3486/AB XXII. GP
Eingelangt am 14.12.2005
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BM für Inneres
Anfragebeantwortung
DVR:0000051
GZ:
30.141/348-II/3/05
Herrn
Präsidenten des
Nationalrates
Parlament
1017 W i e n
Wien, am Dezember 2005
Die Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und GenossInnen haben am 18.10.2005 unter der Nr. 3522/J-NR/2005 an mich eine schriftliche parlamentarische Antrage betreffend „Visahandel“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 4:
Erstmals wurde das BM.I mit
Schreiben vom 9.11.2002 vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten
über angebliche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Österreichischen
Botschaft Budapest unterrichtet. Nach durchgeführten Überprüfungen konnte der
Verdacht eines Fehlverhaltens jedoch nicht erhärtet werden.
Die zuständige Fachabteilung
des BM.I hat aus Eigenem eine Überprüfung der Visumerteilungen in Bezug auf
eine bestimmte Firma durchgeführt. Anlass war ein Asylantrag eines moldawischen
Staatsangehörigen, der mit einem Visum der Österreichischen Botschaft Bukarest
in einem anderen Schengenstaat um Asyl angesucht hatte. So wurde mit Schreiben
vom 27.05.2003 ein Bericht der Botschaft angefordert. Am 12. 06.2003 wurde eine
Sachverhaltsmitteilung dem Bundeskriminalamt mit dem Ersuchen übermittelt,
geeignete Erhebungen und eine Überprüfung besagter Firma, über deren
Einladungen auch über die Österreichische Botschaft Budapest Visa erteilt
worden waren, einzuleiten.
Am 30.09.2003 erging weiters
ein Auftrag der Fachabteilung zur Firmenüberprüfung an die
Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf, der nachfolgende Bericht vom 10.11.2003
sowie ein weiterer Bericht vom 19.01.2004 lieferten jedoch keine Hinweise auf
strafrechtliches Verhalten.
Die Österreichische
Botschaft Budapest wurde am 5.4.2004 via Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten unter Anschluss des Berichtes der Bezirkshauptmannschaft
Oberpullendorf angewiesen, bei Einladungen besagter Firma nur mehr Visa mit
ein- oder zweitägiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.
Im November 2004 und März
2005 wurden im Zusammenhang mit dieser Firma über Ersuchen der Fachabteilung
Observationen von eingeladenen Personengruppen durch das Bundeskriminalamt
durchgeführt, welche jedoch ebenfalls zu keinen negativen Erkenntnissen
führten.
Im August 2004 fand ein
gemeinsamer Prüfbesuch an der Österreichischen Botschaft Bukarest mit dem
Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten statt, in dessen Rahmen zwar
fachliche Mängel festgestellt werden konnten, jedoch kein Hinweis auf
strafrechtlich relevantes Verhalten.
Seitens des BM.I, Büro für
interne Angelegenheiten, erfolgten Erhebungen aufgrund Angaben eines anonymen
Hinweisgebers sowie additiv eines Erhebungsauftrages der zuständigen
Staatsanwaltschaft ab Mitte März 2005.
Zu den Fragen 5, 6 und 15:
Die „Visaaffäre“ in
Deutschland betraf die generelle Visumpraxis aufgrund der internen Weisungslage
Deutschlands, die teilweise vom EU- und Schengenacquis insofern abwich, als sie
einerseits auf der Vorgangsweise beruhte, im Zweifel Visa zu erteilen anstatt
zu versagen, und andererseits auf der Praxis, Visa bei Vorlage eines
Touristencarnets ohne weitere Prüfung der gesicherten Wiederausreise zu
erteilen.
Für Österreich ist festzuhalten, dass entsprechend den schengenweit gültigen
Vorschriften der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion (GKI) sowie den
Bestimmungen des FrG einem Visumantrag dann stattzugeben ist, wenn alle
erforderlichen Unterlagen erbracht wurden, der Antrag in sich schlüssig ist und
keine Zweifel an der Wiederausreise bestehen.
Die Beurteilung der
gesicherten Wiederausreise ist getrennt vom Nachweis ausreichender
Unterhaltsmittel (dazu zählt auch ein Carnet oder eine tragfähige
Verpflichtungserklärung durch Dritte) zu betrachten, der nur einer von mehreren
zu erbringenden Nachweisen ist.
Zweifel an der gesicherten
Wiederausreise können nicht durch finanzielle Mittel substituiert werden,
sodass in dieser Fallkonstellation ein Antrag abzuweisen wäre. Dies ist gängige
Praxis und wurde in den Grundsatzerlässen, aber auch in Erlässen zu
Touristencarnets und Verpflichtungserklärungen regelmäßig betont.
Die Rechts- und Erlasslage
ist schengenkonform. Es gab daher keinen Anlass für Änderungen.
Zu den Fragen 7 und 8:
Derzeit
sind zirka 4560 Akten aus mehreren Konsulaten Gegenstand der Ermittlungen. Für
alle beteiligten Personen gilt gemäß den einschlägigen gesetzlichen
Bestimmungen bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung.
