2602/AB XXII. GP

Eingelangt am 04.04.2005
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0013-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2615/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Gefährdung der rechtlichen Grundversorgung in Kärnten durch die mögliche Schließung von Gerichts-Standorten“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Nein.

Zu 2, 3 und 9:

Im Sinne der Beratungen des Österreich-Konvents ist auch zu prüfen, ob die derzeit vier Ebenen der Gerichte auf drei Ebenen zu reduzieren sind. In einem dreistufigen System würden die Oberlandesgerichte als Rechtsprechungsgerichte sowohl für eine einheitliche Anwendung des Rechts sorgen als auch weiterhin die Zentren der Justizverwaltung sein. Dabei würde es gesetzlich verpflichtend werden, Berufungsverhandlungen im jeweiligen Bundesland durchzuführen; so könnten Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Parteienvertreter künftig alle Berufungsverhandlungen im eigenen Bundesland verrichten.

In jedem Bundesland Oberlandesgerichte einzurichten, würde eine Vervielfachung des Verwaltungsaufwands zur Folge haben, die ich angesichts der beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen nicht befürworten kann.

Richtig ist, dass mit einem dreistufigen Aufbau der Gerichtsbarkeit für viele Richterinnen und Richter eine Karrieremöglichkeit zu den Oberlandesgerichten eröffnet würde. Derzeit werden im Bundesministerium für Justiz Berechnungen über die mit einem dreigliedrigen Aufbau verbundenen Einsparungsmöglichkeiten – insbesondere in der Justizverwaltung – angestellt und den Mehraufwendungen für Richterbesoldung (Bezugsdifferenz R1 – R2) gegenübergestellt.

Die Frage eines dreigliedrigen Gerichtsaufbaus wirft nicht nur organisatorische sondern auch zivil- und strafverfahrensrechtliche Grundsatzfragen auf, die noch einer eingehenden Erörterung bedürfen.

Zu 4, 6, 7 sowie 10 bis 14:

Seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts waren und sind Justizminister bemüht, die Struktur der Bezirksgerichte — sie stammt im Wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert — an die heutigen Anforderungen anzupassen. Gerichte müssen, wie Betriebe und andere öffentliche Einrichtungen auch, zur Sicherung ihrer Qualität und Wirtschaftlichkeit eine Mindestgröße haben.

Durch die Bezirksgerichte-Verordnungen 2002 wurde in Niederösterreich, der Steiermark, Tirol, Salzburg und Oberösterreich mit der Zusammenlegung von Kleinstbezirksgerichten ein erster und sehr erfolgreicher Schritt in diese Richtung gesetzt; die Zusammenführungen sind völlig problemlos verlaufen, an den aufgelassenen Standorten werden für die Rechtsversorgung der Bevölkerung regelmäßig Gerichtstage abgehalten.

In Österreich bestehen derzeit 140 Bezirksgerichte, also nach wie vor wesentlich mehr als Bezirksverwaltungsbehörden. Es bestehen nach wie vor 11 Bezirksgerichte, bei denen der Arbeitsanfall nicht einmal eine Richterkapazität mit richterlichen Rechtsprechungsagenden auslastet, bei etwa 50 Bezirksgerichten werden weniger als zwei Richterkapazitäten mit richterlichen Rechtsprechungsagenden ausgelastet. Die damit verbundenen negativen Folgen für die rechtsuchende Bevölkerung können nicht tatenlos hingenommen werden; durch notwendige Doppelplanstellen können die Richterinnen und Richter nicht an allen Tagen beim jeweiligen Gericht anwesend sein. Die angesichts der Anforderungen an den Richter notwendige Spezialisierung kann nicht erreicht werden.

Fragen der Gerichtsorganisation wurden auch ausführlich im Österreich-Konvent beraten. Im Lichte dieser Beratungen werden nun die erforderlichen Planungen für eine leistungsfähige Justiz der Zukunft erstellt. Dabei leitet uns der Wunsch nach Bürgerservice, Gerechtigkeit, Qualität und Sparsamkeit.

Künftig soll es prinzipiell am Sitz der Bezirksverwaltungsbehörden Kreisgerichte als Eingangsgerichte geben, die im Bereich der Zivilsachen ohne Streitwertbegrenzung zuständig sein sollen. Verschiedene Spezialsachen sollen bei den Landesgerichten verbleiben. Eine weitgehend an die Standorte der Bezirksverwaltungsbehörden angelehnte Gerichtsorganisation bietet viele Vorteile. Diese Standorte werden für die Bürgerinnen und Bürger umfassende Servicezentren. Zu diesen Orten besteht österreichweit eine gute Verkehrsinfrastruktur. Die Anfahrtswege sind jedenfalls zumutbar, zumal aus verschiedenen empirischen Erhebungen hervorging, dass die Bürgerinnen und Bürger weitaus seltener persönlich zu Gericht kommen als zu Bezirksverwaltungsbehörden; im Durchschnitt kommen die Menschen etwa ein Mal im Leben persönlich zu Gericht.

Die Detailplanungen werden derzeit noch nach betriebswirtschaftlichen, baulichen, topografischen und verkehrstechnischen Aspekten optimiert.

Die Standortfragen werden mit politischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen, mit der  Personal– und Standesvertretung sowie den Vertretern der Rechtsberufe eingehend diskutiert werden, sodass auch spezifische Gesichtspunkte des Bundeslandes Kärnten erörtert werden. Konkrete Aussagen zu allenfalls erforderlichen Baumaßnahmen können erst nach Vereinbarung der endgültigen Standorte mit diesen relevanten Entscheidungsträgern getroffen werden. 

Die mehrsprachigen Gerichte stellen eine besonders Situation dar, die sowohl mit Vertretern der sprachlichen Minderheiten als auch mit der Landespolitik Kärntens zu besprechen ist. Ich habe auch bereits konstruktive Gespräche mit Vertretern der sprachlichen Minderheiten geführt. Zusammenfassend meine ich, dass diese Gerichte nicht völlig aus der Diskussion ausgeklammert werden dürfen, weil auch der Bevölkerung in diesen Gerichtssprengeln eine Gerichtsorganisation zur Verfügung gestellt werden muss, die den Bedürfnissen der Zukunft entspricht.

Zu 5 und 8:

Das Hauptanliegen der Gerichtsreform ist eine Qualitätssteigerung. Freilich können durch die Herstellung entsprechender Betriebsgrößen auch Synergieeffekte und damit Einsparungen lukriert werden. Einsparungen sind insbesondere durch die Zusammenziehungen von Standorten, und zwar durch Verringerung von

-        Personalkosten (Justizverwaltungsbereich, Unterstützungsdienste),

-        Reisekosten,

-        Betriebskosten (vor allem standortfixe),

-        Bibliothekskosten und

-        EDV-Kosten.

Die möglichen Einsparungen bewegen sich je nach konkretem Standort zwischen 60.000 Euro und 70.000 Euro jährlich.

. April 2005

 

(Maga. Karin Miklautsch)