2541/AB XXII. GP

Eingelangt am 24.03.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

 

GZ. BMVIT-10.000/0005-I/CS3/2005     DVR:0000175

 

An den

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017   W i e n

 

Wien, 11. März 2005

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2572/J-NR/2005 betreffend Versagen des BMVIT bei der Regulierung des österreichischen Marktes für Eisenbahn-Verkehrsleistungen sowie Belastung der österreichischen Privatbahnen durch bestimmte Umsetzungsmaßnahmen zur EU-Richtlinie 2001/12/EG, die die Abgeordneten Moser, Freundinnen und Freunde am 26. Jänner 2005 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Vorweg ist festzuhalten, dass Österreich keineswegs zu den Schlusslichtern bei der Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union zur Öffnung des Schienenverkehrsmarktes, wie dies die vorliegenden Berichte zu früheren Richtlinien-Etappen zeigen, zählt. Auch die Umsetzung der Bahnstrukturreform ist in Österreich weiter als in manchem anderen Mitgliedstaat. Die gesetzlichen Grundlagen für die Liberalisierung des Schienenverkehrsmarktes zu schaffen ist aber nicht die allein ausreichende Bedingung für die tatsäch­liche Marktöffnung; es kommen noch viele weitere Faktoren, wie z.B. geografische Lage, Situation der Marktliberalisierung in den Nachbarländern, ausreichende Zahl an Marktteilnehmern etc. hinzu. Allein der etwa 20%ige Marktanteil im Eisenbahngüterverkehr über den Brennerkorridor, welcher von anderen Eisenbahnverkehrsun­ternehmen als der Rail Cargo Austria AG abgewickelt wird, ist ein Indiz für die derzeitige ausreichende Gesetzeslage.

Frage 1:

Weshalb hat Ihr Ressort die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft nicht zeitgerecht umgesetzt?

Antwort:

Vorerst möchte ich darauf hinweisen, dass nicht nur die EU-Richtlinie 2001/12/EG, sondern gleichzeitig auch die EU-Richtlinien 2001/13/EG und 2001/14/EG sowie mit einer geringfügig späteren Umsetzungsfrist auch die EU-Richtlinie 2001/16/EG innerstaatlich umzusetzen waren. Aus dieser Umsetzungsverpflichtung resultierte die bisher umfangreichste Novellierung des Eisenbahngesetzes 1957 seit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes.

Abgesehen davon, dass sich die Umsetzung dieser EU-Richtlinien teilweise als sehr schwierig erwies und dies auch die Europäische Kommission erkannte – auf die detaillierte Darstellung in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 1061/J-NR 2003 der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde darf in diesem Zusammenhang verwiesen werden – war ursprünglich von meinem Amtsvorgänger beabsichtigt, gleichzeitig eine Regierungsvorlage betreffend eine Novellierung des Eisenbahngesetzes 1957 zur Umsetzung dieser EU-Richtlinien und eine Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz zur Umstrukturierung der Österreichischen Bundesbahnen zu initiieren. Dieses Vorhaben konnte durch das vorzeitige Ende der XXI. Gesetzgebungsperiode nicht mehr verwirklicht werden und wurden die begonnenen legistischen Arbeiten zur Umstrukturierung der Österreichischen Bundesbahnen bis zur Konstituierung einer neuen Bundesregierung, der lang andauerne Verhandlungen über ein Regierungsprogramm vorangingen, unterbrochen.

Die beiden angeführten legistischen Initiativen wurden aber dann nach Konstituierung einer neuen Bundesregierung im Jahr 2003 fertig gestellt und die entsprechenden Regierungsvorlagen noch im Jahr 2003 dem Nationalrat zur parlamentarischen Behandlung vorgelegt.

Frage 2:

Artikel 6 Absatz 3 dieser Richtlinie lautet: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Funktionen nach Anhang II, die für einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur ausschlaggebend sind, an Stellen oder Unternehmen übertragen werden, die selbst keine Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. Ungeachtet der Organisationsstrukturen ist der Nachweis zu erbringen, dass dieses Ziel erreicht worden ist. Die Mitgliedstaaten können jedoch Eisenbahnunternehmen oder jeder anderen Stelle die Erhebung von Entgelten und die Verantwortung für die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur übertragen, wozu Investitionen, Wartung und Finanzierung gehören.“ Dies bedeutet nicht, dass dies wie in Österreich für die Privatbahnen durch eine eigene Gesellschaft (Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH) erfolgen muß, was u.a. mit bedeutenden Kosten für die Privatbahnen verbunden ist.

a)  Weshalb hat sich das BMVIT für diese und nicht für eine weniger kostenintensive gemeinschaftsrechtskonforme Lösung entschieden?

b)  Welche Mehrkosten verursacht diese nicht von der Richtlinie erzwungene Lösung für die Privatbahnen?

c)  Welche sachliche Erklärung gibt es für die unterschiedliche Behandlung von ÖBB und Privatbahnen in dieser Frage?

