2764/AB XXII. GP
Eingelangt am 27.05.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum
Nationalrat Dr. Einem, Kolleginnen und Kollegen haben am
29. März 2005 unter
der Nr. 2794/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfra-
ge betreffend Zusammenhang mit den Schlußfolgerungen des Vorsitzes beim Euro-
päischen Rat am 22./23. März 2005 gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Einleitend möchte ich
festhalten, daß fünf Jahre nach Einleitung der Lissabonner
Strategie der Europäische Rat auf seiner Frühjahrstagung am 22./23.März 2005
Bi-
lanz über die erreichten Fortschritte zur wirtschaftlichen, sozialen und
ökologischen
Erneuerung der EU gezogen und festgehalten hat, daß es trotz einiger
Fortschritte
auch Schwachstellen und Rückstände gibt. Deshalb wurde beschlossen, die Strate-
gie verstärkt auf Wachstum und Beschäftigung auszurichten sowie die
Politikgestal-
tung im Rahmen der
Lissabon-Strategie zu verbessern und grundsätzlich einem drei-
jährigen Zyklus zu unterwerfen.
Dieser neue Zyklus begann im heurigen Jahr im April mit der
Vorlage eines Entwurfs
der Europäischen Kommission für die integrierten Leitlinien, die aus den
Komponen-
ten „Grundzüge der Wirtschaftspolitik"
und „beschäftigungspolitische Leitlinien" be-
stehen. Nach eingehenden Beratungen wird der Rat diese integrierten Leitlinien
ge-
mäß der in Art. 99 und 128 EGV festgelegten Verfahren und auf Grundlage der
Schlußfolgerungen des Europäischen Rates, der am 16./17. Juni 2005 stattfindet,
formell annehmen.
Auf Basis der integrierten Leitlinien
sollen die Mitgliedstaaten dann in einem weiteren
Schritt unter ihrer Verantwortung sog.
„nationale Reformprogramme" erstellen, die
ihren Bedürfnissen und den jeweiligen nationalen spezifischen Gegebenheiten
ent-
sprechen. Die Erarbeitung derartiger Programme war bereits von der
Kok-Gruppe im
November 2004 vorgeschlagen und von Österreich unterstützt worden.
Die Europäische
Kommission wird ihrerseits - als Pendant zu den nationalen Re-
formprogrammen
- ein „Lissabon-Programm der Gemeinschaft" unterbreiten, das
alle nötigen
Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung auf Gemeinschaftsebene
enthält. Damit wird sichtbar, wer wofür zuständig ist und somit auch eine
klarere Zu-
teilung von Verantwortlichkeit zwischen
EU-Ebene und Mitgliedstaatenebene im
Rahmen der Lissabon-Strategie möglich.
Als Zeitraum für die Erstellung der
nationalen Reformprogramme wird vom Europä-
ischen Rat der Herbst 2005 genannt. Bei der Erstellung dieser Reformprogramme
sollen alle auf regionaler und nationaler Ebene Beteiligten, einschließlich der
Parla-
mentsgremien nach den Verfahren eines jeden Mitgliedsstaats gehört werden. In
Österreich haben wir mit dem Reformdialog „Wachstum und Arbeit" am 1. Mai
2005
den Startschuss für
die Erstellung des nationalen Reformprogramms gegeben.
Dabei gab es einen Konsens, die
Investitionen in Forschung und Entwicklung und in
die Infrastruktur deutlich zu erhöhen.
Bereits heuer haben wir eine F&E-Quote von
2,35% gemessen am BIP erarbeitet.
Durch eine Forschungsanleihe und einen
weiteren Ausbau der indirekten Forschungsförderung, vor allem für KMU,
werden bis
2010 weitere 1,3 Mrd. € zur Verfügung
stehen. Das Ziel 3% F%E-Quote wird damit
erreicht. Für den Bereich
Infrastruktur wurde vereinbart, eine weitere Offensive mit
300 Mio. € zu starten.
Zu Frage 1:
10 konkrete Punkte
wurden beim Reformdialog „Wachstum und Arbeit" am 1.5.05
anlässlich
des Starts der Erstellung des nationalen Reformprogramms vereinbart und
am 3.5.05 in einem
Ministerratsbeschluss festgehalten:
1. Infrastrukturausbau: Die
Bundesregierung hat seit dem Jahr 2000 die Mittel
für Infrastruktur auf
ein historisches Höchstmaß verstärkt. So werden im Jahre
2005
rund 3 Mrd € in die hochrangigen
Verkehrswege investiert. Als
Schwerpunkt dabei gilt die
Verbesserung der Verkehrswege nach Mittel- und
Osteuropa. Darüber hinaus setzt nun die Bundesregierung eine weitere
Offensive mit zusätzlichen 300 Mio €.
