2889/AB XXII. GP

Eingelangt am 17.06.2005
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

GZ. BMF-310205/0058-I/4/2005

»

 

 

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien

»Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2930/J vom 19. April 2005 der Abgeordneten Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen, betreffend mangelhafte Ausschreibung der neuen Polizeiautos durch die Bundes­beschaffungs-Gesellschaft m.b.H. (BBG), beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Die Bundesregierung hat im Jahr 2000 als eine der Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung eine umfassende Neuorganisation des Beschaffungs­wesens des Bundes beschlossen. Der Gesetzgeber legte im Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BB-GmbH-Gesetz) die Rahmenbedingungen für die Optimierung der Einkaufsbedingungen des Bundes durch ökonomisch sinnvolle Volumens- und Bedarfsbündelung fest.

 

Durch die Konzentration der Beschaffungsvorgänge konnten einerseits bessere Einkaufspreise erzielt werden, andererseits wurde den Ressorts damit auch die Möglichkeit eingeräumt, ihre Beschaffungsprozesse zu optimieren.

 

Das von der BBG im Jahr 2004 erwirtschaftete Einsparungspotenzial des Bundes beträgt rund 50 Mio. Euro. Damit wurde wieder ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Verwaltungsreform geleistet. Jeder in der Ver­waltung eingesparte Euro kommt dabei dem Steuerzahler und letztlich wieder der Wirtschaft, insbesondere auch den KMUs, zugute.

 

Die Erschließung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb ist als tragender Grundsatz des EU-Vergaberechts anzusehen. Zentrale Beschaffungsmethoden tragen gemäß EU-Richtlinie 2004/18/EG zur Ver­besserung des Wettbewerbs und damit zur Rationalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens bei.

 

Selbstverständlich ist es mir ein wichtiges Anliegen, dass die BBG im Zuge ihrer Tätigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich des äußerst komplexen Vergaberegimes ein besonderes Augenmerk auf die Recht­mäßigkeit des Beschaffungsvorganges legt. Allerdings sollte dabei auch beachtet werden, dass ein wesentliches Moment eines jeden Beschaffungsvorganges die konkrete Anforderung der jeweils einen speziellen Bedarf aufzeigenden Stelle darstellt. Im gegenständlichen Fall liegt diese Kompetenz nach § 2 Bundesministeriengesetz 1986 (Anlage F Z 1 der Anlage zu § 2) beim Bundesministerium für Inneres.

 

Nun zu den konkreten Fragen:

 

Zu 1. bis 3.:

Wie mir von der Geschäftsführung der BBG mitgeteilt wurde, hat ein Bewerber zu der in der gegenständlichen Anfrage angesprochenen
Ausschreibung einen Nachprüfungsantrag gegen die beabsichtigte Zu­schlagserteilung beim Bundesvergabeamt gestellt. Diesem Antrag wurde stattgegeben. Daher wurde die Ausschreibung widerrufen und der Bedarf neu ausgeschrieben.

 

Die vorgebrachten Beschwerden und die Entscheidung des BVA samt Begründung können im Einzelnen dem Bescheid des Bundesvergabeamtes, den ich in der Anlage beifüge, entnommen werden. Der Bescheid des BVA ist im Übrigen auch auf der Website des BVA (www.bva.gv.at) abrufbar.

 

Zu 4.:

Nein. Wie mir seitens der BBG bestätigt wurde, war VW in keiner Weise bei der Erstellung der Ausschreibungskriterien einbezogen. In diesem Zu­sammenhang ist auch festzustellen, dass das BVA keine Bevorzugung eines bestimmten Herstellers gesehen hat.

 

Zu 5.:

Die Präsentation war durch das Bundesministerium für Inneres organisiert. Weder mein Ministerium, noch die BBG hatte darauf einen Einfluss.

 

Zu 6.:

Laut Mitteilung der BBG wurde vom Bundesministerium für Inneres ursprünglich eine Mindest-Bauartgeschwindigkeit von 175 km/h vorge­geben. Im Zuge der Marktrecherche wurde von der BBG festgestellt, dass mehrere Marken (Citroen, Lancia, Fiat, Peugeot) bei in Frage kommenden Fahrzeugmodellen eine Bauartgeschwindigkeit von 174 km/h aufweisen. Um auch diese in den Wettbewerb zu integrieren, wurde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Inneres die geforderte Mindest-Bauartge­schwindigkeit von 175 km/h auf 174 km/h reduziert. Dabei wurde neben
der Intention, einen möglichst breiten Wettbewerb zu ermöglichen, selbstverständlich Wert darauf gelegt, dass die Bauartgeschwindigkeit von 174 km/h vom Bundesministerium für Inneres als für den exekutiv­spezifischen Einsatzzweck etwa im Hinblick auf die häufigen Fahrten im Hochgeschwindigkeitsbereich als gerade noch ausreichend erachtet werden konnte. Die BBG versichert mir dazu, dass es allen potenziellen Anbietern möglich war, die in den einzelnen Kategorien geforderte Mindest-Bauart­geschwindigkeit zu erfüllen.

