3258/AB XXII. GP

Eingelangt am 08.09.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

 

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und
Freunde haben am 8. Juli 2005 unter der Nr. 3303/J an mich eine schriftliche par-
lamentarische Anfrage betreffend Stand der EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen
Österreich im Umweltbereich gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Wie mir mitgeteilt wurde, sind derzeit vier Vertragsverletzungsklagen der Kommission
gegen die Republik Österreich im Umweltbereich vor dem EuGH anhängig. Des Wei-
teren sind 14 Vertragsverletzungsverfahren im Vorverfahren bei der Kommission an-
hängig, die hauptsächlich Richtlinienumsetzungen betreffen.

In der nachstehenden tabellarischen Übersicht werden die einzelnen Verfahren - un-
ter Angabe der gemäß der Anfrage gewünschten Verfahrensstufen - gegliedert nach
Verfahrensstufen aufgelistet. Der Gegenstand des Verfahrens, die innerstaatlich zu-
ständige Gebietskörperschaft bzw. Behörde, sowie der jeweilige Verfahrensstand
sind ebenfalls der nachstehenden Tabelle zu entnehmen.

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß es sich bei den nachstehend in
der Tabelle angeführten Rechtssachen um laufende Verfahren handelt und daher
über die tatsächliche Berechtigung der jeweils von der Kommission erhobenen Vor-
würfe noch keine Entscheidung des EuGH vorliegt. Die Republik Österreich geht in
den meisten der nachstehend angeführten Verfahren grundsätzlich von der Rechts-
position aus, daß die nationale Rechtslage gemeinschaftsrechtskonform ist.


Mahnschreiben der Kommission

 

Rechts-
sachen-
nummer

Gegenstand des Verfahrens

Kompetenz

Derzeitiger Stand
des Verfahrens

98/4442

Anwendung der RL 79/409/EWG
(Vogelschutzrichtlinie), Jagd auf
Kormorane und Graureiher in Salzburg
und auf Stieglitze, Zeisige, Gimpel und
Kreuzschnäbel in Oberösterreich

Länder

Stellungnahme zum
Mahnschreiben

99/2115

Umsetzung der RL 79/409/EWG
(Vogelschutz-RL) - Ausweisung bzw.
Abgrenzung von besonderen
Schutzgebieten

Länder

Stellungnahme zum
neuerlichen
Mahnschreiben

99/2171

Umsetzung der RL 78/659 über die
Qualität von Süßwasser, das schutz-
oder verbesserungsbedürftig ist, um das
Leben von Fischen zu erhalten

BMLFUW

Stellungnahme zum
Mahnschreiben

00/2162

Mangelhafte Umsetzung von Anhang I
der RL 80/778 über die Qualität von
Wasser für den menschlichen Gebrauch

BMLFUW

Stellungnahme zum
Mahnschreiben

02/4606

Freier Warenverkehr mit Saatgut -
Verunreinigung von Saatgut mit
gentechnisch veränderten Organismen

BMLFUW

Stellungnahme zum
Mahnschreiben

03/2236

§ 21 des Wasserrechtsgesetzes,
Vereinbarung mit Niederlassungsfreiheit

BMLFUW

Stellungnahme zum
Mahnschreiben

03/4358
und
03/4716

betreffend die Verbote und
Beschränkungen teilfluorierter und
vollfluorierter Kohlenwasserstoffe sowie
von Schwefelheryfluorid (Umsetzung
des Kyoto-Protokoll)

BMLFUW

Stellungnahme zum
Mahnschreiben

05/0006

Nichtmitteilung von
Umsetzungsmaßnahmen betreffend die
RL 2003/30/EG über Biokraftstoffe

BMLFUW

Stellungnahme zum
Mahnschreiben

05/0257-
0262

Nichtmitteilung von
Umsetzungsmaßnahmen
(Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG
und RL 2004/98/EG
Pentabromdiphenylether)

BMLFUW

Stellungnahme zum
Mahnschreiben

05/0444

Nichtmitteilung von
Umsetzungsmaßnahmen betreffend die
RL 2003/53/EG über Beschränkungen
des Inverkehrbringens und der
Verwendung gewisser gefährlicher
Stoffe und Zubereitungen

BMLFUW

Stellungnahme zum
Mahnschreiben


Begründete Stellungnahme

 

Rechts-
sachen-
nummer

Gegenstand des Verfahrens

Kompetenz

Derzeitiger Stand
des Verfahrens

01/2147

Mangelhafte Umsetzung der RL
96/29/Euratom über die Festlegung
der grundlegenden Sicherheitsnormen
für den Schutz der Gesundheit der
Arbeitskräfte und der Bevölkerung
gegen die Gefahren ionisierender
Strahlungen

BMLFUW

Stellungnahme zur
begründeten
Stellungnahme

04/0380

Nichtmitteilung von
Umsetzungsmaßnahmen zur RL
2001/42/EG über die Prüfung der
Umweltauswirkungen bestimmter Pläne
und Programme

BMLFUW,
BMVIT und
Länder

Begründete
Stellungnahme

04/0382

Nichtmitteilung von
Umsetzungsmaßnahmen zur RL
2002/49/EG über die Bewertung und
Bekämpfung von Umgebungslärm

BMLFUW
und Länder

Begründete
Stellungnahme

04/0385

Nichtmitteilung von
Umsetzungsmaßnahmen zur RL
2003/73/EG zur Änderung der RL
1999/94 über Verbraucherinformationen
über den Kraftstoffverbrauch und
CO2—Emissionen beim Marketing für
neue PKW

BMLFUW

Begründete
Stellungnahme

EuGH

 

Rechts-
sachen-
nummer

Gegenstand des Verfahrens

Kompetenz

Derzeitiger Stand
des Verfahrens

C-209/04
(01/4159)

Mangelhafte Ausweisung des
„Lauteracher Ried" als besonderes
Schutzgebiet nach Art. 4 der
Vogelschutz-RL und dessen Bedrohung
durch Straßenbauvorhaben

Land
Vorarlberg

Antrag auf
mündliche
Verhandlung

C-507/04
(99/2173)

Nicht konforme Umsetzung der RL
79/409/EWG über die Erhaltung der
wildlebenden Vogelarten

Länder

Erwiderung der
Kommission

C-508/04
(99/2174)

Nicht konforme Umsetzung der RL
92/43/EWG zur Erhaltung der
natürlichen Lebens-Räume sowie der
wildlebenden Tiere u Pflanzen

Länder

Erwiderung der
Kommission

C-226/05
(02/2083)

Mangelhafte Umsetzung RL 96/82/EG
betreffend Unfälle mit gefährlichen
Stoffen (Seveso II-RL)

BMI,
BMWA und
Länder

Klagebeantwortung


Zu den Fragen 2 und 7:

Diese Fragen fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes.
Gemäß Teil 2 Abschnitt A Punkt 5 der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengeset-
zes 1986, BGBl. Nr. 76, zuletzt geändert durch BGBl.
I Nr. 118/2004, ist das Bundes-
kanzleramt im gegebenen Zusammenhang nur zur „Vertretung der Republik Öster-
reich vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und dem Gericht erster
Instanz der Europäischen Gemeinschaften" zuständig.

In Bezug auf diese Fragen verweise ich daher unter Hinweis auf das Ressortprinzip
gemäß Art. 77 Abs. 1 B-VG auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage
3301/J des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt-
schaft.

Zu Frage 3:

Eine Auflistung sämtlicher in den oben genannten Verfahren getätigten verfahrens-
rechtlichen Schritte unter Anführung aller jeweiligen Vorbringen der Kommission und
aller Gegenargumente Österreichs würde zweifelsohne mit einem übermäßigen, nicht
vertretbaren Verwaltungsaufwand verbunden sein. Ich bitte daher um Verständnis,
wenn von einer derartigen Auflistung abgesehen werden muß. Ich darf aber darauf
verweisen, daß das Bundeskanzleramt sämtliche verfahrensrelevanten Schreiben der
Kommission im Rahmen der Informationspflicht gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG dem
Parlament übermittelt hat und diesen Schreiben der Kommission auch die in Frage 3
angeführten Informationen entnommen werden können.

Zu den Fragen 4 bis 6:

Sämtliche im Zuge eines Vertragsverletzungsverfahrens (einschließlich während der
Vorphase im Sinne des Art. 226 EG) an die Europäische Kommission übermittelten
Dokumente unterliegen der Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 2, 2. und 3. Anstrich
der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäi-
schen Parlaments, des Rates und der Kommission, Amtsblatt Nr. L145 vom
31. Mai 2001 S. 43 - 48.

Diese Rechtsauffassung wird auch durch die Judikatur des Gerichts erster Instanz
bestätigt, wonach die Mitgliedstaaten während anhängiger Untersuchungen, die zu
einem Vertragsverletzungsverfahren führen können, von der Kommission Vertrau-
lichkeit erwarten können und es zum Schutz des öffentlichen Interesses gerechtfer-
tigt ist, den Zugang zu Dokumenten aus der Untersuchungsphase eines Verfahrens
zu verweigern. Im Verfahren T-309/97, Bavarian Lager, hat das Gericht erster Ins-
tanz dies folgendermaßen umschrieben: „Käme es nämlich während der Verhand-
lungen zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat zu einer Ver-
breitung von Dokumenten, die sich auf die Untersuchungsphase beziehen, so könnte
dies den ordnungsmäßigen Ablauf des Vertragsverletzungsverfahrens beeinträchti-
gen und sein Ziel gefährden, es dem Mitgliedstaat zu ermöglichen, seine Vertrags-
pflichten freiwillig zu erfüllen oder gegebenenfalls seine Position zu rechtfertigen"
(Slg. 1999, II-3217, Rz 46; vgl. auch Rs T-105/95, WWF, Slg. 1997, II-313; Rs T-
191/99, David Petrie, Slg. 2001, II-3677).


Dieser Rechtsstandpunkt wird seitens der Europäischen Kommission geteilt und es
werden demgemäß Ansuchen auf Dokumenteneinsicht bzw. Dokumentenübermitt-
lung in Vertragsverletzungsverfahren von der Kommission abschlägig beschieden.