2648/AB XXII. GP
Eingelangt am 18.04.2005
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
GZ. BMF-310205/0025-I/4/2005
Herrn Präsidenten
des Nationalrates
Dr. Andreas Khol
Parlament
1017 Wien
Sehr geehrter Herr Präsident!
Auf die schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 2675/J vom 18. Februar 2005 der Abgeordneten Ing. Erwin
Kaipel, Kolleginnen und Kollegen betreffend exorbitant hohe Beratungshonorare
für die "Reorganisation des Beschaffungswesens", beehre ich mich
Folgendes mitzuteilen:
Die
Bundesregierung hat im Jahr 2000 als eine der Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung
eine umfassende Neuorganisation des Beschaffungswesens des Bundes beschlossen.
Der Gesetzgeber legte im Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffung
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BB-GmbH-Gesetz) die Rahmenbedingungen
für die Optimierung der Einkaufsbedingungen des Bundes durch ökonomisch
sinnvolle Volumens- und Bedarfsbündelung fest.
Durch
die Konzentration der Beschaffungsvorgänge konnten einerseits bessere
Einkaufspreise erzielt werden, andererseits wurde den Ressorts damit auch die
Möglichkeit eingeräumt, ihre Beschaffungsprozesse zu optimieren.
Das
von der BBG im Jahr 2004 erwirtschaftete Einsparungspotential bei den
Einkaufspreisen beträgt rund 50 Mio. Euro. Damit wurde wieder ein wichtiger
Beitrag zur nachhaltigen Verwaltungsreform geleistet.
Zwar
führten die Optimierungsprozesse zu verminderten Einnahmen in Teilbereichen der
Wirtschaft, doch kommt jeder in der Verwaltung eingesparte Euro dem
Steuerzahler und letztlich wieder der Wirtschaft, insbesondere auch den KMUs
zugute.
Für
die heimische Wirtschaft stellen die KMUs eine wichtige Säule dar, die
maßgeblich zu unserem Steueraufkommen und damit zur Erhaltung der Standortqualität
Österreichs beitragen. Allein die Senkung der Körperschaftsteuer bringt eine
Nettoentlastung von 975 Mio. Euro. Davon profitieren rund 100 000 Unternehmen -
etwa 80 % davon sind KMUs. Weitere
Maßnahmen zur Förderung der klein- und mittelständischen Unternehmen stellen
die begünstigte Besteuerung nicht entnommener Gewinne bis 100.000,- Euro, die
Abschaffung der 13. Umsatzsteuer-Vorauszahlung, die allgemeine Senkung der
Lohn- und Einkommensteuer und die Abschaffung der Bagatellsteuern wie der
Schaumweinsteuer oder der Biersteuer dar.
In
diesem Zusammenhang weise ich aber darauf hin, dass öffentliche
Auftragsvergaben jedenfalls den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes sowie
den Grundsätzen des EG-Vertrages unterliegen. Insbesondere ist das Prinzip der
Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz zu beachten. Die BBG
hält sich strikt an diese gesetzlich vorgegebenen Rahmenbedingungen.
Die
Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb ist als
tragender Grundsatz des EU-Vergaberechts anzusehen. Zentrale
Beschaffungsmethoden tragen gemäß EU-Richtlinie 2004/18/EG zur Verbesserung des
Wettbewerbs und damit zur Rationalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens
bei.
Zu
1. und 2.:
Die
Gewichtung des Preiskriteriums war im Zuge der Erstellung der
Ausschreibungsunterlagen ausführlich diskutiert worden. Ergebnis dieser
Diskussion war es, dass die Angebote einer Nutzwertanalyse nach insgesamt
sieben Kriterien zu unterziehen waren, da es für die Qualität der Angebote
entscheidend war, welchen wirtschaftlichen Nutzen der Bieter für die Republik
Österreich als Resultat der Beratungsleistungen in seinem Angebot plausibel
machen kann.
