2609/AB XXII. GP

Eingelangt am 05.04.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für auswärtige Angelegenheiten

 

Anfragebeantwortung

 

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen haben am
7. März 2005 unter der Nr. 2748/J-NR/2005 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend Inhaftierung von Fr. Sandra Bakutz in der Türkei gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Am 30. März 2005 wird vor dem 11. Strafgericht für schwere Straftaten in Ankara die Verhandlung
betreffend Frau Sandra Bakutz stattfinden. Laut Mitteilung des Anwaltes von Frau Bakutz wird die
Verhandlung öffentlich sein. Über Ersuchen ihrer österreichischen Anwältin und unter Mithilfe der
Österreichischen Botschaft Ankara wird Frau Bakutz ein Dolmetsch zur Seite stehen. An der
Verhandlung werden ein Vertreter und ein Übersetzer der Österreichischen Botschaft Ankara als
Prozessbeobachter teilnehmen.

Nachstehend eine chronologische Kurzfassung:


10.02.2005


Inhaftierung
Informierung der Familie


14.02.2005                       Vorsprache von Gesandten Steiner, Österreichische Botschaft Ankara, im

türkischen Außenministeriums

15.02.2005                       erster Haftbesuch im Gefängnis in Istanbul

17.02.2005                       Gespräch mit dem türkischen Botschafter im Bundesministerium für

auswärtige Angelegenheiten

18.02.2005                       Vorsprache des österreichischen Botschafters in Ankara, Dr. Mario Calligaris,

im türkischen Außenministerium

21.02.2005                       neuerliche Intervention von Botschafter Calligaris im türkischen

Außenministerium

23.02.2005                       weiteres Gespräch mit dem türkischen Botschafter im Bundesministerium für

auswärtige Angelegenheiten

24.02.2005                        Telefonat des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten, Dr.

Johannes Kyrie, mit dem türkischen Botschafter

erste Haftprüfungsverhandlung: Enthaftung wird abgelehnt

28.02.2005                        Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten an den

türkischen Staatssekretär Ali Tinaz Tuygan

zweiter Haftbesuch durch den Amtsleiter des Österreichischen
Generalkonsulates, Generalkonsul Mag. Franz Wechner, in Gebze

01.03.2005                        Überstellung nach Ankara

04.03.2005                        dritter Haftbesuch durch Konsul Mauritz, Österreichische Botschaft Ankara,

in Ankara


10.03.2005                       vierter Haftbesuch durch Botschafter Calligaris in Ankara

15.03.2005                       zweite Haftprüfungsverhandlung: Enthaftung wird abermals abgelehnt

 

16.03.2005                       Übergabe eines Memorandums durch die Bundesministerin für auswärtige

Angelegenheiten an Kommissär Olli Rehn

17.03.2005                       fünfter Haftbesuch durch Gesandten Steiner in Ankara

23.03.2005                       sechster Haftbesuch durch Gesandten Steiner in Ankara

Zu Frage 2:

Frau Bakutz wurde am Tage nach ihrer Festnahme, i.e. am 11.2.2005, in Anwesenheit ihres
Anwaltes einem Richter vorgeführt und es wurde ihr der Grund für ihre Festnahme mitgeteilt. In
den Haftprüfungsverhandlungen vom 24. Februar 2005 und 15. März 2005 wurde der
Enthaftungsantrag ihres Anwaltes abgelehnt und die Fortsetzung der Haft angeordnet.

Zu Frage 3:

Es wird Frau Bakutz vorgeworfen, am 28.11.2000 zusammen mit Mitgliedern der in der Türkei
verbotenen Organisation DHKP-C eine Rede des damaligen türkischen Außenministers Ismail Cem
vor der Kommission für auswärtige Angelegenheiten des Europaparlaments in Brüssel gestört und
gegen den Minister Drohungen ausgerufen sowie Plakate der DHKP-C entrollt zu haben. Weiters
wird ihr vorgeworfen, an einer Pressekonferenz im Internationalen Pressezentrum in Brüssel als
Vorsitzende des Unterstützungskomitees für ein Mitglied der DHKP-C teilgenommen zu haben.

Zu Frage 4:

Laut Mitteilung des Rechtsanwaltes von Frau Bakutz wurden die Voruntersuchungen am 25.2.2005
abgeschlossen.


Zu Frage 5:

Ja.

Eine nähere Inhaltsangabe kann aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erfolgen. Für den

allgemeinen Hintergrund verweise ich auf die Beantwortung der Frage 3.

Zu Frage 6:

Frau Bakutz wurde über ihren eigenen Wunsch in das Gefängnis Gebze, in dem vor allem politische
Häftlinge untergebracht sind, verlegt. In weiterer Folge erfolgte am 1. März 2005 ihre Verlegung
nach Ankara.

