2649/AB XXII. GP
Eingelangt am 18.04.2005
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BM für
Gesundheit und Frauen
Anfragebeantwortung
Herrn
Präsidenten
des Nationalrates
Dr. Andreas Khol
Parlament
1017
Wien
GZ: BMGF-11001/0034-I/A/3/2005
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche
parlamentarische
Anfrage Nr. 2676/J der Abgeordneten Silhavy,
Genossinnen und Genossen wie folgt:
Frage 1:
Die
Entfernung der Eierstöcke als Krebsprophylaxe wird bei folgenden Diagnosen
empfohlen:
-
Wenn bei einer Patientin eine BRCA 1- oder BRCA 2-Mutation identifiziert wird,
-
wenn in der Familienanamnese
bereits 1 Fall oder 2 Fälle von Eierstockkrebs
jeglichen Alters vorliegt,
-
wenn bei der Patientin eine starke Zystenbildung vorliegt.
Frage
2:
Die
Mutation des BRCA 1 und BRCA 2-Gens wird molekulargenetisch untersucht und muss
in der Familienanamnese bestimmte Selektionskriterien (mindestens eines davon)
erfüllen wie:
2
Brustkrebsfälle vor dem 50. Lebensjahr
3
Brustkrebsfälle vor dem 60. Lebensjahr
1
Fall von Brustkrebs vor dem 35.Lebensjahr
1
Brustkrebsfall vor dem 50. und 1 Fall von Eierstockkrebs jeglichen Alters
2
Eierstockkrebsfälle jeglichen Alters
weiblicher
Brustkrebs jeglichen Alters
Zusammengefasst,
wird eine Entfernung von Eierstöcken als Krebsprophylaxe dann empfohlen, wenn
sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft aus vorangehenden
Untersuchungsbefunden ein hohes Risiko für die Entstehung eines
Eierstockkrebses ableiten lässt. Festzuhalten ist jedoch, dass eine beidseitige
Eierstockentfernung altersabhängig mit unterschiedlichen gesundheitlichen
Auswirkungen verbunden ist und daher nur wohlüberlegt und nach entsprechender
Aufklärung und Zustimmung der betroffenen Frau durchgeführt werden darf.
Frage
3:
Der
Kastrationsbegriff erscheint zur Bezeichnung der Eierstockentfernung aus
folgenden Gründen praktisch ungeeignet:
a)
Entsprechend
der Definition im medizinischen Wörterbuch ist unter Kastration die operative
Entfernung oder Ausschaltung der Keimdrüsen des Mannes bzw. der Frau zu
verstehen. Allerdings besitzt die Frau im Unterschied zum Mann auch die
Möglichkeit Vorläufer von Sexualsteroiden zB aus der Nebenniere unabhängig vom
Eierstock in Östrogene umzuwandeln und ist bezüglich der Produktion von
Sexualsteroiden nicht zur Gänze auf die Eierstöcke angewiesen. Die Entfernung
der Eierstöcke einer Frau wäre schon daher im Regelfall NICHT sachgerecht als
Kastration zu bezeichnen.
b)
Abgesehen
davon käme der Terminus Kastration auch nur dann als wissenschaftlich
sachgerechte Bezeichnung in Betracht, wäre die Funktionstüchtigkeit der
Eierstöcke bis zur Entfernung noch gegeben. Die Entfernung von Eierstöcken
nicht mehr gebärfähiger älterer Frauen, könnte daher keinesfalls sachgerecht
als Kastration bezeichnet werden.
Fragen
4 bis 7:
Im
Jahrbuch der Gesundheitsstatistik 2003 sind folgende Statistiken getrennt nach
Männer und Frauen die Anzahl der stationären Aufenthalte (2002), nach
medizinischen Leistungen, getrennt nach Codes enthalten:
Ø
(Semi)Kastratio;
Operation bei Hydrozele; Epididymektomie (einseitig/beidseitig) bei Männern:
2.654,
Ø
Abdominelle
Exstirpation intraligamentärer / breit-adhärenter Ovarialtumore bzw.
