2975/AB XXII. GP
Eingelangt am 11.07.2005
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BM für Soziale Sicherheit, Generationen und
Konsumentenschutz
Anfragebeantwortung
Herrn
Präsidenten des Nationalrates
«Straße» «ON»
«Postleitzahl» «Ort»
«Land» 5-
fach
GZ: BMSG-20001/0038-II/2005 |
Wien, |
Betreff: Parlament
Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier u.a.
betreffend Invaliditätspensionen nach § 255 Abs. 7 ASVG, Nr. 3052/J.
Sehr
geehrter Herr Präsident!
Ich
beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage
Nr. 3052/J
der Abgeordneten Mag. Johann Maier u.a. betreffend Invaliditätspensionen nach §
255 Abs. 7 ASVG wie folgt:
Mit dem
zweiten Sozialversicherungsänderungsgesetz 2003 ( 2. SVÄG 2003), BGBl 2003/145
wurde dem § 255 folgender Absatz 7 angefügt:
„Als invalid
im Sinne der Absätze 1 bis 4 gilt der (die) Versicherte auch dann, wenn er
(sie) bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung
begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderer Gebrechen oder
Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande war,
einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, dennoch aber mindestens 120
Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach diesem oder einem anderen
Bundesgesetz erworben hat.“
Da die
Fragesteller in ihrer Anfrage vorbrachten, dass ihnen Fälle bekannt geworden
sind, wo Landesstellen der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) trotz
einwandfreiem Vorliegen der Voraussetzungen nach § 255 Abs. 7 ASVG Anträge auf
Invaliditätspension bescheidmäßig zu Unrecht ablehnten (mittels
Standardbescheid) und auch im gerichtlichen Verfahren auf diesem Standpunkt
weiterhin verharrten, wurde die gegenständliche Anfrage der PVA mit dem
Ersuchen um diesbezügliche Stellungnahme weitergeleitet.
Die PVA hat diesbezüglich folgendes mitgeteilt:
“Die
Bestimmung des 255 Abs. 1 ASVG verlangt, dass die Arbeitsfähigkeit auf weniger
als die Hälfte eines Gesunden von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist.
Die
Bestimmung des § 255 Abs. 3 ASVG legt fest, dass bei ausgeübten Tätigkeiten in
nicht erlernten (angelernten) Berufen, nicht mehr die Hälfte des dafür üblichen
Entgeltes durch irgendeine Tätigkeit erworben werden kann.
Die
Bestimmung des § 255 Abs. 4 ASVG normiert, dass Invalidität ab dem 57.
Lebensjahr besteht, wenn die in den letzten 15 Jahren mindestens 10 Jahre
ausgeübte Tätigkeit nicht mehr geleistet werden kann.
Die
Bestimmungen des § 255 Abs. 1 – 4 ASVG normieren also, dass Invalidität nur
dann gegeben ist, wenn sich die Arbeitsfähigkeit gemindert hat.
Die
Verwendung der Wortfolge „im Sinne der Absätze 1 bis 4“ bedeutet nach
Rechtsmeinung der gefertigten Anstalt, dass sich daraus der Invaliditätsbegriff
des Absatzes 7 ableitet. Dies ergibt sich auch aus den Erläuterungen zu § 255
Abs. 7 ASVG. Danach soll der Anspruch auf Invaliditätspension nur entstehen,
wenn wegen einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes die
Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann.
Wäre mit
der Schaffung der Bestimmung des § 255 Abs. 7 ASVG tatsächlich beabsichtigt
worden, dass die Invaliditätspension nach einer Tätigkeitsdauer von 10 Jahren
jedenfalls gebührt, hätte die Bestimmung des § 86 Abs. 3 Z. 2 ASVG geändert
werden müssen. Für den Anfall der Pension ist es erforderlich, dass die
Tätigkeit, aufgrund welcher der (die) Versicherte als invalid gilt, beendet
wird. Nur bei Bezug von Pflegegeld ab Stufe 3 ist die Beendigung der
Beschäftigung nicht erforderlich.
Würde die
Bestimmung des § 255 Abs. 7 ASVG als originärer und nicht als abgeleiteter
Invaliditätsbegriff interpretiert, könnte dies nur als Anreiz zur sofortigen
Inanspruchnahme der Pensionsleistung verstanden werden.“
Zuzufügen
sind den oben dargestellten Ausführungen der PVA daher die zum 2. SVÄG 2003
ergangenen Erläuterungen zu § 255 Abs. 7 ASVG:
„Der Eintritt des Versicherungsfalles der
Invalidität/Berufsunfähigkeit setzt eine Änderung, nämlich eine
Verschlechterung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit des (der)
Versicherten im Laufe seines (ihres) Erwerbslebens voraus, also seit dem
Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts in die Pflichtversicherung. Die Arbeitsfähigkeit
des Versicherten muss auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich
und geistig Gesunden von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen
und Fähigkeiten herabgesunken sein.
Die Judikatur geht auf Grund des Wortlautes
des § 255 Abs. 3 ASVG davon aus, dass ein bereits vor Beginn der
Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis
eingebrachter, im Wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger
Zustand den Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht bedingen
kann.
Wenn eine bereits in das Erwerbsleben
eingebrachte Behinderung besteht, ist der Versicherungsfall der geminderten
Arbeitsfähigkeit nur dann gegeben, wenn sich außerhalb dieser eingebrachten
Behinderung eine Änderung ergeben hat, die zu einem Herabsinken der
Arbeitsfähigkeit geführt hat.