Mit diesen Mitteln sollen baureife
Projekte im hochrangigen Strassen- und
Bahnnetz vorangetrieben werden,
wobei bei der Struktur der Bauvorhaben besonderes Augenmerk darauf
gelegt
werden soll, dass vor allem die
Wettbewerbschancen von KMU berücksichtigt
werden.
Die Realisierung dieses zusätzlichen Bauvolumens erfolgt
über Aufnahme in
das Bauprogramm bzw.
in den Rahmenplan von ASFINAG und ÖBB.
2.
Forschungsoffensive: Durch die Forschungsanleihe wird bis 2010 1 Mrd €
zusätzlich für Forschung in Österreich
zur Verfügung stehen. Darüber hinaus
wird im Bereich F&E eine
Mittelstandsoffensive gestartet: Es soll künftig auch
die Auftragsforschung steuerlich
begünstigt werden. Diese Maßnahme wird
erheblich dazu beitragen, die
Forschung in den breiten Mittelstand zu bringen.
KMUs können somit in
Zukunft einen Forschungsfreibetrag oder eine
Forschungsprämie
für Auftragsforschung geltend machen (geschätztes
Volumen 300 Mio €).
3.
Verfahrensbeschleunigung: Ein neu
geschaffenes Verfahrens-
beschleunigungsgesetz
wird zur raschen Umsetzung der Investitionen (z.B.
Kraftwerksprojekte,
Ökostromprojekte etc. mit Volumen von 6,2 Milliarden
Euro) beitragen. Im Bereich der Gewerbeordnung werden der
Anwendungsbereich für
das vereinfachte Genehmigungsverfahren von 300m2
auf 800 m2 Betriebsfläche ausgedehnt und
Kriterien entwickelt, nach denen
eine anlagenrechtliche Bewilligung entfallen könnte.
4.
Breitbandoffensive: Durch
eine intensivierte Fortsetzung der bisherigen
Offensive werden vor allem ländliche Regionen Zugang zu Breitbandinternet
erhalten. Der Bund verdoppelt die
bisherige Förderung und stellt dafür
zusätzliche
10 Mio. € bereit; die Länder sollen sich in gleicher Höhe beteiligen.
5.
Ausbau Ökostrom: Verlängerung der
Frist für die verpflichtende erstmalige
Einspeisung von
Ökostrom aus bereits genehmigten Anlagen um 1,5 Jahr auf
den 31. Dezember 2007.
6.
Beschäftigungschance flexiblere Arbeitszeit: Die
Sozialpartner Österreich
werden
ihre Bemühungen um eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit auf
Kollektivvertragsebene verstärken und damit
Österreichs
Standortqualität
weiter
verbessern.
7.
Qualifikationsförderung: Qualifikation
und ständige Weiterbildung der
österreichischen Arbeitkräfte
ist das beste Mittel zur Verhinderung
von
Arbeitslosigkeit.
Das
Arbeitsmarktservice,
Schulen und außerschulische
Bildungseinrichtungen werden bedarfsgerechte Ausbildungsmodule anbieten.
Vor allem dem
Nachholen von Hauptschulabschlüssen soll besonderes
Augenmerk geschenkt werden. Ausweitung der frühen Sprachförderung durch
150 zusätzliche Pädagogen. Durch die
Ausweitung der Tagesbetreuung um
weitere 10.000 Plätze werden rd 170 Jobs geschaffen.
8.
Lehrlingsoffensive: Durch eine
Richtlinienänderung soll das AMS künftig
jene
Betriebe mit einem Bonus (mit 400€/Monat und Lehrling im 1. Lehrjahr)
fördern,
die zusätzliche Lehrstellen vor allem in innovativen Lehrberufen (z.B.
Mechatronik, Lagerlogistik, ...) anbieten.
Darüber hinaus bekräftigt die
Bundesregierung ihre Zusage jedem Jugendlichen, der keine Lehrstelle findet,
auch im Herbst einen
Lehrgangsplatz zur Verfügung zu stellen.
9.
Kampf gegen illegale
Beschäftigung und Schwarzarbeit: Der Kampf
gegen
Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit wird verstärkt. Zu diesem
Zweck
plant die Bundesregierung eine
Verstärkung der
Betrugsbekämpfungseinheiten mit ca. 200
Bediensteten. Weiters sollen die
Befugnisse der Kontrolleinheiten
erweitert und die Strafen wesentlich erhöht
werden.
10. Fortsetzung der Internationalisierungsstrategie
Die Internationalisierungsoffensive
„go international" ist ein nachhaltiger
Impuls
zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der
österreichischen
Unternehmen. Die Weiterführung der Offensive wird weitere
Betriebe zum Export motivieren und damit zur
Stärkung des österreichischen
Außenhandels beitragen.
Zu Frage 2:
Die österreichische EU-Präsidentschaft 2006 will „einen
echten Dialog zwischen den
öffentlichen und privaten Akteuren der Wissensgesellschaft" aktiv
aufgreifen und die
Voraussetzungen für einen derartigen Dialog schaffen.
Vor diesem Hintergrund ist eine Konferenz geplant, die
Anfang 2006 in Wien stattfin-
den wird, und die die Zusammenführung der
Expertise aus Politik und Praxis, aus
der Forschung und der Wirtschaft,
sowie aus dem Bildungs- und Ausbildungsbereich,
zum Gegenstand hat. Die
Konferenzstruktur soll eine Plenarsitzung sowie drei Ar-
beitssitzungen, mit folgenden Themenblöcken umfassen:
•
Der
Block "Wissensproduktion" soll die Situation und die Bedingungen auf
der
Angebotsseite für die Bereiche Forschung und
Entwicklung, Bildung und Aus-
bildung analysieren.
•
Der Block "Wissensverwertung" soll die
Absorption und Umsetzung von Wis-
sen
in den Unternehmen, im Wege von Produkt- und Prozeßinnovationen,
analysieren.
•
Der Block "Wirtschaftspolitik" soll schließlich
den Zusammenhang zwischen
Wissen
auf der einen und Wachstum und Beschäftigung auf der anderen
Seite analysieren.
Die Zusammenführung
der Expertise aus Politik und Praxis soll dazu führen, daß
Europa neue Impulse
in zwei Richtungen erhält:
•
wie
kann das vorhandene Potential besser als bisher genutzt werden und
•
durch welche konkreten Maßnahmen kann der Übergang zur
wissensba-
sierten Gesellschaft
beschleunigt werden.
Zu den Fragen 3 bis 8:
Diese Fragen betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzlers.
Zu Frage 9:
Österreich hat im
Bereich der Umsetzung von Richtlinien seit dem Jahr 2003 signi-
fikante Fortschritte erzielt. Die korrekte und fristgerechte Umsetzung von
Richtlinien
wurde zur Priorität erhoben und durch eine Reihe von legistischen und
administrati-
ven Maßnahmen ergänzt. Insbesondere wurde im Rahmen der BMG-Novelle 2003
dem Bundeskanzleramt die Zuständigkeit übertragen, auf die rechtzeitige und
voll-
ständige Umsetzung von Richtlinien hinzuwirken. Dazu wurde auch ein verantwort-
liches Gremium
(Umsetzungskommission) zur Koordination eingesetzt,
das Monitoring ausgebaut und der Informationsfluß
zwischen den verantwortlichen
Stellen durch den Einsatz elektronischer Medien verstärkt. Das noch in den
90er-
Jahren
bestehende Umsetzungsdefizit von rund 4% konnte zwischenzeitig auf
teilweise
unter 2% reduziert werden. Es besteht das Ziel, dieses Defizit mittelfristig
auf unter 1,5% weiter
zu senken.
Zu den Fragen 10 bis 27:
Diese Fragen betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzlers.
Zu Frage 28:
Die Messung der Fortschritte im Rahmen
der Lissabon-Strategie durch sogenannte
„Strukturindikatoren"
stellt von Beginn an ein zentrales Element der Strategie dar.
Diese Indikatoren
werden auf Vorschlag der Kommission vom Rat beschlossen. Die
Anzahl der im Frühjahrsbericht der Kommission verwendeten Indikatoren wuchs da-
bei jedoch im Laufe der Jahre beständig an, von ursprünglich 53 Indikatoren im
Jahr
2001 auf 107 im Jahr 2003. Zur besseren
Verständlichkeit und Lesbarkeit einigte
sich daher der Rat im Dezember 2003
auf eine Kurzliste von 14 Indikatoren, die für
den Zeitraum 2003-2006 gelten soll (bei Aufschlüsselung nach
Geschlechtern erhöht
sich die Anzahl auf 26 Indikatoren).
Gleichzeitig wurde jedoch auch vereinbart, daß parallel zu
dieser Kurzliste auch eine
Langversion der Strukturindikatorenliste
weitergeführt wird. In dieser öffentlich zu-
gänglichen Datenbank (befindet sich
auf Eurostat-Homepage) sind derzeit bereits
mehr als 125 Strukturindikatoren abrufbar.
Insgesamt ist also das vorhandene
Instrument der Strukturindikatoren durchaus ge-
eignet, auch die Erreichung der nunmehr
festgelegten zu messen und entsprechen-
de Vergleiche anzustellen.