3462/AB XXII. GP

Eingelangt am 09.12.2005
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

JOSEF PRÖLL

Bundesminister

 

 

 

 

An den                                                                                               Zl. LE.4.2.4/0075-I 3/2005

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

 
Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 6. DEZ. 2005

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl.parl.Anfr.d.Abg.z.NR Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen

und Kollegen vom 12. Oktober 2005, Nr. 3507/J, betreffend

Konsequenzen aus dem Expertenbericht über AKW Temelin

 

 

 

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen vom 12. Oktober  2005, Nr. 3507/J, betreffend Konsequenzen aus dem Expertenbericht über AKW Temelin, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu Frage 1:

 

Da mir und dem Außenminister der Tschechischen Republik die Überwachung der Umsetzung der „Vereinbarung von Brüssel“ auf politischer Ebene übertragen wurde, stehe ich seit meinem Amtsantritt in ständigem Kontakt mit dem Außenminister der Tschechischen Republik. Ziel und Zweck dieser Kontakte ist die vollständige und vollinhaltliche Umsetzung der „Vereinbarung von Brüssel“. Dieser permanente Dialog ist ohne jede Alternative.

 

Zu den Fragen 2 und 3:

 

Nach übereinstimmender Ansicht Österreichs und der Tschechischen Republik ist die „kommerzielle“ Inbetriebnahme erst mit der „Kollaudierung“ nach dem Baugesetz anzusetzen. Dieser Interpretation hat auch der gutachtlich im Gegenstand beauftragte Prof. Rotter bei der jüngsten Sitzung des „Forum für Atomfragen“, bei der sein Gutachten ausführlich erörtert wurde, nicht widersprochen.

 

 

Zu Frage 4:

 

Das erwähnte Gutachten wurde mir von Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer und Landesrat Rudi Anschober mit gemeinsamem Schreiben vom 22. September 2005 übermittelt. Wie bereits ausgeführt, bestätigt das Gutachten von Prof. Rotter die Rechtsansicht meines Hauses. Ich verweise ferner darauf, dass auch das Gutachten von Prof. Rotter zu dem Schluss gelangt, dass Österreich nach derzeitiger Rechtslage keine formellen Streitbeilegungsmechanismen bemühen kann. Dies bestätigt mich in meiner Haltung, jedenfalls durch die Fortsetzung des bilateralen Dialogs – auf politischer wie auf technischer Ebene – weitere Fortschritte anzustreben.

 

Zu Frage 5:

 

Ich habe den Abschlussbericht des österreichischen Expertenteams nicht nur veröffentlicht, sondern auch offiziell an den Außenminister der Tschechischen Republik übermittelt und auf   – aus unserer Sicht – weiter oder vertiefend zu erörternde Themen hingewiesen. Somit habe ich bereits vor der „kommerziellen Inbetriebnahme“ klar und deutlich Stellung bezogen und ich habe – auch im Sinne des Gutachtens von Prof. Rotter – diesen Abschlussbericht ebenso auch an die Europäische Kommission übermittelt. Zwischenzeitlich hat mir der Außenminister der Tschechischen Republik schriftlich versichert, dass der bilaterale Meinungsaustausch bezüglich aller Sicherheitsaspekte des KKW Temelín im Rahmen des bilateralen „Nuklearinformationsabkommens“ weitergeführt wird und dass alle Schlussfolgerungen der Diskussionen, einschließlich der Anmerkungen der österreichischen Experten, in die behördliche Überwachung des KKW Temelín einfließen werden. Der Außenminister der Tschechischen Republik hat im Übrigen auch das Interesse an einer noch intensiveren Zusammenarbeit im Bereich der Steigerung der Effizienz der Energienutzung und der Nutzung erneuerbarer Energieträger sowie nachhaltiger Energiepolitik im Allgemeinen zum Ausdruck gebracht.

 

Dem Gutachten von Prof. Rotter weiter folgend sollte Österreich, so es Kenntnis von der Aufnahme des „kommerziellen Betriebes“ der beiden Blöcke des KKW Temelín erlangt, unter Berücksichtigung des bisherigen und des weiteren Verlaufs der Sicherheitsdiskussion bezüglich Temelín seine weitere Vorgangsweise im Interesse Österreichs entwickeln. Diesbezügliche Schritte können zu gegebener Zeit, frühestens nach Vorliegen eines rechtsgültigen Kollaudierungsbescheides für einen der beiden Blöcke des KKW Temelín geprüft werden.

