3274/AB XXII. GP
Eingelangt am 08.09.2005
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BM für Gesundheit und Frauen
Anfragebeantwortung
Herrn
Präsidenten
des Nationalrates
Dr.
Andreas Khol
Parlament
1017 Wien
GZ: 11.001/107-I/A/3/2005
Wien, am 7.September 2005
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche
parlamentarische
Anfrage Nr. 3290/J der Abgeordneten Erika Scharer
und GenossInnen wie folgt:
Einleitend
darf ich festhalten, dass der Gegenstand dieser parlamentarischen Anfrage
derzeit Thema der Beratungen des Obersten Sanitätsrates (OSR) ist. Dabei wird
auch die Frage des Zugangs zu erforderlichen Verschreibungen einer Evaluierung
unterzogen.
Frage
1:
Bei Vikela
handelt es sich um Präparat für den Notfall, welches die anderen heute
verwendeten Verhütungsmittel in keiner Weise ersetzen kann. Im begründeten
Einzelfall ist die Anwendung dieses Medikamentes zur Vermeidung einer
ungewollten Schwangerschaft aber jedenfalls sinnvoll nach Verordnung durch
einen Arzt.
Frage
2:
Auf
der Homepage meines Ressorts sind nur allgemeine Gesundheitsinformationen zu
finden, ein Hinweis auf die Anwendung eines bestimmten rezeptpflichtigen
Medikamentes erfolgt grundsätzlich nicht.
Fragen
3 und 5:
Die
'Pille-danach' kann von jedem zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigten
Arzt/Facharzt verschrieben werden. Dies wird, da die rechtzeitige Einnahme von
entscheidender Bedeutung ist, jedenfalls auch von mir befürwortet.
Fragen
4 und 6:
Aus
rechtlicher Sicht wurde seitens meines Ressorts im Rahmen einer Fachtagung der
Österreichischen Gesellschaft für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bereits am
7. Juni 2005 im AKH Wien darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 4 Abs 5
RezeptpflichtG, wonach der Apotheker berechtigt ist, in besonderen Notfällen
Arzneimittel auch ohne Vorliegen eines Rezeptes abzugeben (jedoch nur in der
kleinsten im Handel erhältlichen Packung), auch im gegebenen Zusammenhang zum
Tragen kommen kann. Dies dann, wenn ein Apotheker/eine Apothekerin im Kontakt
zur Kundin (Patientin) eine besondere psychische Belastung feststellt, durch die
die Schwelle einer Gesundheitsgefahr überschritten wird oder dieser
gleichwertig ist. In diesem Zusammenhang können auch familiäre
Rahmenbedingungen von Relevanz sein. Überdies wird dem Umstand, dass für die
Wirksamkeit der Pille danach dem Zeitfaktor große Bedeutung zukommt, großes
Gewicht beizumessen sein.
Ein
entsprechendes Schreiben, das diese Position darlegt, wurde zur Information der
Apothekerinnen und Apotheker bereits an deren gesetzliche Interessenvertretung
übermittelt.
Die
in anderen EU-Ländern vorgesehene Abgabepraxis dieses Präparates wird bei den
Beratungen des OSR berücksichtigt werden.
Aus
sozialversicherungsrechtlicher Sicht muss zu Forderungen nach Tragung der
Kosten von Verhütungsmitteln durch die gesetzlichen Krankenversicherung -
gleichgültig, ob es sich um solche handelt, die vor, oder solche, die nach dem
Geschlechtsverkehr angewendet werden -
festgehalten werden, dass die Leistungspflicht der Krankenversicherung
den Eintritt des Versicherungsfalles der Krankheit voraussetzt. Im
Sozialversicherungsrecht ist Krankheit als regelwidriger Körper- oder
Geisteszustand definiert, der die Krankenbehandlung notwendig macht. Das Ziel
der Krankenbehandlung ist es, die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit,
für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, wiederherzustellen,
zu festigen oder zu bessern. Maßnahmen die ausschließlich oder vorwiegend dem
Zweck der Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft dienen, begründen somit
keine Leistungsansprüche aus der sozialen Krankenversicherung, weil sie nicht
unter den Begriff der Krankenbehandlung fallen. Das bedeutet, dass
grundsätzlich der Bezug kontrazeptiver Mittel nicht auf Rechnung der
Krankenversicherungsträger erfolgen kann. Nach der derzeitigen Rechtslage wären
Maßnahmen zur vorübergehenden oder auch dauernden Herbeiführung einer
Unfruchtbarkeit bei Mann oder Frau nur dann durch die leistungsrechtlichen
Bestimmungen erfasst, wenn diese Maßnahmen in erster Linie den Zielen dienen,
die eingangs bereits als Ziele der Krankenbehandlung umschrieben wurden.
Die
vorstehenden Ausführungen werden auch durch die Rechtsprechung untermauert. So
hat das Oberlandesgericht Wien bereits in seinem Urteil vom 3.11.1977, GZ 20 R
209/77 ausgeführt, dass die bloße Verhütung der Schwangerschaft keine
Krankenbehandlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sei.
Allerdings könnte eine derartige Kostentragung durch die gesetzliche Krankenversicherung im Einzelfall dann angezeigt sein, wenn die Verhütung nicht bloß der Vermeidung einer unerwünschten Schwangerschaft dient, sondern diese medizinisch angezeigt ist. Der Krankheitsbegriff ist nämlich nicht eingeschränkt, sondern umfassend auszulegen. Dabei ist nicht nur auf den augenblicklichen Zustand, sondern auch darauf Bedacht zu nehmen, welche Auswirkungen eine Schwangerschaft aus medizinischer Sicht künftig für Mutter oder Kind haben könnte, wobei auch die psychische Seite als Teil der medizinischen Beurteilung zu berücksichtigen ist. Die diesbezügliche Entscheidung obliegt in jedem konkret an ihn herangetragenen Fall zunächst dem zuständigen Krankenversicherungsträger. Sie kann im Leistungsstreitverfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht einer Überprüfung unterzogen werden.
Eine
Ausweitung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung kann schon
aus Gründen der bekanntermaßen angespannten finanziellen Situation der
Krankenversicherungsträger nicht befürwortet werden. Sollte dennoch aus
familienpolitischen Erwägungen der Zugang zu Mitteln der Empfängnisverhütung
finanziell erleichtert werden, dann wäre ein anderer Weg zu beschreiten, als
dafür die Beiträge der Dienstgeber/innen und der Dienstnehmer/innen zur
Krankenversicherung heranzuziehen.
Frage
10:
Die
Ausgabe von Verhütungsmitteln an Minderjährige ist derzeit nicht vorgesehen.
Die Versorgung der österr. Bevölkerung mit Medikamenten (u.a.
"Pille", "Pille-danach") erfolgt durch die niedergelassenen
Ärzte/innen und die Apotheken in ausreichender und bewährter Weise. Wesentliche
Maßnahmen zur Prävention ungewollter Schwangerschaften sind laufende
Informationen der Jugendlichen über sämtliche Arten von Verhütungsmittel und
ihre sachgemäße Anwendung. In diesem Zusammenhang wird unter anderem auf die
entsprechenden Kapitel im Gesundheitspass für Jugendliche verwiesen.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Rauch-Kallat
Bundesministerin