Antwort:

Vorerst darf festgehalten werden, dass die Privatbahnen betreibenden Eisenbahnunternehmen auch nach der derzeitigen Rechtslage berechtigt sind, festgesetzte Benützungsentgelte für den Zugang zur Schieneninfrastruktur einzuheben, Investitionen in die Schieneninfrastruktur zu tätigen, sowie die Wartung und Finanzierung der Schienen­infrastruktur eigenverantwortlich wahrzunehmen. Lediglich die Funktion einer Zuweisungsstelle dürfen sie nicht wahrnehmen, wenn sie rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen nicht von Eisenbahnverkehrsunternehmen unabhängig sind.

zu a:

Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/12/EG, die vor allem durch die EU-Richtlinie 2001/14/EG präzisiert ist, war der Bundesgesetzgeber auf Grund der Umsetzungsverpflichtung Österreichs gezwungen, die eindeutigen, kaum Umsetzungs­spielraum gebenden Regelungen dieser beiden Richtlinien umzusetzen.

Eine weniger kostenintensive, gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzungslösung war daher nicht möglich. Festzuhalten ist jedoch, dass Privatbahnen betreibende Eisenbahnunternehmen auf Grund des Eisenbahngesetzes 1957 neben der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungs­gesellschaft mbH auch anderen geeigneten Unternehmen oder Stellen, soferne diese selbst rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von Eisenbahnverkehrsunternehmen unabhängig sind, die Wahrnehmung der Aufgaben, die mit der Funktion einer Zuweisungsstelle verbunden sind, mit Vertrag übertragen dürfen.

zu b:

Die gesetzliche Regelung des § 62 Abs. 3 Eisenbahngesetz 1957 ergibt sich zwingend aus der Umsetzung von EU-Richtlinien. Wie unter lit. a dargestellt, ist die in dieser Bestimmung vorgesehene Regelung „eine erzwungene Lösung für Privatbahnen“.

zu c:

Die Umsetzung der EU-Richtlinien 2001/12/EG und 2001/14/EG erfolgte durch eine Novellierung des Eisenbahngesetzes 1957; dieses Bundesgesetz gilt sowohl für Privatbahnen betreibende Eisenbahnunternehmen, als auch für der ÖBB-Holding AG zugehörigen Eisenbahnunternehmen. Eine unterschiedliche Behandlung all dieser Eisenbahnunternehmen erfolgte somit nicht durch die Umsetzung der vorangeführten EU-Richtlinien.

Frage 3:

Ist Ihnen bekannt, dass die SCHIG bereits weitere Mitarbeiter sucht, daher künftig steigende Kosten zu erwarten sind?

Antwort:

Die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH sucht derzeit einen Mitarbeiter, der im Bereich Trassenzuweisungsstelle eisenbahntechnische Fragen zu bearbeiten haben wird.

Frage 4:

Wie hoch sind die Personalkosten, einschließlich der als Sachaufwand geführten Personen, der SCHIG mit Stand 1.1.2005?

Antwort:

Derzeit gibt es noch keinen testierten Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2004 durch die unabhängigen Wirtschaftsprüfer; die Frage 4. kann daher derzeit nicht beantwortet werden.

Frage 5:

Wie hoch sind die Kosten für die Trassenvergabe, welche die SCHIG im Jahr 2005 voraussichtlich an die Privatbahnen verrechnen wird?

Antwort:

Soferne überhaupt Privatbahnen betreibende Eisenbahnunternehmen der Schienen­infrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH die Wahrnehmung der mit der Funktion einer Zuweisungsstelle verbundenen Aufgaben vertraglich übertragen, richtet sich die Verrechnung der mit der Übernahme dieser Aufgaben verbundenen Kosten ausschließlich nach den für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Kalkulation der Kosten der Schieneninfrastruktur-Dienst­leistungsgesellschaft mbH für eine Arbeits­stunde ist etwa im Vergleich zu Unter­nehmens­beratern als sehr moderat zu bezeichnen.

Da es noch keinen testierten Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2004 durch die unabhängigen Wirtschaftsprüfer gibt, kann derzeit noch keine Prognose über die Höhe der Kosten abgegeben werden, die die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH den mit ihr in einem Vertragsverhältnis befindlichen, Privatbahnen betreibenden Eisenbahn­unternehmen im Jahr 2005 verrechnen wird.

Frage 6:

Die Privatbahnen sind zur Akzeptanz kritischer Entscheidungen des BMVIT gezwungen, weil sie durch die nach wie vor willkürliche Förderungsvergabe ohne transparente Kriterien und Spielregeln in einem nahezu mittelalterlich-feudalen Abhängigkeitsverhältnis zum BMVIT stehen. Es ist zu erwarten, dass dies und die Folgen dessen im Zuge der laufenden Rechnungs­hofprüfung der Privatbahnförderung offengelegt werden.

