesondere wäre zu untersuchen, inwieweit sich psychische Auffälligkeit als Reaktion auf die Haftsituation darstellt und/oder sie vor Haftantritt schon bestanden hat.

10.        Nachbesetzung unbesetzter Planstellen im Justizwach- und Sonderdienstbereich.

III.       Legislative Maßnahmen

11.        Novellierung des § 103 Abs. 3 StVG betreffend die Beiziehung eines Arztes bei der Anordnung von besonderen Sicherheitsmaßnahmen nach § 103 Abs. 2 Z 4 und 5 StVG.

          Die derzeitige Rechtslage ist für Insassen in einem psychischen Ausnahmezustand unzureichend. Bei „Fixierung“ eines psychiatrischen Patienten in einer Krankenabteilung oder in einer Sonderkrankenanstalt der Justiz sollten Bestimmungen analog jenen des Unterbringungsgesetzes für den Bereich der Justizanstalten geschaffen werden. Eine Novellierung in diesem Sinne würde größere Klarheit über die Vorgangsweise in Fällen der Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen bringen. Die Verantwortung des Aufsicht führenden Strafvollzugsbediensteten ist - in Abgrenzung zur ärztlichen Diagnose der Gefährlichkeit - klarzustellen. 

12.    Überprüfung  der Notwendigkeit des § 129 StVG.

       Der Vollzug nach § 129 StVG (Vollzug an Strafgefangenen, die sich wegen psychischer Besonderheiten nicht für den allgemeinen Strafvollzug eignen) stammt aus der Zeit vor der Schaffung des Maßnahmenvollzuges und war ursprünglich vor allem für „Vollzugsstörer“ gedacht. Insassen, die heute nach dieser Bestimmung angehalten werden, sind oftmals negativ etikettiert.

13.    Evaluierung der Bestimmung über die bedingte Nachsicht der Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB (§ 45 Abs. 1 StGB).

      Die Häufigkeit der Anwendung des § 45 Abs.1 StGB durch die Gerichte ist für die Beurteilung der Entwicklung der Zahl der Insassen im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB relevant.

 

14.       Regelmäßige Kontrollen der Justizanstalten durch eine zu schaffende nationale Menschenrechtseinrichtung, wie sie das Fakultativprotokoll zur UN-Antifolterkonvention vorsieht.

Dieser Vorschlag dient der Transparenz.

 

Diese Empfehlungen sollten nach 3 Jahren evaluiert werden.



1) Zahl der Insassen, die dem Verantwortungsbereich der Vollzugsverwaltung unterliegen (unter Berücksichtigung der Tagesschwankungen)

1) mit Außenstelle Wilhelmshöhe

1) mit Außenstelle Wilhelmshöhe

1) H. Schanda, Die Versorgung psychisch Kranker zur Jahrtausendwende – ein Weg in die 2-Klassen-Psychiatrie? (in Fortschr. Neurol. Psychiat. 2001; 69; 195 – 2002; Georg Thieme Verlag Stuttgart-New York) und die dort angeführte Literatur.