3470/AB XXII. GP

Eingelangt am 09.12.2005
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0088-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3509/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen, haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Operation Spring“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 5:

Ziel der Besprechung war die rein juristische Erörterung von Konsequenzen aus dem Film „Operation Spring“. Dementsprechend nahmen an dem Gespräch ausnahmslos hohe Beamte aus dem Bereich der Strafjustiz – konkret aus dem BMJ, der Generalprokuratur und der Oberstaatsanwaltschaft Wien – teil. Der Menschenrechtsbeirat ist ein Beratungsorgan des Bundesministers für Inneres und zu diesem Zweck ermächtigt, die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und ihrer Organe unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Menschenrechte zu beobachten und begleitend zu überprüfen. Im Bereich der Gerichtsbarkeit oder der Staatsanwaltschaften kommen dem Menschenrechtsbeirat hingegen keine Kontrollbefugnisse zu.

Ein teilnehmender Abteilungsleiter im BMJ war seinerzeit ein mit der Bearbeitung des Falles „Operation Spring“ befasster Staatsanwalt. Seine persönlichen Erfahrungen sind in die Diskussion eingeflossen.

Zu 6 und 11:

Der Gesprächsverlauf war von einem regen Meinungsaustausch aller Beteiligten geprägt, der schließlich in einem Konsens endete.

Zu 7:

Es ging um eine rein juristische Bewertung der im Film dargestellten Missstände und Ungereimtheiten. Den Schwerpunkt der Erörterungen bildeten Behauptungen über falsche Übersetzungen, einen anonymen und vermummten Zeugen, der seine Belastungen widerrufen hat, und die konkrete Durchführung des Lausch- und Spähangriffs sowie die Bewertung der Ergebnisse dieser Maßnahme.

Nachdem in einem derzeit noch offenen Strafverfahren das Aussageverhalten dieses Zeugen von einem Schöffengericht im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung bewertet und dort eine Auseinandersetzung mit der Qualität eines der ursprünglich befassten Dolmetscher erfolgen wird, kam man überein, die in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse abzuwarten.

Der große Lausch- und Spähangriff wurde seinerzeit vom damaligen Rechtsschutzbeauftragten, Hon.-Prof. Dr. Rudolf Machacek, Rechtsanwalt, ehemaliger Richter des VfGH und ehemaliges Mitglied des Europäischen Anti-Folter-Komitees, wie folgt bewertet:

„Im Laufe der Observierung kann die Identität unmittelbar von über 60 Personen und mittelbar von über 100 Personen geklärt werden. Die optische Observierung lässt die Bosse und Chefs sowie die Verteiler klar feststellen und den Drogenbezug durch die Verteiler, die Methode des versteckten Transports und die Frequenz der Versorgung deutlich erkennen. Aus den Observierungen ergibt sich, dass von der Tätergruppe außerordentlich umfangreiche und lukrative Umsätze getätigt werden.“

Im Übrigen hat der OGH, soweit er mit Entscheidungen in diesem Zusammenhang befasst war, weder die Modalitäten rund um die Einvernahme des anonymen Zeugen noch die Verwertung der Ergebnisse der Überwachung beanstandet, sondern insbesondere letztere in der dem gegenwärtig noch offenen Verfahren zu Grunde liegenden Entscheidung vom 11.2.2003, 11 Os 155/02 –9 als für den Angeklagten belastend gewertet.

Zu 8 und 9:

Die Besprechung dauerte etwa eine Stunde und bot allen Teilnehmern ausreichend Gelegenheit, alle anstehenden Fragen ausführlich zu erörtern. Dabei war die Erörterung des Gesamtkomplexes vorgesehen, die Auseinandersetzung mit Einzelfällen war nicht Gegenstand der Besprechung.

Zu 10:

Die weiteren Prüfungen hängen von den Ergebnissen des noch anhängigen Verfahrens ab.

Zu 12:

Der Dokumentarfilm wurde von allen Anwesenden ambivalent beurteilt. Wenn Verfahrensergebnisse auf falschen Übersetzungen und Zeugenaussagen aufbauen, schürt dies natürlich Zweifel, ob die Rechtsfindung zutreffend war. Andererseits ist es ein Manko dieser Dokumentation, dass die Sicherheits- und Anklagebehörden nicht zu Wort gekommen sind, um eine ausgewogene Darstellung zu erreichen.

Zu 13:

Es gibt lediglich amtsinterne Festhaltungen des Besprechungsergebnisses, deren Veröffentlichung nicht vorgesehen ist.

Zu 14:

Die Stellung eines Wiederaufnahmsantrages ist für eine verurteilte Person per se mit keinen Kosten verbunden. Liegen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme eines Verfahrens vor, so hat der Untersuchungsrichter die Tatsachen zu erheben, durch die der Antrag begründet wird ( § 357 Absatz 2 StPO).

Sollte der Antrag erfolgreich sein und im wiederaufgenommenen Verfahren ein Freispruch oder eine Verurteilung nach einem milderen Strafgesetz erfolgen, besteht eine Haftung des Bundes auch hinsichtlich der Kosten der Verteidigung (§§ 1, 2 Abs. 1 Z 3 StEG). Den Aufwand, der für die Beibringung der für die Stellung eines Wiederaufnahmsantrages benötigten Unterlagen, etwas das Auffinden neuer Beweismittel, für einen rechtskräftig Verurteilten nötig ist, vermag ich freilich nicht abzuschätzen.

Zu 15:

Zur Frage des Weisungsrechts möchte ich auf die intensiven und ausführlichen Beratungen des Österreich-Konvents verweisen. Ich halte die im Schlussbericht des Vorsitzenden, Dr. Franz Fiedler, vorgeschlagenen Bestimmungen über die Stellung der Staatsanwaltschaften in der Bundesverfassung für ausgewogen und unterstütze ihre Umsetzung. Nach dem vorgeschlagenen Artikel 217 soll die öffentliche Anklage sowie die justizielle Strafverfolgung den Staatsanwaltschaften obliegen, wobei die Stellung der Staatsanwälte als Organe der Justiz durch Bundesgesetz zu gewährleisten sein soll. Die Überprüfung der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz im Bereich der Staatsanwaltschaften nach abgeschlossenen Strafverfahren soll gemäß Artikel 143 Abs. 1 der vorgeschlagenen neuen Bundesverfassung einem ständigen Unterausschuss des Nationalrates überantwortet werden. Zur näheren Begründung dieser Vorschläge verweise ich auf den Bericht des Ausschusses 9 „Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit“, dem sich entnehmen lässt, dass weder Forderungen nach Abschaffung des Weisungsrechts noch solche nach einer Verlagerung der „Weisungsspitze“ auf die Generalprokuratur oder eine einzurichtenden „Bundesanwaltschaft“ die erforderliche Unterstützung gefunden haben. Die Idee einer parlamentarischen Kontrolle der Ausübung des Weisungsrechts entspricht der Verantwortlichkeit eines Bundesministers gegenüber dem Nationalrat und spiegelt meine Bemühungen wieder, für mehr Transparenz bei der Ausübung dieser Befugnis zu sorgen.

Weisungen des BMJ kommen nur bei kontroversiellen Standpunkten in Frage, die im Bereich des in Rede stehenden Verfahrenskomplexes allerdings nicht vorliegen.

 

08. Dezember 2005

(Maga. Karin Gastinger)