3488/AB XXII. GP
Eingelangt am 16.12.2005
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BM für Inneres
Anfragebeantwortung
GZ: BMI-LR2220/0154-II/1/b/2005
Herrn
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Andreas KHOL
Parlament
1017 Wien
Wien, am . Dezember 2005
Die Abgeordneten zum Nationalrat Maga
Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde haben am 19. Oktober 2005 unter der
Zahl 3560/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
„Schubhaft/Tod des Yankuba Ceesay“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich nach den mir
vorliegenden Informationen wie folgt:
zu Frage 1
Die Schubhaftbetreuung „Verein Menschenrechte
Österreich“ wurde am 28.9.2005 vom Hungerstreik des Herrn CEESAY in Kenntnis
gesetzt.
zu Frage 2
Es kam zu einem Kontakt am
29.09.2005.
zu Frage 3
Die genaue Dauer kann nicht
angegeben werden, da diesbezüglich keine Aufzeichnungen geführt werden.
zu Frage 4
Amtsärztliche Untersuchungen
erfolgten am 12.9., 26.9., und
vom 28.9. bis 4.10.05 täglich.
zu Frage 5
Diesbezüglich werden keine
detaillierten Aufzeichnungen geführt; diese Untersuchungen umfassen die
erlassmäßig vorgesehenen Parameter sowie ein ärztliches Gespräch; die jeweilige
Dauer ist individuell unterschiedlich.
zu Frage 6
Nein, der Patient war
englischsprachig.
zu Frage 7
Insbesondere wurden
Gewichts-, Blutdruck- und Pulskontrollen sowie eine Überprüfung des
Sauerstoffgehaltes im Blut durchgeführt. Darüber hinaus wurden Untersuchungen
zum Allgemeinzustand, Hautturgor sowie zur Feuchtigkeit von Zuge und Lippen
durch den Polizeiarzt getätigt. Eine weitergehende Untersuchung im AKH Linz
wurde durch diesen ebenfalls veranlasst.
zu Frage 8
Laufend in dem dafür vorgesehenen Formular.
zu Frage 9,
9a und 9b
Eine Aufklärung über die
Gefahren des Hungerstreiks erfolgte im Zuge der Erstuntersuchung nach
Hungerstreikbeginn am 28.9.2005 in englischer Sprache; ein
„Hungerstreikinformationsblatt“ wurde ausgefolgt; der Wortlaut des Gespräches
ist nicht dokumentiert.
zu Frage 10
Ja – durch den Facharzt für innere Medizin im AKH.
zu Frage 11
Nein.
zu Frage 12
und 12a
Das PAZ Linz verfügt über keine(n)
Krankenpfleger(in).
Sämtliche erforderliche bzw.
notwendige medizinische Tätigkeiten im PAZ Linz erfolgen durch einen
Polizeiarzt mit Unterstützung von als Sanitäter ausgebildeten
SicherheitswachebeamtInnen des PAZ (staatlich geprüfte Pflegehelfer bzw.
Rettungssanitäter).
[Frage
13: fehlt in
der Anfragestellung]
zu Frage 14
Das PAZ Linz verfügt im
Zellenbereich der Station „B“ über zwei Krankenzellen.
zu Frage 14a
Eine Verlegung des Hrn. CEESAY in
eine Krankenzelle (gem. § 10/Abs. 1 Ziff. 4 AnhO) wurde aufgrund seines im
Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Linz gezeigten aggressiven Verhaltens nicht
vorgenommen. Stattdessen erfolgte im Einvernehmen mit dem diensthabenden
Journalbeamten der BPD Linz zur Hintanhaltung einer möglichen Selbst- bzw.