Zu Frage 9:
Aufgrund
des dazu laufenden strafgerichtlichen Verfahrens kann diese Frage zum gegebenen
Zeitpunkt nicht beantwortet werden.
Zu Frage 10:
Vom
Büro für Interne Angelegenheiten werden die sachdienlichen Ermittlungen in
enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Justizdienststellen in alle nötigen
Richtungen geführt. Aufgrund des dazu laufenden strafgerichtlichen Verfahrens
kann diese Frage zum heutigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden.
Zu den Fragen 11, 12 und 22:
Die Vertretungsbehörden
entscheiden aufgrund der bereits erwähnten gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich
aus Eigenem. Erforderliche Inlandserhebungen werden im Wege des
elektronischen Schengener VISION - Systems direkt über die zuständigen
Fremdenpolizeibehörden veranlasst.
Bei rund 30 Nationalitäten,
Flüchtlingen und Staatenlosen sind vor Visumerteilung zusätzlich die
Schengenpartner über das VISION - System zu konsultieren. Darüber hinaus
bestehen Meldepflichten an die Schengenpartner über erteilte Visa, deren
Geltungsbereich räumlich auf Österreich beschränkt wurde.
Bei 25 Nationalitäten,
Flüchtlingen und Staatenlosen hat sich das BM.I die Zustimmung zur
Visumerteilung vorbehalten. Je nach Grund der Rückfrage werden verschiedene
Organisationseinheiten des BM.I oder nachgeordnete Dienststellen befasst.
Seit 1997 besteht bei
Staatsangehörigen von Nigeria und Ghana nach Visumerteilung Meldepflicht an das
Bundeskriminalamt.
Im Übrigen erfolgen
Rückfragen im Rahmen der von den österreichischen Vertretungsbehörden
veranlassten Inlandserhebungen. Darüber hinaus werden der Fachabteilung
spezielle Sachverhalte vorgelegt oder diese lässt sich in bestimmten
Anlassfällen Visumakte übermitteln.
Die Konsultationen der
Schengenpartner oder der Inlandsbehörden wie auch die von den
Vertretungsbehörden veranlassten Inlandserhebungen oder sonstigen Rückfragen an
die Fachabteilung werden über das elektronische VISION – System abgewickelt,
eine zahlenmäßige Aufschlüsselung ist nicht möglich.
Im Jahr 2002 wurden durch
die Vertretungsbehörden
- 29.059 Fälle eingespielt
(Konsultationen, Inlandserhebungen, Rückfragen) und
- 3.370 Meldungen über die
Erteilung räumlich beschränkter Visa
erstattet.
Die Schengenpartner haben
Österreich in 50.890 Fällen konsultiert und 40.422 räumlich beschränkte Visa
gemeldet.
Es wurden somit 123.741
Vorgänge registriert. Im Vergleich dazu wurden von Österreich im Jahr 2002
427.084 Visa erteilt.
Im Jahr 2003 wurden durch
die Vertretungsbehörden
- 37.074 Fälle eingespielt
(Konsultationen, Inlandserhebungen, Rückfragen) und
- 5.500 Meldungen über die
Erteilung räumlich beschränkter Visa
erstattet.
Die Schengenpartner haben
44.242 Fälle konsultiert und 56.263 räumlich beschränkte Visa gemeldet.
Es wurden somit 143.079
Vorgänge registriert. Im Vergleich dazu wurden von Österreich im Jahr 2003
420.184 Visa erteilt.
Zu den Fragen 13 und 14:
Die BM.I - interne Visadatei
wird nach mehreren Gesichtpunkten aufgeschlüsselt und von der Fachabteilung
monatlich nach Auffälligkeiten untersucht. Bei der Beurteilung zu treffender
Maßnahmen werden jedoch nicht nur die Visazahlen, sondern auch die Asyl- und
Kriminalitätsstatistiken beobachtet und die Praxis der anderen Schengenpartner,
das allgemeine Migrationsrisiko sowie die aktuelle politische Situation
bewertet. Besondere Auffälligkeiten werden mit dem Bundesministerium für
auswärtige Angelegenheiten anlassbezogen besprochen.
Bei Auffälligkeiten stehen
folgende Mechanismen zur Verfügung:
Aufgrund obgenannter
Prüfungsmechanismen wurde zusätzlich zu den bestehenden Rückfragepflichten am
10.08.2004 die Rückfragepflicht für nigerianische Staatsangehörige und am
12.08.2004 die Rückfragepflicht für moldawische Staatsangehörige angeordnet.
Das BM.I führte im Auftrag des LG Wien vom 16.9. bis 21.9.2004 Erhebungen an
der Österreichischen Botschaft Lagos durch. Weiters wurden vom 18.08. bis
24.11.2004 Dokumentenberater nach Lagos entsandt. Auf den bereits bei der
Beantwortung der Fragen 2 bis 4 angeführten gemeinsamen Prüfbesuch mit
Bediensteten des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten an der
Österreichischen Botschaft Bukarest wird hingewiesen.
Darüber hinaus wurden entsprechend
den einschlägigen EU-Vereinbarungen vom 28. bis 31.3.2004 die österreichische
Botschaft Belgrad und vom 1. bis 3.4.2004 die österreichische Botschaft Kiew
von EU-Prüfteams kontrolliert. Die Berichte fielen generell positiv aus;
festgestellte Mängel wurden umgehend behoben.
Der Fachabteilung stehen zur
Bearbeitung von Visaverfahren und fremdenpolizeilichen
Agenden 22 Mitarbeiter zur Verfügung.
Die Kontrollmaßnahmen werden
in Zusammenarbeit des BM.I mit dem
Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten laufend anhand der gewonnenen
Erkenntnisse erweitert oder den Erfordernissen angepasst.
Zu den Fragen 16, 17 und 18:
Erteilte Visa an den
Botschaften Budapest, Bukarest, und Belgrad von 2000 bis 2004:
ÖB Budapest |
Visa A |
Visa B |
Visa C |
Visa D |
Gesamt |
|
|
|
|
|
|
2000 |
33 |
978 |
10837 |
398 |
12.246 |
2001 |
51 |
622 |
11941 |
395 |
13.009 |
2002 |
56 |
295 |
7729 |
143 |
8.223 |
2003 |
40 |
218 |
3175 |
28 |
3.461 |
2004 |
48 |
198 |
2794 |
6 |
3.046 |
|
|
|
|
|
|
ÖB Bukarest |
Visa A |
Visa B |
Visa C |
Visa D |
Gesamt |
|
|
|
|
|
|
2000 |
4 |
7806 |
35861 |
247 |
43.918 |
2001 |
0 |
9350 |
42075 |
400 |
51.825 |
2002 |
0 |
210 |
1907 |
236 |
2.353 |
2003 |
0 |
477 |
6423 |
117 |
7.017 |
2004 |
1 |
378 |
9773 |
116 |
10.268 |
|
|
|
|
|
|
ÖB Belgrad |
Visa A |
Visa B |
Visa C |
Visa D |
Gesamt |
|
|
|
|
|
|
2000 |
3 |
8404 |
26326 |
652 |
35.385 |
2001 |
0 |
5822 |
24676 |
632 |
31.130 |
2002 |
4 |
6313 |
23312 |
441 |
30.070 |
2003 |
1 |
6154 |
30966 |
538 |
37.659 |
2004 |
2 |
3682 |
33400 |
505 |
37.589 |
Zu diesen Zahlen ist zu
bemerken, dass das BM.I seit 01.06.2004 eine eigene zentrale Visastatistik
führt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Statistiken ausschließlich vom BmaA
geführt. Mögliche Divergenzen mit der Statistik des Bundesministeriums für
auswärtige Angelegenheiten ergeben sich daraus, dass das Bundesministerium für
auswärtige Angelegenheiten die ausgestellten Vignetten erfasst, das BM.I jedoch
die Personen, an welche Visa erteilt wurden.
Wie aus den Statistiken
ersichtlich, sind die Visazahlen der Österreichischen Botschaft Budapest seit
dem Jahr 2000 kontinuierlich gesunken.
Dem Anstieg der Visazahlen
im Jahr 2004 bei der Österreichischen Botschaft Bukarest wurde mit der
Anordnung der absoluten Rückfragepflicht für Moldawier ab 12.08.2004 begegnet.
Die Visumzahlen für Belgrad
sind traditionell hoch. Die Steigerung ist damit erklärbar, dass serbische Staatsangehörige die größte
Gruppe von in Österreich niedergelassenen Fremden darstellen und daher
entsprechende Besuchsbewegungen bestehen. Weiters ist das erhöhte Visaaufkommen
auf die gestiegenen Wirtschaftsbeziehungen zurückzuführen.
Zu den Fragen 19 und 20:
Die Beantwortung fällt in
den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für auswärtige
Angelegenheiten.
Zu Frage 21:
Die Vorgaben bei der Prüfung
eines Visumantrages sind in den einschlägigen, mit dem Bundesministerium für
auswärtige Angelegenheiten akkordierten Erlässen des BM.I festgelegt. Diese
beruhen einerseits auf dem FrG 1997 i.d.g.F. und andererseits auf der
„Gemeinsamen Konsularischen Instruktion an die diplomatischen Missionen und die
konsularischen Vertretungen, die von Berufskonsularbeamten geleitet werden“
(GKI; EU Amtsblatt 2002/C 313/01 vom 16.12.2002). Die Umsetzung dieser Vorgaben
in personeller und organisatorischer Hinsicht obliegen dem Bundesministerium
für auswärtige Angelegenheiten.
Zu Frage 23:
Das BM.I wurde im Jahr 2002
in 1.006 Fällen und im Jahr 2003 in 952 Fällen von der Österreichischen
Botschaft Budapest befasst.
Zu Frage 24:
Aufgrund des dazu laufenden
strafgerichtlichen Verfahrens kann diese Frage zum gegebenen Zeitpunkt nicht im
Detail beantwortet werden.
Zu Frage 25:
In den Medienberichten ging
es bisher um das mögliche Fehlverhalten einzelner Bediensteter des
Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Soweit es notwendig war,
habe ich Stellung genommen, insbesondere in der aktuellen Stunde des
Nationalrates am 6. Dezember 2005.