3986/AB XXII. GP

Eingelangt am 04.05.2006
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

 

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

BUNDESMINISTERIN FÜR SOZIALE SICHERHEIT

GENERATIONEN UND KONSUMENTENSCHUTZ

Ursula Haubner

 

Herrn                                                                                              

Präsidenten des Nationalrates                                                    (5-fach)

Parlament                                                                                     

1010 Wien                                                                                    

                                                                                                       

                                                                                                       

                                                                                                       

GZ: BMSG-40001/0017-IV/2006                                               Wien,

 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4046/J-NR/2006 der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde wie folgt:

 

 

Fragen 1 bis 6:

 

Die Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung des Sozialhilferechts" hat am 15.5.2003 das letzte Mal getagt. Dem beiliegenden Bericht können sowohl die einzelnen Termine der Sitzungen, die personelle Zusammensetzung der Arbeitsgruppe als auch in zusammengefasster Form die Ergebnisse der jeweiligen Sitzungen entnommen werden.

 

Der Bericht der Arbeitsgruppe wurde der Landessozialreferentenkonferenz 2003 in Vorarlberg zur Behandlung zugeleitet. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe wurden zustimmend zur Kenntnis genommen. Darüber hinaus hat sich die Landessozialreferentenkonferenz zu einer raschen Umsetzung der Vorschläge im Rahmen einer Art. 15a B-VG Vereinbarung bereit erklärt, sofern der Bund in seinem Zuständigkeitsbereich die entsprechenden Mindeststandards auf Basis dieses Konzeptes definiert und diese in die Vereinbarung einbringt.

 

Als Grundlage für weiterführende Gespräche hat Univ. Prof. Dr. Walter Pfeil im Auftrag des BMSG nach der Landessozialreferentenkonferenz 2003 einen wissenschaftlichen Entwurf einer Art. 15a B-VG Vereinbarung über gemeinsame Maßnahmen für eine soziale Mindestsicherung erarbeitet, der anlässlich der Volksanwaltschaftsenquete im März 2004 präsentiert wurde. Dieser Entwurf basiert sowohl auf den Ergebnissen der Arbeitsgruppe als auch auf dem Beschluss der Landessozialreferentenkonferenz 2003.

Die Landessozialreferentenkonferenz 2004 im Juli in Wien beschäftigte sich abermals mit der Harmonisierung der Sozialhilfe und brachte mit Beschluss zum Ausdruck, dass von den Landessozialreferenten die bisherigen Verhandlungen als gescheitert erachtet werden, wenn die oben genannte/n Bundesminister/in bis zum Herbst 2004 nicht ihre grundsätzliche Position vorlegen, die sowohl Vorstellungen über die finanziellen Mindeststandards enthält, als auch auf die Fragen der Weiterentwicklung der Notstandshilfe und der Krankenversicherung für Sozialhilfeempfänger eingeht. Darüber hinaus wurden Erwartungen an den kommenden Finanzausgleich gestellt, weil sonst die existentielle Mindestsicherung in der Sozialhilfe nicht umgesetzt werden könnte.

 

Der Bund ist mit der außerordentlichen Erhöhung der Ausgleichszulagen­richtsätze für 2006 gegenüber den Ländern in Vorleistung getreten. Soweit mir bekannt ist, laufen derzeit auch Verhandlungen mit den Ländern über die Einbeziehung der Sozialhilfeempfänger in die Krankenversicherung oder die Ausgabe von E-Cards an diese Personengruppe. Hinsichtlich der Frage der Notstandshilfe darf ich an dieser Stelle auf die Zuständigkeit des BM für Arbeit und Wirtschaft verweisen.

 

Des Weiteren habe ich im Jänner zahlreiche NGO's und Vertreter aus BMF, BMWA und BMJ zu einem Arbeitskreis Lebenssicherung eingeladen, wo sehr offen über die Fragen der Sozialhilfe und auch über Lösungsmöglichkeiten diskutiert wurde. Dieser Arbeitskreis wird fortgeführt und es sollen in weiterer Folge konkrete Schwerpunkte auch mit den Ländern diskutiert werden.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Anlage

 


Weiterentwicklung des Sozialhilferechts:

Zwischenbericht

der Arbeitsgruppe im BMSG

redigiert von a.Univ.Prof. Dr. Walter J. Pfeil

 

 

 

 

Übersicht

 

I.        Grundsätzliches

            1.         Auftrag der Arbeitsgruppe und festgelegte Vorgangsweise

            2.         Zusammensetzung der Arbeitsgruppe und Sitzungen

            3.         Zum Stellenwert des Zwischenberichtes

 

