3494/AB XXII. GP

Eingelangt am 16.12.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für auswärtige Angelegenheiten

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen haben am
18, Oktober 2005 unter der Nr. 3521/J-NR/2005 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend „Visahandel" gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich die Anfrage auf Medienberichte bezieht, die den Verdacht
auf Fehlverhalten im Sichtvermerksbereich an österreichischen Botschaften in den Jahren 2002 und
2003 erheben. Ich selbst habe mein Amt als Außenministerin im Oktober 2004 angetreten.

Die Sensibilität des Visabereichs ist mir aufgrund meiner bisherigen beruflichen Laufbahn,
insbesondere als Leiterin der Botschaft in der Schweiz mit einem der höchsten Visaaufkommen,
wohlbekannt. Die Sicherstellung eines professionellen und missbrauchsfesten Visavergabesystems
im Sinne der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ist mir daher ein prioritäres Anliegen,
sowohl im
Interesse der Öffentlichkeit wie im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Dies habe ich auch gegenüber den
Mitarbeiterinnen an den Österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland und in der Zentrale in
Wien stets unmissverständlich betont.

Zu Frage 36:

Ich habe nach Informierung vom Verdacht auf unrechtmäßige Vergaben von Sichtvermerken am 27.
September 2005 unverzüglich den höchsten Beamten in meinem Ressort, den Generalsekretär für
auswärtige Angelegenheiten, mit der Prüfung der Vorwürfe beauftragt und lückenlose Aufklärung


ebenso wie das sofortige Abstellen allfälliger Missstände gefordert. Zu diesem Zweck sollen alle
notwendigen fachlichen wie personellen Schritte gesetzt werden.

Der Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten hat sofort umfassende Prüfungen und
Evaluierungen veranlasst, die federführend vom Generalinspektor, von der Personal- und
Administrativsektion und der Rechts- und Konsularsektion durchgeführt wurden und weiterhin
werden. Es wurde Weisung zur vollen Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden erteilt. Eine
Reihe von Vertretungsbehörden, besonders die von Ermittlungen betroffenen, wurden angewiesen,
die Visaakten umgehend zu sichern und die Skartierung zu untersagen, um sie gegebenenfalls den
Ermittlungsbehörden zur Verfügung zu stellen.

Der Generalsekretär hat mich und den Herrn Staatssekretär des Außenministeriums laufend über
den Stand der Erhebungen informiert. Das Bestehen von Regelungen, die ähnlich dem so genannten
„Vollmer-Erlass" in Deutschland zu einer erleichterten Visavergabe geführt haben soll, konnte nach
Prüfung aller internen Regelungen für Österreich ausgeschlossen werden.

Zu den weiteren zwischenzeitlich gesetzten Maßnahmen sind unter anderen folgende
hervorzuheben:

Der am 27. September 2005 in Wien verhaftete Mitarbeiter wurde zunächst einberufen, am 28.
Oktober 2005 - nach seiner Enthaftung - wurde gegen ihn ein Hausverbot erlassen und am 14.
November wurde er aus dem Dienst des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten
entlassen.

Am 20. Oktober wurde Disziplinaranzeige gegen den zweiten in Haft genommenen, bereits im
Ruhestand befindlichen Mitarbeiter erstattet. Gegen einen weiteren Mitarbeiter des
Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten wurde am 16. Dezember 2005
Disziplinaranzeige erstattet. Weitere dienst- und disziplinarrechtliche Schritte werden derzeit
geprüft.

Ferner habe ich am 11. November eine Expertenkommission zur Aufklärung der Vorwürfe unter
Leitung des früheren Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, Dr. Peter Jankowitsch,
eingerichtet.


Am 18. November wurden die Missionschefs und Leiter der Konsularabteilungen der
österreichischen Vertretungsbehörden in Abuja, Ankara, Belgrad, Budapest, Bukarest, Kairo, Kiew,
Moskau, New Delhi, Peking, Skopje, Shanghai und Taipeh zu Instruktionen unter Mitwirkung von
Vertretern des Bundesministeriums für Inneres in die Zentrale einberufen.

In Hinkunft werden verstärkt gemischte Prüfteams des Bundesministeriums für auswärtige
Angelegenheiten und des Bundesministeriums für Inneres gemeinsame Inspektionen an
Vertretungsbehörden durchführen.