Fremdgefährdung die vorübergehende Unterbringung des Hrn. CEESAY unter
besonderer Observanz in der
Sicherungszelle 1 im Bereich der Station „A“,
zu Frage 15
Herr CEESAY war ab dem Zeitpunkt
seiner Einlieferung in das PAZ Linz (12.09.2005) bis zu seiner vorübergehenden
Sicherungszellenverlegung (04.10.2005) jeweils in einer Mehrpersonenzelle, mit
anderen (nicht hungerstreikenden) Schubhäftlingen untergebracht. Die angeführte
Schlafzellenunterbringung wurde wie folgt vorgenommen:
Station „C“ – Zelle 36 – im Zeitraum
von 12.09.2005 bis 26.09.2005;
Station „C“ – Zelle 38 – im Zeitraum
von 27.09.2005 bis 01.10.2005;
Station „B“ – Zelle 33 – im Zeitraum
von 01.10.2005 bis 02.10.2005;
Station „C“ – Zelle 38 – im Zeitraum
von 02.10.2005 bis 04.10.2005.
zu Frage 16
Ja.
zu Frage 17
und 17a
Bis zum Vorfall vom 04.10.2005 (AKH
Linz) sind keine Vorkommnisse bekannt, bei denen Hr. CEESAY versucht hat, sich
oder andere Personen mit Gewalt zu verletzen.
zu Frage 18
Disziplinäre Verstöße des Hrn. CEESAY, mit Ausnahme
des Vorfalls im AKH Linz vom 04.10.2005, sind nicht evident. Es kann nicht
ausgeschlossen werden, dass Hr. CEESAY am 23.09.2005 an Vorbereitungshandlungen
zu einem Ausbruchsversuch aus der Station „C“, Zelle 36, (Gitterstäbe angesägt)
beteiligt war. Ebenfalls wurde festgestellt, dass auch in der Zelle 38
(ebenfalls Station „C“) Vorbereitungsmaßnahmen für einen Fluchtversuch
unternommen wurden.
zu Frage 19
und 19a
Am 2.10. 2005 wurde vom Polizeiarzt
erstmalig eine „trockene Zunge“ konstatiert, wobei jedoch am 3.10.2005 wieder
eine „feuchte Zunge“ festgestellt wurde.
Am 4.10.2005 (vor der Einlieferung
ins AKH) wurden vom Polizeiarzt die Symptome: „Zunge trocken“ und „Lippen
borkig“ diagnostiziert.
Das Wachpersonal war davon in
Kenntnis.
zu
Frage 20
Herr CEESAY hatte in den
Gemeinschaftshafträumen jederzeit Gelegenheit Flüssigkeit zu sich zu nehmen
(Zugang zu einem Trinkwasserhahn bzw. wurde ihm täglich mehrmals Tee zur
Verfügung gestellt). Inwieweit er tatsächlich davon Gebrauch gemacht hatte, kann
nicht nachvollzogen werden.
zu Frage 21
Zur Klärung der
Haftfähigkeit, da diese zu diesem Zeitpunkt unter alleiniger Zuhilfenahme der
im PAZ Linz zur Verfügung stehenden Mitteln (Blutkontrolle, Ionogramm) nicht
mehr ausreichend feststellbar war.
zu Frage 22
Bei der täglichen polizeiärztlichen
Untersuchung wegen seines Hungerstreiks wurde Herr CEESAY vom Polizeiarzt
umfassend über die bevorstehende Ausführung ins AKH informiert.
zu Frage 23
Die Überweisung ins AKH
erfolgte zur ambulanten fachärztlichen Begutachtung - ev. Blutkontrolle und
Ionogramm wurden vom Polizeiarzt erbeten - sowie zur fachärztlichen Beurteilung
der Haftfähigkeit.
zu Frage 24
und 25
Die Tätlichkeiten wurden von
Herrn CEESAY im Zuge der Untersuchungen im AKH (Herz und Lungenuntersuchung, Blutbild, Eiweiß, Nierenwerte) gesetzt. Danach erfolgten nach ho.
vorliegenden Informationen keine Untersuchungen an Herrn CEESAY mehr. Da durch
den behandelnden Arzt keine akute Gefahr festgestellt wurde und Herr CEESAY als
nicht aufnahmebedürftig angesehen wurde, erfolgte der Rücktransport in das PAZ
Linz.
Hinsichtlich des genauen
Ergebnisses der Untersuchung (Arztbrief) wird auf die Amtsverschwiegenheit
verwiesen.
Das Ergebnis der
Laboranalyse wurde erst nach dem Tode bekannt, so dass auf die krankhaften
Blutwerte nicht mehr reagiert werden konnte. Der Polizeiarzt erhielt
bedauerlicher Weise die Befunde erst nach dem Ableben von Herrn CEESAY.
zu Frage 26
Seitens des AKH Linz gab es
bezüglich des zum Untersuchungszeitpunktes vorliegenden Gesundheitszustandes
des Hrn. CEESAY an das Bewachungspersonal des PAZ Linz keine ärztlichen
Anweisungen – ein Therapievorschlag des AKH an den polizeiärztlichen Dienst der
BPD Linz wurde in weiterer Folge per Fax nachgereicht.
zu Frage 27
Die Anordnung der vorübergehenden
Verlegung des Hrn. CEESAY in die Sicherungszelle 1 (Station „A“) erfolgte durch
die diensthabende Wachkommandantin des PAZ, im Einvernehmen mit dem
rechtskundigen Dienst der BPD Linz. Die Begründung lautete auf „Hintanhaltung
einer möglichen Selbst- bzw. Fremdgefährdung“ des Schubhäftlings.
zu Frage 28
Zum Zeitpunkt der Verlegung des Hrn.
CEESAY in die Sicherungszelle 1 war diese nicht beheizt.
zu Frage 29
In besonders gesicherten Hafträumen
ist zur Hintanhaltung möglicher Selbstverletzungen kein Trinkwasseranschluss
installiert.
Jedoch wird den temporär in solchen
Zellen verlegten Häftlingen laufend Trinkwasser angeboten.
zu Frage 30
Eine halbstündige Nachschau bzw.
besondere Observanz des Herrn CEESAY wurde durch die diensthabende Wachkommandantin
zur Hintanhaltung einer möglichen Selbstgefährdung angeordnet.
zu Frage 31
Die halbstündige
Sicherungszellenkontrolle erfolgte in der Form, dass der zuständige
Stationsbeamte mit Hrn. CEESAY durch die geöffnete Kostklappe Kontakt aufnahm.
Zu den Kontrollzeiten waren keine besonderen Auffälligkeiten feststellbar.
zu Frage 31a
und 31b
Im Zuge dieser
Sicherungszellenkontrollen wurde Hr. CEESAY durch den Stationsbeamten jeweils
in deutscher Sprache angesprochen. Der Schubhäftling nahm dies offensichtlich
wahr, indem Hr. CEESAY seinen Kopf erhob und den Beamten ansah.
zu Frage 32
Der vorgesehene SWB, welcher am
04.10.2005 zwischen 11:00 u. 13:00 Uhr die Sicherungszellenkontrollen
durchführte, besitzt keine Sanitäterausbildung.
zu Fragen
33, 36 und 39
Aufgrund des Bescheides der BPD Linz
vom 8.9.2005 wurde Yankuba CEESAY zur Sicherung der Abschiebung am 12.9.2005 in
Schubhaft genommen. Noch am selben Tag wurde mit Schreiben vom 12.9.2005, unter
Anschluss zweier Lichtbilder sowie eines Heimreisezertifikates ersucht.
Weitere Erhebungen zur Durchführung
der Abschiebung waren durch die Fremdenpolizeibehörde nicht zu führen, weil im
Rahmen der asylrechtlichen Ausweisung gem. § 8 Asylgesetz auch eine Überprüfung
sowie eine Absprache über Refoulement erfolgt.
zu Frage 34
Der verfahrensführenden Behörde war
nicht bekannt, dass der Bruder von Yankuba CESSAY in Deutschland lebt.
Anlässlich seiner
fremdenpolizeilichen Einvernahme am 12.9.2005 machte er keinerlei Angaben über
etwaige Familienmitglieder in Europa.
Lediglich im Asylverfahren gab Herr
CEESAY an, dass er einen Bruder in seinem Heimatland habe und diesen dort
anlässlich seiner Flucht im Jahre 2004 gesehen habe.
zu Frage 35
Herr CEESAY wurde am 15.3.2005 im
Rahmen seiner Asylantragstellung EURODAC behandelt. Im Zuge des
fremdenpolizeilichen Verfahrens wurden die von ihm bekannt gegebenen Daten in
sämtlichen elektronischen Informationssystemen – also auch im SIS – abgefragt.
Weder diese Systeme, noch EURODAC, erlauben einen Rückschluss auf
möglicherweise im EU-Raum lebende Verwandte.
zu Frage 37
Nein
zu Frage 38
Nein
zu Frage 40
Herr CEESAY war zum ersten Mal ab
12.9.2005 in Schubhaft.