3728/AB XXII. GP

Eingelangt am 10.03.2006
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

GZ. BMF-310205/0001-I/4/2006

 

 

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien

 

 

 

»Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3772/J vom 12. Jänner 2006 der Abgeordneten Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen, betreffend die seit 5 Jahren versprochene Budgetsanierung, beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Einleitend möchte ich nochmals daran erinnern, in welchem Zustand ich den Bundeshaushalt zu Beginn des Jahres 2000 übernommen habe: Primärdefizite des Bundes in einem Ausmaß von € 27,2 Mrd. für den Zeitraum 1970 bis 1999 bei gleichzeitiger Steigerung der Steuern- und Abgabenquote, ein gesamtstaatliches Defizit von durchschnittlich 3,5 Prozent des BIP sowie eine öffentliche Schuldenlast von 66,5 Prozent des BIP prägten das von meinen sozialdemokratischen Vorgängern geschaffene Bild. Für die Bezahlung der Schuldzinsen musste der Bund mittlerweile etwa gleich viel aufwenden, wie für Bildung und Wissenschaft zusammen.

 

Auch im internationalen Vergleich stand Österreich nicht günstig da: 1999 gehörte Österreich gemeinsam mit Portugal beim öffentlichen Defizit zum Schlusslicht der 15 EU-Staaten. Sowohl der IMF als auch die EU kritisierten, dass in den Jahren 1998 und 1999 trotz günstiger Konjunktur praktisch keine Fortschritte bei der Budgetkonsolidierung erzielt wurden. Darüber hinaus musste sich Österreich gefallen lassen, von internationaler Seite auf die dringenden Finanzierungserfordernisse zur Zukunftssicherung und Sicherung des Standortes Österreich hingewiesen zu werden.

 

Daher hat die neue Bundesregierung ein besonderes Augenmerk auf die dringend notwendige Budgetkonsolidierung gelegt. Denn ohne eine konsequente Sanierung der Staatsfinanzen wären Defizitquote und Verschuldungsquote angestiegen und die zentralen politischen Schwer­punkte der Regierungspolitik hätten nicht umgesetzt werden können.

 

Nach Jahrzehnten teilweise deutlicher Budgetdefizite und damit steigender Schulden wurde schon in der ersten Legislaturperiode der neuen Bundes­regierung der Haushalt erfolgreich konsolidiert. Das „Nulldefizit“ wurde mit einem Überschuss bereits 2001 – somit ein Jahr früher als geplant – erreicht. 2002 waren die öffentlichen Haushalte ebenso nahezu ausge­glichen. Auch in den Folgejahren ist das öffentliche Defizit in Relation zum BIP deutlich niedriger als der EU-Durchschnitt. Österreich verbesserte sich von einem durchschnittlichen Defizit von 3,5 Prozent des BIP im Zeitraum 1991-1999 auf einen Wert von 1,1 Prozent des BIP im Zeitraum 2000-2006.

 

Auch die öffentliche Verschuldungsquote konnte seit 2000 trotz der Eurostat-Entscheidungen betreffend die Rechtsträgerfinanzierung und Niederösterreichs Verkauf von Wohnbaudarlehen deutlich abgesenkt werden. 1999 betrug sie noch 66,5% des BIP. 2004 betrug sie 63,6% des BIP und ging nach den vorläufigen Ergebnissen für das Jahr 2005 weiter zurück.

 

 

Durch gezielte Maßnahmenpakete konnte dabei auch erreicht werden, dass zugleich die Steuer- und Abgabenquote seit 2001 sinkt. Mit der Steuerreform 2004/2005 sind wir dem Ziel, bis 2010 die Steuerquote auf unter 40 Prozent zu senken, einen großen Schritt näher gerückt. Bereits 2006 wird die Steuer- und Abgabenquote auf unter 41 Prozent sinken.

 

Gleichzeitig wurden die Zukunftsausgaben stark ausgeweitet. Lag die F&E-Quote im Zeitraum 1995-1999 mit etwa 1,72 Prozent deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 1,89 Prozent, so ist die F&E-Quote nunmehr auf 2,3 Prozent des BIP gesteigert worden und liegt dabei über dem EU-Durch­schnitt. Noch nie wurden so viele Infrastrukturinvestitionen und -ausgaben getätigt wie unter dieser Bundesregierung.

 

Im Sinne der Nachhaltigkeit des eingeschlagenen Kurses der Wirtschafts- und Budgetpolitik dieser Bundesregierung wurde die Budgetkonsolidierung durch eine Reihe von Strukturreformen abgesichert, insbesondere in jenen Bereichen, die in der Vergangenheit zu hohen Budgetbelastungen geführt haben. Umfassende Strukturreformen wurden vor allem in den Bereichen Personal, Bundesverwaltung, Pensionssicherung, Bundesimmobilien-verwaltung, Universitäten, F&E-Förderung, Finanzausgleich und ÖBB gesetzt beziehungsweise in die Wege geleitet.

