3612/AB XXII. GP

Eingelangt am 03.02.2006
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

 

BUNDESMINISTERIN FÜR SOZIALE SICHERHEIT

GENERATIONEN UND KONSUMENTENSCHUTZ

Ursula Haubner

 

 

Herrn

Präsidenten des Nationalrates                                          (5-fach)

Parlament

1010 Wien

 

 

GZ: BMSG-10001/0002-I/A/2006                        Wien,

 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3685/J der Abgeordneten Mag. Johann Maier und GenossInnen wie folgt:

 

Einleitend möchte ich festhalten, dass Suchtverhalten eine Krankheitsform ist und diesbezügliche Forschungen daher in erster Linie dem Gesundheitsressort obliegen.

 

 

Fragen 1 bis 6:

 

Im Jahr 2003 hat mein Ressort die Dachorganisation ASB Schuldnerberatung GmbH mit der Durchführung einer Studie zum Thema „Unterstützung bei Überschuldung – Seriöse und unseriöse Geschäfte mit SchuldnerInnen“ beauftragt. Gemäß dieser Studie waren im Erhebungszeitraum 01.01.2003 bis 31.12.2003 die häufigsten Gründe für eine Überschuldung bei Männern

 

*     Selbstständigkeit (27,6 %),

*     Einkommensverschlechterung/Arbeitslosigkeit (27,3 %) und

*     das Konsumverhalten (24,9 %).

 

Bei Frauen waren die häufigsten Gründe

 

*     Einkommensverschlechterung/Arbeitslosigkeit (24,6 %),

*     Konsumverhalten (22,7 %) und

*     Bürgschaften/Haftungen (19,9 %).

 

Aktuelle Daten des Eckdatenreports der Schuldnerberatungen für das 1. Halbjahr 2005 zeigen, dass verglichen mit 2004 um 7,7 % mehr Erstkontakte und um 4,4 % mehr Erstberatungen bei den Schuldnerberatungen zustande gekommen sind

(Geschlechtsverteilung: rund 60 % männlich, 40 % weiblich). Die Tendenz, mehr auszugeben als man hat, ist nach Ansicht der ASB Schuldnerberatung GmbH sowohl bei Männern als auch bei Frauen weiter steigend. Gründe dafür liegen unter anderem auch darin, dass der Konsum seitens der Wirtschaft mittels geschickter Werbung, der Möglichkeiten einerseits bargeldlos zu bezahlen und andererseits Warenkredite relativ problemlos zu beziehen, massiv angekurbelt wird.

 

Abschließend ist aber anzumerken, dass nach Angaben der ASB Schuldnerberatung GmbH weniger als 3 % der Klientel der Schuldnerberatungen im eigentlichen Sinn „kaufsüchtig“ sind. Dies ergab eine Auswertung von insgesamt 8.779 Erstberatungen durch die Schuldnerberatungen in Österreich im Jahr 2004 über die Ursachen finanzieller Schwierigkeiten. Demnach ist bei 2,65 % der Klienten Sucht Haupt-auslöser der Überschuldung (hier ist aber nicht nur Kaufsucht subsumiert!). Bei 15,33 % liegt es am Konsumverhalten. Das heißt aber ebenfalls nicht, dass hier bereits KaufSUCHT vorliegt, bestenfalls eine potentielle Gefährdung, die durch die Insolvenzsituation schon gehemmt scheint. Wird bei einem/r Überschuldeten eine krankhafte Form der Kaufsucht diagnostiziert und liegt darin die Ursache für die Überschuldung, kann mit den Mitteln der Schuldnerberatung nicht mehr das Aus-langen gefunden werden.

 

Was die Kaufsucht von Jugendlichen anlangt, liegen meinem Ressort keine spezifischen Daten oder Forschungsergebnisse vor; allein zum Konsumverhalten Jugendlicher und junger Er­wachsener liegen Daten vor. Die diesbezüglichen Ergebnisse des 4. Berichts zur Lage der Jugend in Österreich 2003 decken sich mit den Ergebnissen der Arbeiterkammer hinsichtlich des Gefährdungspotentials insbesondere jugendlicher Frauen.