Zu Frage 7:

Frau Bakutz wurde von Mitarbeitern der österreichischen Vertretungsbehörden in Istanbul und
Ankara sowohl in Istanbul wie auch in Gebze und Ankara insgesamt bis dato sechs Mal besucht.
Weiters sind die Österreichische Botschaft in Ankara und das Österreichische Generalkonsulat in
Istanbul mit ihren türkischen Anwälten in regelmäßigem Kontakt. Mitarbeiter des
Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten sind mit ihrer österreichischen Rechtsanwältin
und ihrer Mutter sowohl in telefonischem als auch schriftlichem Kontakt, um sie über die
Entwicklungen am Laufenden zu halten.
Siehe auch die Antworten zu Frage 8.

Zu Frage 8:

(in chronologischer Reihenfolge)

Der österreichische Missionschef hat am 18. Februar 2005 beim zuständigen Abteilungsleiter im
türkischen Außenministerium vorgesprochen und eine Verbalnote mit der Bitte um Unterstützung
überreicht.


Am 21. Februar 2005 intervenierte der österreichische Botschafter in der für die EU-Staaten
zuständigen politischen Generaldirektion des türkischen Außenministeriums. Am selben Tag wurde
auch beim Generaldirektor für konsularische Angelegenheiten im türkischen Außenministerium
interveniert, ebenso wurde der für den Fall zuständige Staatsanwalt kontaktiert.

Der türkische Botschafter in Wien wurde mehrmals in das Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten gebeten und auf die Sensibilität der Angelegenheit hingewiesen.

Am 28. Februar 2005 richtete der Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten ein Schreiben an
Staatssekretär Ali Tinaz Tuygan.

Am 16. März 2005 übergab ich Kommissär Olli Rehn am Rande des Rats für Allgemeine
Angelegenheiten ein Memorandum betreffend Frau Bakutz mit der Bitte, den Fall gegenüber der
türkischen Seite zur Sprache zu bringen.

Zu Frage 9:

In allen vorerwähnten Interventionen wurde das Ersuchen nachdrücklich zum Ausdruck gebracht,
eine ehestmögliche Rückkehr von Frau Bakutz nach Österreich zu erwirken.

Zu Frage 10:

Die Erteilung von Informationen durch die türkischen Behörden funktionierte anfangs eher
zögerlich und musste von österreichischer Seite mehrfach betrieben werden. Nicht zuletzt dank der
geschilderten intensiven Bemühungen und Interventionen kann die Weitergabe von Informationen
seitens der türkischen Behörden heute als zufriedenstellend bezeichnet werden.


Zu Frage 11:

Die Umstände und die Verfahrensschritte im Verfahren gegen Frau Bakutz werden seit dem
Bekanntwerden ihrer Verhaftung am 10. Februar 2005 von meinem Ressort ständig beobachtet und
dokumentiert sowie u. a. im Hinblick auf Konformität mit den Garantien der Art. 5 („Recht auf
Freiheit und Sicherheit“), Art. 6 („Recht auf ein faires Verfahren“), Art. 7 („Keine Strafe ohne
Gesetz“) sowie Art. 10 („Freiheit der Meinungsäußerung“) der Europäischen
Menschenrechtskonvention analysiert.

Wie zu Frage 8 bereits erwähnt richtete der Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten am 28.
Februar 2005 in meinem Auftrag ein Schreiben an den Staatssekretär im türkischen
Außenministerium, in dem er u. a. ausdrücklich auf die Besorgnis über eine Reihe von
menschenrechtlichen Aspekten, insbesondere hinsichtlich der Grundlage der Verhaftung, einging.
Daran schloss der Generalsekretär „... das Anliegen des österreichischen Außenministeriums
bezüglich eines transparenten und fairen Verfahrens gegen unsere Staatsbürgerin und der
Ermöglichung ihrer Rückkehr nach Österreich ...“.

So lange sich Frau Bakutz in der Türkei in Haft befindet, steht das Anliegen ihrer baldigen
Enthaftung und Rückkehr nach Österreich im Vordergrund. Zu diesem Zweck schöpft die
österreichische Botschaft in Ankara die sich nach Wiener Konsularkonvention und Wiener
Diplomatenkonvention bietenden Möglichkeiten aus.

Die türkische Vorgangsweise im Prozess gegen Frau Bakutz stellt auch einen Aspekt dar, der im
Zusammenhang mit der allgemeinen Beurteilung der Lage der Menschenrechte in der Türkei im
Sinne der Kopenhagener Kriterien zu berücksichtigen sein wird.