2836/AB XXII. GP

Eingelangt am 07.06.2005
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

JOSEF PRÖLL

Bundesminister

 

 

 

 

An den                                                                                               Zl. LE.4.2.4/0017-I 3/2005

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl.parl.Anfr.d.Abg.z.NR Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Kolleginnen und Kollegen vom 12. April 2005, Nr. 2910/J,

betreffend geplante Freisetzungsversuche für Gentech-

Marillen

 

 

 

 

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen vom 12. April 2005, Nr. 2910/J, betreffend geplante Freisetzungsversuche für Gentech-Marillen, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu den Fragen 1, 2 und 3:

 

Nach meinem derzeitigen Wissensstand wurde kein Antrag für einen Freilandversuch gemäß § 40 GTG gestellt. Für die Behandlung eines derartigen Antrages der Universität für Bodenkultur ist das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BMBWK) die zuständige Behörde. Auch der im Bundesministerium für Gesundheit und Frauen eingerichteten Geschäftsstelle der Gentechnikkommission liegen derzeit keine Informationen über einen in nächster Zeit beabsichtigten Freisetzungsversuch für gentechnisch veränderte Marillenbäume vor.

 

Für die vom BMBWK (federführend) gemeinsam mit dem BMLFUW beauftragte Gentechniksicherheitsforschung der Phase 1 wurde eine Begleitkommission der Akademie der Wissenschaften eingerichtet. Von der daher mit der wissenschaftlichen Begutachtung des Abschlussberichtes der Phase 1 befassten Begleitkommission wurde festgestellt, dass die genotypische (molekulare) und physiologische Charakterisierung der Marillenlinien der 1. Generation für einen Freisetzungsantrag nicht ausreichend ist. Von Freilandversuchen wurde sowohl für transgene Marillen als auch für transgene Zierkirschen abgeraten. Dieser wissenschaftlichen Beurteilung der Akademie der Wissenschaften schließe ich mich an. Nach den vorliegenden Daten würde das BMLFUW daher einen Freisetzungsantrag nicht unterstützen.

 

Zu Frage 4:

 

Vom BMLFUW wurden von 2000 – 2005 für das Sicherheitsforschungsprojekt „Charakterisierung transgener Obstbäume und Untersuchungen direkter und indirekter biologischer Wechselwirkungen“ dem Institut für Angewandte Mikrobiologie der Universität für Bodenkultur (O.Univ.-Prof. Dr. H. Katinger, Univ.-Prof. Dr. Margit Laimer de Camara Machado) insgesamt  € 240.256,39 (50%) zur Verfügung gestellt.

 

2006 ist keine Finanzierung durch das BMLFUW vorgesehen.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

 

Praktische Erfahrungen zeigen, dass höhere Befallsquoten auftreten, wobei bei offensichtlichen Anzeichen von Sharkasymptomen die Bäume umgehend gerodet werden.

 

Beim Forschungsprojekt „Untersuchungen über die Verbreitung des Sharka-Virus (PPV) und von Phytoplasmen bei Marille und anderen Steinobstarten im Jahre 2001 in Österreich“ wurde dieser Durchschnittswert von 0,11% bei 1747 beprobten Marillenbäumen festgestellt. In der Region 3 (Nördliches Burgenland) lag der Wert allerdings bei 0,3%. Betroffen waren die Sorten Bergeron und Ungarische Beste. Ein weiterer, etwas höherer Sharka-Virenbefall (1,72-3,7%) konnte auch bei Zwetschken, Pfirsichen und  Wildstrauchhecken (z.B. Zwetschkensämlinge, Kriechen (= Haferpflaumen)) festgestellt werden.

 

Bei den vorliegenden Ergebnissen sollten allerdings einige Voraussetzungen beachtet werden. Die Untersuchungen konzentrierten sich hauptsächlich auf Steinobsterwerbs­anlagen, deren Besitzer einerseits großes wirtschaftliches Interesse an sharkavirusfreien Obstbäumen und andererseits eine entsprechende fachliche Ausbildung zum Erkennen und der Beseitigung des Problems besitzen. Ausgespart blieb bei den Erhebungen der Bereich des Siedlungsobstbaues. Hier ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem höheren Befallsgrad an Sharka zu rechnen, wobei weniger die wirtschaftliche Seite als vielmehr die Bedeutung als Infektionsquelle für gesunde Bäume in Betracht gezogen werden muss. Vereinzelte Ergebnisse aus anderen Ländern scheinen die Gefahr aber zu bestätigen.

