Zu 3280/AB XXII. GP

Eingelangt am 12.09.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Anfragebeantwortung

In der Beilage übermitteln wir die parlamentarische Anfragebeantwortung Nr. 3321/J-
NR/2005 nochmals. Aus drucktechnischen Gründen sind auf Seite 3 die ersten 2 Zeilen
verloren gegangen.

Beilage


 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3321/J-NR/2005 betreffend Position der Bundesregierung zum neuen EU-Atomforschungsprogramm, die die Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen am 8. Juli 2005 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

 

Ad 1. bis 3.:

Grundlage für meine Position während der kommenden Verhandlungen ist das von der österreichischen Bundesregierung im November 2004 - nach vorangegangener intensiver und breiter Diskussion - beschlossene „Österreichische Positionspapier für die Verhandlungen über das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm“.

Dieses ist seither unter http://www.bmbwk.gv.at/europa/rp/7/Positionspapier7RP.xml öffentlich zugänglich.

 

Der vorliegende Vorschlag über das 7. Rahmenprogramm ist ein wichtiges Diskussionspapier aus Sicht der Europäischen Kommission und Arbeitsgrundlage zur Strukturierung der Diskussion. Eine endgültige und umfassende Bewertung des Rahmenprogramms ist erst nach Abschluss der diesbezüglichen Verhandlungen sinnvoll. Entsprechend den Leitlinien im Positionspapier werden von Österreich Änderungen vorgeschlagen.

 

Ad 4. und 5.:

Ich verweise auf die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers von März 2003 und die dort enthaltenen einschlägigen Verweise. Die Österreichische Haltung zur EU-Nuklear­forschung wurde von der Bundesregierung im Juni 2001 für das derzeit laufende 6. EU-Rahmenprogramm und im November 2004 für das 7. Rahmenprogramm zur Kenntnis genommen. Die Entschließungen des Nationalrates sind mir bekannt.

 

Gemäß Art. 166 und 251 des EG-Vertrags bzw. Art. 7 des Vertrags über die Europäische Atomgemeinschaft ist es das Recht der EK, einen Vorschlag für das Forschungsrahmen­programm vorzulegen. Dieser Vorschlag reflektiert daher primär die Sicht der EK. Österreich wird seine Positionen in den bevorstehenden Verhandlungen einbringen und am Ende dieses Prozesses eine Gesamtbeurteilung vornehmen.

 

 

Ad 6. bis 10.:

Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission für das 7. Rahmenprogramm nennt nur Global­zahlen. Für den Bereich Fusionsforschung sind von der EU-Kommission 2.159 Mio. € vorgesehen. Für den Bereich Kernspaltung und Strahlenschutz, der auch Fragen der Sicherheit umfasst, werden von der Kommission 394 Mio. € vorgeschlagen. Eine weitere Detaillierung erfolgt in dem der Umsetzung des Rahmenprogramms dienenden „spezifischen Programm“, die noch nicht vorliegen.

 

Ad 11. und 14.:

Für den Bau von ITER werden von der Kommission ca. 4,55 Mrd. € (Preisstand 2000) über 10 Jahre veran­schlagt. Für den Betrieb gehen die Schätzungen von einer Größenordnung von ca. 200 Mio. $ pro Jahr aus. Der EU-Anteil beträgt 40%. Der - fiktive - Anteil Österreichs richtet sich nach dem jeweiligen Beitrag Österreichs zum EU-Gesamtbudget abzüglich der Rückflüsse. Prognosen für den zukünftigen Anteil Österreichs am EU-Gesamthaushalt über den genannten Zeitraum sind mir nicht bekannt. Als Forschungsministerin darf ich in Budgetangelegenheiten auf die Zuständigkeit des Herrn Bundesministers für Finanzen verweisen.

 

Ad 12.:

Hier ist nach Arbeitsplätzen im Bereich der Forschung (vorwiegend universitäre Doktoranden/innen- und Postdoktoranden/innen-Stellen) und nach solchen im Bereich der Industrie zu unterscheiden. Deren Anzahl wird vom Ausmaß und Erfolg der österreichischen Beteiligung an den international ausgeschriebenen Aufträgen abhängen und kann daher zurzeit nicht beantwortet werden. Ich gehe aber davon aus, dass die Verwirklichung des Projekts in Europa die bestehende Position Österreichs in der Plasma- und Materialforschung sichert und darüber hinaus den technologisch führenden Industriebetrieben entsprechende Chancen zur Beteiligung gibt. Beides ist mit qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen, dem Zugang zu Hochtechnologie und der Absicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs verbunden.

