3498/AB XXII. GP
Eingelangt am 19.12.2005
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BM für
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
Anfragebeantwortung
BUNDESMINISTERIN
FÜR SOZIALE SICHERHEIT
GENERATIONEN UND KONSUMENTENSCHUTZ
Ursula Haubner
Herrn
Präsidenten
des Nationalrates (5-fach)
Parlament
1010 Wien
GZ: BMSG-10001/0261-I/A/4/2005 Wien,
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich beantworte die an mich gerichtete
schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3537/J der Abgeordneten Mag.
Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde wie folgt:
Fragen 1 bis 4:
Einleitend
möchte ich feststellen, dass eine Rückfrage bei den Ämtern der Landesregierungen
als Opferfürsorgebehörden 1. Instanz ergab, dass im heurigen Jahr keine Anträge
von Personen eingebracht wurden, die in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9.
Mai 1945 auf Grund der sexuellen Orientierung durch Maßnahmen eines Gerichtes,
einer Verwaltungs- (im Besonderen einer Staatspolizei-) Behörde oder durch
Eingriffe der NSDAP einschließlich ihrer Gliederungen in erheblichem Ausmaß zu
Schaden gekommen sind.
Ein
Anlassfall für die Anwendung der diesbezüglichen neuen Bestimmung des § 1
Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes (OFG), die Gegenstand der
parlamentarischen Anfrage ist, liegt somit derzeit nicht vor. In diesem
Zusammenhang darf daran erinnert werden, dass dem Bundesministerium für soziale
Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auch in den vergangenen Jahren
keine noch lebenden diesbezüglichen Antragsteller bekannt wurden, obwohl
Anerkennungen im Wege des Rechtsanspruches oder der Nachsicht möglich gewesen
wären.
Die
sich auf das OFG beziehende Anfrage kann dessen ungeachtet unvorgreiflich der
Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und nachdem die neuen Tatbestände in der
Sitzung der Opferfürsorgekommission vom 6. September 2005 besprochen wurden
folgendermaßen beantwortet werden:
Wie
in der Anfrage auch dargestellt wurde, war das zum Thema der Anfrage gemachte
Komma im ursprünglichen Initiativantrag noch nicht enthalten, sondern wurde
erst in der Folge eingefügt. Erläuterungen zu dieser Einfügung bestehen
allerdings nicht.
Sowohl
eine Wortinterpretation des Überbegriffes „Opfer der politischen Verfolgung“ im
§ 1 Abs. 2 des OFG als auch eine Interpretation nach dem Sinn und Zweck des
Gesetzes ergibt, dass die Verfolgung einen politischen Charakter haben und
diese Verfolgung dem spezifischen Unrechtscharakter des Nationalsozialismus
(bzw. der politischen Verfolgung vom 6. März 1933 bis zur Okkupation Österreichs)
zuordenbar sein muss.
Es
steht somit außer Zweifel, dass die politische, spezifisch
nationalsozialistische Verfolgung auf Grund der sexuellen Orientierung durch
den neuen § 1 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes erfasst ist. Dass darüber hinaus
auch eine sonstige Verfolgung, die lediglich rein zeitlich in die Zeit des
Nationalsozialismus fiel und im übrigen der Verfolgung in der Zeit vorher oder
nachher vergleichbar wäre, ebenfalls unter das Gesetz fallen solle, kann aus
dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht abgeleitet werden und würde auch
einer verfassungsmäßigen, am Gleichheitsgrundsatz orientierten Auslegung
widersprechen.
Ob
diese Unterscheidung allerdings in Hinblick auf die bekannte besondere Homosexuellenverfolgung
unter dem Nationalsozialismus im Einzelfall von Bedeutung sein kann, kann erst
anhand von geltend gemachten Sachverhalten beurteilt werden.
In
der Sitzung der Opferfürsorgekommission (in der auch die Opferverbände vertreten
sind) vom 6. September 2005 wurde jedenfalls vereinbart, dass ihr die an mein
Ressort herangetragenen Verfolgungssachverhalte vorgelegt werden, sodass davon
ausgegangen werden kann, dass die Interessen der Betroffenen umfassend gewahrt
werden.
Fragen 5 bis 7:
Vorweg ist anzumerken, dass sich diese Fragen nicht auf die
Vollziehung, sondern auf eine mögliche Gesetzgebung beziehen. In diesem
Zusammenhang wird beispielshaft auf den auf Grund einer Initiative von
Abgeordneten ergangenen Beschluß des Justizausschusses vom 23. Juni 2005
verwiesen, mit welchem dem Nationalrat ein selbständiger Antrag vorgelegt
wurde, der eine Novelle zum Allge-meinen Sozialversicherungsgesetz zum Inhalt
hatte: die mit der Militärjustiz-Novelle 2005 erfolgte Einfügung eines § 228
Abs. 1 Ziff. 4a ins ASVG ( BGBl I
Nr. 88/2005 ) führte dazu, dass, unabhängig vom Tatbestand der Ziffer 4
leg.cit., Zeiten, während derer der Versicherte infolge einer von der NS-
Militärjustiz verhängten Freiheits-beschränkung an der Verfügung über seine
Arbeitskraft gehindert gewesen ist, als Ersatzzeiten gelten, wenn ihnen eine
Beitrags- oder eine Ersatzzeit vorangeht oder nachfolgt. Diese
Gesetzesbestimmung ist mit 11. August 2005 in Kraft getreten.
Im übrigen wird auf die bestehende Ersatzzeitenregelung des
§ 228 Abs. 1 Ziff. 4 ASVG verwiesen, wonach als Ersatzzeiten aus der Zeit vor
dem 1. Jänner 1956 Zeiten gelten, während derer der Versicherte infolge einer
Freiheitsbeschränkung – sofern es sich nicht um Zeiten einer
Freiheitsbeschränkung auf Grund einer Tat handelt, die nach den
österreichischen Gesetzen im Zeitpunkt der Begehung strafbar war oder strafbar
gewesen wäre, wenn sie im Inland gesetzt worden wäre – an der Verfügung über
seine Arbeitskraft gehindert gewesen ist.
Mit
besten Grüßen