3143/AB XXII. GP

Eingelangt am 18.08.2005
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0059-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3182/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen  haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Mögliche Schließung des Bezirksgerichtes Hermagor“ eingebracht.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Beim BG Hermagor arbeiten 8 Personen mit einer Gesamtarbeitskapazität von rund 6,7 Vollzeitkräften. 2 Personen oder 1,3 Vollzeitkräfte davon sind Richter.

Zu 2:

Nach den Ergebnissen der Personalanforderungsrechnung für das Jahr 2004 entsprach der Arbeitsanfall an richterlichen Rechtsprechungsagenden (ohne Rechtspflegeraufgaben, die im Ausmaß von 0,19 Vollzeitkräften von Richtern wahrgenommen wurden) 1,19 Vollzeitkräften, von denen wiederum 0,94 Vollzeitkräfte der eigentlichen Aktenbearbeitung und 0,25 Vollzeitkräfte sonstigen Aufgaben (Führungsaufgaben, Fortbildung, Amtstag etc.) gewidmet waren. Das Bezirksgericht Hermagor war damit österreichweit das zweitkleinste Bezirksgericht am Standort einer Bezirksverwaltungsbehörde und zählte allgemein zu den 15 kleinsten Bezirksgerichten.

Zu 3 bis 5:

Ich strebe eine weitgehend an die Standorte der Bezirksverwaltungsbehörden angelehnte Gerichtsorganisation an. Gleichzeitig halte ich eine gewisse Mindestgröße im Interesse der Rechtspflege, aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen und zum effizienten Einsatz der Steuermittel für erforderlich. Durch die bei Kleinstgerichten notwendigen Doppelplanstellen können die Richterinnen und Richter nicht an allen Tagen beim jeweiligen Gericht anwesend sein. Die Unmöglichkeit einer Spezialisierung bei Kleinstgerichten und die durch den Ausfall auch nur einzelner Arbeitskräfte entstehenden Probleme bedürfen keiner besonderen Erörterung. Hinzu kommt, dass für jeden Standort abgesehen von der räumlichen Unterbringung die allgemeine Infrastruktur (EDV-Anbindung, Telefonanlage, Einlaufstelle, Aktenlager etc.) geschaffen bzw. erhalten werden muss.

Da der Bürger ungleich weniger häufig Gerichte aufzusuchen hat als andere Behörden, scheinen Anfahrtswege, die etwa jenen zu den Bezirksverwaltungsbehörden entsprechen, auf jeden Fall zumutbar. Im Hinblick darauf, dass die Struktur der Bezirksverwaltungsbehörden unter den einzelnen österreichischen Bundesländern nicht völlig homogen ist und unterschiedlich große Sprengel bestehen, strebe ich eine an diese Organisationsform angenäherte Gerichtsorganisation an. Das bedeutet, dass auch Bezirksgerichtsstandorte am Sitz von Bezirksverwaltungsbehörden, bei denen der Arbeitsanfall nicht einmal zwei Richter mit Rechtssprechungsagenden auslastet, auf ihre Sinnhaftigkeit und wirtschaftliche Vertretbarkeit hin zu prüfen sind.

Zu 6 bis 8:

In die Planungen werden neben den Kriterien einer homogenen und gerechten Verteilung der Bezirksgerichte, der Qualitätssicherung, der Erzielung sinnvoller Abläufe und des sparsamen Einsatzes von Steuermitteln auch die topografische Lage und die Erreichbarkeit des aufnehmenden Bezirksgerichtes einbezogen. Dabei ist mir bewusst, dass einige der kleinsten Gerichte Österreichs wie das Bezirksgericht Hermagor in den am dünnsten besiedelten Gebieten liegen und in diesen Fällen die Auflassung dieses Standortes ohne flankierende Maßnahmen bewirken würde, dass die Bevölkerung in den abgelegeneren Gebieten mitunter eine erheblich größere Distanz zum zuständigen Gericht überwinden müsste. Dennoch ist die Aufrechterhaltung aller Standorte unabhängig von ihrer Auslastung angesichts des wachsenden Budgetdrucks unmöglich. Experten des Finanzministeriums haben sogar weit umfassendere Veränderungen der Gerichtsorganisation einschließlich einer radikalen Reduktion der Standorte auf bundesweit nur noch 48 gefordert.

 

Hermagor ist von Villach, das für eine Aufnahme in Frage kommt, knapp unter 50 Kilometer entfernt, mit einem PKW in rund 50 Minuten, mit der Bahnverbindung in rund einer Stunde erreichbar. Im Hinblick darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger – auch bedingt durch die verbesserten technischen Möglichkeiten – äußerst selten ein Bezirksgericht tatsächlich persönlich aufzusuchen haben, erscheint diese Entfernung zumutbar.

Um das Problem einer erschwerten Erreichbarkeit zu entschärfen, ist allerdings ebenso wie bei den Gerichtszusammenlegungen in den vergangenen Jahren vorgesehen, an jenen Standorten, an denen ein voller Gerichtsbetrieb nicht aufrecht erhalten werden kann, regelmäßige Gerichtstage einzurichten, bei denen nicht nur dieselben Möglichkeiten wie bisher beim Amtstag bestehen (etwa die kostenlose Rechtsauskunft oder die Aufnahme von Klagen und Anträgen), sondern darüber hinaus auch weiterhin Verhandlungen durchgeführt werden können. Nicht zuletzt deshalb wurden die Gerichtszusammenlegungen in den vergangenen Jahren durch die betroffene Bevölkerung hervorragend angenommen.

Ich möchte auch hier in Erinnerung rufen, dass wir aus zahlreichen Umfragen wissen, dass für die Bevölkerung viel mehr Aspekte der qualitativ hochstehenden Rechtssprechung, der Bürgernähe der Entscheidungsorgane und anderen Mitarbeitern der Gerichte im Vordergrund stehen, als die örtliche Lage des Gerichtes.

Zu 9:

Für die Schließung des Standortes spricht, dass die Mindestgröße einer Gerichtseinheit zur Sicherstellung einer modernen und spezialisierten Rechtspflege und die tägliche Anwesenheit der Bediensteten am Gerichtsstandort Hermagor nicht gewährleistet werden können. Die Führung einer modernen Verwaltungseinheit nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen ist durch die für die Infrastruktur zu bestreitenden Aufwendungen erschwert, ein effizienter Einsatz der Steuermittel nicht gegeben.

Demgegenüber brächte eine Schließung für manche Bürgerinnen und Bürger längere Anfahrtswege zum zuständigen Gericht. Dieser Nachteil steht jedoch in keinem Verhältnis zu den konkreten Bedürfnissen der Bevölkerung nach qualitativ hochstehender Rechtssprechung und der seltenen Notwendigkeit, persönlich bei Gerichts zu erscheinen. Flankiert durch die Einrichtung regelmäßiger Gerichtstage am ehemaligen Gerichtsstandort wurden die Gerichtszusammenlegungen in den vergangenen Jahren durch die betroffene Bevölkerung hervorragend angenommen. Der Nachteil eines allenfalls längeren Anfahrtsweges ist unter diesen Umständen vernachlässigbar.

Zu 10:

Eine zukünftige Lösung soll nach meiner Auffassung auch im Quervergleich zwischen den einzelnen Bundesländern ausgewogen und gerecht sein und die Frage der Standorte der Bezirksgerichte möglichst langfristig im Einvernehmen mit den Bundesländern lösen. Die Frage der bezirksgerichtlichen Standorte ist Gegenstand der Arbeiten mit den Bundesländern im Rahmen der Verwaltungsreform II. Bekanntlich können Änderungen in den Sprengeln der Bezirksgerichte nach der derzeitigen Verfassungslage (§ 8 Abs. 5 lit. d Übergangsgesetz 1920) nur mit Zustimmung der Landesregierung verfügt werden. Es ist für mich auch Ausdruck des Respekts gegenüber dem Verhandlungspartner, diese verfassungsgesetzliche Rechtslage auch bei der Weitergabe von Zwischeninformationen zu beachten. Ich werde jedoch im Rahmen dieser Verhandlungen den oben dargelegten Standpunkt nachhaltig vertreten.

Persönlich ist mir sehr daran gelegen, dass die Justiz – die für die Bürgerinnen und Bürger auch ein ruhender Pol, ein berechenbares Element des Lebens bleiben soll – möglichst bald eine dauerhafte organisatorische Aufstellung findet.

 

. August 2005

 

(Maga. Karin Gastinger)