Darüber hinaus habe ich eine Vertiefung der bereits in diesem Bereich bestehenden Ausbildungs-
und Schulungs- sowie Kontrollmaßnahmen angeordnet.

Ich werde selbstverständlich Vorschläge im Rahmen der personellen Möglichkeiten und des
inhaltlichen Tätigkeitsbereichs meines Ressorts aufgreifen und umsetzen, um das System der
Vergabe von Visa für die Zukunft möglichst missbrauchsfest zu machen.

Zu den Fragen 1, 2, 17 und 18:

Am 5. November 2002 informierte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck das Außenministerium
über Vorwürfe gegen den damals die Konsularabteilung an der Österreichischen Botschaft in
Budapest leitenden Mitarbeiter, wonach es in der Vergangenheit zur Ausstellung von Visa gegen
Entgelt gekommen sein soll.

Die Rechts- und Konsularsektion des Außenministeriums unterrichtete mit Schreiben datiert vom 9.
November 2002 das Bundesministerium für Inneres vom Verdacht auf Unregelmäßigkeiten. Zu den
weiteren getroffenen Maßnahmen verweise ich auf die Anfragebeantwortung durch das
Bundesministerium für Inneres (3522/J-NR/2005).

Am 27. September 2005 wurde der Sektion für administrative Angelegenheiten des
Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten vom Büro für Interne Angelegenheiten des
Bundesministeriums für Inneres telefonisch mitgeteilt, dass ein Mitarbeiter, zum damaligen
Zeitpunkt beigeordneter Vizekonsul an der österreichischen Botschaft in Bukarest, und der oben
genannte unterdessen pensionierte Mitarbeiter des Außenministeriums im Auftrag des


Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen des Verdachts des Amtsmissbrauches und des
Verstoßes gegen das Fremdengesetz verhaftet würden,

Zu den Fragen 3, 4 und 26 :

Über Sonderauftrag meiner Amtsvorgängerin wurde der Generalinspektor beauftragt, eine
Sonderprüfung des Kansularwesens an der Österreichischen Botschaft in Budapest (22.-23. April
2003) durchzuführen.

Im Zuge dieser Prüfung ergaben sich seitens des Prüfteams, bestehend aus einem Mitarbeiter des
Generalinspektorates und einem Mitarbeiter der konsularischen Fachabteilung des
Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, Verdachtsmomente und Auffälligkeiten im
Visabereich, die ihren Niederschlag im Prüfbericht fanden. Im Einvernehmen mit dem
Bundesministerium für Inneres wurde die Botschaft angewiesen, die betreffenden Akten gesichert
zu verwahren, um sie jederzeit den ermittelnden Behörden zur Verfügung stellen zu können. Das
Bundesministerium für Inneres wurde vom Ergebnis der Prüfung in Kenntnis gesetzt.

Zu den Fragen 5, 6 und 25:

Die in der Anfrage als „deutsche Visaaffäre" bezeichnete Angelegenheit betraf die generelle
Visumpraxis aufgrund einer Weisungslage der deutschen Bundesregierung, die teilweise vom EU-
bzw. Schengen-Acquis abwich. Eine solche Weisung gab es in Österreich zu keiner Zeit,

Im Übrigen wird auf die Anfragebeantwortung durch das Bundesministerium für Inneres (3522/J-
NR/2005) verwiesen.

Zu den Fragen 7, 8, 19, 20, 35, 37 und 38:

Diese Fragen sind Gegenstand laufender gerichtlicher Ermittlungen, zu denen ich mich nicht äußern
kann.


Zu den Fragen 9 bis 14:

Meine Amtsvorgängerin beauftragte den Generalinspektor mit einer allgemeinen Sonderinspektion
der Österreichischen Botschaft in Belgrad vom 22,- 30.4.2002. Darüber hinaus überprüften den
Visabereich sowohl Mitarbeiter der Fachabteilung des Bundesministeriums für auswärtige
Angelegenheiten als auch Vertreter des Bundesministeriums für Inneres (11.06. - 13.06.2001,
15.01.2002,
01.12. - 03.12.2003). Im Zuge einer dieser Überprüfungen wurde ein Fehlverhalten
eines Mitarbeiters im Visabereich festgestellt und dieser in der Folge einberufen. Die im September
2002 erstattete anonyme Strafanzeige gegen diesen und zwei weitere Mitarbeiter der Botschaft
wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs wurde am 29. März 2004 nach eingeleiteten
Vorerhebungen von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt.

Entsprechend den einschlägigen EU-Vereinbarungen wurde die Botschaft zusätzlich vom 28.-
31.3.2004 von einem EU-Prüfteam kontrolliert, wobei der Bericht generell positiv ausfiel.

Die österreichische Botschaft in Kiew wurde in den Jahren 2002 und 2003 insgesamt dreimal
(18./19.11.2002, 4-6.5.2003 und 9.-13.12.2003) überprüft und die Mitarbeiter vor Ort geschult. Die
Überprüfung im November 2002 erfolgte wegen des Verdachtes von Unregelmäßigkeiten im
Bereich des Aufenthaltswesens gemeinsam mit Beamten des Bundesministeriums für Inneres. Der
für das Fehlverhalten verantwortliche Mitarbeiter wurde in der Folge einberufen. Eine 2003 gegen
ihn erfolgte Strafanzeige u. a. wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der
Geschenkannahme wurde im November 2003 von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt.

Entsprechend den einschlägigen EU-Vereinbarungen wurde die Botschaft vom 1.-3.4, 2004 von
einem EU-Prüfteam kontrolliert, wobei der Bericht generell positiv ausfiel.

An der Österreichischen Botschaft in Lagos wurden durch Mitarbeiter des Bundesministeriums für
auswärtige Angelegenheiten im Zuge einer Sonderüberprüfung im August 2004
Unregelmäßigkeiten bei der Visumausstellung auf- und dem Bundesministerium für Inneres
angezeigt. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Inneres wurde ein Maßnahmenpaket
(Rückfragepflicht, Entsendung von Dokumentenberatern) vereinbart. Der betroffene Mitarbeiter
der Österreichischen Botschaft in Lagos wurde umgehend einberufen und vom Dienst suspendiert.
Gegen den Genannten, der sich inzwischen im Ruhestand befindet, ist derzeit ein Strafverfahren
wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs anhängig.


Zu den Fragen 15,16 und 23:

Die Kontrollmechanismen wurden in den vergangenen Jahren laufend verstärkt. Das Visaverfahren
ist arbeitsteilig gestaltet, wobei nach Maßgabe der gegebenen personellen Möglichkeiten die
einzelnen Schritte (Annahme des Visumantrags, Prüfung, Entscheidung, Druck der Vignette) von
verschiedenen Personen ausgeführt werden. Weiters ist das lokale Personal von Entscheidungen in
Visaangelegenheiten ausgeschlossen.

Seit Inkraftsetzung der Schengener Übereinkommen für Österreich mit Wirksamkeit vom 1.
Dezember 1997 wird jedes erteilte Visum an den Vertretungsbehörden lokal elektronisch
gespeichert und seit 1. Juni 2004 werden sämtliche Visaanträge zu einer im Bundesministerium für
auswärtige Angelegenheiten bestehenden zentralen Visadatenbank zusammengefasst, auf die auch
das Bundesministerium für Inneres Zugriff hat.

Generell wurde die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres verstärkt, wobei der
gemeinsamen Beobachtung der Entwicklung der Visastatistik besondere Bedeutung zukommt. Auf
mögliche Problemsituationen kann mit einem gemeinsamen, mehrstufigen Kontrollmechanismus
(u.a. Aufforderungen zur Stellungnahme, Anforderung von Akten der Vertretungsbehörden,
Inspektionen vor Ort durch Vertreter meines Ressorts und des Bundesministeriums für Inneres,
Ersuchen um Entsendung von Dokumentenberatern des Bundesministerium für Inneres) rasch und
flexibel reagiert werden.

Seit Jahren werden immer wieder Besuche zwecks Inspektions- und Weiterbildungsmaßnahmen bei
Vertretungsbehörden an aus fremdenpolizeilicher Sicht sensiblen Dienstorten durchgeführt. Diese
Inspektionen erfolgen entweder durch das Generalinspektorat oder, sofern sich dies als notwendig
erweist, durch Mitarbeiter der für Visa- und Aufenthaltsangelegenheiten zuständigen Fachabteilung
des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten in enger Zusammenarbeit bzw.
gemeinsam mit Vertretern des Bundesministeriums für Inneres. Mit derartigen Inspektionen sind in
der Regel 2-3 Beamte betraut

Dabei werden stichprobenartige Kontrollen vorgenommen, wobei auf die genaue Einhaltung des
internen Organisationsablaufs und der Sicherheitsbestimmungen sowie vor allem der
Rechtmäßigkeit im Visumverfahren besonderer Wert gelegt wird. Zusätzlich zu Anregungen und


Empfehlungen, die auch in einem schriftlichen Bericht festgehalten werden, werden auch
Schulungen vor Ort, sofern erforderlich, durchgeführt.

Bei festgestellten Verfehlungen werden die erforderlichen dienst- und disziplinarrechtlichen bzw.
sonst notwendig erscheinenden dienstlichen Maßnahmen getroffen. In diesem Zusammenhang
verweise ich auf meine Beantwortung der Fragen 9 bis 14 sowie der Frage 36.

Zu den Fragen 21 und 22:

Bis zur Inbetriebnahme der zentralen Visadatenbank im Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten am 1. Juni 2004 (siehe meine Beantwortung zu den Fragen 15, 16 und 23) erfolgte
am Ende jedes Kalenderjahres für die Konsularstatistik eine Berichterstattung der
Vertretungsbehörden an das BMaA über die Anzahl der ausgestellten Visa, unterteilt nach
Vertretungsbehörden und Kategorien.

Im Übrigen wird auf die Anfragebeantwortung durch das Bundesministerium für Inneres (3522/J-
NR/2005) verwiesen.

Zu Frage 24:

Kein Kontrollsystem kann Missbrauch in diesem Bereich vollkommen ausschließen. Mein Ziel ist
es, die entsprechenden Kontrollmöglichkeiten im Einvernehmen mit und unter Einbindung des für
die Fachaufsicht zuständigen Bundesministeriums für Inneres so lückenlos wie möglich zu gestalten.
Unter anderem ist die Ausarbeitung diesbezüglicher ergänzender Vorschläge auch eine wichtige
Aufgabe der von mir eingesetzten Expertenkommission.


Zu den Fragen 27 bis 29 :

Die Anzahl der erteilten Visa hat sich an den in Rede stehenden Vertretungsbehörden wie folgt
entwickelt:

 

 

2000

2001

2002

2003

2004

Belgrad

35.385

31.130

30.070

37.659

38.376

Budapest

12.246

13.009

8.223

3.461

3.154

Bukarest

43.918

51.825

2.353

7.017

10.457

Zu den Fragen 30 und 31:

Der Prozess der Visumerteilung erfolgt in mehreren Schritten arbeitsteilig (Entgegennahme des
Antrags am Schalter, Beurteilung und Genehmigung des Antrags, Drucken und Einkleben der
Vignette, Ausfolgung). Es ist daher unzutreffend, dass ein Mitarbeiter 300 Visa, pro Tag vollständig
erledigt.

Ein Vergleich von Berufsvertretungsbehörden hinsichtlich der Arbeitsbelastung im Visabereich ist
insofern nicht möglich, als diese nach Art der Anträge, der regionalen Besonderheiten sowie auf
Grund der gegebenen Personalsituation unterschiedlich ist.

Zu Frage 32:

Die Vorgaben bei der Prüfung eines Visumantrages sind in der "Konsularinstruktion
Visa" festgelegt, 4ie auf den einschlägigen Erlässen des Bundesministeriums für Inneres, dem
Fremdengesetz 1997 i.d.g.F. und auf der „Gemeinsamen Konsularischen Instruktion an die
diplomatischen Missionen und die konsularischen Vertretungen, die von Berufskonsularbeamten
geleitet werden"(GKI) (EU Amtsblatt 2002/C 313/01 vom 16.12.2002) beruht. Diese
Konsularinstruktion wurde zuletzt in überarbeiteter Fassung allen konsularischen
Vertretungsbehörden im Juni 2005 übermittelt.


Da im Visumverfahren jeder Antrag individuell zu prüfen ist, ist die Festsetzung einer
vorgeschriebenen Bearbeitungsdauer nicht möglich.

Zu den Fragen 33 und 34:

Eine Befassung der Zentrale meines Ressorts bei der Erteilung eines Visums ist grundsätzlich nicht
vorgesehen. Im Übrigen wird auf die Anfragebeantwortung durch das Bundesministerium für
Inneres (3522/J-NR/2005) verwiesen.