 

Zu 7.:

Gemäß den Darlegungen der BBG wurde das benötigte Kofferraumvolumen für die Kategorie "Van" vom Bundesministerium für Inneres ursprünglich mit 800 Litern festgelegt. Im Rahmen der Marktrecherche stellte die BBG dazu fest, dass der von Renault produzierte Van (Grand Espace) lediglich ein Kofferraumvolumen von 780 Litern aufweist. Um Renault die Teilnahme auch in dieser Kategorie zu ermöglichen, wurde - nachdem vom Bundes­ministerium für Inneres eruiert wurde, dass auch 780 Liter als absolute Untergrenze tolerierbar sind - das geforderte Kofferraumvolumen von BBG und Bundesministerium für Inneres einvernehmlich von 800 Liter auf 780 Liter reduziert.

 

Begründet wurde das geforderte Kofferraumvolumen seitens des Bundes­ministeriums für Inneres damit, dass diese Fahrzeuge mit entsprechender exekutivdienstspezifischer Ausrüstung eben dieses Laderaumes bedürfen.

 

Die BBG versicherte mir dazu, dass es allen potenziellen Anbietern mit einem Fahrzeugangebot in dieser Fahrzeugkategorie möglich war, das ge­forderte Kofferraumvolumen zu erfüllen.

 


Zu 8.:

Hiezu teilte mir die Geschäftsführung der BBG folgendes mit:

 

„Die geforderten Hubraumspezifikationen (die für jeden potenziellen Anbieter erfüllbar waren) stellten auf maximal erzielbare Restwerte ab und wurden daher aus Gründen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit festgelegt. Gemäß Eurotax (breitester und detaillierter Marktüberblick für gebrauchte Kraft­fahrzeuge) ist ein Bewertungssystem mit Abschlägen für kleinere Hubräume normiert. Dies deshalb, da lt. Eurotax kleinere Hubräume geringere Norm-Kilometerleistungen zuerkannt werden. Da aber gerade im Exekutivdienst sehr hohe Kilometerleistungen erbracht werden, sah sich der Auftraggeber gezwungen, entsprechende Hubraumgrenzen festzulegen. Es war allen potenziellen Anbietern möglich, diese Forderungen zu erfüllen.

 

Die Festlegung des Tankinhaltes erfolgte sowohl zur Abgrenzung der Fahr­zeugsegmente als auch im Hinblick auf  möglichst hohe Reichweiten ohne Tankstopps. Diese Forderung wurde von keinem Bewerber moniert. Es war allen potenziellen Anbietern möglich, diese Forderung zu erfüllen.

 

Die Festlegung der Kraftstoffart erfolgte als Systementscheidung durch das BMI. Diese Forderung wurde von keinem Bewerber moniert. Es war allen potenziellen Anbietern möglich, diese Forderung zu erfüllen.“

 

Zu 9.:

Laut Auskunft der BBG wurden folgende Mindestaußenlängen vorgegeben:

 

Für die Kategorien 1, 2 und 5:                   4.350 mm

Für die Kategorien 3 und 4:                       4.300 mm

Für die Kategorien 6 und 7:                       4.170 mm


Für die Kategorie 8:                                     4.600 mm

Für die Kategorie 9:                                      4.200 mm

Für die Kategorien 10, 11 und 12:                   4.460 mm

 

Die Festlegung der Mindestaußenlängen erfolgte zur Wahrung der Fahrzeugklassen-Konsistenz. Nur so konnte sich der Auftraggeber sicher sein, dass in einer Kategorie auch tatsächlich vergleichbare Fahrzeuge (derselben Fahrzeugklasse) angeboten werden. Diese Forderung wurde von keinem Bewerber moniert. Es war allen potenziellen Anbietern möglich, die vorgegebenen Mindestaußenlängen zu erfüllen.

 

Zu 10.:

Die BBG teilte mir dazu Folgendes mit:

 

„Folgende weitere Fahrzeugkriterien wurden – entsprechend den Anfor­derungen des BMI basierend auf den exekutivdienstspezifischen Einsatzerfordernissen - vorgegeben:

Fahrzeugart, Leistung, Anzahl der Türen, Anzahl der Sitzplätze, Antriebsart, Getriebe, Laderaumlänge, höchste zulässige Belastung und Farbe bzw. für die Fahrzeugkategorie Geländewagen darüber hinaus Geländeuntersetzung, Differentialsperre, Böschungswinkel, Bodenfreiheit und Wattiefe. Weiters erfolgten noch Festlegungen hinsichtlich der Ausstattung wie z.B. Anti­blockiersystem (ABS), elektronisches Fahrdynamikregelungssystem (z.B. ESP), Dachreling, Klimaanlage, Autoradio und Nebelscheinwerfer.“

 

Zu 11. und 12.:

Die Aussage betreffend Image-Schaden für die Polizei entstammt laut Mitteilung der Geschäftsführung der BBG einem Schriftsatz der BBG an das Bundesvergabeamt, in dem dargelegt wurde, dass der Auftraggeber jedes Kriterium überlegt hat. Damit wollte die BBG im Wesentlichen Folgendes zum Ausdruck bringen:

 

Die Fahrzeugmaße dienen der Abgrenzung der Fahrzeugsegmente. Eine Unterschreitung dieser Angaben hätte unter Umständen dazu geführt, dass zum Beispiel in einer der unteren Mittelklasse zugedachten Kategorie (Streifenwagen) ein Fahrzeug der Kleinwagenklasse zuzuschlagen gewesen wäre. Das bei weitem am häufigsten anzutreffende Fahrzeugsegment in Österreich ist jenes der unteren Mittelklasse (ca. 30%). Wenn ein Streifen­wagen vom Erscheinungsbild her unterhalb des in Österreich am häufigsten anzutreffenden Fahrzeugsegmentes anzusiedeln ist und zum Beispiel auf­grund nicht ausreichender Leistungsdaten nicht in Lage ist, die Anhaltung von Fahrzeugen aus dem in Österreich am häufigsten anzutreffenden Fahr­zeugsegment zu veranlassen, wird dadurch die Präventivwirkung beschädigt und könnte nach Meinung der BBG daraus ein Imageschaden abgeleitet werden.

 

Des Weiteren teilte die BBG mit, dass die Ausschreibungsbedingungen beziehungsweise das Leistungsverzeichnis betreffend Fahrzeuglänge nicht bekämpft wurden. Es wurde von keinem Bewerber - auch nicht vom Antrag­steller - behauptet, dass die geforderten Fahrzeuglängen in irgendeiner Art diskriminierend seien.

 

Zu 13.:

Wie mir die Geschäftsführung der BBG mitteilte, wurden die die Fahrzeug­maße betreffenden Spezifikationen entsprechend den marktüblichen Segmenteinteilungen und nach ausgiebiger Marktanalyse durch erfahrene sach- und fachkundige Mitarbeiter des Bundesministeriums für Inneres und der BBG erhoben und festgelegt. Das Ergebnis waren verschiedene Mindest­fahrzeuglängen für verschiedene zu erwartende Einsatzbedingungen. Dieses Ergebnis wurde von allen Bewerbern akzeptiert.

 


Zu 14. und 15.:

Zu diesen Fragestellungen ist zu bemerken, dass diese wohl keine Ange­legenheiten der Vollziehung des Bundes ansprechen. Sie sind somit von dem in § 90 Geschäftsordnungsgesetz 1975 determinierten Fragerecht nicht erfasst.

 

Zu 16.:

Wie mir die BBG mitteilte, wurden zweiradbetriebene und allradbetriebene Fahrzeuge nunmehr entsprechend der Empfehlung des Bundesvergabeamtes getrennt ausgeschrieben. Die Zuschlagserteilungen erfolgen nach den Ange­botseröffnungen am 7. Juni 2005 und am 10. Juni 2005 voraussichtlich bis 15. Juli 2005.

 

Folgende Ausschreibungskriterien wurden geändert:

 

Sämtliche Änderungen sind im Wortlaut des zu den Fragen 1 bis 3 erwähn­ten BVA-Bescheides GZ 01N-128/04-20 begründet.