 

Zu Frage 6:

 

Ich verweise auf die Beantwortung der Fragen 4 und 5. Ergänzend darf ich in Erinnerung rufen, dass sich Österreich und die Tschechische Republik auf das gemeinsame Ziel geeinigt hatten, die bilateralen Verpflichtungen zur Sicherheit Temelíns in ein Protokoll zur Beitrittsakte aufzunehmen. Dies haben die damaligen Außenminister beider Staaten anlässlich der Beitrittskonferenz auf Ministerebene am 12. Dezember 2001 in ihren Erklärungen vor dieser Beitrittskonferenz bekräftigt. Damit war dieses Ziel auch allen damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bekannt. Trotzdem ist in nicht vorhersehbarer Weise die angestrebte Verankerung der „Vereinbarung von Brüssel“ in einem Protokoll zur Beitrittsakte ein Jahr später bedauerlicherweise am Widerstand einiger Mitgliedstaaten gescheitert.

 

Zu Frage 7:

 

Ich verweise darauf, dass alle relevanten Dokumente zur „Vereinbarung von Brüssel“ sowie alle Berichte der österreichischen Expertenteams auf der Internetseite des Umweltbundesamtes (www.umweltbundesamt.at) öffentlich zugänglich sind.

 

Zu Frage 8:

 

Siehe Antwort auf die Frage 5. Ein Treffen im Sinne der Frage 8 ist derzeit nicht in Vorbereitung.

 

Zu Frage 9:

 

Die Kosten für Beratungsleistungen und Expertengutachten im Rahmen der Implementierung der „Road Map“ wurden mit ca. € 4,5 Mio. abgeschätzt. Bislang wurden rund € 3,6 Mio. ausgegeben. Dank der umsichtigen Vorgangsweise meiner MitarbeiterInnen sowie des Umweltbundesamtes werden die präliminierten Kosten voraussichtlich unterschritten werden können.

 

Zu Frage 10:

 

Wie bereits erwähnt, sind die Endberichte zu den einzelnen technischen Projekten der „Road Map“ sowie der zusammenfassende Abschlussbericht der österreichischen Experten auf der Internetseite des Umweltbundesamtes öffentlich zugänglich. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass die vorliegenden Berichte vor allem detaillierte technische Fragen ansprechen.

 

Zu Frage 11:

 

Nachdem die Endberichte zu den einzelnen technischen Projekten der „Road Map“ sowie der zusammenfassende Abschlussbericht der österreichischen Experten meinem Hause seitens des Umweltbundesamtes im Laufe des Juni und Juli dieses Jahres vorgelegt wurden, sind all diese Berichte einschließlich ihrer wechselseitigen Referenzen vor der Veröffentlichung des Endberichts sehr sorgfältig geprüft worden. Ich denke, dass diese Sorgfalt in dieser Angelegenheit jedenfalls notwendig war.

 

Zu Frage 12:

 

Die Veröffentlichung erfolgte zu dem Zeitpunkt, zu dem die umfassende Prüfung in meinem Hause abgeschlossen und die technischen Voraussetzungen gegeben waren.

 

Zu Frage 13:

 

Zunächst verweise ich darauf, dass zwei Nachbarstaaten – wohl erstmals in der Geschichte – gemeinsam Sicherheitsziele für ein Kernkraftwerk entwickelten und gleichzeitig vereinbarten, die Erreichung dieser Ziele gemeinsam voranzutreiben.

 

Ein ganz wesentlicher Fortschritt besteht in der Schaffung eines permanenten Prüfungs- und Überwachungssystems der Rohrleitungen auf der 28,8 m Bühne. Bezüglich der Ventile wurde zum einen die sicherheitsrelevante Dokumentation verbessert und zum anderen wurden konkrete technische Verbesserungen an den Ventilen selbst vorgenommen.

Bei der Analyse von Schockbelastung unter Temperatur und Druck (PTS) entspricht die tschechische Vorgehensweise bezüglich Konzept, Methodik und der angewandten Computer-Codes dem Stand der Technik.

 

Wiederkehrende Prüfungen (ISI) und zerstörungsfreie Prüfungen (NDT) des Primärkreislaufes im KKW Temelín werden auf der Grundlage von Anforderungen wie den in westeuropäischen Ländern gültigen durchgeführt und sind überwiegend vergleichbar mit der westlichen Praxis. Die Wirbelstromprüfung von Dampferzeuger-Heizrohren entspricht sogar der besten westlichen Praxis.

 

Das Niveau des bisher Erreichten und die Berücksichtigung der aktuellen Aktivitäten (Verbesserungen der Eigenschaften von Komponenten gegenüber Erdbebengefährdungen) lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Qualifizierung von sicherheitsrelevanten Komponenten in Temelín keine offene Sicherheitsfrage mehr darstellt.

 

Sicherheitsrelevante Gebäude und einige interne Strukturen wurden in Folge der Analysen der Erdbebengefährdung des Standortes nachgerüstet. Die Neubewertung der seismischen Auslegung entspricht den derzeit gültigen Standards und Empfehlungen.

 

Die Entwicklung der SAMG (Severe Accident Management Guidelines) wird zu konkreten technischen Nachrüstmaßnahmen führen, um die Beherrschbarkeit auslegungsüberschreitender Unfälle zu verbessern.

 

Die Tätigkeit der Arbeitsgruppe zum Vergleich der Berechnungen von radiologischen Folgen von auslegungsüberschreitenden Störfällen verlief so erfolgreich, dass wesentliche Ergebnisse bei einem internationalen Symposium zu „Off-Site Nuclear Emergency Management“, das vom BMLFUW mit veranstaltet wurde und vom 29. September bis 3. Oktober 2003 in Salzburg stattgefunden hat, präsentiert werden konnten. Daten, die für die österreichische Notfallplanung wichtig sind, und die bisher nicht verfügbar waren, werden nunmehr laufend ausgetauscht. Ein gemeinsamer tschechisch-österreichischer Endbericht wurde auf den Internet-Seiten des BMLFUW und des Staatsamts für Nukleare Sicherheit (SÚJB) veröffentlicht.

 

Die bisher erzielten Fortschritte bedeuten jedoch nicht, dass es keine Diskussionspunkte mehr geben könnte. Das Ziel einer möglichst hohen nuklearen Sicherheit ist, wie sich immer wieder zeigt, eine permanente Herausforderung. So werde ich im Rahmen meiner Zuständigkeiten weiterhin darauf achten, dass der Betreiber des KKW Temelín und das SÚJB ihre Bemühungen fortsetzen, die in der „Vereinbarung von Brüssel“ festgelegten Sicherheitsziele bestmöglich zu verfolgen.

 

Die in den Bescheiden des SÚJB vom 11. Oktober 2004 enthaltenen Auflagen sind ein wesentlicher Schritt in diese Richtung. Diese Auflagen fordern u.a. eine regelmäßige Aktualisierung

·               der Sicherheitsberichte,

·               der probabilistischen (wahrscheinlichkeitstheoretischen) Sicherheitsanalysen und

·               der Richtlinien zum Management schwerer Unfälle (SAMG).

 

Diese Form der bedingten Betriebsbewilligung stellt einen völlig neuartigen Ansatz dar.

 

Zu Frage 14:

 

Ich verweise auf die Beantwortung der Frage 13. Kostenabschätzungen zu getroffenen und allenfalls noch zu treffenden Maßnahmen liegen mir nicht vor.

 

Zu Frage 15:

 

Soweit mir darüber Informationen vorliegen, werden – laut übereinstimmenden Angaben des Betreibers des KKW Temelín und der zuständigen Behörden – die Hochdruckteile der Turbinen beider Blöcke ausgetauscht. Nach den mir vorliegenden Informationen beschränkt sich ferner die Limitierung der Leistung auf 80 % der Nennleistung derzeit auf den zweiten Block des KKW Temelín. Da die Anlage grundsätzlich auf Teillastbetrieb ausgelegt ist, ist ein Betrieb mit 80 % der Nennleistung sicherheitstechnisch nicht von unmittelbarer Relevanz.

 

Zu Frage 16:

 

Ich schicke voraus, dass es mir gerade im Bereich der Nuklearpolitik ein großes Anliegen ist, den Entschließungen des Nationalrates nachzukommen. Österreich hat die „Null-Variante“ bei jedem Kontakt und bei jeder Gelegenheit releviert. Diesbezüglich ist jedoch eine Verhandlungsbereitschaft auf tschechischer Seite derzeit nicht erkennbar.

 

 

Der Bundesminister: