2772/AB XXII. GP

Eingelangt am 27.05.2005
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0038-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2834/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Marianne Hagenhofer, Kolleginnen und Kollengen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Mögliche Schließung oberösterreichischer Bezirksgerichte, insbesondere im Bezirk Braunau“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 7:

Seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts waren und sind Justizminister bemüht, die Struktur der Bezirksgerichte — sie stammt im Wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert — an die heutigen Anforderungen anzupassen. Gerichte müssen, wie Betriebe und andere öffentliche Einrichtungen auch, zur Sicherung ihrer Qualität und Wirtschaftlichkeit eine Mindestgröße haben.

Durch die Bezirksgerichte-Verordnungen 2002 wurde in Niederösterreich, der Steiermark, Tirol, Salzburg und Oberösterreich mit der Zusammenlegung von Kleinstbezirksgerichten ein erster und sehr erfolgreicher Schritt in diese Richtung gesetzt; die Zusammenführungen sind völlig problemlos verlaufen, an den aufgelassenen Standorten werden für die Rechtsversorgung der Bevölkerung regelmäßig Gerichtstage abgehalten.

In Österreich bestehen derzeit 140 Bezirksgerichte, also nach wie vor wesentlich mehr als Bezirksverwaltungsbehörden. Es bestehen noch immer elf Bezirksgerichte, bei denen der Arbeitsanfall nicht einmal eine Richterkapazität mit richterlichen Rechtsprechungsagenden auslastet, bei etwa 50 Bezirksgerichten werden weniger als zwei Richterkapazitäten mit richterlichen Rechtsprechungsagenden ausgelastet. Die damit verbundenen negativen Folgen für die rechtsuchende Bevölkerung können nicht tatenlos hingenommen werden; so können etwa die Richterinnen und Richter bei Kleinstgerichten durch notwendige Doppelplanstellen nicht an allen Tagen beim jeweiligen Gericht anwesend sein. Die angesichts der Anforderungen an den Richter notwendige Spezialisierung kann nicht erreicht werden.

Fragen der Gerichtsorganisation wurden auch ausführlich im Österreich-Konvent beraten. Im Lichte dieser Beratungen werden nun die erforderlichen Planungen für eine leistungsfähige Justiz der Zukunft erstellt. Dabei leitet uns der Wunsch nach Bürgerservice, Gerechtigkeit, Qualität und Sparsamkeit.

Eine weitgehend an die Standorte der Bezirksverwaltungsbehörden angelehnte Gerichtsorganisation bietet viele Vorteile. Diese Standorte werden für die Bürgerinnen und Bürger umfassende Servicezentren. Zu diesen Orten besteht österreichweit eine gute Verkehrsinfrastruktur. Die Anfahrtswege sind jedenfalls zumutbar, zumal aus verschiedenen empirischen Erhebungen hervorging, dass die Bürgerinnen und Bürger weitaus seltener persönlich zu Gericht kommen als zu Bezirksverwaltungsbehörden; im Durchschnitt kommen die Menschen etwa ein Mal im Leben persönlich zu Gericht.

Die Standortfragen werden im Zuge der Verwaltungsreform II und mit politischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen eingehend diskutiert werden, sodass auch spezifische Gesichtspunkte Oberösterreichs erörtert werden. Die Planungen werden derzeit an betriebswirtschaftliche, bauliche, topografische und verkehrstechnische Bedürfnisse angepasst. Die konkrete Ausgestaltung der neuen Gerichtsorganisation und Zeithorizonte für die Umsetzung hängen vom Ergebnis dieser und anderer Gespräche ab. Sobald sich eine konkrete Einigung – auch über einzelne Standorte – abzeichnet, werde ich die Öffentlichkeit informieren.

Braunau am Inn und Schärding sind jeweils Sitz einer Bezirksverwaltungsbehörde. Der vom Bezirksgericht Braunau zu erledigende Arbeitsanfall lastet über 2 Richterkapazitäten aus, jener vom Bezirksgericht Schärding sogar 3,75 Richterkapazitäten. Eine Schließung dieser Bezirksgerichte ist von mir nicht geplant.

Das Bezirksgericht Mattighofen ist nicht Sitz einer Bezirksverwaltungsbehörde, jedoch nur 21 Kilometer von Braunau entfernt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn) in etwa 25 Minuten erreichbar. Dieser Standort wird daher zu diskutieren sein.

 

 

. Mai 2005

 

(Maga. Karin Miklautsch)