2951/AB XXII. GP

Eingelangt am 06.07.2005
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0050-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

 

                                                                                                                           W i e n

zur Zahl 3055/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen,  haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die behördliche Verfolgung nichtkonzessionierter Glücksspielangebote in Österreich“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Die dieser Beantwortung zu Grunde liegenden Berichte der staatsanwaltschaftlichen Behörden beruhen auf vom Bundesrechenzentrum zur Verfügung gestellten Registerdaten. Die - für einige Antworten erforderliche - manuelle Durchsicht sämtlicher Register und Verfahrensakten hätte einen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand ausgelöst, weshalb ich um Verständnis ersuche, dass davon Abstand genommen wurde. Es konnte daher nicht in allen wegen § 168 StGB angezeigten Fällen geklärt werden, ob sich der Sachverhalt auf Kartencasinos und/oder Internetcasinos bezogen hat. Außerdem sind Mehrfachzählungen von Anzeigen auf Grund von Verfahrensabtretungen bzw. -rückabtretungen zwischen den Anklagebehörden nicht auszuschließen.

 

Zu 1:

StA Wien

1

StA St. Pölten

2

StA Korneuburg

0

StA Krems/Donau

0

StA Wr. Neustadt

2

StA Eisenstadt

0

StA Graz

1

StA Klagenfurt

1

StA Leoben

0

StA Linz

2

StA Salzburg

1

StA Steyr

0

StA Wels

4

StA Ried/Innkreis

0

StA Innsbruck

2

StA Feldkirch

3

 

Zu 2:

Staatsanwaltschaft

2000

2001

2002

2003

2004

Wien

2

1

5

4

0

St. Pölten

1

0

0

1

0

Korneuburg

0

0

0

1

0

Krems/Donau

0

1

0

1

0

Wr. Neustadt

0

1

1

0

0

Eisenstadt

0

0

0

0

0

Graz

0

0

0

2

2

Klagenfurt

1

2

1

1

2

Leoben

0

1

0

1

1

Linz

1

2

2

6

4

Salzburg

0

2

3

2

5

Steyr

1

0

0

0

0

Wels

1

0

2

0

0

Ried/Innkreis

0

0

0

0

0

Innsbruck

0

6

9

12

6

Feldkirch*

2

10

8

7

3

* Anmerkung: keine Differenzierung nach Kartencasinos und/oder Internetcasinos

 

Zu 3:

Da die meisten Anzeigen unmittelbar von den jeweils örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden (Bundespolizeidirektion, Sicherheitsdirektion, Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos, Gendarmerieposten) bzw. von Dienststellen der Finanzverwaltung erstattet wurden, war der Sachverhalt im Regelfall bereits so weit aufbereitet, dass weitere Erhebungen für eine abschließende strafrechtliche Beurteilung nicht erforderlich waren. Sofern weitere Ermittlungen durchgeführt wurden, dauerten diese zwischen einem und elf Monaten, wobei aber in einzelnen Verfahren die Untersuchungen bislang noch nicht abgeschlossen sind. Grundsätzlich wurde allen Anzeigen nachgegangen. Lediglich in einem Fall einer anonymen Anzeige war der behauptete Sachverhalt derart vage, dass daraus keine Anhaltspunkte für weitere Erhebungen abgeleitet werden konnten. 

 

Ich ersuche um Verständnis, dass ich mich zur Dauer von Ermittlungen durch Organisationseinheiten des Bundesministeriums für Inneres oder der Finanzverwaltung vor Anzeigeerstattung an eine Anklagebehörde mangels gesetzlicher Zuständigkeit nicht äußern kann.

 

Zu 4 und 5:

Eine "Einstellung" einer Anzeige ist in der StPO nicht vorgesehen. Auf Grund der Formulierung der Anfrage zu Punkt 4. und des sachnahen Zusammenhanges mit Frage 5. haben einige Staatsanwaltschaften in ihren Berichten nicht zwischen der Abgabe von Einstellungserklärungen nach Durchführung von weiteren Erhebungen und der unmittelbaren Zurücklegung von Anzeigen unterschieden, sodass beide Fragen nur gemeinsam beantwortet werden können.

 

Insgesamt wurden 55 Strafverfahren gemäß § 90 Abs. 1 StPO ohne Strafantrag beendet, entweder wegen mangelnder Tatbestandsmäßigkeit der geprüften Sachverhalte - wobei in einzelnen Fällen auch Sachverständigengutachten eingeholt worden waren - oder aus Beweisgründen und wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit.

 

Zu 6:

Sieben Strafverfahren wurden diversionell erledigt.

 

Zu 7:

Zweckmäßigerweise wird nicht auf die Zahl der Anzeigen, sondern nur auf die der angezeigten Personen abgestellt. Danach ergibt sich folgendes Bild:

 

Jahr 2000: BG Feldkirch (eine Person)

Jahr 2001: BG Amstetten (zwei Personen), BG Feldkirch (drei Personen), BG Bezau                               (eine Person), BG Innsbruck (eine Person);

Jahr 2002: BG Wr. Neustadt, BG Steyr (eine Person), BG Bezau (zwei Personen), BG Bregenz (eine Person), BG Innsbruck (eine Person)

Jahr 2003: BG Amstetten (zwei Personen), BG Wr. Neustadt (zwei Personen sowie ein weiterer Fall), BG Bregenz (zwei Personen), BG Innsbruck (drei Personen), BG Telfs (eine Person), BG Landeck (eine Person), BG St. Johann (eine Anzeige); im Sprengel des LG Linz (eine Anzeige);

Jahr 2004: BG St. Pölten (zehn Personen), BG Scheibbs (eine Person), BG Graz (zwei Personen), BG Schladming (die Anzahl der Personen wurde nicht berichtet), BG Feldkirch (die Anzahl der Personen wurde nicht berichtet)

 

Infolge Zusammentreffens mit in die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz fallenden Delikten fand im Jahr 2003 eine Hauptverhandlung gegen zwei Personen u.a. wegen § 168 StGB vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz statt und im Jahr 2004 gegen eine Person vor dem Landesgericht Leoben.

 

Zu 8:

22 Strafverfahren endeten mit Schuldsprüchen, wobei grundsätzlich Geldstrafen verhängt wurden. Nur in einzelnen Fällen eines Zusammentreffens auch mit anderen Delikten wurden von den Gerichten Freiheitsstrafen verhängt. Acht Verfahren endeten mit einem Freispruch (teils aus Beweisgründen, teils verneinte das Gericht die Tatbestandsmäßigkeit).

 

Zu 9:

Gegen die Verantwortlichen der Firma "betandwin.com Interactive Entertainment AG" wurden auf Grund mehrerer Anzeigen sicherheitsbehördliche Erhebungen geführt. Diese erbrachten keine Hinweise, die eine für eine Strafverfolgung erforderliche inländische Gerichtsbarkeit begründet hätten.

 

Zu 10 und 11:

Zum in der Anfrage behaupteten „Nichtvollzug“ bestehender Gesetze wäre einleitend anzumerken, dass sich eine solche Wendung weder auf der Homepage (www.ass.or.at) des in der Anfrage angeführten Vereins „Anonyme Spieler Salzburg (ASS)“ noch im in der Anfrage angeführten Aufsatz von Univ.-Prof. DDr. Burgstaller (RZ 2004, 214) findet. Ob also tatsächlich von genannter – oder anderer – Seite der Vorwurf des „Nichtvollzugs“ erhoben wurde, ist nicht nachvollziehbar.

Gleiches gilt für den Vorwurf selbst. Zuletzt wurden im Jahr 1999 45, im Jahr 2000 18, im Jahr 2001  45, im Jahr 2002  26 und  im Jahr 2003   31 Personen (auch) nach
 § 168 StGB („Glücksspiel“) verurteilt. Angesichts dieser Zahlen ist der in der Anfrage erwähnte Vorwurf des „Nichtvollzugs“ des § 168 StGB zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wäre anzumerken, dass in den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Justiz von den in der Anfrage genannten Bestimmungen lediglich jene des § 168 StGB fällt. Insbesondere besteht keine Zuständigkeit hinsichtlich des Vollzugs des (in diesem Zusammenhang zentralen) Glücksspielgesetzes (GSpG; vgl. § 60 GSpG), weshalb zur Vollziehung dieses Gesetzes mangels Zuständigkeit auch nicht Stellung genommen werden kann.

Zu 12:

Wie in der Antwort zu den Fragen 10 und 11 ausgeführt, fällt das GSpG nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz. Mangels Zuständigkeit sind daher vom Bundesministerium für Justiz in diesem Bereich keine Maßnahmen zu ergreifen. Aus demselben Grund kann auch nicht zur Behauptung der „Umgehung der einschlägigen Vorschriften des Glücksspielgesetzes“ Stellung genommen werden.

Hinsichtlich § 168 StGB wäre auszuführen, dass Verhaltensweisen, die diesen Tatbestand erfüllen, eben dadurch verboten sind. Nur wenn für ein bestimmtes Glücksspiel eine verwaltungsrechtliche Erlaubnis besteht, sind an sich dem § 168 StGB subsumierbare Verhaltensweisen ausnahmsweise nicht rechtswidrig und damit nicht strafbar (vgl. Burgstaller, RZ 2004, 215). Aus der dargestellten Verwaltungsakzessorietät dieser Bestimmung ergibt sich aber, dass aus Sicht des Strafrechts ein umfassender Schutz vor Glücksspiel besteht. Die konkrete Ausgestaltung dieses Schutzes  liegt  in der Hand des (Bundes- oder Landes-) Verwaltungsmateriengesetzgebers, der insbesondere auch die Grenze zwischen legalem und illegalem Glücksspiel zieht.

Eine „Umgehung der einschlägigen Vorschriften ... des StGB“ kann unter anderem aufgrund der in der Antwort zu 10 und 11 enthaltenen Ausführungen nicht nachvollzogen werden.

Zu 13:

Nein. Insbesondere im Lichte der Ausführungen zu den Fragen 1 bis 9 besteht keine Veranlassung zur Erteilung von Weisungen.

Zu 14:

Selbstverständlich wird die weitere Entwicklung beobachtet werden. Derzeit ist der Strafrahmen des § 168 StGB jedoch als ausreichend zu beurteilen, zumal die Höhe der Strafdrohung erfahrungsgemäß nur von untergeordneter Bedeutung für die generalpräventive Wirksamkeit einer Bestimmung ist.

 

 

. Juli 2005

 

(Maga. Karin Miklautsch)