3590/AB XXII. GP

Eingelangt am 23.01.2006
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0095-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3641/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Vollziehung der Ersatzbestimmung für das anti-homosexuelle Sonderstrafgesetz § 209 StGB (§ 207b StGB)“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 6:

Im Anfragezeitraum wurde beim Bezirksgericht Kufstein gegen einen unbescholtenen 55-jährigen Verdächtigen ein Verfahren wegen § 207b Abs. 1 StGB eingeleitet. Tatopfer war ein 14-jähriges Mädchen. Die Jugendliche besuchte die Sonderschule und wies einen Entwicklungsrückstand auf. Wegen einer leichten geistigen Behinderung bezogen die Eltern für sie doppelte Kinderbeihilfe. Ein Gutachten wurde nicht eingeholt. Der Verdächtige forderte die Jugendliche im Mai 2005 auf, ihm ihre Geschlechtsteile zu zeigen und nahm an ihr geschlechtliche Handlungen vor.

Beim Bezirksgericht Favoriten wurde gegen einen unbescholtenen 20-jährigen Verdächtigen ein Verfahren wegen § 207b Abs. 1 StGB eingeleitet. Die 15-jährige Jugendliche führte bei dem ihr kaum bekannten Verdächtigen auf dessen Aufforderung hin einen Oralverkehr durch. Eine mangelnde Reife der Jugendlichen ließ sich nicht feststellen.

Gegen einen unbescholtenen 63-jährigen Verdächtigen wurde beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien ein Verfahren wegen § 207b Abs. 1 StGB zum Nachteil einer unbekannten Person eingeleitet und später gemäß § 412 StPO abgebrochen. Die zuständige Staatsanwaltschaft konnte in ihrem Bericht keine näheren Angaben zum Sachverhalt machen, weil der Gerichtsakt zur Einsichtnahme nicht zur Verfügung stand.

In den beiden letztgenannten Verfahren lagen die Tathandlungen nach dem 14. August 2002. Gutachten wurden nicht eingeholt.

Beim Bezirksgericht Steyr wurde gegen einen 76-jährigen unbescholtenen Verdächtigen ein Verfahren wegen § 207b Abs. 1 StGB geführt. Der Verdächtige soll im September 2004 an einer 15-jährigen geistig behinderten Jugendlichen geschlechtliche Handlungen vorgenommen haben. Das Verfahren wurde aufgrund neuer Erkenntnisse während des Gerichtsverfahrens, in dem unter anderem ein Sachverständigen­gutachten zum geistigen Zustand der Jugendlichen eingeholt worden war, in der Folge wegen § 205 Abs. 1 StGB beim Landesgericht Steyr weitergeführt.

Nach den mir vorliegenden Berichten der Staatsanwaltschaften wurde im ersten Halbjahr 2005 wegen § 207b Abs. 1 StGB als alleinigem oder führendem Delikt weder Verwahrungs- noch Untersuchungshaft verhängt, es gab auch keine Verurteilungen. Auch von Einweisungen in Anstalten nach den §§ 21 bis 23 StGB wurde mir nicht berichtet.

Weder im ersten Halbjahr 2005 noch mit Stichtag 17. Jänner 2006 wurden Personen wegen § 207b Abs. 1 StGB (als alleiniges bzw. als im Sinne der Verurteilungsstatistik führendes Delikt) in Straf-, Untersuchungshaft oder im Maßnahmenvollzug angehalten.

Zu 7 bis 12:

Beim Landesgericht Klagenfurt wurde im ersten Halbjahr 2005 gegen einen 30-jährigen, eine (nicht einschlägige) Vorstrafe aufweisenden Verdächtigen (nach gerichtlichen Vorerhebungen, bei denen § 207b StGB nicht führendes Delikt war) ein Straf­antrag unter anderem wegen § 207b Abs. 2 StGB (nunmehr als führendem Delikt) eingebracht. Partnerin  war eine 14-jährige Jugendliche. Der Verdächtige nützte im Wesentlichen  eine Alkoholisierung  der  Jugendlichen  sowie das Fehlen einer Übernachtungsmöglichkeit der gegen den Willen ihrer Eltern von zu Hause weggelaufenen Jugendlichen zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs. Die Tathandlung erfolgte nach dem 14. August 2002.

Nach den mir zugekommenen Berichten der Staatsanwaltschaften lagen weitere einschlägige Fälle nicht vor.

Weder im ersten Halbjahr 2005 noch mit Stichtag 17.01.2006 wurden Personen wegen § 207b Abs. 2 StGB (als alleiniges bzw. als im Sinne der Verurteilungsstatistik führendes Delikt) in Straf-, Untersuchungshaft oder im Maßnahmenvollzug angehalten.