 

Ad 13.:

Das 6. Rahmenprogramm läuft von 2003 bis 2006. Für 2003 und 2004 beträgt der – fiktive – Beitrag Österreichs 2,3 %. Da die Höhe der tatsächlichen Zahlungen aus dem Rahmen­programmbudget wegen der für die Durchführung des Programms notwendigen Vorlaufzeiten deutlich von den rein rechnerischen 25% pro Jahr abweicht, kann die tatsächliche Höhe an Hand des Ausgabenprofils erst mit beträchtlicher Verzögerung angegeben werden. Entsprechende Informationen der Europäischen Kommission dazu liegen noch nicht vor.

 

Ad 15. bis 18.:

Es ist festzuhalten, dass diese Kosten weltweit zum Großteil im Rahmen nationaler Budgets aufgebracht worden sind. Österreich führt keine Statistik, die die Ausgaben anderer Staaten für bestimmte Forschungsprogramme über mehrere Jahrzehnte beobachtet.

 

Was die Finanzmittel der EU betrifft, sind die aktuellen Zahlen den jeweiligen Rahmenprogrammen zu entnehmen und betragen für die Laufzeit des 6. Rahmenprogramms (2002-2006), nach der Erweiterung auf 25 Mitgliedstaaten, 824 Mio. €.

 

Ab Mitte der 80er-Jahre betragen die Aufwendungen unter dem Titel „Fusionsforschung“ in Österreich ca. € 362.000.-- pro Jahr. Für den Zeitraum bis Anfang der 80er Jahre liegen keine spezifischen Zahlen vor. Seit dem EU-Beitritt beträgt der damit zusammenhängende Rückfluss aus EU-Mitteln rund 10,4 Mio. €.

 

Im Jahr 2004 weisen die am EU-Fusionsforschungspro­gramm beteiligten österreichischen Institutionen Ausgaben der in der Höhe von ca. 4 Mio. € aus. Diese bestehen zum Großteil aus Personalkosten der beteiligten universitären und außeruniversitären Forschungs­einrichtungen.

 

Ad 19.:

Die in den Antworten zu den Fragen 17 und 18 erwähnten Budgetmittel sind österreichischen Universitätsinstituten (Universitäten Wien, Innsbruck sowie TU Wien und TU Graz) in wechselndem Ausmaß, der ÖAW und zu einem geringen Anteil den „Austrian Research Centers Seibers­dorf“ zugeflossen. Details zum Forschungsprogramm und zur Beteiligung sind dem ausführ­lichen „Annual Report 2004 – Austrian Fusion RTD Activities“ (http://www.oeaw.ac.at/euratom/information.htm) zu entnehmen.

 

Österreichischen Firmen sind im Rahmen der Assoziation EURATOM-ÖAW, abgesehen von geringfügigen Mitteln für so genannte „Impulsforschungsprojekte“ der Kommission für die Koordination der Kernfusionsforschung in Österreich bei der ÖAW keine direkten Mittel aus dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur zugeflossen. Über direkte Zahlungen an österreichische Firmen für Lieferungen an das EU-Fusionsforschungsprogramm liegen dem Ressort keine Daten vor.

 

Ad 20. bis 22. und 40.:

Das Forschungsprojekt ITER ist ein Grundlagenforschungsprojekt und wird zeigen, ob die derzeitigen Ideen und Konzepte zur kommerziellen Nutzung der Kernfusion technisch machbar sind. Vor diesem Hintergrund und der im Juni 2005 erzielten Einigung zwischen den internationalen ITER-Partnern (EU, Japan, Russland, China, USA, Südkorea) sind auch die Aufwendungen von allen 25 EU-Staaten über 10 Jahre zu beurteilen. Die ITER-Forschungsergebnisse zusammen mit dem Stand der Materialentwicklung und mit sozio­ökonomischen Kriterien werden dann – etwa um 2025/2030 - über den nächsten Schritt, den Bau eines Demonstrationskraftwerks, entscheiden. Erst in der Folge kann über den kommerziellen Einsatz der Fusion entschieden werden. Die Ergebnisse und der zeitliche Verlauf der dabei zu bewältigenden wissenschaftlichen, technischen und sozioökonomischen Herausforderungen zusammen mit der allgemeinen Entwicklung der Energieversorgung lassen sich über derart lange Zeiträume kaum abschätzen, weil aus heutiger Sicht weder der zukünftige Stand der Entwicklung von Kernfusionsreaktoren noch jener der erneuerbaren Energieträger bzw. der gesamten weltweiten Energiewirtschaft angegeben werden können. Da es sich hier um Grundlagenforschung handelt, wäre es verfrüht über Markt­reife und allfällige Beiträge zur Energieversorgung definitive Antworten zu geben.

 

Eine aktuelle Darstellung ist z.B. in einer Präsentation der TU Graz für den „IEA Workshop on Socio-Economics of Fusion“ im April 2005 in Culham (UK) unter www.fusion.org.uk/socioecon/Eherer.pdf und ein ausführlicher Report unter www.itp.tugraz.at/~eherer/PubDocs und dem Stichwort „SERF“ zu finden.

 

Ad 23.:

Ein derartiger Bauvorschlag im und für das 7. Rahmenprogramm ist mir nicht bekannt. Die Kommission begründet lediglich den Bau von ITER als notwendigen Zwischenschritt auf dem Weg zu einem Demonstrationskraftwerk („DEMO“), dessen Realisierung nicht vor etwa 2030 zu erwarten ist. Es gibt daher keine Entscheidung für oder gegen DEMO im 7. Rahmen­programm.

 

Ad 24..

Aus technischen Gründen (die Materialbelastung für zentrale Anlagenkomponenten können mit dieser Anlage nicht untersucht werden) und im Sinne eines schnelleren Fortschritts zur Beantwortung der Machbarkeitsfrage der Fusion überhaupt, ist es notwendig, gleichzeitig mit ITER die Materialfragen in einer eigenen Anlage zu untersuchen. Diese Anlage, IFMIF, soll die Prüfung der Strukturmaterialien für Fusionsanlagen ermöglichen, ohne die – nicht zuletzt aus sozioökonomischer Sicht - akzeptable Fusionsanlagen nicht gebaut werden können. Die genannte Summe soll nach dem gleichen Finanzierungsschlüssel wie ITER auf die inter­nationalen Partner aufgeteilt werden, womit auf das Sitzland 40% der Kosten entfielen.

 

Ad 25.:

Eine belastbare Mengenabschätzung wird erst im Laufe der weiteren Forschungs- und Ent­wicklungsarbeiten zu ITER möglich sein. Die radioaktive Kategorisierung wird sich nach den geltenden Genehmigungsverfahren des Sitzlandes bemessen. Für einen Überblick zu den angesprochenen Fragen verweise ich auf den EFDA-Report Cadarache as a European Site for ITER, Report on the Technical and socio-economic Aspects, öffentlich zugänglich über www-fusion-magnetique.cea.fr/gb/site/site02.htm und den Punkt "Licensing ITER in France".

 

Ad 26.:

Mir sind keine wesentlichen Unterschiede zu anderen, bereits bestehenden großen Versorgungseinheiten bekannt. Ich verweise jedoch auf meine Antwort zu Frage 20 und die dort angeführten Kriterien.

 

Ad 27.:

Bezüglich energiepolitischer Fragen verweise ich auf die Zuständigkeit des Herrn Bundesministers für  Wirtschaft und Arbeit.

 

Ad 28. bis 30.:

Für das 7. Rahmenprogramm sind 2,93 Mrd. € für nicht nukleare Energie vorgesehen. Darunter sind auch Herstellung von Brennstoffen und Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung sowie intelligente Energienetze subsumiert. Eine detaillierte Budgetauflistung ist derzeit nicht verfügbar. Die Position der österreichischen Bundesregierung war stets, für möglichst hohe Aufwend­ungen zu Gunsten der erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz ein­zutreten. Allerdings hängen alle Ausgaben für das 7. Rahmenprogramm von einer Einigung über die finanzielle Vorausschau ab.

 

Im Bereich „Nachhaltige Energiesysteme“ sind im 6. EU-Rahmenprogramm insgesamt 890 Mio. € vorgesehen.

 

Ad 31.:

Österreich ist im 6. EU-Rahmenprogramm im Bereich nicht nukleare Energie überdurch­schnittlich engagiert und daher auch überdurchschnittlich erfolgreich. Die bisher vorliegen­den Daten zeigen mit Stand Juli 2005 eine erfolgreiche Beteiligung von 54 Firmen, Institutionen und Universitätsinstituten. Die beantragten, nur zum Teil bereits bewilligten EU-Förderungen für österreichische Projektteilnehmer betragen ca. 18 Mio. €. Wegen der laufenden Vertragsverhandlungen kann der tatsächliche Rückfluss zurzeit nicht quantifiziert werden; erfahrungsgemäß sind solche Aussagen erst nach Abschluss aller Vertragsver­handlungen zum jeweiligen Rahmenprogramm möglich. Da die Projektwerber im Allgemeinen erst nach Abschluss der Vertragsverhandlungen mit der EU um allfällige Zusatzfinanzierungen ansuchen, sind auch hier zurzeit keine aussagekräftigen Angaben möglich.

 

Ad 32. bis 34., 36. und 39.:

Die Position Österreichs war und ist, dass kein Geld der Gemeinschaft für lebensverlängernde Maßnahmen bestehender Kernkraftwerke verwendet werden darf. Hinsichtlich der mit der Lebensdauerverlängerung verbundenen Forschungsfragen, insbesondere zur Risikobewertung, halte ich den Zugang zu derartigen Informationen für wichtig. Der Neubau von kommerziellen Reaktoren unter Verwendung von Forschungsmitteln wird nicht die Zustimmung Österreichs finden. Eine Risikobeurteilung von Energiesystemen ist als Informations­quelle für Österreich allerdings wichtig und nützlich

 

Der Schutz des Menschen vor ionisierender Strahlung sowie die weitere Klärung von zahl­reichen offenen Forschungsfragen im Bereich Strahlenschutz sind für Österreich ein zentrales Anliegen an das Euratom-Rahmenprogramm. Auf die Verwendung der Forschungsergebnisse in anderen Staaten habe ich als österreichische Forschungsministerin keinen Einfluss. Schließlich darf ich nochmals auf die österreichische Position zum Thema Strahlenschutz verweisen und darauf, dass der vorliegende Vorschlag der Kommission eine Arbeitsgrundlage ist und eine Beurteilung durch Österreich erst nach Abschluss aller Verhandlungen sinnvoll ist.

 

Fragen der sicheren Entsorgung langlebiger radioaktiver Abfälle sind für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union von hoher Relevanz. Auch hier ist die Klärung der Machbarkeit und der damit verbundenen Risiken ein wichtiges Beurteilungskriterium.

 

Ad 35.:

Die Weiterentwicklung erneuerbarer Energieträger wurde und wird durch die EU-Rahmen­programme gefördert; deren Implementierung liegt weitgehend im nationalen Bereich und war für Österreich immer von hoher Priorität und dementsprechend erfolgreich. Aufgabe und Ziel der EU-Forschung ist u.a. dort tätig zu werden, wo es kritischer Massen von personellen und materiellen Ressourcen bedarf, die national nicht aufgebracht werden können.

 

Ad 37.:

Von einem konkreten derartigen Projekt für Anwendungen im Kernspaltungsbereich ist mir nichts bekannt.

 

Ad 38.:

Dem derzeit vorliegenden Vorschlag für einen Beitritt zur Initiative kann und wird Österreich nicht zustimmen.

 

Ad 41.:

Für Österreich ist der Bau von Kernspaltungsreaktoren keine Option. Da Bau und Betrieb von derartigen Systemen jedoch auch weiterhin in die nationale Souveränität der jeweiligen Staaten fallen, kann Österreich weiterhin nur im Rahmen seiner Einflussmöglichkeiten Über­zeugungsarbeit leisten.

 

Ad 42.:

Zum ersten Teil der Frage verweise ich auf die aktuellen Dokumente der EU-Kommission aus 2005: „Key Tasks for Future European Energy R&D“ (EUR 21352), „Towards the European Energy Research Area“ (EUR 21353), und „Energy R&D Statistics in the European Research Area“ (EUR 21453). Aus österreichischer Sicht ist die Sicherung der Lebensgrundlage für die zukünftigen Generationen und damit auch die nachhaltige Energiegewinnung von zentraler Bedeutung. Diesbezügliche Forschungs­anstrengungen halte ich jedenfalls für forschungspolitisch relevant.