 

 

Zu 17.:

Hier darf ich darauf hinweisen, dass ein wesentliches Moment eines jeden Beschaffungsvorganges die konkrete Anforderung der jeweils einen speziellen Bedarf aufzeigenden Stelle darstellt. Im gegenständlichen Fall liegt die Kompetenz nach § 2 Bundesministeriengesetz 1986 (Anlage F Z 1 der Anlage zu § 2) beim Bundesministerium für Inneres. Sowohl Stückzahl, als auch Zeitraum wurden dabei vom Bundesministerium für Inneres entsprechend den dortigen Rahmenbedingungen festgelegt.

 

Zu 18. und 19.:

Mit einer Auslieferung der Fahrzeuge wird laut Mitteilung der BBG ab der KW 44/05, somit Ende Oktober 2005, gerechnet.

 

In der ersten - widerrufenen - Ausschreibung war die Lieferung der Fahr­zeuge ab Ende Juni 2005 vorgesehen. Durch die Neuausschreibung werden die Fahrzeuge somit etwa 4 Monate nach dem ursprünglich frühest möglichen Liefertermin ausgeliefert werden.

 

Allerdings weist die BBG in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin: Das BVA stellt in ständiger Rechtsprechung immer wieder fest, dass der Auftraggeber bei seiner Zeitplanung mit Nachprüfungsverfahren rechnen muss. Die BBG geht daher davon aus, dass das Bundesministerium für Inneres bei seiner Zeitplanung Verfahrensbeeinträchtigungen durch Nachprüfungsverfahren mit eingeplant hat. Es kann auf Grund der Tatsache, dass neu ausgeschrieben werden muss, zwar der ursprünglich erhoffte frühest mögliche Termin nicht eingehalten werden, dies stellt aus Sicht der BBG jedoch keine verspätete Lieferung dar. Dementsprechend versicherte mir die BBG, dass es hier keinen Schaden gibt, zumal die Polizei mit dem derzeitigen Fuhrpark ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen kann.

 

Zu 20.:

Laut Mitteilung der BBG stammt die Argumentation aus einer Stellung­nahme der BBG an das Bundesvergabeamt zur Abwehr der von einem Bewerber beantragten einstweiligen Verfügung. Es entspricht dem Auftrag der BBG, Vergabeverfahren durchzuführen und soweit als möglich Verzögerungen von Beschaffungsvorgängen zu vermeiden. In diesem Zu­sammenhang hat die BBG auch mit einer möglichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit argumentiert. Das BVA ist der Argumentation der BBG nicht gefolgt und hat die allfällige Gefährdung als nicht schwerwiegend eingestuft. Der Bescheid über die Erlassung der einstweiligen Verfügung ist rechtskräftig. Die BBG sieht keine Veranlassung, den Inhalt dieses Be­scheides und die dem Bescheid zu Grunde liegenden Erwägungen im Nachhinein anzuzweifeln. Die Einsatzbereitschaft und die öffentliche Sicherheit sind durch die durch das Nachprüfungsverfahren verursachte Verzögerung nicht gefährdet.

 

Der gegenständliche Bescheid ist auf der Website des BVA unter http://www.bva.gv.at/NR/rdonlyres/AD868712-FD5A-4261-AD84-D2DE55F67D09/16661/01N128046EVLi.pdf abrufbar.

 

Zu 21 bis 23:

Da sich der in der Anfrage zitierte Vorwurf in der Tageszeitung „Die Presse“ gegen die BBG richtet, überlasse ich es der Geschäftsführung der BBG, entsprechende Schritte zu unternehmen. In dieser Angelegenheit gab es daher auch keine Kommunikation zwischen meinem Ressort und dem Bundesministerium für Inneres.

 

Wie mir die BBG mitgeteilt hat, hat die Gesellschaft in diesem Zu­sammenhang, vertreten durch ihre beiden Geschäftführer Mag. Andreas Nemec und Dipl. Ing. Michael Ramprecht, Entschädigungsanträge gemäß
§§ 6 ff Mediengesetz gegen die Zeitschrift "Die Presse" beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingebracht. Inkriminiert wird dabei die Behauptung, die Bundesbeschaffung GmbH, somit die beiden Antragsteller, hätten eine „dilettantisch kriminelle Ausschreibung“ zu verantworten. Diese Behauptung verwirklicht aus Sicht der BBG den Tatbestand der üblen Nachrede gemäß § 111 Abs. 1 und 2 StGB. Darüber hinaus berichtet die BBG, es hätte von Seiten der Geschäftsführung der BBG diesbezügliche Informationen an das Bundesministerium für Inneres gegeben.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfragebeantwortung gescannt) zur Verfügung.