3359/AB XXII. GP

Eingelangt am 18.11.2005
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0081-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3424/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Rechtstellung der Zweit- und Drittfrauen von Fremden in Österreich“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die Einehe ist in Österreich wie auch sonst in Europa historisch, kulturell und gesellschaftlich ein tragender Grundsatz des Eherechts, der vollkommen unbestritten ist. Zwar ist auch die Anerkennung anderer kultureller und sozialer Verhältnisse und darauf beruhender Rechtsordnungen ein Grundsatz des österreichischen Rechts, doch hat diese Anerkennung Grenzen, wo es zu untragbaren Konflikten mit österreichischem Recht kommt.

Zu 2:

Man wird im Bereich des Familienrechts besondere Probleme aus der Vielehe konstruieren können (z.B. Bestimmung des Frauennamens zum gemeinsamen Familiennamen, Vereinbarung der Gütergemeinschaft mit mehreren Frauen), doch treten sie in der Praxis nicht auf.

Zu 3:

Was unter „Ehe“ im Sozialrecht zu verstehen ist, wenn sie dort als eine Leistungsvoraussetzung genannt ist, ist eine Frage der Auslegung des Sozialrechts, das nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt.

Zu 4:

In privatrechtlichen Fällen mit Auslandsbezug ist vor Lösung der Rechtsfrage, ob eine Ehe gültig zustande gekommen ist und ob allenfalls ein Nichtigkeits- oder Aufhebungsgrund gegeben ist, festzustellen, das Recht welchen Staates anzuwenden ist. Dies ist für die Eheschließungsform und die inhaltlichen Voraussetzungen in den §§ 16 und 17 IPRG geregelt. Nach § 16 Abs. 2 IPRG genügt für die Gültigkeit der Eheschließung die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung. In solche wie in der Frage dargestellten Fällen sind die Ehen in Österreich daher als formgültig anzuerkennen. Die Voraussetzungen der Eheschließung sowie die der Ehenichtigkeit und der Aufhebung sind für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut (das ist in der Regel das Heimatrecht) zu beurteilen. Ist also einer der Ehegatten österreichischer Staatsbürger, so ist diese Zweit- oder Drittehe mit dem Nichtigkeitsgrund der Doppelehe behaftet und kann gerichtlich aufgelöst werden. Gehören jedoch beide Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung einem Staat an, nach dessen Recht die Eingehung solcher Mehrfachehen zulässig ist, liegt kein Nichtigkeits- oder Aufhebungsgrund vor. Dies gilt jedoch nur, soweit nicht die Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG eingreift. Danach ist nämlich eine Bestimmung des fremden Rechts nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden. Die Vielehe ist mit den Grundwerten des österreichischen Rechts unvereinbar, was sich aus den §§ 24 EheG und § 192 StGB ableiten lässt, wonach die Doppelehe ein Ehenichtigkeitsgrund und das Eingehen einer solchen strafbar ist. Soweit die fremde Rechtsordnung also nicht das Eingehen einer solchen Vielehe verbietet, oder nicht wenigstens als nichtig beurteilt, ist österreichisches Recht anzuwenden und die Ehe aus österreichischer Sicht als nichtige Doppelehe anzusehen. Nach der Rechtsprechung greift aber die Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG nicht schematisch und abstrakt ein, sondern erst bei einem ausreichenden Nahebezug zur österreichischen Rechtsordnung und nur im Hinblick auf das Ergebnis der Rechtsanwendung. Mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung ist eine ausländische Regelung nur dann und soweit unvereinbar, als sie sich im Einzelfall tatsächlich in relevanter Weise in Österreich auswirkt und ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das dem österreichischen ordre public widerspricht. Je gravierender die Unvereinbarkeit ist, um so geringere Anforderungen an den Nahebezug zur österreichischen Rechtsordnung werden gestellt.

Zu 5, 9 und 10:

Die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe richten sich nach dem gemeinsamen (letzten gemeinsamen) Personalstatut der Ehegatten und wenn sie ein solches nicht haben, nach dem Recht des gemeinsamen (letzten gemeinsamen) gewöhnlichen Aufenthalts (§ 20 IPRG). Auch hier kann im Einzelfall zu prüfen sein, ob und inwieweit das danach maßgebende Recht der österreichischen öffentlichen Ordnung widerspricht (siehe zu Frage 4). Soweit dies der Fall ist, gilt österreichisches Ersatzrecht.

Die Voraussetzungen der Ehelichkeit eines Kindes, sind nach dem Personalstatut zu beurteilen, das die Ehegatten im Zeitpunkt der Geburt des Kindes hatten; bei verschiedenem Personalstatut der Ehegatten ist das Personalstatut des Kindes im Zeitpunkt der Geburt maßgebend (§ 21 IPRG). Danach wird das Kind regelmäßig als ehelich anzusehen sein. Nach österreichischem Recht sind Kinder selbst aus nichtigen Ehen ehelich.

Zu 6:

Die Scheidungsvoraussetzungen richten sich nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen maßgeblichen Recht (siehe zu Frage 5). Mit ganz wenigen Ausnahmen sehen alle Rechtsordnungen die Scheidung von Ehen vor. Sie stellen dabei weder darauf ab, ob es sich um eine Zweit- oder Drittehe handelt oder um eine vernichtbare Ehe. Lediglich Nichtehen (die erst gar nicht gültig zustande gekommen sind) können nicht geschieden werden.

Eine Scheidungsklage kann vor einem österreichischen Gericht erhoben werden, wenn der beklagte Eheteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Wenn nur der Kläger seinen gewöhnliche Aufenthalt in Österreich hat, kann die Klage bei einem österreichischen Gericht erhoben werden, wenn entweder der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten in Österreich war, oder der Antragsteller sich seit mindestens einem Jahr vor der Antragstellung gewöhnlich in Österreich aufgehalten hat; ist der Kläger Österreicher, so genügt ein solcher letzter gewöhnlicher Aufenthalt von einem halben Jahr. Hat der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem EU-Staat, so genügt für die österreichische Scheidungszuständigkeit die österreichische Staatsbürgerschaft eines der Ehegatten.

Zu 8:

Das Erbrecht eines Ehegatten richtet sich nach dem Personalstatut des verstorbenen Ehegatten (§ 28 IPRG). Wenn der Verstorbene Österreicher war, ist österreichisches Recht maßgebend.

Das österreichische Recht unterscheidet beim Erbrecht des überlebenden Ehegatten nicht danach, ob die Ehe als Doppel- oder Mehrfachehe nichtig (das ist „vernichtbar“) war oder nicht. Dies gilt auch für die familienrechtliche Situation des Ehegatten (für die persönlichen Ehewirkungen). Nach österreichischem Recht kann sich nämlich niemand auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen, solange sie nicht gerichtlich für nichtig erklärt worden ist (§ 27 EheG).

Zu 11:

Man kann davon ausgehen, dass keine europäische Rechtsordnung eine Mehr-fachehe zulässt und sie alle fremden Regelungen, soweit sie Mehrfachehen erlauben, im Einzelfall als ordre public-widrig ansehen. Allerdings können sich die europäischen Rechtsordnungen bei der internationalprivatrechtlichen Behandlung von solchen Ehen, wenn sie einen Auslandsbezug haben, wesentlich unterscheiden. Aber auch die Folgen der Ehenichtigkeit können sehr unterschiedlich geregelt sein; eine Doppelehe kann als Nichtehe behandelt werden (es bedarf keiner gerichtlichen Nichtigerklärung) oder wie in Österreich als bloß „vernichtbare“ Ehe. Auch die Wirkungen der Nichtigerklärung können sich unterscheiden. Die Nichtigerklärung kann anders als nach österreichischem Recht bewirken, dass etwa die Kinder aus einer solchen Ehe nicht als ehelich gelten.

Um die Frage erschöpfend zu beantworten bedürfte es einer rechtsvergleichenden Studie, die nicht nur gesatztes Recht, sondern auch die Rechtsprechung – insbesondere zu dem oft sehr von der Rechtsprechung geprägten internationalen Privatrecht – berücksichtigen müsste. Eine solche Studie zu diesem Themenkreis ist mir leider nicht bekannt.

Zu 7, 12 bis 14:

Die Fragen fallen wegen ihrer aufenthaltsrechtlichen Zielrichtung nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.

 

. November 2005

(Maga. Karin Gastinger)