3818/AB XXII. GP

Eingelangt am 24.03.2006
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BM für Gesundheit und Frauen

 

Anfragebeantwortung

 

 

 

Herrn

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

Parlament

1017 Wien

 

 

 

GZ: BMGF-11001/0006-I/3/2006

Wien, am      23. März 2006

 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 3816/J der Abgeordneten Mag. Johann Maier und GenossInnen wie folgt:

 

Frage 1:

Dazu möchte ich vorab auf die im ASVG vorhandenen Regelungen zur Volksgesundheit hinweisen, wie Jugendlichenuntersuchungen, Vorsorge(Gesunden-)untersuchungen bzw. sonstige Maßnahmen zur Erhaltung der Volksgesundheit. Solche Themen können nur dann sinnvoll bearbeitet werden, wenn dafür gute Datengrundlagen bestehen, die ihrerseits wieder zu guten Statistiken führen.

 

Der derzeit für die Vorsorgeuntersuchung gewählte Weg ist meines Erachtens richtig und dient den Zielen des Gesetzgebers, wie sie in den einschlägigen Bestimmungen des ASVG festgehalten sind: Denn gesundheitspolitische Maßnahmen im Sinne des Präventionsgedankens können nur dann gesetzt werden, wenn man über den Gesundheitszustand der österreichischen Bevölkerung Bescheid weiß.

 

Es erscheint mir sehr sinnvoll, dass derartige Daten beim behandelnden Arzt/bei der behandelnden Ärztin erfasst werden, zumal die behandelnde Stelle jener Ort ist, an dem verantwortungsvoll und ohne Übermittlungsprobleme direkt aus den tatsächlichen Befunden die entsprechenden Daten ermittelt werden können.

Das Thema ist zudem nicht neu: die Vorsorgeuntersuchung (Gesundenuntersuchung) besteht seit Jahrzehnten. Entsprechend den Inhalten des medizinischen Programms der Vorsorgeuntersuchung Neu wurden in Abstimmung mit der Österreichischen Ärztekammer Formblätter entwickelt, wie sie im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung dem Grunde nach bereits seit Jahrzehnten in Verwendung sind.

Ein Präventionsprogramm wie jenes der neuen Vorsorgeuntersuchung kann nur dann einen Nutzen für den/die Einzelne/n sowie die Gesamtbevölkerung erbringen, wenn dessen Sinnhaftigkeit langfristig evaluiert wird und somit belegt wird, ob der Gesundheitszustand der österreichischen Bevölkerung sich durch die (vermehrte) Inanspruchnahme dieses Screeningprogramms tatsächlich nachhaltig verbessert.

 

Frage 2:

Das medizinische Programm und damit die Inhalte der Befundblätter wurden in vielen Gesprächsrunden zwischen medizinischen Expert/inn/en der Sozialversicherung und der Österreichischen Ärztekammer erarbeitet. Dabei handelt es sich um Inhalte, die nach Ansicht dieser Expert/inn/en für ein allgemeines Screeningprogramm wie die Vorsorgeuntersuchung Neu geeignet sind.

 

Frage 3:

Erweitert wurde das Programm beispielsweise um die Untersuchung der Haut, Abklärung von Paradontitis, bei der Blutuntersuchung kommt neben dem Gesamtcholesterin auch HDL- und T-Cholesterin hinzu sowie das rote Blutbild bei Frauen, der BMI wird errechnet, und es erfolgt eine Abklärung zum individuellen Lebensstil, wie etwa körperliche Bewegung, Alkoholkonsum (auf freiwilliger Basis) und Rauchverhalten. Hinzu kommen altersspezifische Untersuchungen, so beispielsweise die Untersuchung des Sehvermögens für Personen über 65 Jahren, die Koloskopie für Personen über 50 Jahren. Das kardiovaskuläre Risiko wird im Rahmen der neuen Vorsorgeuntersuchung für jeden Teilnehmer/jede Teilnehmerin anhand eigener Risikoscores individuell errechnet.

 

Frage 4:

Die ärztliche Schweigepflicht wird nicht verletzt. Die rechtliche Grundlage für diese Übermittlung bildet § 51 Abs. 2 Ärztegesetz, der besagt, dass Ärzte/Ärztinnen zur automationsunterstützten Ermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten (beispielsweise Diagnose, Krankheitsverlauf und dergleichen) sowie zur Übermittlung dieser Daten unter anderem an die Sozialversicherungsträger berechtigt sind.

In § 9, insb. Z 2, 3, 10 und 12 DSG wird aufgezählt, in welchen Fällen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei der Verwendung sensibler Daten nicht verletzt werden. Zudem sind die Vorschriften der Datenschutzverordnung des Hauptverbandes (SV-DSV 2001, www.avsv.at Nr. 1/2002) einzuhalten.

 

 

Frage 5:

Nach § 447h Abs. 4 ASVG sind die Vorsorgeuntersuchung und deren Auswirkungen zu evaluieren. Dies kann sinnvoll nur dann geschehen, wenn eine Feststellung möglich ist, ob bzw. wie sich allenfalls gefundene Krankheiten im Laufe der Zeit – durch Früherkennung – weiter entwickelt haben und ob die Behandlung erfolgreich war. Wenn die Daten anonymisiert werden, ist eine Zusammenführung auf eine bestimmte Person (als Statistikidentität, also lediglich indirekt personenbezogen und jedenfalls ohne deren Namen und Geburtsdaten!) nicht möglich.

 

Wenn die Untersuchungen A bei einem Arzt/einer Ärztin, B in einem Spital und C bei einem/r anderen Arzt/Ärztin durchgeführt wurden, muss klar sein, ob diese Untersuchungen zu einem Menschen X, zwei Menschen X und Y oder drei Menschen X, Y und Z gehören.

Dafür braucht man keinen Namen, muss aber wissen, dass z. B. die Untersuchung A für den Menschen (die Identität) Z erfolgte und die Untersuchung B für den Menschen X, während die Untersuchung C ebenfalls für den Menschen Z erfolgte.

 

Diesem Zweck dient die Pseudonymisierungsstelle: Dort wird dafür gesorgt, dass zwar nicht das Wissen verloren geht, dass eine Untersuchung für eine bestimmte Person vorgenommen wurde, es wird aber gelöscht bzw. verschlüsselt, wie der Name dieser Person lautet. Damit sind keine personenbezogenen Abfragen mehr möglich, dennoch aber exakte Datengrundlagen für Statistiken herstellbar (im obigen Beispiel wären damit feststellbar zwei Untersuchungen für Z, eine Untersuchung für X, keine Untersuchung für Y).

 

Ein Präventionsprogramm ist nur dann sinnvoll, wenn es entsprechend evaluiert werden kann. Daher müssen die Daten für sinnvolle Auswertungen pseudonymisiert – und nicht anonymisiert – werden.

 

Die Pseudonymisierung der Daten hat ihren Zweck darin, dass Angaben von verschiedenen behandelnden Stellen indirekt personenbezogen zusammengeführt werden können, um danach feststellen zu können, ob das jeweilige Untersuchungsprogramm tatsächlich die erwünschten Ergebnisse und Effekte erzielt hat. Die entsprechenden Datensätze müssen damit indirekt personenbezogen verarbeitet werden, um Behandlungen und Untersuchungsergebnisse auf eine bestimmte Personenidentität zurückführen zu können.

 

Frage 6:

Die Erhebungsblätter werden über eine gesicherte, verschlüsselte Verbindung an die Sozialversicherung gesendet, nicht über das allgemeine – bekannt unsichere ‑ Internet. Solche Verbindungen beruhen auf internationalen technischen Standards, zu denen der Hauptverband bei Bedarf Auskunft gibt.

 

Frage 7:

Es liegt kein Widerspruch vor. Die erhobenen Gesundheitsdaten dienen den gesetzlichen Zielen, die auch durch die Datenschutzrichtlinie anerkannt sind: Richtlinie 95/46/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, CELEX: 31995L0046, Amtsblatt Nr. L 281 vom 23. November 1995 S. 31 – 50, zugänglich auf der Website der Datenschutzkommission http://www.dsk.gv.at/31995L0046de.htm.

Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten für die vorliegenden Zwecke ist in dieser Datenschutzrichtlinie ausdrücklich behandelt.

 

Frage 8:

Die aus der Vorsorgeuntersuchung gewonnenen Daten können und müssen seitens der Sozialversicherungsträger gemäß § 447h ASVG und § 12 der Richtlinien für die Durchführung und Auswertung der Vorsorgeuntersuchungen evaluiert und ausgewertet werden. Darüber hinaus gelten für Datenübermittlungen die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften und die einschlägigen Durchführungsregeln der Datenschutzverordnung www.avsv.at Nr. 1/2002, wozu insbesondere die Entscheidungen der Datenschutzkommission zu beachten sind.

 

Frage 9:

Gemäß den - lediglich in der Literatur vorzufindenden - Überlegungen über eine mögliche Ausgestaltung bzw. den Funktionsumfang einer elektronischen Gesundheitsakte, die im Gegensatz zu der in der Frage angeführten elektronischen Patientenakte auf das gesundheitsbezogene Empowerment der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet ist, könnte eine solche elektronische Gesundheitsakte insbesondere auch Daten der Prävention oder der Gesundheitsvorsorge enthalten. In der Praxis sind noch keine Anwendungen bekannt, die als vollständige elektronische Gesundheitsakte bewertet werden könnten.

 

Da sich die Einführung einer elektronischen Gesundheitsakte derzeit im Stadium der Prüfung der Machbarkeit befindet, kann ich die Frage somit nur dahingehend beantworten, dass die Aufnahme von personenbezogenen Gesundheitsdaten aus der Vorsorgeuntersuchung Neu in die elektronische Gesundheitsakte vorbehaltlich der Entscheidung für ihre Einführung in der ersten Ausbauphase weder vorgesehen noch möglich sein wird. Eine abschließende Beantwortung kann daher erst auf Grundlage der Konzeption späterer Ausbauphasen der elektronischen Gesundheitsakte erfolgen. Unabhängig davon wird die Aufnahme von personenbezogenen Gesundheitsdaten aus der Vorsorgeuntersuchung Neu in die elektronische Gesundheitsakte im Lichte des datenschutzrechtlichen Zustimmungserfordernisses der Betroffenen zu beurteilen sein.

 

Frage 10:

Die Verarbeitung durch die einzelnen Sozialversicherungsträger ist ausdrücklich vorgesehen, vgl. § 12 der einschlägigen Richtlinie www.avsv.at Nr. 58/2005: Der Hauptverband hat gemäß § 84a Abs. 5 ASVG der Bundesgesundheitsagentur und den Landesgesundheitsfonds Daten zur Verfügung zu stellen. Diese Daten kommen von den Sozialversicherungsträgern, haben aber über eine beim Hauptverband eingerichtete Datenpseudonymisierungsstelle zu fließen. Diese gesetzliche Bestimmung ist am 1. Jänner 2005 in Kraft getreten. Diese Vorgangsweise erscheint schon deshalb sinnvoll, weil andernfalls bei Wechsel der Versicherungszuständigkeit die Verfolgung der pseudonymisierten Patient/inn/enkarriere nicht möglich wäre.

 

Fragen 11, 13, 14 und 17:

Zugriff hat natürlich der/die Betroffene im Rahmen seiner/ihrer Auskunftsrechte nach dem Datenschutzrecht.

 

Zugriff auf die personenbezogenen Gesundheitsdaten hat der zuständige Versicherungsträger zum Zweck der Abrechnung bzw. zur Erfüllung der gesetzlichen oder richtlinienkonformen Aufgaben.

Im Übrigen ist für Einzelfälle auf § 360 Abs. 1 ASVG zu verweisen.

 

Was das Gesundheitstelematikgesetz anlangt, ist dieses für sich allein keine Rechtsgrundlage für Auskünfte an andere Stellen.

Dieses Gesetz kennt lediglich den Begriff des Gesundheitsdiensteanbieters/der Gesundheitsdiensteanbieterin, wobei die regelmäßige Verwendung von Gesundheitsdaten Bestandteil dessen/deren Erwerbstätigkeit, des Betriebszwecks oder des Dienstleistungsangebots ist.

Das Gesundheitstelematikgesetz regelt nicht, wer auf welche Datenbestände zugreifen darf. Die gesetzlichen Regelungen über die Zulässigkeit von Datenverwendungen bleiben durch dieses Bundesgesetz unberührt.

Die Zulässigkeit der Weitergabe (Übermittlung) von personenbezogenen Gesundheitsdaten im Sinne des § 4 DSG 2000 ist somit ausschließlich auf der Grundlage der datenschutzrechtlichen Bestimmungen bzw. der diesbezüglichen Bestimmungen in den einzelnen Materiengesetzen zu beurteilen. Erst wenn die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Weitergabe von personenbezogenen Gesundheitsdaten zweifelsfrei feststeht, sind in weiterer Folge die für den Transport der Daten (den Übermittlungsvorgang) zwischen den somit Berechtigten die im Gesundheitstelematikgesetz vorgesehenen Sicherheits-bestimmungen einzuhalten. Das Gesundheitstelematikgesetz bietet somit aufgrund seines Regelungsinhalts keine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage für die Weitergabe von personenbezogenen Gesundheitsdaten.

 

Frage 12:

Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass die Vollziehung des VersVG nicht in den Zuständigkeitsbereich meines Ressorts fällt. Ich möchte dazu aber ausführen, dass § 11a Abs. 2 Z 3 VersVG die ausdrückliche Zustimmung des/der Betroffenen für den Einzelfall fordert und § 11a Abs. 2 Z4 VersVG ein Untersagungsrecht im Einzelfall normiert.

 

Frage 15:

Nur dann, wenn die jeweiligen gesetzlichen Regeln erfüllt sind.

 

Frage 16:

Ich möchte festhalten, dass grundsätzlich die Datenschutzkommission für die Auslegung von Auskunftsregeln nach dem Datenschutzgesetz zuständig ist.

Meines Erachtens und nach ständig vertretener Auffassung meines Ressorts besteht ein Auskunftsanspruch nur dann, wenn es eine konkrete gesetzliche Grundlage dafür gibt und auch die sonstigen Voraussetzungen (Zustimmung des Patienten/der Patientin usw.) erfüllt sind. Für Betriebsärzte/Betriebsärztinnen, Arbeitgeber/innen oder Amtsärzte/Amtsärztinnen sind mir allgemeine Auskunftsberechtigungen über Gesundheitsdaten nicht bekannt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Betriebsärzte/-ärztinnen (damit sind wohl Arbeitsmediziner/innen gemeint) nach dem ASchG in die Kompetenz des BMWA fallen und Amtsärzte/-ärztinnen jeweils medizinische Sachverständige der Behörde sind (z.B. BH, Magistrat, Amt der Landesregierung).

 

Frage 18:

Keinesfalls allgemein und jedenfalls nur dann, wenn dazu eine konkrete gesetzliche Grundlage vorhanden ist.

 

Frage 19:

Grundsätzlich darf ich hier auf das Gebot der ärztlichen Verschwiegenheit verweisen. Die Qualitätssicherungs-Verordnung der Österreichischen Ärztekammer sieht ausdrücklich den Schutz patientenbezogener Daten vor fremdem Zugriff und Verlust vor (§ 8 Z 1). Aussagen zu technischen Qualitätsstandards können nicht getroffen werden.

 

Frage 20:

Gesundheitsdaten werden nur nach den jeweiligen standesrechtlichen Bestimmungen (vgl. § 51 ÄrzteG) bzw. nach dem Krankenanstaltenrecht (§ 10 Abs. 1 Z 4 KAKuG) übermittelt, die ihrerseits wieder den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten zu entsprechen haben.

Der Patient/die Patientin hat jedenfalls die gesetzlichen Auskunftsrechte.

Datensicherheitsvorschriften dürfen jedoch das Interesse der Patient/inn/en nicht verletzen und entsprechende Informationen von Behandler/inne/n untereinander nicht behindern, wenn der Patient/die Patientin solche Informationen wünscht.

 

Frage 21:

Diese Information hat im Zuge des ärztlichen Aufklärungsgespräches zu erfolgen.

 

Fragen 22 bis 24:

Wenn das Datenschutzrecht einen solchen Löschungsanspruch begründet, wird dem entsprechenden Begehren selbstverständlich nachzukommen sein.

Für die Informationspflichten gelten die allgemeinen gesetzlichen Regeln, insbesondere die Interessenvertretungen, Patient/inn/en- und Konsument/inn/enschutzorganisationen leisten hier wertvolle Hilfe.

 

Fragen 25 und 26:

Die Daten hinsichtlich der Inanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchung im Berichtsjahr 2005 werden erst ab 31. Mai 2006 vorliegen.

Derzeit erfolgt keine einschlägige Datenverarbeitung; es läuft – nicht zuletzt aus Gründen des Datenschutzes – keine Zählung, ob und wie viele Datensätze an wen übermittelt wurden oder werden.

                     

Frage 27:

Das Registrierungsverfahren vor der Datenschutzkommission läuft derzeit. Mit einer Stellungnahme zum Registrierungsantrag wird aufgrund der Frist nach § 20 DSG 2000 in den nächsten Wochen gerechnet.

 

Fragen 28 und 29:

Nein.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Maria Rauch-Kallat

Bundesministerin