 

Der Erfolg dieser Politik zeigt sich auch in den gesamtwirtschaftlichen Eckpunkten: Österreich wuchs 2002-2005 kumuliert mit 7,5 Prozent mehr als doppelt so stark wie Deutschland (3,5 Prozent) und stärker als die Eurozone (7,1 Prozent).


 

Nun zu den konkreten Fragen:

 

»Zu 1. und 4.:

Zunächst weise ich darauf hin, dass – wie im Anhang 10 (Seite 106) des auch von den Anfragestellern zitierten aktuellen Berichtes über die öffent­lichen Finanzen 2004 des Staatsschuldenausschusses dargestellt wird – Österreichs öffentliche Verschuldung pro Kopf der Bevölkerung im Jahr 2000 € 17.100,-- und im Jahr 2004 € 18.400,-- betragen hat. Dies entspricht einem Anstieg von 7,6 Prozent - und nicht 16,7 Prozent, wie in der Anfrage behauptet wird.

 

Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen und der negativen Impulse, denen die österreichische Budget- und Wirtschaftspolitik zu Beginn dieses Jahrtausends gegenüberstand und welche überwiegend auf den Rückgang der deutschen Industriekonjunktur zurückzuführen waren, hatte die Budgetpolitik die Aufgabe, Impulse für die Belebung der Wirtschaft zu geben, die automatischen Stabilisatoren der öffentlichen Haushalte wirken zu lassen und vom Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes für jedes Jahr Abstand zu nehmen. Die Zielsetzung des Nulldefizits wurde durch jene eines ausgeglichenen Budgetsaldos über den Konjunkturzyklus ersetzt.

 

Die von der Bundesregierung durchgeführten wirtschaftspolitischen Maßnahmen zwischen 2002 und 2006 (dabei weise ich besonders auf die Konjunkturbelebungspakte, das Wachstums- und Standortpaket, die Steuerreform 2004/2005, die F&E-Offensiven und die Beschäftigungs­förderungsoffensive hin) haben ein Gesamtvolumen von € 5,3 Mrd. erreicht. Ohne diese Maßnahmen hätte Österreich seit 2001 durchgehend einen nahezu ausgeglichenen Haushalt aufgewiesen. Berechnungen des WIFO und meines Ressorts bestätigen dabei die Richtigkeit dieser Konjunktur­maßnahmen. Ohne wachstumspolitische Maßnahmen wäre das reale BIP im Jahr 2006 bis zu 1,4 Prozentpunkte niedriger; der Beschäfti­gungseffekt der kumulierten Maßnahmenpakete wird allein im Jahr 2006 auf 63.000 Arbeitsplätze geschätzt.

 

Zu 2. und 3.:

Als Kriterium für den Fortschritt der Budgetsanierung ist es auch im internationalen Vergleich üblich, die Staatsschuldenquote, das heißt die öffentlichen Schulden in Relation zum BIP, und den Primärsaldo, das heißt das öffentliche Defizit ohne Zinszahlungen, zu verwenden. Der Primärsaldo gibt Aufschluss über die aktuelle Einnahmen- und Ausgabensituation, wobei Schuldenbelastungen aus der Vergangenheit nicht berücksichtigt werden.

 

Die Staatsschuldenquote ist seit 2000 rückläufig, wie auch aus Anhang 10 des Berichtes des Staatsschuldenausschusses für das Jahr 2004 klar ersichtlich ist. Aus Anhang 2 (Seite 90) dieses Berichtes geht weiters klar hervor, dass der Primärsaldo in all den Jahren meiner Regierungstätigkeit positiv ist. Damit unterscheiden sich die Jahre unter meiner Verantwortung als Bundesminister für Finanzen vom von meinen sozialdemokratischen Vorgängern zu verantwortenden Zeitraum 1970 bis 1999 deutlich: während 1970 bis 1999 Primärdefizite des Bundes in einem Ausmaß von € 27,2 Mrd. zu verbuchen waren, kann nunmehr ein Primärüberschuss für den Zeitraum 2000 bis 2006 in Höhe von € 21 Mrd. ausgewiesen werden.

 

Zu 5.:

Der österreichische Stabilitätspakt für die Jahre 2005 bis 2008 sieht für das Jahr 2008 einen ausgeglichenen Haushalt vor. Durch die von der Bundes-

regierung umgesetzten Reformen ist die finanzielle Nachhaltigkeit langfristig gesichert. Dies wird im Übrigen auch in der Stellungnahme des Rates der Europäischen Union zur Fortschreibung des Österreichischen Stabilitätsprogrammes für den Fall der Beibehaltung der aktuellen Budget­strategie bestätigt. Auch die Qualität der öffentlichen Finanzen steigt durch die Umsetzung der Gesundheitsreform 2005 und der Verwaltungsreform II sowie der geplanten Reform des Bundeshaushaltrechts.

 

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Heinz Grasser eh.