3211/AB XXII. GP
Eingelangt am 06.09.2005
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
JOSEF PRÖLL
Bundesminister
An den Zl. LE.4.2.4/0047-I 3/2005
Herrn Präsidenten
des Nationalrates
Dr. Andreas Khol
Parlament
1017 Wien Wien, am 5. SEP. 2005
Gegenstand: Schriftl.parl.Anfr.d.Abg.z.NR Dr. Eva Glawischnig-Piesczek,
Kolleginnen und Kollegen vom 8. Juli 2005, Nr. 3322/J,
betreffend Position der Bundesregierung zum neuen EU-
Atomforschungsprogramm
Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen vom 8. Juli 2005, Nr. 3322/J, betreffend Position der Bundesregierung zum neuen EU-Atomforschungsprogramm, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu den Fragen 1 bis 36:
Die 36 Fragen betreffen keinen Gegenstand der
Vollziehung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft. Ich verweise auf die Beantwortung der ähnlich lautenden
parlamentarischen Anfrage Nr. 3321/J durch die Frau Bundesministerin für
Bildung, Wissenschaft und Kultur.
Im Hinblick auf meine nuklear- und umweltpolitische
Kompetenz halte ich jedoch grundsätzlich Folgendes fest:
Zunächst bekräftige ich, dass ich mich
selbstverständlich an die einschlägigen Entschließungen des Nationalrates E-36
XXII. GP-NR und E-143 XXI. GP-NR gebunden fühle. Das Arbeitsprogramm der
Bundesregierung und die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers nimmt auf
letztere Entschließung direkt Bezug. Die dort festgelegte Haltung hat sich auch
in der Grundsatzposition zum 7. Forschungs-Rahmenprogramm, die vom Ministerrat
am 22. November 2004 verabschiedet wurde, niedergeschlagen.
Demgemäß ist es das österreichische Hauptanliegen, eine Reduktion des
Euratom-Anteils an den Gesamtkosten des Forschungsrahmenprogramms zu erreichen.
Es werden auch in jedem Fall, Zitat: „Forschungsanstrengungen in den
Bereichen Nukleare Sicherheit, Strahlenschutz und Risikoforschung nötig sein.
Hierzu zählen unter anderem:
·
Methodenentwicklung
zur Risikoabschätzung (vor allem angesichts neuer Bedrohungsformen);
·
permanente
Beobachtung und Evaluierung des technologischen Fortschritts in den oben
genannten Bereichen;
·
Risikopotenzial
kerntechnischer Anlagen. Monitoring der internationalen Entwicklung zum Zweck
der Politikberatung (Schutzmechanismen gegenüber absichtlich herbeigeführten
Schäden, Schnittstellen-Evaluierung zu Terrorismusforschung);
·
Reaktorsicherheit.
Beiträge zur Weiterentwicklung von europäischen und internationalen
Regulierungssystemen;
·
Notfallplanung
und grenzüberschreitende Kooperation im Zusammenhang mit Strahlenschutz.“ Zitat Ende.
Die Verankerung dieser Schwerpunkte in der
österreichischen Grundsatzposition war für mich stets von großer Bedeutung.
Die Forschung zu neuen Reaktortechnologien sowie zu
reaktornahen Technologien auf Grundlage der Kernspaltung wird von Österreich
aus grundsätzlichen Überlegungen abgelehnt. Dies ist mir im Rahmen meiner
nuklear- und umweltpolitischen Kompetenz ein besonderes Anliegen und gilt
insbesondere auch für die Finanzierung der Generation IV Initiative aus
Gemeinschaftsmitteln. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die öffentliche
Hand nur für öffentliche Aufgaben aufzukommen hat. Auch technologische
Weiterentwicklungen wie Maßnahmen zur Lebensdauerverlängerung von
kerntechnischen Anlagen wären allenfalls Sache einer Finanzierung durch die
Nuklearindustrie.
Betreffend die Fusionsforschung und das Großprojekt ITER möchte ich
zunächst klarstellen, dass es sich dabei um ein reines Forschungsprojekt und
nicht etwa um einen Reaktor zur
Energieerzeugung handelt. Was nun die thermonukleare Fusion als
Energiequelle und energiepolitische Option
betrifft, so wird diese von mir als Umweltminister stets unter dem
Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit beurteilt werden. Ein nachhaltiges
Energiesystem, wie es global anzustreben ist, erfordert einen substanziellen
Anstieg der Energieeffizienz und der Energieeinsparung, sowie ein Umsteigen auf
erneuerbare Energieträger und -systeme, die den Anforderungen der
Industriestaaten ebenso gerecht werden wie denen der Schwellen- und
Entwicklungsländer. Ein weiteres Argument für Investitionen in ein solches
Energiesystem und entsprechende Bemühungen wird auch eine gesteigerte
Kosteneffizienz sein. Ich denke daher, dass noch viele offene Fragen zur
Kernfusion zu klären sind. Wichtige Umweltaspekte, wie beispielsweise jene der
Stoffstromwirtschaft insbesondere in Bezug auf anfallende radioaktive oder
chemotoxische Abfälle, sind hier mit zu berücksichtigen. Dazu kommen wichtige
energiepolitische Aspekte im Hinblick auf eine grundsätzlich wünschenswerte
Dezentralisierung der Energieversorgung.
Vor diesem Hintergrund messe ich der begleitenden
Technologiefolgenforschung größte Bedeutung bei. Bevor ein nächster Schritt
gesetzt wird, oder ein weiteres Projekt in Aussicht genommen wird, müssen auch
die Umweltaspekte und sozioökonomische Fragestellungen zufriedenstellend
geklärt sein. Ich verhehle daher nicht, dass ich der Fusionsforschung, so wie
sie sich derzeit abzeichnet, distanziert gegenüberstehe. ITER und die
begleitende Fusionsforschung müssten jedenfalls bestehende Bedenken ausräumen,
nur dann könnte aus Umweltsicht der Fusionsenergie ein Zukunftspotenzial
eingeräumt werden.
Der Bundesminister: