3518/AB XXII. GP

Eingelangt am 19.12.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Gesundheit und Frauen

 

Anfragebeantwortung

 

Herrn

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

Parlament

1017 Wien

 

 

 

GZ: 11.001/132-I/A/3/2005

Wien, am 16. Dezember 2005

 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 3529/J der Abgeordneten Weinzinger, Freundinnen und Freunde wie folgt:

 

Frage 1:

Bei der Konferenz zum Thema „Maßnahmen gegen traditionsbedingte Gewalt an Frauen“ am 14. Oktober 2005 im Parlament in Wien handelte es sich um eine Kooperation zwischen den Frauen der Europäischen Volkspartei (in der Folge EVP Frauen genannt) und dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF). Die Verwendung der Logos beider Veranstalter auf der Tagesordnung symbolisiert die Kooperation. Eine explizite Werbung für die Veranstaltung mit dem Logo des BMGF erfolgte nicht.

 

 

Frage 2:

Ich habe die ehrenamtliche Funktion einer stellvertretenen Vorsitzenden der EVP Frauen inne.

 

Fragen 3 bis 4:

Seitens des Frauenministeriums wurden zu dieser Veranstaltung keine Aktivitäten gesetzt und auch keine Frauenprojektfördermittel zur Verfügung gestellt.

 

Im Rahmen der Konferenz stellte ich gemeinsam mit vier anderen Ministerinnen die Ergebnisse der Koordination für die Maßnahmen gegen traditionsbedingte Gewalt vor. Alle weiteren Referate wurden von externen Expertinnen gehalten. Die Moderation führte ich in meiner Eigenschaft als stellvertretende Vorsitzende der EVP Frauen durch.

 

Die Naturalleistung des Frauenministeriums bestand in der Zuverfügungstelluing des bereits im Rahmen der Vorbereitung auf die EU Präsidentschaft erarbeiteteten „Maßnahmenkataloges gegen traditionsbedingte Gewalt“ der sechs östereichischen Ministerinnen in Broschürenform als Arbeitsunterlage für die Konferenz.

 

Dieser Maßnahmenkatalog ist für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich. Er kann beim Broschürentelefon des Frauenministeriums bestellt oder auf der Website des Frauenministeriums heruntergeladen werden. Der Maßnahmenkatalog wurde weiters den anwesenden Mitgliedern des Gleichbehandlungsausschusses während seiner letzten Sitzung am 29.11.2005 ausgeteilt und wird eine wichtige Arbeitsunterlage während der EU Präsidentschaft darstellen.

 

Frage 5:

Es wurde in der Vergangenheit für keinerlei Parteiveranstaltungen mit dem Logo des BMGF geworben.

 

Fragen 6 bis 7:

Nein, ich kann mir nicht vorstellen, in Zukunft mit dem Logo des BMGF für die Enquete einer politischen Partei zu werben, da auch in der Vergangenheit nicht mit dem Logo des BMGF für Parteiveranstaltungen geworben wurde. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Fragen 3 bis 4 und 5 verwiesen.

 

Frage 8

Die Veranstaltung war zur Gänze medienöffentlich. Politisch Interessierte und NGO-Vertreterinnen waren nicht nur als Referentinnen vertreten, sondern wurden mit persönlicher Einladung auch als Teilnehmer/innen zugelassen.

 

Frage 9:

Ich halte die Beteiligung von NGOs im Prozess der Bekämpfung der traditionsbedingten Gewalt für besonders sinnvoll. Deshalb wurden seit dem Frühjahr 2005 im Frauenministerium in einem völlig neuen Koordinationsprozess zahlreiche Fachgespräche zu den einzelnen Formen traditionsbedingter Gewalt und den Möglichkeiten ihrer Bekämpfung abgehalten und Fachgespräche und Workshops für Multiplikator/innen durchgeführt.

 

Frage 10:

„Traditionsbedingte“ Gewalt an Frauen umfasst Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, alle Gewaltverbrechen im Namen der Ehre. Sie ist nicht zwangsläufig bestimmten Religionen zuzuordnen, wohl aber bestimmten Kulturen.