Rezidivoperation an Ovarien, Tuben und Adnexen sowie große Ovarialtumoren bei
Frauen: 499,
Ø
Radikale
Operation bei malignen Adnextumoren (inkl. pelvine Lymphknotenresektion,
Hysterektomie und bd. Adnexetomie, Entfernung benachbarter Organe und/oder
Gewebe, Resektion des großen und kleinen Netzes bei Frauen: 276,
Ø
Radikale
Operation bei malignen Adnextumoren (inkl. pelvine Lymphknotenresektion,
Hysterektomie und bd. Adnexetomie, Entfernung benachbarter Organe und/oder
Gewebe, Resektion des großen und kleinen Netzes und paraaortale und parakavale
Lymphonodektomie) bei Frauen: 162,
Ø
Second-look-Operation
bei Ovarialkarzinom / Exstirpation von Resttumoren bei Frauen: 112.“
Andere derartige
Statistiken sind mir nicht bekannt.
Auf
Basis der mir vorliegenden Daten sind entsprechende Auswertungen nicht möglich,
da die Eierstockentfernung im Rahmen der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung
im Katalog medizinischer Einzelleistungen nur im Zusammenhang mit der
operativen Entfernung anderer Organe (z.B. Eileiter) in Fällen von Tumoren
vorkommt.
Frage
8:
Zu
den aktuellen Forschungsarbeiten zum Thema Hormonersatztherapie können insbesondere
folgende Publikationen hervorgehoben werden:
Ø
Konsensusempfehlungen
zur Hormontherapie im Klimakterium und in der Menopause; Beckmann MW, Braendle
W, Brucker C, Dören M. Emons G; Journal für Menopause 2003;
Ø Konsensuspapier zur Hormonersatztherapie; Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe; Gynaktiv 1/2004;
Ø
Position Statement: Guidelines for the Hormone
Treatment of Women in the Menopausal Transition and Beyond; Executive Committee
of the Internationel Menopause Society; Journal für Menopause 2004.
Ø
Wie
gefährlich ist die Hormonersatztherapie in der Menopause? Wiener Klinische
Wochenschrift 2004; Kommentar Prof.DDr. Johannes Huber.
Frage 9:
Die ärztliche Aufklärungspflicht bzw. das
korrespondierende Recht von Patientinnen und Patienten auf Aufklärung lässt
sich insbesondere aus dem zivilrechtlichen Behandlungsvertrag, aber auch aus
berufsrechtlichen Vorschriften ableiten.
Die Aufklärung dient der Vermittlung jener
Informationen, die der/die Patient/in braucht, um das Wesen, die Bedeutung und
die Tragweite einer medizinischen Maßnahme erfassen zu können.
Der/die Patient/in muss somit in die Lage versetzt
werden, alle Für und Wider einer Behandlung gegeneinander unter
Berücksichtigung ihrer konkreten persönlichen Situation abwägen zu können. Die
Zustimmung zu einer konkreten medizinischen Maßnahme ist nur dann wirksam, wenn
ihr auch eine hinreichende Aufklärung über die möglichen Folgen des Eingriffes
vorangegangen ist. Mitteilungsbedürftig sind somit jene Risken, die für einen
ausgewogenen und eigenverantwortlichen Behandlungsentschluss erforderlich sind.
Ist der Arzt/die Ärztin nicht in der Lage, in
ausreichendem Ausmaß auch über mögliche negativen Wirkungen auf die Psyche
aufzuklären, dann trifft ihn/sie im Sinne wechselseitiger
Konsultationspflichten die Verpflichtung, die Patientin auf die Notwendigkeit
einer psychotherapeutischen oder klinisch-psychologischen Einschätzung und
Aufklärung hinzuweisen. Diese Verpflichtung ergibt sich, ungeachtet der
Verpflichtung zur allfälligen Zusammenarbeit mit anderen Ärzt/innen gemäß § 49
Abs. 2 Ärztegesetz 1998, bereits aus § 49 Abs. 1 Ärztegesetz 1998.
Nach dieser Bestimmung ist ein Arzt/eine Ärztin
verpflichtet, jede/n von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen
Gesunde/n und Kranke/n ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen.
Er/Sie hat insbesondere nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung
sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen
Qualitätsstandards das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.
Somit sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine
umfassende und berufsgruppenübergreifende Aufklärung gegeben.
Frage 10:
Diese Frage kann unter Hinweis auf die sogenannte
„Beweislastumkehr“ im Rahmen von Schadenersatzprozessen im Bereich der
Medizinhaftung beantwortet werden:
In
diesem Sinne trifft die Beweislast einer ausreichenden Aufklärung den Arzt/die
Ärztin bzw. den Rechtsträger einer Gesundheitseinrichtung, wie etwa einer
Krankenanstalt. Es ist somit Beweis zu führen, der Aufklärungspflicht genügt zu
haben, sodass im Falle der Verletzung der Aufklärungspflicht der Arzt/die
Ärztin bzw. der jeweilige Rechtsträger die Beweislast dafür tragen müssen, dass
der/die Patient/in auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur
Behandlung gegeben hätte.
Die
Patientin trifft hingegen in diesem Zusammenhang eine bloße Behauptungspflicht
dafür,
In nachvollziehbarer Weise muss die Patientin darlegen, dass sie bei gehöriger Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden wäre, wodurch eine Verweigerung der Zustimmung in die Behandlung zum damaligen Zeitpunkt verständlich erscheint.
Eine
wesentliche Bedeutung kommt in diesem Kontext der ärztlichen
Dokumentationspflicht, die ausdrücklich im § 51 Ärztegesetz 1998 verankert ist,
zu. Der Dokumentationspflicht unterliegt auch die erfolgte ärztliche
Aufklärung.
Die
Verletzung der Dokumentationspflicht führt zu der beweisrechtlichen Konsequenz,
dass der Patientin eine der Schwere der Dokumentationsverletzung entsprechende
Beweiserleichterung zugute kommt. Im Falle der Nichtdokumentation der
ärztlichen Aufklärung bedeutet dies, dass diese Beweiserleichterung die
Vermutung begründet, dass die Aufklärung gar nicht stattgefunden hat.
Frage 11:
Über die bereits erwähnten gesetzlichen Regelungen
der Rechte von Patienten und Patientinnen hinaus verweise ich auf die generelle
Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz.
Frage
12:
Mein
Ressort hat anlässlich der öffentlich geführten kontroversiellen Diskussion der
Hormonersatztherapie sowie als Reaktion auf die Bekanntgabe des vorzeitigen
Abbruchs der WHI-Studie (Women’s Health Initiative) in den USA (aufgrund der
Beschreibung der Häufung der Fälle an Herz-Kreislauferkrankungen und
Brustkrebserkrankungen bei Patientinnen, welche mit einer
Östrogen-Gestagen-Kombination behandelt wurden) im Jahre 2003 den OSR
beauftragt, ein Gutachten zur Aussage der WHI-Studie zu erstellen. Das BMGF und
die OEGGG (Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe haben
daraufhin ein Konsensuspapier im Jahr 2003 erstellt.
Dieses
Konsensuspapier beinhaltet
a)
die Beschreibung der
Indikationsstellung,
der Risikofaktoren,
der individuellen
Risikoevaluation,
c)
den Stellenwert der Phytohormone, die Beratung, die Präparatewahl und die
Dosierung.
Zusammenfassend
stellt das Konsenspapier fest:
„HRT
ist die einzige wirksame Möglichkeit zur Therapie des mit alternativen
Strategien nicht behandelbaren (mittel-)schweren klimakterischen
Syndroms, diese Art der Medikation soll aber nur bei gegebener Indikation
erfolgen. Die Dosierung sollte so gering wie möglich nach dem „low dose“-
Prinzip erfolgen, wobei eine jährliche Evaluierung bezüglich Risiko/Nutzen
vorzunehmen ist sowie eine individuelle Risikoevaluation im Mittelpunkt stehen
soll.“
Mit freundlichen Grüßen
Maria Rauch-Kallat
Bundesministerin