Ist Ihnen bekannt, dass in anderen Staaten, in denen nicht die gleichen unhaltbaren Abhängigkeitsverhältnisse wie in Ihrem Zuständigkeitsbereich bestehen, etwa in Deutschland, Privatbahnen eine Verwaltungspraxis in Form der von Ihnen zu verantwortenden Umsetzung der EU-RL 2001/12 öffentlich ablehnen?

Antwort:

Die Behauptung, Privatbahnen betreibende Eisenbahnunternehmen stünden in einem nahezu mittelalterlich-feudalen Abhängigkeitsverhältnis zu meinem Ressort, muss ich entschieden zurückweisen.

Nachdem die EU-Richtlinien des „ersten Eisenbahninfrastrukturpaketes“ Eisenbahn­infrastrukturunternehmen, die rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht unabhängig sind, verbieten, die Funktion einer Zuweisungs­stelle wahrzunehmen, ist es im Allgemeinen durchaus begreiflich, dass die davon in Österreich und in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union betroffenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen einem derartigen Eingriff in bisherige Rechte ablehnend gegenüber stehen. Soweit hier Deutschland angeführt wird, ist zu bemerken, dass dieser Mitgliedstaat die EU-Richtlinien des „ersten Eisenbahninfrastrukturpaketes“, im Gegensatz zu Österreich, bisher noch nicht umgesetzt hat. Im Übrigen ist mir konkret nicht bekannt, dass Privatbahnen betreibende Eisenbahnunternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten eine vergleichbare Umsetzung der EU-Richtlinien des „ersten Eisenbahninfrastruktur­paketes“, wie sie der Bundesgesetzgeber in Österreich normiert hat, ablehnen.

Frage 7:

Der Verfassungsgerichtshof hat am 7.10.2004 erkannt (G 3/04-20): „Besteht aber an der Erfüllung der Aufgaben und Ziele, die in § 2 KOG umschrieben sind, auch ein Interesse der Allgemeinheit, das sich vom Interesse der Marktteilnehmer an einem geordneten Rundfunkmarkt deutlich unterscheidet (vgl. den auch von der Bundesregierung hervorgehobenen Art. I Abs. 3 BVG Rundfunk, BGBl. 396/1974, wonach Rundfunk eine öffentliche Aufgabe ist), so erscheint es sachlich nicht gerechtfertigt, die Finanzierung dieser Regulierungstätigkeit ausschließlich den Marktteilnehmern aufzuerlegen, weil diese dann auch Aufgaben zu finanzieren hätten, die im Interesse der Allgemeinheit liegen. Insoweit müßte auch die Finanzierung einer solchen Aufgabe durch die Allgemeinheit, somit aus Steuermitteln, erfolgen.“

Eine Übertragung dieses Erkenntnisses auf z.B. den Schienenbereich erschiene nicht zuletzt im Sinne der Privatbahnen sowie der Transparenz und parlamentarischen Mitgestaltung angebracht.

Entspricht das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, dort wo es etwa von einer Finanzierung der SCHIG durch „Dritte“ handelt, obigem Erkenntnis des VfGH, wenn ja warum, wenn nein, bis wann werden Sie das Gesetz durch Änderung verfassungskonform gestalten?

Antwort:

Bei dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ging es im Wesentlichen um die Klärung der Rechtsfrage, ob die gesetzliche Regelung des § 10 KOG verfassungskonform ist, die vorsieht, dass die Finanzierung des aus der Einrichtung und der Tätigkeit der RTR-GmbH resultierenden Aufwandes durch Finanzierungsbeiträge solcher Gesellschaften, auf die sich die Tätigkeit der RTR-GmbH bezieht, zu decken ist.

Festzuhalten ist, dass das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz keine dem § 10 KOG vergleichbare Regelung enthält. Vielmehr ist gemäß § 6 des Schieneninfrastruktur­finanzierungsgesetzes grundsätzlich der Personal- und Sachaufwand dieser Gesellschaft durch den Bund zu tragen.

Von Privatbahnen betreibenden Eisenbahnunternehmen zu entrichtende Kosten an diese Gesellschaft resultieren lediglich aus einem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis, nämlich aus abgeschlossenen Verträgen, wobei anfallenden Kosten eine konkrete Leistung dieser Gesellschaft gegenüber steht, und nicht auf Rechtsbasis einer gesetzlichen Finanzierungsregelung im Schieneninfrastruktur­finanzierungsgesetz.

Das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz entspricht somit nicht dem KOG.

 

Mit freundlichen Grüßen