Die Volksanwaltschaft hat - ausgehend von
einem konkreten Beschwerdefall - in diesem Zusammenhang vorgebracht, dass diese
Rechtslage nicht verständlich erscheint, wenn eine Person viele Jahre hindurch
trotz gerichtlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit aktiv dem Arbeitsmarkt und
damit der Versichertengemeinschaft angehört und Versicherungszeiten erworben
hat.
So kommt es etwa vor, dass zwar eine (zB
genetisch bedingte) Grunderkrankung schon bei Eintritt in den Arbeitsmarkt
gegeben ist, später jedoch noch Sekundärfolgen dieser Krankheit eintreten, die
weitere Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des (der) Versicherten zur Folge
haben.
Laut Volksanwaltschaft ist es für
behinderte Menschen kaum verständlich, dass eine eingetretene Verschlechterung
des Gesundheitszustandes, die es ihnen endgültig unmöglich macht, einer Arbeit
nachzugehen, deshalb unbeachtlich sein soll, weil sie ja bereits bei Beginn
ihrer Erwerbstätigkeit bzw. während der gesamten Dauer derselben als arbeitsunfähig
galten.
Durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung
soll - der Anregung der Volksanwaltschaft folgend - nunmehr auch
Menschen, die bei Eintritt in die Erwerbstätigkeit auf Grund ihrer starken
gesundheitlichen Einschränkungen "arbeitsunfähig" waren, dennoch über
lange Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind und im Fall einer weiteren
Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zum Ausscheiden aus ihrer Tätigkeit
gezwungen sind, ermöglicht werden, einen Anspruch auf Leistungen aus einem
Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zu
erwerben. Voraussetzung hiefür soll sein, dass diese Personen zehn
Beitragsjahre der Pflichtversicherung erworben haben.
Diese Maßnahme stellt auch einen Anreiz für
Behinderte dar, sich in den regulären Arbeitsmarkt aktiv zu integrieren und auf
diese Weise einen Anspruch auf eine Pension aus einem Versicherungsfall der
geminderten Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) zu erwerben.“
Zu den Fragen 1 bis 5 wurde
seitens der Pensionsversicherungsanstalt mitgeteilt, dass die PVA keine
gesonderten Aufzeichnungen für die Bestimmung des § 255 Abs. 7 ASVG vorgenommen
hat und daher auch keine Zahlen genannt werden können.
Die Pensionsversicherungsanstalt hat
im Jahr 2004 69.937 Invaliditäts- (Berufsunfähigkeits-) anträge erledigt.
Eine händische Ermittlung der Anzahl
der Fälle des § 255 Abs. 7 ASVG ist nach Angaben der PVA daher nicht mehr
möglich.
Eine kurzfristig vorgenommene
händische Sichtung habe aber ergeben, dass mindestens 13 Gewährungen und 34
Ablehnungen durchgeführt worden sind.
Weiters wurde ausgeführt, dass in 12
Fällen Klage gegen den Ablehnungsbescheid eingebracht worden ist, in 3 Fällen
der Anspruch auf Invaliditätspension anerkannt und in einem Fall die Klage
abgewiesen wurde.
8 Fälle sind nach Angaben der PVA
noch nicht abgeschlossen.
Zu Frage 6 wurde seitens der PVA
bekannt gegeben, dass die Anstalt bisher einmal Berufung erhoben hat. Der
Berufung wurde nicht Folge gegeben.
Ausgeführt wurde, dass das
Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 11. 5. 2005 festgestellt hat, dass vom
Erstgericht der Anspruch auf Invaliditätspension gemäß § 255 Abs. 7 ASVG zu
Recht anerkannt worden ist. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die
Verschlechterung des Gesundheitszustandes in Gesetzestext nicht enthalten ist
und daher keine Voraussetzung für diese Pensionsleistung ist.
Es müsse allerdings angemerkt
werden, dass in diesem Fall bereits im Jahr 2002 ein Verfahren mit der
Ablehnung des Antrages geführt worden ist.
Die PVA teilte weiters mit, dass aus
den noch laufenden Klagsverfahren
der Anstalt bekannt sei, dass das LG Wels ebenfalls die vom OLG Linz
vertretene Rechtsansicht vertrete und vermutlich auch in diesem Sinne
entscheiden werde.
Zu Frage 7 ist mitzuteilen, dass
noch kein Fall an den OGH herangetragen wurde.
Zu Frage 8 wurde seitens der PVA
bekannt gegeben, dass die Vorgangsweise bei Anträgen auf § 255 Abs. 7 ASVG in
einer Dienstanweisung geregelt ist. In dieser werde – dem systematischen Aufbau
der Bestimmungen des § 255 und den erläuternden Bemerkungen zu § 255 Abs. 7
ASVG folgend - ausdrücklich festgehalten, dass das Herabsinken der
Arbeitsfähigkeit Voraussetzung für die Zuerkennung dieser Pensionsleistung sei.
Diese Praxis werde auch bis zum
Vorliegen einer anderslautenden Entscheidung des OGH oder der Herausgabe eines
Erlasses des BMSGK beibehalten werden.
Ergänzend ist diesen Ausführungen
hinzuzufügen, dass aus Sicht meines Ministeriums die weitere Judikatur
abzuwarten ist.
Mit
freundlichen Grüßen