Diese
Nutzwertanalyse erfolgte nach objektiven, diskriminierungsfreien und
nachvollziehbaren Kriterien, welche trotz Komplexität der betriebswirtschaftlichen
Aufgabenstellung den strikten vergaberechtlichen Anforderungen vollinhaltlich
entsprachen. Daher ergab sich die Gewichtung dieser Kriterien zwingend aus den
Auswirkungen des zu bewertenden Angebotsteils auf den von der Auftraggeberin
aus den Beratungsleistungen zu erwartenden Nutzen. Daraus resultierte
notwendigerweise die Gewichtung des Kostenarguments als Nutzwertkriterium mit
10 %.
Schon
alleine aus betriebswirtschaftlicher Sicht konnte im Rahmen einer solchen
Nutzwertanalyse den Beratungskosten kein höheres Gewicht eingeräumt werden.
Aber auch vergaberechtlich wäre dies unzulässig gewesen.
Die Vergabe des gegenständlichen Auftrages erfolgte nach dem
Bestbieterprinzip, wobei die Ermittlung des günstigsten Angebots (Bestbieters)
nach einer Nutzwertanalyse nach folgenden sieben Kriterien ermittelt wurde:
Kriterium 1:
15%: Prozess‑, Methoden‑ und Know‑how ‑ Qualität:
Konkrete, bewertbare Darstellung der Methoden und Maßnahmen zur
Bestandsaufnahme der angebotenen, plausiblen SOLL‑ und Umsetzungskonzepte sowie
die konkrete, bewertbare Darstellung des stufenweisen Realisierungszeitraumes.
Kriterium 2:
5 %: Arbeits‑ und Projektaufwand des Auftraggebers:
Angaben zum internen Arbeits‑ und Projektaufwand, den der
Auftraggeber beizutragen hat, sowohl qualitativ unter Sachgesichtspunkten als
auch quantitativ in geschätzten Personaltagen je nach Projektstufe.
Kriterium 3:
20 %: Ergebnis‑Qualität hinsichtlich der Beschaffungspreise:
Die Plausibilität der Darstellung konkretisierter, bewertbarer,
nachvollziehbarer und realistisch zu erzielender Einsparungen, insbesondere
durch Übertragung der vom Bieter in Referenzprojekten angewandten Maßnahmen auf
das konkrete Projekt unter der Berücksichtigung der Projektziele.
Kriterium 4:
30
%: Ergebnis‑Qualität hinsichtlich der Prozesskosten (Verwaltungsvereinfachung)
und der Kosten der neuen Organisation:
Die Plausibilität der Darstellung konkretisierter, bewertbarer,
nachvollziehbarer und realistisch zu erzielender Einsparungen, insbesondere
durch Übertragung der vom Bieter in Referenzprojekten angewandten Maßnahmen auf
das konkrete Projekt unter Berücksichtigung der Ziele des gegenständlichen
Projektes.
Kriterium 5:
15 %: Individual - and
Corporate Knowledge ‑ Qualität:
Ausmaß der Nennung der für dieses Projekt angebotenen Berater
(Senior und Junior Consultants), nachgewiesene, einschlägige Qualifikationen
dieser Berater und Ausmaß der Absicherung des Auftraggebers gegen Veränderungen
dieses Beraterteams oder der Aufgabenverteilung.
Kriterium 6:
10 %: Kosten der Beratung
Kriterium 7:
5 %: Bewertungsqualität und Qualität der Nachvollziehbarkeit der
Gliederung des Angebots gemäß den Gliederungsvorgaben der
Ausschreibungsunterlagen nach dem beschriebenen Umfang der Beratung.
Zu
3. bis 7.:
Die
Ausarbeitung des Entwurfs des BB-GmbH-Gesetzes gehörte nicht zu den
beauftragten Leistungen an die Unternehmensberatungsgesellschaft. Der Entwurf
wurde seitens des Bundesministeriums für Finanzen verfasst.
Zu
8.:
Die Beratungsleistungen umfassten im Wesentlichen
folgende Bereiche:
a)
Durchführung einer Bestandsaufnahme,
b) Erstellung eines Sollkonzepts und
c) Ausarbeitung eines Umsetzungsplans.
Zu
9. bis 11.:
Es
war ein hochkomplexer Dienstleistungsauftrag unter europarechtlichen Vorgaben
zu vergeben. Besonderes Anliegen war mir, eine einwandfreie und transparente
Abwicklung sicherzustellen.