 

Demnach sehen 50 % der 14- bis 19-jährigen Mädchen im Vergleich zu 30 % der Burschen dieses Alters Einkaufen als einen Weg „dem unerfreulichen Alltag zu ent­kommen und sich zu entspannen“.

 

Aus jugendpolitischer Sicht ist dies eher als „Fluchtverhalten“ zu bezeichnen, das eventuell langfristig zu einer Sucht führen kann, obwohl die Daten des Jugendbe­richts zeigen, dass kompensatorischer Konsum mit zunehmendem Alter eher in den Hintergrund tritt. Auch hier gibt es jedoch eindeutige geschlechtsspezifische Unter­schiede zu Ungunsten der Mädchen und jungen Frauen.

 

 

Frage 7:

 

Die oben angeführte Studie zeigt einen kontinuierlich steigenden Bedarf an Schuld­nerberatung in Österreich. Umso wichtiger wird es, die Qualität der gemeinnützigen Schuldnerberatungen zu sichern sowie deren Effizienz, ihr Angebotsspektrum und ihren Bekanntheitsgrad gegenüber Verbrauchern und Gläubigergruppen zu erhöhen. Als Konsumentenschutzministerin, die den Bereich Verschuldung bzw. Prävention zur Verhinderung von Verschuldung als einen der Arbeitsschwerpunkte betrachtet, fühle ich mich aufgefordert, gerade im Bereich der Schuldnerberatung auch qualitätssichernde Maßnahmen zu fördern und zu unterstützen.

 

Nachdem beim Kaufverhalten Jugendlicher geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt wurden, bedarf es in der außerschulischen Jugendarbeit ganz spezifi­scher auf die jeweiligen Geschlechter abgestimmter Maßnahmen. Derzeit ist der 5. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich in Arbeit, der sich u. a. verstärkt dem Thema der geschlechtsspezifischen Jugendarbeit in Österreich widmet und im Herbst 2006 fertig gestellt und dem Nationalrat vorgelegt wird.

 

 

Frage 8:

 

Es sind keine Studien anderer Mitgliedstaaten zum Thema Kaufsucht bekannt.

 

 

Frage 9:

 

Wie schon einleitend dargestellt, handelt es sich bei der Kaufsucht um ein Suchtverhalten, dass als Krankheitsform in die Zuständigkeit des Gesundheits-ressorts gehört. In meinem Ressort gibt es daher keine auf das Thema Kaufsucht spezialisierte Organisationseinheit. Soferne die Kaufsucht (bzw. –gefährdung) in einem Zusammenhang mit Verschuldung steht, ist es auch Aufgabe der Konsumentenschutzsektion meines Ministeriums, entsprechende Maßnahmen zur Gegensteuerung zu setzen und zu fördern.

 

 

Fragen 10 bis 12:

 

Besonderes Augenmerk ist meines Erachtens auf die Gruppe der Jugendlichen zu werfen. Dabei ist allgemein festzuhalten, dass Verbote allein Suchtverhalten von Jugendlichen nicht verhindern können.

 

Da für die Prävention von „Kaufsucht“ bzw. für ein entsprechendes Kaufverhalten von Jugendlichen ein förderliches Erziehungsverhalten und eine positive Vorbildwir­kung der Eltern bzw. der Erwachsenen generell notwendig ist, setzt mein Ressort vor allem auf Maßnahmen zur Sensibilisierung von Eltern und anderen Erziehungsper­sonen. Als Beispiel sei hier besonders die Aufbereitung von Themen des Monats auf der Website www.eltern-bildung.at mit Beiträgen von Expertinnen und Experten, Chats, Foren sowie Link- und Literaturtipps zu Fragen wie „Konsumverhalten Ju­gendlicher“ oder „Handynutzung bei Kindern und Jugendlichen“ erwähnt.

 

Jugendinformation ist ein Schwerpunktbereich meines Ressorts. Daher wurde im Vorjahr das Österreichische Jugendportal eingerichtet, eine Website speziell für junge Menschen, die unter www.jugendinfo.at Antworten auf eine Vielzahl jugend­relevanter Fragen erhalten, u. a. auch Informationen und Links rund um die Themen Konsum und Verschuldung. Im Jahr 2006 ist ein weiterer Ausbau dieses Portals vor­gesehen, insbesondere hinsichtlich Suchtverhalten.

 

2005 schrieb erstmals mein Ministerium unter dem Titel „Jung-Kompetent-Konsu­ment“ einen Preis für alle Schülerinnen und Schüler der 9. Schulstufe aus, bei dem sie sich Gedanken über die heutige Konsumwelt machen sollten. Die Rückmeldun­gen waren sehr erfreulich: über 50 Projekte aus Schulen aus allen Bundesländern wurden angemeldet und gesponsert. Die besten Arbeiten werden von einer Jury aus unabhängigen Verbraucherschützern ausgewählt. Die Preisverleihung wird im Juni 2006 erfolgen. Ziel dieser Initiative ist es, junge Menschen dazu zu bringen, ihr eige­nes Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen und einen selbstverantwortlichen Um­gang mit Geld zu lernen.

 

Weiters möchte ich die speziell für Jugendliche aufbereitete Broschüre zum Thema „Handy“ in Erinnerung rufen, welche seit Herbst 2003 zur Verfügung steht und im verstärkten Ausmaß an diese Zielgruppe (über Schulen) zur Verteilung gelangte. Auch mit dem speziell für Jugendliche gestalteten Folder „Jugendliche und Verschuldung“ möchte ich einen Beitrag leisten, Jugendliche zu mündigen und verantwortungsbewussten Konsumenten zu machen.

 

Im Folgenden weitere Initiativen im Bereich der Verschuldung und deren Prävention, die in meinem Ministerium für das kommende Jahr verstärkt gesetzt werden:

 

*          Die Entwicklung eines staatlich anerkannten „Österreichischen Gütezeichens für Schuldnerberatung“, wie es die ASB Schuldnerberatung mit Unterstützung meines Ressorts vorhat, scheint ein wichtiger und sinnvoller Ansatz, um den Er­gebnissen der o. a. Studie Rechnung zu tragen.

 

*          Mit dem Projekt „Finanzcoaching“ soll sichergestellt werden, dass neben Schuld­nerberatungsstellen auch andere soziale Einrichtungen von den bevorrechteten Schuldnerberatungsstellen geschult werden, damit diese ebenfalls qualitative Erstberatung übernehmen und die Arbeit der Schuldnerberatungen unterstützen können.

 

*          Mit der Studie „Ökonomische Evaluierung der Schuldnerberatungsstellen“ soll die wirtschaftliche Bedeutung dieser Non - Profitorganisationen beleuchtet wer­den, um festzustellen, welches Einsparungspotenzial durch den Einsatz von Schuldnerberatung gegeben ist (Kosten-Nutzen-Rechnung).

 

Mein Ressort fördert seit vielen Jahren den Dachverband der Schuldnerbera­tungsstellen, die ASB Schuldnerberatungen GmbH und damit indirekt die Schuld­nerberatungen der Länder. Um eine flächendeckende, qualitative Schuldnerbera­tung in den Ländern weiterhin zu gewährleisten, erachte ich es für wichtig, bei den Ländern, die die Schuldnerberatungsstellen fördern, noch mehr das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Schuldnerberatung zu schärfen.

 

Weil Verbraucherbildung einen Schwerpunkt der Tätigkeit des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz darstellt, wird einer­seits die Erstellung von Unterrichtsmaterialien für den Schulgebrauch zum Thema „Richtiger Umgang mit dem Internet“ und andererseits ein gemeinsames Projekt der Hauptbücherei Wien mit der Volkshochschule Meidling zur Erwachsenenbildung im Bereich Konsumentenbewusstsein gefördert.

 

Weiters möchte ich in diesem Zusammen­hang auf die von mir eingerichtete Arbeits-gruppe zum Thema Verbraucherbildung, in der auch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur vertreten ist, hinweisen. Schwerpunkt dieser Arbeitsgruppe ist u. a. die Entwicklung von Schulmaterialien, die sich kritisch mit den Themen Konsum, Konsumverhalten, Nachhaltigkeit und Verschulden auseinandersetzen sollen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen