2748/AB XXII. GP
Eingelangt am 20.05.2005
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BM für
Inneres
Anfragebeantwortung
Herrn
Präsidenten des Nationalrates
Univ. Prof. Dr. Andreas K H O L
Parlament
1017 Wien
GZ:
50.115/2011-II/1/b/05
Wien, am Mai 2005
Die Abgeordnete Maga Terezija STOISITS,
Freundinnen und Freunde, haben am 22. März 2005 unter der Nummer 2788/J (XXII.
GP-NR) an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Tod in
der Schubhaft“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden
Informationen wie folgt:
Zu Frage 1:
Am 19.02.2005, um 07.55 Uhr.
Zu Frage 2 und 3:
Ben Habra SAHRAOUI alias BENISSA trat am 20.02.2005 in
„Hungerstreik und wurde noch am selben Tag, um 11.15 Uhr gemäß § 5 Abs. 3
Ziffer 6 der Verordnung über die Anhaltung von Menschen durch die
Sicherheitsexekutive (Anhalteordnung – AnhO), BGBl. II 1999/128 vom 01.05.1999
in Einzelhaft (Haftraum E-204) angehalten.
Zu Frage 4:
Die zuständige Schubhaftbetreuerin hat am Montag den
21.02.2005, gegen 14.30 Uhr, ein
Betreuungsgespräch mit Ben Habra SAHRAOUI in Arabisch geführt. Das nächste
Betreuungsgespräch war für den 22.02.2005 vorgesehen.
Zu Frage 5:
Sahraoui war vom 20.02.2005, vormittags bis zu seiner
Auffindung am 22.2.2005, um 06.00 Uhr in einer Einzelzelle untergebracht.
Bei der Kontrolle am 21.02.2005 um 23.00 Uhr wurde
laut Angaben der Aufsichtsbeamten das letzte Mal das „Kontrolllicht“ der Zelle
verwendet und Sahraoui in seinem Bett schlafend wahrgenommen. Bei den späteren
halbstündlichen Kontrollen wurde - um laut Angaben der Aufsichtsbeamten die
Schlafenden nicht zu wecken - kein Kontrolllicht verwendet. Sahraoui hatte sich
gegen 22.30 Uhr auf sein Bett gelegt und ersucht, dass das Licht in seinem
Haftraum auf Dauer abgedreht wird.
Zu Frage 6, 7, 8 und 9:
Aufgrund des derzeitigen Erhebungsstandes ist „Tod
durch Erhängen“ anzunehmen. Die gerichtliche Leichenöffnung zum Zwecke der
genauen Feststellung der Todesursache wurde vom Gerichtsmedizinischen Institut Wien über Auftrag des
Landesgerichts für Strafsachen Wien durchgeführt. Der Zeitpunkt dieses
Auftrages ist mir nicht bekannt. Das Obduktionsergebnis (der Obduktionsbericht)
wird nach Vorliegen dem Gericht übermittelt werden.
Der Obduktionsbefund liegt derzeit noch nicht vor,
eine Nachfrage erfolgte durch die Bundespolizeidirektion Wien.
Seitens der Sicherheitsbehörde wird bei entsprechenden
Verdachtsfällen die Staatsanwaltschaft informiert.
Zu Frage 10 und 11:
Sahraoui wurde laut vorliegendem Befundbericht des
Allgemeinen Krankenhauses Wien/Ambulanz für Unfallchirurgie am 19.02.2005, um
10.19 Uhr, im AKH ambulant wegen einer etwa 5 cm langen Rissquetschwunde unter
dem Unterkiefer rechts behandelt und mit vier Stichen genäht. Ansonsten wurden
keine akuten Verletzungen diagnostiziert.
Bei der am 19.02.2005, ab 15.15 Uhr, im
Polizeikommissariat Innere Stadt,
erfolgten amtsärztlichen Untersuchung auf Haft- und Deliktsfähigkeit, erfolgte
eine genaue Dokumentation dieser Verletzung am Kinn.
„Rissquetschwunde rechts am Kinn, im AKH mit Nähten
versorgt (19.02.2005).
Nähte ex am 01.03.2005“.
Zu Frage 12:
Dienstanweisungsgemäß (BPD-Wien intern) wurde
betreffend der gegenständlichen Verletzung („Misshandlungsvorwurf“) am
19.02.2005 das Büro für besondere Ermittlungen („BBE“) der BPD Wien
verständigt. SAHRAOUI gab anlässlich seiner Befragung gegenüber der Amtsärztin
über den Hergang der Verletzung (Rissquetschwunde am Kinn) an, „dass er nicht
wisse“, woher diese Verletzung stamme. Bei einer weiteren Befragung durch den
Sachbearbeiter des BBE gab SAHRAOUI an, dass ihn „ein Beamter mit dem Gesicht
gegen den Stuhl gedrückt habe“ und „dies am Kommissariat Deutschmeisterplatz
passiert sein soll“. Das Ermittlungsergebnis wurde am 21.02.2005 an die
Staatsanwaltschaft Wien
übermittelt. Laut eingeholter fernmündlicher Auskunft der
Staatsanwaltschaft Wien am 25.03.2005 wurde das Verfahren zwischenzeitlich
gemäß § 412 StPO abgebrochen.
Zu Frage 13:
Es besteht keine generelle gesetzliche
Informationspflicht gegenüber den Medien bzw. wird die Informationsweitergabe
den Angehörigen überlassen.
Zu Frage 14 und 15:
Die Schubhaftbetreuung teilte nachträglich mit, dass
es SAHRAOUI aufgrund einer wie gelähmt wirkender Hand schwer gefallen war, eine
Telefonnummer in das von der Betreuerin zur Verfügung gestellte Mobiltelefon
einzutippen. Eine sichtbare Verletzung der Hand bzw. des Armes wurde auch von
der Schubhaftbetreuerin nicht wahrgenommen.
Zu Frage 16 und 17:
Medienmitteilungen und Presseverlautbarungen nach
Suiziden werden zur Verhinderung von Nachahmungen sowie im Hinblick auf die
Wahrung der Privatsphäre äußerst restriktiv behandelt.
Das BM.I ist selbstverständlich an einer restlosen
Aufklärung relevanter Fälle interessiert. Der gegenständliche Fall wird
entsprechend aufgearbeitet.
Zu Frage 18:
Schlussfolgerungen können
erst nach Ende der laufenden Untersuchungen gezogen werden.
Der Suizidprävention wird weiterhin besondere Bedeutung beigemessen. Im
Rahmen des periodischen Erfahrungsaustausches zwischen den amtärztlichen
Diensten, SchubhaftbetreuerInnen, dem Menschenrechtsbeirat und Kommandanten der
Polizeianhaltezentren sowie Aufsichtspersonal wird dieses Thema ausführlich
behandelt.
Des Weiteren wurde im Zuge
der berufsbegleitenden Fortbildung von Bediensteten der Polizeianhaltezentren
ein Modul zur Sensibilisierung der Erkennung von Suizidtendenzen eingeführt.
Überdies wird sich eine Arbeitsgruppe
gemeinsam mit dem Menschenrechtsbeirat und NGOs mit dem Thema „Suizid und Suizidprävention“
auseinandersetzen und eine Evaluierung der bezughabenden Rahmenbedingungen
vornehmen.