Zum
damaligen Zeitpunkt war weder im Bundesministerium für Finanzen noch in der
Finanzprokuratur entsprechendes fachliches Know-how vorhanden. Ich weise aber
darauf hin, dass nur bei derart hochkomplexen Vergaben die hausinterne
Fachkompetenz und die knappen internen Ressourcen durch externe Berater ergänzt
wurden. Mittlerweile hat jedoch ein fachspezifischer Wissenstransfer
stattgefunden, sodass den Empfehlungen des Rechnungshofes bereits Rechnung
getragen wird.
Das
damals gewählte Konzept der Reorganisation des Beschaffungswesens hat sich
wegen der bisher erzielten Einsparungen als äußerst erfolgreich erwiesen.
Diesbezüglich
möchte ich auch auf meine Ausführungen im Wahrnehmungsbericht des
Rechnungshofes betreffend Auftragsvergaben über Beratungsleistungen in
Bundesministerien, Seite 24, Punkt 5.3 sowie Seite 26, Punkte 7.3 und 8.3
hinweisen.
Zu
12.:
AT
Kearney als renommiertes und erfahrenes Beratungsunternehmen im Bereich des
Beschaffungswesens wies im Zusammenhang mit der Untersuchung der Auswirkungen
auf Markt und Lieferanten darauf hin, dass das Gewicht der Beschaffungen des
Bundes, bezogen auf den österreichischen Markt, gering sei. Eine Analyse der
Beschaffungsgruppen habe ergeben, dass die BBG keine dominante
Nachfrageposition erreichen würde. Eine Nachfragebündelung werde die
österreichische Lieferantenbasis nicht wesentlich beeinflussen. Die Globalisierungs-
und Konzentrationsprozesse würden unabhängig vom Einkaufsverhalten des Bundes
voranschreiten, da diese durch einen grundsätzlichen wirtschaftlichen Wandel
hervorgerufen würden. Auch AT Kearney wies auf die Möglichkeit der Bildung von
Bietergemeinschaften und der Vergabe von Subaufträgen hin.
Zu
13.:
AT
Kearney machte konkrete Vorschläge, welche Beschaffungsgruppen in einem ersten
Schritt in Angriff genommen werden könnten. Diese Beschaffungsgruppen fanden
Eingang in die VO BGBl. II Nr. 208/2001. Weiters identifizierte AT Kearney
Beschaffungsgruppen, welche sich für eine Erweiterung der genannten Verordnung
eignen könnten.
Zu
14.:
Es
wurde bereits im Rahmen der Beschaffungsreform dem Grunde nach in Erwägung
gezogen, dass sich bestimmte Produktgruppen für eine katalogweise Vergabe
eignen. Aufgrund der dadurch erzielbaren Einsparungen in den Einkaufs- und
Logistikkosten ist dies laut AT Kearney auch in der Wirtschaft üblich.
Die
konkreten Warenkorb-Ausschreibungen der BBG gehen auf Entscheidungen der
BBG-Geschäftsführung zurück.
Zu
15. bis 17.:
AT
Kearney machte Vorschläge über die organisatorische, personelle und
infrastrukturelle Ausstattung der BBG. Die organisatorische Ausstattung betraf
die Identifizierung der Kernbereiche und Vorschläge betreffend deren
organisatorische Zuordnung, die personelle Ausstattung Vorschläge betreffend
Anzahl und Qualifikation des einzustellenden Personals (nicht jedoch die
konkrete Mitarbeiterauswahl) und die infrastrukturelle Ausstattung vorwiegend
die IT-Ausstattung der BBG.
Die
Vorschläge des Beratungsunternehmens wurden überwiegend umgesetzt.
Zu
18.:
Wie
bereits im Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes betreffend Auftragsvergaben
über Beratungsleistungen in Bundesministerien, Seite 25, Punkt 6.3. angeführt,
wurden für das Beratungsprojekt "Reorganisation des
Beschaffungswesens" rd. 3,3 Mio Euro ausbezahlt.