 

Aus den genannten Förderungen, Forschungsprojekten und Projekten der Forschungsämter bzw. -anstalten ist ersichtlich, dass ein ausgewogener Forschungsmitteleinsatz gewährleistet ist.

 

Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Gentechnik werden vom BMLFUW nur für Fragestellungen zur Risikoabschätzung und zur Koexistenz vergeben. Derartige Forschungsprojekte sind auch für alle der Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft kritisch gegenüber stehende ÖsterreicherInnen von Bedeutung.

 

Zu Frage 7:

 

Da es gegenwärtig keine Möglichkeit gibt, das Virus auf chemischem oder biologischem Weg zu bekämpfen, werden nur vorbeugende Maßnahmen wie phytosanitäre Kontrolle des Vermehrungsmaterials, Monitoring, Bekämpfung von Vektoren (z.B. Blattläuse) und letztendlich die Rodung bereits befallener Bäume gesetzt. Mit den Methoden der In-vitro-Kultur und Thermotherapie kann von befallenen Steinobstpflanzen wieder virusfreies, gesundes Material gewonnen werden. Diese nicht gentechnischen Laborverfahren sind aufwendig, langwierig und letztlich nur von begrenztem Erfolg, weil die so erhaltenen Pflanzen weiter anfällig sind und im Freiland wieder reinfiziert werden.

 

Zu Frage 8:

 

Zur Reduktion des Sharka-Virus bei Marille trug größtenteils die strenge Handhabung der Auflagen im Rahmen des Pflanzenschutzgesetzes 1995 und der Pflanzgutverordnung 1997 bei. Demnach ist Pflanzgut, das bereits beim Aufwuchs sichtbare Anzeichen eines Befalls aufweist, beim Versorger sofort und in geeigneter Weise zu behandeln oder gegebenenfalls zu entfernen. Damit konnte eine weitere epidemische Ausbreitung verhindert bzw. eine Reduktion der Verbreitung erzielt werden. Weiters wurden befallene Bäume und stark durchseuchte Anlagen von den Besitzern gerodet.

 

Ein Vergleich mit länger zurückliegenden Untersuchungen (z.B. KECK et al., 1992; RIEDLE, 1994) beweist, dass sowohl seitens der Beratung als auch der Praktiker in den letzten 1 bis 2 Jahrzehnten große Anstrengungen unternommen wurden, um das Sharka-Problem in den Griff zu bekommen.

 

Zu Frage 9:

 

In Österreich gibt es keine Marillenzüchtung im engeren Sinne des Begriffes „Züchtung“, sondern nur Vermehrungsbetriebe (Baumschulen), die Pflanzgut vermehren und an die Obstproduzenten weiter vermarkten.

 

Finanzielle Beihilfen können im Rahmen der Förderprogramme „Ländliche Entwicklung“ für Investitionsförderungen für Pflanzgutbetriebe bzw. für Auspflanzungen gewährt werden.

Es wurden aber keine speziellen Projekte für die Vermehrung von Marillen eingereicht.

 

Zu Frage 10:

 

Auch in anderen Ländern steht die Prävention (Monitoring, Auspflanzung von virusfreiem Pflanzgut, systematische Bekämpfung der Vektoren) im Vordergrund, im Falle der Erkrankung von Bäumen eine vollständige Rodung und Vernichtung des ober- und unterirdischen Obstgehölzes.

 

Aus Deutschland kann die als sharkaimmun beschriebene Aprikosensorte „Kuresia“ (Auslesezüchtung von Prof. Dr. E. Fuchs), von der GEVO, Gesellschaft für Erwerb und Vertrieb von Obstgehölz (http://www.gevo.info/bezugsquellen.php) bezogen werden. Über die Standorttauglichkeit und Qualität unter österreichischen Verhältnissen ist noch nichts bekannt.

 

In Österreich ist neuerdings die sharkaresistente/-tolerante neue Marillensorte „Orangered“ erhältlich und wird auf geringen Flächen (Tendenz steigend) angebaut.

 

Sharkatolerante Sorten zeigen entweder keine bzw. sehr undeutliche Symptome oder es werden Ertrag und Qualität bei Sharka-Befall nicht negativ beeinflusst. Letzteres war in den Untersuchungen bei den sharkapositiven Zwetschken- und Pfirsichsorten zu beobachten. Hier muss wiederum darauf hingewiesen werden, dass befallene Bäume Infektions- und damit Gefahrenquellen für gesunde Gehölze darstellen. Eine fehlende oder schwache Symptomausprägung erschwert auch das Erkennen der Krankheit. Dies erfordert somit zusätzlichen finanziellen Aufwand für entsprechende Laboruntersuchungen. Bei Import oder Abgabe in Baumschulen müsste auf die Untersuchung sharkatoleranter Sorten besonderes Augenmerk gerichtet werden.

 

Bei Auspflanzungen in Österreich wird allerdings hauptsächlich die Marillensorte „Klosterneuburger“ bzw. „Ungarische Beste“ bevorzugt, da diese den Farb- und Geschmacksvorstellungen der KonsumentInnen am Besten entspricht.

 

Projekte zu gentechnikfreien Alternativen zur Verhinderung von Obstbaumkrankheiten (einschließlich Sharka-Virus):

 

AGES (ehem. Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft):

·     Mitarbeit an BWO (Bundesamt für Wein- und Obstbau)-Projekten Steinobstbau und Stressfaktoren;

 

Höhere Bundeslehranstalt und Bundesamt für Wein- und Obstbau:

·     Physiologische Untersuchungen an Wein- und Obstkulturen unter besonderer Berücksichtigung von Stressfaktoren;

·     Steinobstbau;

·     Untersuchungen über den Einfluss unterschiedlicher Pflegeverfahren bei intensiven Erziehungsarten von Kombinationen ausgewählter Marillensorten auf bestimmten Unterlagen auf Gesundheitszustand der Bäume und Ertrags-Aufwandsrelationen

·     Sortenidentifizierung bei Obstgehölzen;

·     Qualitätsbestimmende Mikroorganismen auf Trauben und Obst;

·     Genbankpflanzen Obstbau am Bundesamt für Wein- und Obstbau.

 

 

Zu Frage 11:

 

Die Arbeiten mit transgenen Zierkirschenbäumen waren Bestandteil des vom BMBWK und BMLFUW gemeinsam beauftragten Sicherheitsforschungsprojektes „Charakterisierung transgener Obstbäume und Untersuchungen direkter und indirekter biologischer Wechselwirkungen“, für das vom BMLFUW € 240.256,39 zur Verfügung gestellt wurden. Zwecks Untersuchung der grundsätzlichen Funktionsweise wurden bei der japanischen Zierkirsche (Prunus subhirtella) zwei gut nachweisbare Markergene eingebracht. Sie erlauben, die Aktivität des Genkonstruktes in unterschiedlichen Gewebeteilen der Pflanze qualitativ und quantitativ zu vergleichen und mögliche jahreszeitliche Änderungen festzustellen. Nähere Informationen  über die transgenen Zierkirschbäume und über Ziele und Zeitraum der Versuche sind im Internet (www.boku.ac.at/Sicherheitsforschung) öffentlich zugänglich.

 

Das damalige BMLF hatte an das Institut für Angewandte Mikrobiologie der Universität für Bodenkultur den Forschungsauftrag L763/93 „Biotechnologische Methoden zur Resistenzzüchtung bei Reben“ vergeben. Eine gemeinsame Finanzierung der weinbautreibenden Bundesländer wurde angestrebt, konnte aber nach ursprünglicher Kooperationsbereitschaft nicht realisiert werden.

 

Schwerpunkt des Forschungsprojektes war in der 1. Phase (1993 - 1996):

Obwohl die Transformation verschiedener Vitis-Genotypen erst in der 2. Phase des Projektes geplant war, wurde bereits in der ersten Phase des Projektes mit der Transformation der verschiedenen embryogenen Linien begonnen. Somit standen aus der 1. Projektphase embryogene Linien in der Proliferationsphase vor dem Beginn von Keimungsversuchen zur Verfügung.

Nachdem die Mitfinanzierung der weinbautreibenden Bundesländer nicht erfolgt ist, hat das BMLFUW die 2. Phase des Forschungsprojektes nicht beauftragt. Das BMLF hat in die 1. Phase des Forschungsprojektes in den Jahren 1993 – 1996 € 138.441,75 eingebracht.

 

Zu Frage 12:

 

Das BMLFUW unterstützt keine sonstigen Forschungsprojekte, die transgene Pflanzen zum Ziel haben. Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Gentechnik werden vom BMLFUW nur für Fragestellungen zur Risikoabschätzung und zur Koexistenz vergeben.

 

 

Der Bundesminister: