3469/AB XXII. GP

Eingelangt am 09.12.2005
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0087-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3500/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „eBay-Betrug – keine Sicherheit für Kunden?“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Der Fall ist mir aufgrund eines Berichtes der zuständigen Staatsanwaltschaft in seinen wesentlichen Punkten bekannt.

Zu 2:

Rechtshandlungen, die von einem fremden eBay-Account gesetzt werden, sind unwirksam, wenn jene Person, auf deren Namen der Account geführt wird, hiezu keine Vollmacht erteilt hat. Ein Vertrag kann daher nicht wirksam zustande kommen. Mangels Vertrags, an den der Besitzer des Accounts gebunden wäre, kann auch keine Stornogebühr im Sinne eines Reuegelds, bei dessen Zahlung der Vertrag aufgelöst werden kann, oder im Sinn einer vereinbarten Konventionalstrafe gefordert werden. Sofern – wovon in der Einleitung der Anfrage bei Schilderung des Falls des 18-jährigen Lehrlings ausgegangen wird – keinerlei Verschulden des Inhabers des Accounts vorliegt, liegt auch keine Grundlage für allfällige Schadenersatzansprüche des Vertragpartners vor.

Diese Ausführungen verstehen sich selbstverständlich unvorgreiflich der unabhängigen Rechtsprechung.

Zu 3:

Zum geschilderten Sachverhalt ist aus strafrechtlicher Sicht festzuhalten, dass die Angaben zum geschilderten Fall zu unbestimmt erscheinen, um eine abschließende Würdigung vornehmen zu können. Allgemein können im vorliegenden Zusammenhang etwa die Betrugstatbestände (§§ 146 ff StGB) oder betrügerischer Datenmissbrauch (§ 148a StGB).in Betracht kommen.

Weiters ist hinsichtlich der Beschaffung von Daten durch „Hacking“ auf die im Rahmen des Strafrechtsänderungsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 134/2002 eingeführten Bestimmungen wie u.a. jene des § 118a StGB (Widerrechtlicher Zugriff auf ein Computersystem), § 119a (Missbräuchliches Abfangen von Daten) und § 126c StGB (Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten) sowie auf die Strafbestimmungen nach dem Datenschutzgesetz 2000 hinzuweisen.

Zu 4:

Die Staatsanwaltschaft hat beim zugrundeliegenden Fall einen – für eine Verwirklichung der Betrugstatbestände der §§ 146ff StGB erforderlichen –Bereicherungsvorsatz verneint. Eine Ausforschung der IP-Adresse(n) nach §§ 149a ff StPO war aufgrund der Strafdrohungen der in Betracht gezogenen weiteren Delikte nicht möglich. In technischer Hinsicht ist eine Maßnahme nach § 149a StPO dann wenig Erfolg versprechend, wenn der „Hacker“ ein sogenanntes Anonymisierungstool verwendet, das die IP-Adresse seines Rechners verschleiert.

Zu 5 bis 9, 16, 18 und 19:

Die Cyber-Crime-Konvention des Europarates, ETS Nr. 185, wurde in Österreich mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002 umgesetzt;  dabei wurden u.a. die oben zu 3. angeführten strafrechtlichen Bestimmungen geschaffen.

Eine weitergehende Regelung wird durch die bis spätestens 16. März 2007 vorzunehmende Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates über Angriffe auf Informationssysteme erfolgen. Der Beschluss sieht insbesondere die Schaffung weiter gefasster Strafbestände im Bereich des rechtswidrigen Zugangs zu Informationssystemen, des rechtswidrigen Systemeingriffs und der rechtswidrigen Datenbearbeitung vor.

Über die Umsetzung des Rahmenbeschlusses hinausgehende legistische Maßnahmen auf dem Gebiet des Strafrechts erscheinen derzeit nicht erforderlich.

Die Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz nimmt Versteigerungen von ihrem Anwendungsbereich aus. Dementsprechend bestimmt auch § 5b Z 4 KSchG an, dass die Bestimmungen über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz auf Versteigerungen nicht anzuwenden sind. Allerdings ist es nach dem Informationsstand des Bundesministeriums für Justiz fraglich, ob Internet-Auktionen von dieser Ausnahme umfasst sind. Der deutsche BGH hat etwa jüngst entschieden, dass auf Online-Auktionen die Ausnahme von der Anwendung der Fernabsatzbestimmungen nicht anzuwenden ist, weil diese – mangels Zuschlags – nicht als Versteigerungen zu qualifizieren seien.

Relevanz kommt der Frage der Anwendung der §§ 5a ff KSchG über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz insbesondere deshalb zu, weil in diesem Fall dem Verbraucher ein generelles Rücktrittsrecht eingeräumt wird.

Die im Einleitungstext geschilderten Betrugsfälle können meines Erachtens nicht durch Änderungen dieser Richtlinie oder der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr verhindert und bekämpft werden. Vielmehr kann solchen unerwünschten Vorkommnissen durch den verstärkten Einsatz sicherer und hochwertiger Identifizierungssysteme entgegen gewirkt werden. Eine verpflichtende Verwendung solcher Systeme ist aber weder aus Sicht der Anbieter noch der Nutzer anzustreben.

Diesen technischen Problemen entgegen zu treten kann nur über eine gemeinsame internationale Vorgehensweise Erfolg beschieden sein.

Freilich wird auch der Information und Aufklärung der Nutzer über mögliche Risken und Schutzvorkehrungen besondere Bedeutung zu kommen, von der Auswahl eines sicheren Passwortes, Übermittlung von Nachrichten mittels sicherer Signaturen bis hin zum Schutz des eigenen Rechners mit geeigneter und aktueller Antiviren- und Firewallsoftware.

Zu 10:

Judikatur zu den in der Anfrage angesprochenen Internetproblemen ist mir nicht bekannt. Die in der Praxis bedeutsamen Fälle, in denen über Internetforen ersteigerte Ware nach der Bezahlung nicht geliefert wird, werden nach §§ 146 ff StGB verfolgt; häufig handelt es sich hier um im Ausland wohnhafte Verdächtige. In diesen Fällen werden Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung gestellt.

Zu 11:

Bei den Streitigkeiten zwischen e-Bay Kunden wird es sich regelmäßig um Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis handeln (um Ansprüche aus dem Kaufvertrag). Nach dem EVÜ (Europäisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisses anzuwendende Recht) sind vertragliche Schuldverhältnisse nach dem Recht zu beurteilen, das die Vertragsparteien vereinbart haben. Mangels einer solchen Rechtswahl ist das Recht maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht. Es wird vermutet, dass die stärkste Beziehung zu dem Recht des Staates gegeben ist, in dem die zur charakteristischen Leistung verpflichtete Vertragspartei ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat. In der Lehre ist vertreten worden, dass bei Versteigerungen eine solche nähere Beziehung zum Recht des Versteigerungsortes besteht. Diese Meinung wird aber auf Versteigerungen im Internet nicht zutreffen, weil es in diesen Fällen keine solche Örtlichkeit gibt.

Dem EVÜ gehen Bestimmungen vor, die Richtlinien umsetzen. Das E-Commerce-Gesetz ist eine solche Bestimmung. Es ordnet grundsätzlich – soweit keine Ausnahmen greifen – die Maßgeblichkeit des Herkunftslandrechtes an. Dies ist das Recht des Staates, in dem der Anbieter niedergelassen ist. Im Ergebnis führt also auch das E-Commerce-Gesetz zum Anbieterrecht, so dass in diesem Rechtsbereich im Allgemeinen nicht zwischen dem Geltungsbereich des E-Commerce-Gesetzes und dem des EVÜ abgegrenzt werden muss. Im Einzelfall kann aber das Ergebnis unterschiedlich ausfallen, je nach dem, welche gesetzliche Grundlage heranzuziehen ist: Das Herkunftslandprinzip des E-Commerce-Gesetzes etwa erlaubt es nicht, eine im Einzelfall nähere Beziehung zu einem anderen Recht zu berücksichtigen.

Für Verbraucherverträge gelten Sonderregeln. Das E-Commerce-Gesetz nimmt Verbraucherverträge vom Herkunftslandprinzip aus (§ 21 Z 6), sie sind daher nach dem EVÜ anzuknüpfen. Da es sich bei einem Kauf in einer Internetversteigerung regelmäßig um einen Fall handeln wird, bei dem dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in dem Staat vorangehen wird, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und der Verbraucher in diesem Staat die erforderlichen Rechtshandlungen zum Abschluss des Vertrages vornimmt, ist die Rechtswahlmöglichkeit beschränkt – zwingende Bestimmungen des Verbraucherrechts bleiben vorbehalten. Wenn keine Rechtswahl getroffen wurde, so ist das Verbraucherrecht maßgebend. Die Bestimmungen des KSchG, die die Rechtswahlmöglichkeit in weiteren Fällen einschränken, müssen nicht geprüft werden, wenn die Rechtswahl schon nach dem EVÜ dieser Beschränkung unterliegt.

Ergänzend sei bemerkt, dass das Wiener UN-Kaufrechtsübereinkommen hier keine Rolle spielt, weil Käufe in Versteigerungen von seinem Anwendungsbereich ausgenommen sind.

Zu 12:

Die gerichtliche Zuständigkeit für zivilrechtliche Streitigkeiten aus Kaufverträgen ist in der EuGVVO geregelt (im Verhältnis zu Dänemark wird diese Verordnung in absehbarer Zeit auch gelten). Danach ist ein Gerichtsstand vor den Gerichten des Mitgliedstaates gegeben, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Die Klage kann aber auch bei dem Gericht des Ortes erhoben werden, in dem die Verpflichtung aus dem Vertrag erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Der Erfüllungsort ist bei dem Verkauf beweglicher Sachen der Ort, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder zu liefern gewesen wären.

Für Klagen aus Verbraucherverträgen gelten Sonderregelungen. In bestimmten Fällen, etwa, wenn der andere Vertragspartner seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ausübt oder sie auf diesen Staat oder auf mehrere einschließlich diesen Staates ausrichtet, kann der Verbraucher nur vor dem Gericht des Ortes geklagt werden, in dem er seinen Wohnsitz hat. Der Verbraucher hingegen kann zwischen dem allgemeinen Beklagtengerichtsstand wählen oder dem Klägergerichtsstand; er kann also die Klage auch vor dem Gericht des Ortes erheben, in dem er seinen Wohnsitz hat.

Grundsätzlich können die Vertragsparteien eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Diese Möglichkeit ist zum Schutz des Verbrauchers allerdings beschränkt.

Zu 13 und 14:

Zu der in der Anfragebeantwortung zu 2884/J in Erwägung gezogenen Besprechung mit den Ländern betreffend Probleme, die aus der Vollziehung des E-Commerce-Gesetzes resultieren können, ist es bisher aus Kapazitätsgründen noch nicht gekommen. Ein solcher Termin ist mit Anfang des kommenden Jahres in Aussicht genommen.

Zu 15:

Den Tatbestand der Hehlerei nach § 164 StGB begeht,

wer den Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützt, eine Sache, die dieser durch sie erlangt hat, zu verheimlichen oder zu verwerten (Abs. 1), oder wer eine solche Sache kauft, sonst an sich bringt oder einem Dritten verschafft.

Für die Erfüllung dieses Tatbestandes ist Vorsatz des Hehlers hinsichtlich der unredlichen Herkunft der Gegenstände erforderlich. Wie er den Täter dabei unterstützt oder auf welche Weise er sich oder dem Dritten die fraglichen Gegenstände verschafft, ist nicht von Bedeutung. Es ist also durchaus möglich, dass bei derartigen Transaktionen Hehlerei eine Rolle spielt, aber nur unter der Voraussetzung, dass dem Täter zumindest ein bedingter Vorsatz nachgewiesen werden kann.

Zu 17:

Dem Bundesministerium für Justiz sind keine Möglichkeiten eingeräumt, Maßnahmen gegen allfällige Mängel in allgemeinen Geschäftsbedingungen zu ergreifen. Die Geltungs- und Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt ausschließlich den unabhängigen Gerichten.

08. Dezember 2005

(Maga. Karin Gastinger)