Zu 13 bis 18:

Im ersten Halbjahr 2005 wurde beim Landesgericht für Strafsachen Wien gegen einen unbescholtenen 54-jährigen Verdächtigen ein Verfahren wegen §§ 15, 207b Abs. 3 StGB eingeleitet. Der Verdächtige wollte mit einer 16-jährigen Prostituierten geschlechtlich verkehren. Aufgrund des Einschreitens der Polizei blieb es beim Versuch.

Gegen einen 34-jährigen unbescholtenen Verdächtigen wurde beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein Verfahren eingeleitet. Der Verdächtige ersuchte eine 14-jährige Jugendliche per E-Mail um „Geld gegen Sex ab 200 aufwärts“.

Ein weiteres beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingeleitetes Verfahren wurde in der Folge an das Landesgericht Wiener Neustadt abgetreten. Gegen einen im Jahr 1962 geborenen unbescholtenen Verdächtigen wurden gerichtliche Vorerhebungen wegen §§ 15, 207b Abs. 3 StGB geführt. Dieser stand im Verdacht, über das Internet weiblichen Personen Geld für sexuelle Handlungen angeboten zu haben. Die gerichtlichen Vorerhebungen ergaben nur einen (nach § 207b StGB nicht tatbildlichen) geschlechtlichen Kontakt zu einer 19-jährigen Frau. Mangels hinreichend konkreter Anhaltspunkte für die Verwirklichung eines versuchten sexuellen Missbrauches von Jugendlichen wurde das Verfahren eingestellt.

In sämtlichen Fällen lagen die Tathandlungen nach dem 14. August 2002.

In dem in der Anfragebeantwortung vom 20. Juli 2005 zur Zahl 3163/J-NR/2005  als Antwort zu den Fragen 13 bis 17 angeführten Verfahren beim Landesgericht für Strafsachen Wien erfolgte im ersten Halbjahr eine – zwischenzeitig rechtskräftige – Verurteilung wegen § 207b Abs. 3 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten.

Die  Beantwortung dieser Anfrage basiert – wie schon bisher - im Wesentlichen auf den von den Staatsanwaltschaften eingeholten Berichten, die wiederum auf Grundlage von Registerauszügen des Bundesrechenzentrums erstellt wurden.

Vom 22.02.2004 bis 21.02.2005 befand sich eine Person wegen § 207b Abs. 3 StGB (führendes Delikt) in Haft. Derzeit wird sie in der Justizanstalt Garsten im Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 2 StGB angehalten.

Mit Stichtag 17.01.2006 befanden sich zwei Person wegen § 207b Abs. 3 StGB (führendes Delikt) in Strafhaft. Eine Person verbüßt ihre Strafe in der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Die andere in der Justizanstalt Klagenfurt.

Zu 19:

Die in der Anfrage angesprochene, im Jahr 1969 geborene Person steht unter Sachwalterschaft und leidet an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung. Zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung wies diese Person neun Vorstrafen auf. Sie wurde mit Urteil des  Landesgerichtes  Linz  wegen  § 207b Abs. 3  StGB,  §§ 15, 207b Abs. 3 StGB, § 107 Abs.1 StGB, § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Ferner wurde mit diesem Urteil die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB angeordnet. Aus Anlass dieser Verurteilung wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz auch eine bedingte Strafnachsicht zu einer vorherigen Verurteilung, die nicht wegen Delikten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung erfolgt war, widerrufen.

Der Verurteilte hat in Ansehung des § 207b Abs. 3 StGB zum einen im Zeitraum Anfang Dezember 2003 bis Februar 2004 einen 16-jährigen Jugendlichen durch Übergabe  eines  Handys  bzw. Anbieten  und  Bezahlung  von  Bargeld  zur Duldung von  Oralverkehr in zumindest sechs Fällen verleitet, zum anderen hat er im Juli 2003 in einem Heim versucht, einen 17-jährigen Jugendlichen durch Anbieten von Bargeld, Zigaretten, Getränken und Essen zur Duldung von Oralverkehr zu verleiten.

Die angeführte Person befindet sich nach wie vor im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB.

Zu 20:

Dazu hat mir die Staatsanwaltschaft berichtet, dass im Hinblick auf das mit 14 Jahren angegebene Alter des Tatopfers zunächst auch mit einer Verwirklichung der Tatbilder nach §§ 207b Abs. 2 oder § 207 StGB zu rechnen gewesen sei. Zur Abklärung sei eine kontradiktorische Einvernahme des Tatopfers beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Eisenstadt beantragt worden.

 

. Jänner 2006

 

(Maga. Karin Gastinger)