 

Fragen 11 bis 12:

Am häufigsten erleben Frauen Gewalt in ihrer Familie, 90 % aller Gewalttaten werden nach Schätzungen der Polizei in der Familie und im sozialen Nahraum ausgeübt. Die Dunkelziffer bei familiärer Gewalt ist sehr hoch, Forschungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass jede fünfte Frau bereits Gewalt in einer Beziehung erlebt hat.

Ich bin daher in der Vergangenheit für gesetzliche Verbesserungen zugunsten gewaltbetroffener Frauen eingetreten und werde mich auch in der Zukunft bei solchen Gesetzesvorhaben enstprechend einbringen.

Auf rechtlicher Ebene sind zunächst vor allem die Änderungen des Gewaltschutzgesetzes, die mit 1. Jänner 2004 in Kraft trat, und das Strafrechtsänderungsgesetz 2004 zu erwähnen.

 

Mit der Novelle des Gewaltschutzgesetzes wurde der Schutz durch die gerichtliche einstweilige Verfügung nicht mehr auf den vormals taxativ aufgezählten Personenkreis eingeschränkt oder an das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts gebunden. Seit 1.1.2004 sind alle Personen geschützt, die mit dem Täter in einer familiären oder familienähnlichen Gemeinschaft leben oder gelebt haben.

 

Eine Erleichterung der Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes bedeutet auch die ebenfalls eingeführte Neuregelung, dass die Polizei zur Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes an bestimmten Orten (z.B. Schule, Kindergarten, Arbeitsplatz der Frau) direkt herangezogen werden kann. Damit wurde schnelles Handeln in Fällen, in denen sich der Gefährder nicht an eine einstweilige Verfügung hält, deutlich erleichtert.

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 wurde das Sexualstrafrecht umfassend novelliert. Im Zuge dieser Novelle wurde auch einer langjährigen frauenpolitischen Forderung entsprochen und die Privilegierung der Vergewaltigung in der Ehe/Lebensgemeinschaft endgültig fallengelassen.

Ein besonderes Anliegen bei den im heurigen Jahr vorgenommenen Reformen war mir die Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren. Mit einer Novelle, die am 1.1.2006 in Kraft tritt, werden Opfer von physischer oder sexueller Gewalt oder von gefährlicher Drohung betroffene Menschen einen gesetzlichen Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung haben. Die Belastungen, die ein Strafverfahren für die Opfer, insbesondere wenn sie gegen Familienangehörige aussagen, zwangsläufig mit sich bringt, werden damit zumindest verringert werden.

Mit einem gerade in Begutachtung befindlichen Gesetzesentwurf der Justizministerin soll weiters die auch von mir vertretene Forderung, die strafrechtliche Verfolgung einer gefährlichen Drohung im Familienkreis nicht länger an eine Ermächtigung der Bedrohten/des Bedrohten zu binden, umgesetzt werden. Mit demselben Gesetzesentwurf werden erstmals Regelungen zum Schutz vor Stalking vorgeschlagen.

 

Neben dem Ausbau rechtlicher Grundlagen möchte ich insbesondere auf die Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie hinweisen, die aus – laufend erhöhten - Budgetmitteln meines Ressorts gemeinsam mit dem Innenministerium finanziert werden.

Darüberhinaus stehen Frauen, die von Gewalt bedroht sind, verschiedene Beratungseinrichtungen, Notrufe und Frauenhäuser sowie die Frauenhelpline, die mit Frauenprojektfördermitteln meines Ressorts finanziell unterstützt werden, hilfreich zur Seite.

Die im Jahr 2001 erstellte umfassende Informationsbroschüre „Frauen haben Recht(e)“ wurde überdies in meinem Auftrag mit Stand Juni 2005 aktualisiert und wurde bzw. wird neuerlich kostenlos an alle im Gewaltbereich tätigen Einrichtungen und alle interessierten Frauen versendet.

Als weitere Maßnahme der Qualitätssicherung habe ich die Organisation und Durchführung einer weiteren Schulungsreihe für Mitarbeiterinnen von Fraueneinrichtungen, die im Bereich „Gewalt an Frauen“ tätig sind, in Auftrag gegeben, in dessen Rahmen in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt 8 Seminare stattgefunden haben. Damit wurde vor allem neu eingetretenen, aber auch schon länger in diesem Bereich tätigen Mitarbeiterinnen der genannten Einrichtungen ein maßgeschneidertes Angebot zur Aus- und Fortbildung zur Verfügung gestellt.

 

Frage 13 und 14:

Ich weise darauf hin, dass mit dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), das am 1.1.2006 in Kraft tritt, folgende Verbesserungen im Hinblick auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für gewaltbetroffene Frauen beschlossen wurden:

 

Gemäß § 27 Absatz 1 NAG haben Familienangehörige die ersten fünf Jahre grundsätzlich ein vom/von der Zusammenführenden abgeleitetes Niederlassungsrecht. Verliert der/die Zusammenführende innerhalb dieses Zeitraumes sein/ihr Niederlassungsrecht, geht auch das seiner/ihrer Familienangehörigen von Gesetzes wegen unter.

 

Dies gilt jedoch gemäß § 27 Absatz 2 NAG nicht, wenn der/die Familienangehörige die gesetzlich geforderten Erteilungsvoraussetzungen selbst erfüllt. Ist dies der Fall, hat die Behörde eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, die jedenfalls dem Aufenthaltszweck entspricht, der vom/von der Zusammenführenden abgeleitet oder inzwischen innegehabt wurde.

 

Dies gilt unabhängig davon, ob die Frau, die im Zuge der Familienzusammenführung nach Österreich kam, häuslicher Gewalt ausgesetzt ist oder nicht. Kann sie die Voraussetzungen erfüllen, ist ihr die entsprechende Niederlassungsbewilligung zu erteilen.

 

Es wurde jedoch im weiteren noch auf besondere Konstellationen Rücksicht genommen, die nicht den Verlust der Niederlassungsbewilligung zur Folge haben, selbst wenn die Erteilungsvoraussetzungen für eine Niederlassungsbewilligung aus eigenem nicht erfüllt werden können.

Dabei handelt es sich um den Tod des zusammenführenden Ehegatten (oder Elternteils), um die Scheidung wegen überwiegenden Verschuldens des anderen Ehegatten und um „besonders berücksichtigungswürdige Gründe“. § 27 Absatz 4 präzisiert ausdrücklich, dass ein besonders berücksichtungswürdiger Grund vorliegt, wenn der/die Familienangehörige Opfer häuslicher Gewalt und eine einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz erlassen wurde.

 

Mit diesen gesetzlichen Regelungen scheint gewährleistet, dass Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, nicht in der Beziehung verbleiben müssen, um ihr Aufenthaltsrecht in Österreich nicht zu gefährden. Wie bisher wäre jedenfalls auch die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen weiterhin möglich.

 

Frauen, die Opfer von Frauenhandel wurden, können auch in Zukunft eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen – dies stellt einen eigenständigen Aufenthaltstitel dar - erhalten. Mit dem Inkrafttreten des NAG ist auch hier eine Verbesserung der Rechtsstellung der Opfer verbunden. Einerseits wird die Bestimmung ausdrücklich auf alle Opfer von Menschenhandel, also auch auf den Handel zwecks sexueller Ausbeutung, zur Ausbeutung durch Organentnahme und zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft, ausgeweitet. Andererseits wird eine Dauer der Aufenthaltsbewilligung von mindestens sechs Monaten gesetzlich vorgeschrieben. Wie bisher ist diese natürlich verlängerbar.

 

Weiters wird im Wege eines Erlasses sicher gestellt, dass Opfern von Frauenhandel eine 30tägige Bedenkzeit eingeräumt wird, innerhalb derer sie ohne Druck die nächsten Schritte überlegen und die nähere Zukunft planen können.

 

Ergänzend dazu möchte ich noch festhalten, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen nicht nur dann möglich ist, wenn das Opfer mit den Behörden kooperiert oder zivilrechtliche Ansprüche gegen den/die Händler geltend macht, sondern auch unanhängig davon, wenn individuelle Gründe geltend gemacht werden, wobei hier der Schutzbedürftigkeit des Opfers eine große Bedeutung zukommt.

 

Ich werde aber selbstverständlich die ab 1.1.2006 geltenden Neuregelungen und ihre Auswirkungen im Auge behalten. Sollte die Praxis erweisen, dass noch weitere Verbesserungen notwendig sind, werde ich darüber das Gespräch mit der ressortzuständigen Innenministerin suchen.

 

 

 

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Maria Rauch-Kallat

Bundesministerin