II.       Weiterentwicklung des Verfahrensrechts

            1.         Prämissen und Zielsetzungen

            2.         Konkrete Vorschläge

 

III.      Weiterentwicklung des Leistungsrechts

            1.         Lebensunterhalt, Richtsätze: Stärkere Pauschalierung

            2.         Sonderzahlungen

            3.         Sonderbedarf

            4.         Wohnen

            5.         Hilfe bei Krankheit und Schwangerschaft

 

IV.     Weiterentwicklung bei den Leistungsvoraussetzungen

            1.         Einsatz von Vermögen

            2.         Einsatz von Einkommen

            3.         Berücksichtigung von Leistungen Dritter

            4.         Einsatz der Arbeitskraft

            5.         Persönliche Voraussetzungen, insb. Staatsangehörigkeit

 

V.      Weiterentwicklung beim Ersatz

            1.         Allgemeines

            2.         Ersatz durch (ehemalige) HilfeempfängerInnen

            3.         Ersatz durch Unterhaltspflichtige

            4.         Ersatz durch Geschenknehmer

            5.         Verfahren

 


I.    Grundsätzliches

 

1. Auftrag der Arbeitsgruppe und festgelegte Vorgangsweise

 

Der Auftrag für eine gemeinsame Weiterentwicklung des Sozialhilferechts geht auf mehrere Beschlüsse der Landessozialreferentenkonferenz zurück: So wurde am 14. 11. 1997, eine entsprechende Entschließung des Nationalrates aufgreifend (vgl. 388/A [E] 20. GP), das Interesse der Länder an einer Weiterentwicklung der Sozial­hilfegesetzgebung unter Maßgabe des Konsultationsmechanismus ebenso unterstri­chen wie deren Bereitschaft, daran mitzuarbeiten. Der damals eingeforderte Auftrag, durch das (damalige) BMAGS einen Querschnittsvergleich erstellen zu lassen, führte insb. zur Vergabe der Studie „Vergleich der Sozialhilfesysteme der österreichischen Bundesländer“, die 2001 präsentiert wurde.

Im Rahmen der Landessozialreferentenkonferenz am 10. 12. 1999 wurde sodann be­schlossen, einen Arbeitskreis unter Federführung des (damaligen) BMAGS einzu­richten, der eine Einigung über die Schwerpunkte einer Vereinheitlichung von Quali­tätsstandards in der Sozialhilfe herbeiführen sollte.

Diese Arbeitsgruppe wurde nach Vorliegen der oa. Studie im Spätherbst 2001 vom (nunmehrigen) BMSG einberufen. Dabei wurde Einigung über folgende Vorgangs­weise erzielt:

>  Verständigung auf Eckpunkte/ Themenbereiche
>  Erörterung der Instrumentarien für Umsetzung (zB. Art 15a-Vereinbarung,
    Grundsatzgesetz)
>  Vorbereitung der Beschlussfassung bei Landessozialreferentenkonferenz
>  Einbindung weiterer Organisationen (Gemeindeverband, Städtebund, NGOs
    etc).

Die in dieser Arbeitsgruppe zu bearbeitenden Themenbereiche wurden in der Folge der Landessozialreferentenkonferenz vorgelegt und von dieser mit Beschluss vom 19. 4. 2002 wie folgt genehmigt.

                - Verfahren

                - Leistungskatalog/ Richtsätze

            - Einsatz bzw. Anrechnung von Einkommen/ Vermögen

                - Ersatz

                - Statistik (dieser Punkt wurde in der Folge nicht weiter behandelt, weil dazu
                  eine andere Arbeitsgruppe eingesetzt ist
).

Auch das von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Ziel ihrer Arbeit wurde von der Lan­dessozialreferentenkonferenz am 19. 4. 2002 genehmigt. Der Auftrag der Arbeits­gruppe liegt somit in der Vorbereitung einer weitestmöglichen Harmonisierung der verschiedenen Vorschriften, welche sich insb. an folgenden Punkten orientieren soll:

*  Annäherung, aber nicht unbedingte völlige Angleichung der landesrechtlichen
   Regelungen

*  Klarstellung, welche Leistungen es geben soll und

*  welche Leistungen mit Rechtsanspruch ausgestattet sind

*  Einheitliche Terminologie

*  Leistungshöhe soll aus einem fixen und einem variablen Teil bestehen, wobei die
   Deckung des Unterkunftsbedarfes zum variablen (also länderspezifisch festzu-
   setzendem) Teil zählt.

Schließlich wurde von der Landessozialreferentenkonferenz am 19. 4. 2002 be­schlossen, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe innerhalb eines Jahres in einem Rohbericht vorgelegt werden sollen.

Diesem Auftrag soll mit dem vorliegenden Zwischenbericht entsprochen werden.

 

 

2. Zusammensetzung der Arbeitsgruppe und Sitzungen

 

Die Arbeitsgruppe steht unter der Leitung von SCh Dr. Gruber, der bei Abwesenheit vom stv. Sektionsleiter Mag. Pallinger vertreten wird; die weiteren Vertreterinnen des BMSG, Frau Mag. Otter und Frau Mag. Käfer, sind auch für das Protokoll der Sitzungen verantwortlich.

Die wissenschaftliche Begleitung liegt bei Prof. Pfeil., der auch mit der Erstellung und Redigierung des Zwischenberichtes betraut wurde.

In der Arbeitsgruppe sind alle Bundesländer vertreten. An den bisherigen Sitzungen haben teilgenommen für …
                Burgenland: Dr. Pongracz;
                Kärnten: Dr. Wissiak/ teilweise vertreten durch Dr. Fresacher;
                Niederösterreich: HR Dr. Gröss;
                Oberösterreich: HR Dr. Huemer/ teilweise vertreten durch Dr. Roller/ OAR Wall;
                Salzburg: HR Dr. Prucher und/ oder Dr. Kuchner;
                Steiermark: HR Dr. Knapp/ teilweise vertreten durch Dr. Url/ Dr. Feeberger;
                Tirol: Mag. Mauracher/ Dr. Bidner/ Mag. Hengl/ Dr. Knapp/ Dr. Bischof;
                Vorarlberg: HR Dr. Rhomberg/ teilweise mit Dr. Oberhauser;
                Wien: DSA Stanzl/ Mag. Eitel/ Mag. Pober/ Dr. Rosenauer/ AR Wittine/ Mag.
                Worell.

 

Bisher fanden zwölf (meist ganztägige) Sitzungen statt, konkret am 5. 11. 2001, 31. 1., 4. 4., 13. 5., 28. 6., 10. 7., 27. 9., 31. 10., 22. 11. und 13.12. 2002 sowie 30. 1. und 15. 5. 2003.

3. Zum Stellenwert des Zwischenberichtes

 

Der an die Arbeitsgruppe erteilte Auftrag war in einigen Themenbereichen insofern leicht zu erfüllen, als in diesen Fragen auf ExpertInnenebene schon länger weitge­hend unstrittig ist, in welche Richtung eine Weiterentwicklung und Harmonisierung gehen müsste. Dies gilt namentlich für das Verfahrensrecht, aber auch für eine Reihe von Fragen bei den Leistungsvoraussetzungen und sogar im Leistungsrecht selbst.

In anderen Fragen, insb. im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Ersatzrechtes, bestanden zunächst gewisse Auffassungsunterschiede. Dennoch ist es auch hier ge­lungen, zu gemeinsamen Vorschlägen zu kommen, bei denen es sich nicht bloß um „kleinste gemeinsame Nenner“ handelt, sondern durchwegs um qualitative Lö­sungen, die in allen Ländern ohne substantielle Abstriche umsetzbar erscheinen.

Die zu all diesen Punkten erarbeiteten Vorschläge wurden zwar nicht formell abge­stimmt. Die im vorliegenden Zwischenbericht in der folgenden Weise …

·        aufgelisteten und durch größere Schrift hervorgehobenen Empfehlungen

beruhen jedoch auf dem Grundkonsens aller TeilnehmerInnen der Arbeitsgruppe.

Die zur Erläuterung und argumentativen Untermauerung dieser Empfehlungen auf­genommenen Zwischentexte versuchen die wesentlichen Elemente der entspre­chenden Diskussionen zusammenzufassen und sind

zur besseren Unterscheidbarkeit in kleinerer Schrift gehalten, wobei die Verantwortung für die konkreten Formulierungen beim wissenschaftlichen Begleiter der Arbeitsgruppe liegt.

In einigen Punkten war ein solcher Grundkonsens nicht erzielbar. Das lag vor allem daran, dass sich die jeweiligen VertreterInnen in diesen Fragen außer Stande sahen, eine Zustimmung ohne (insb. politische) Rückkoppelung bzw. ohne vertiefende Be­rechnungen oder Verhandlungen abzugeben. Die in diesen Fragen bestehenden Op­tionen und Entwicklungsmöglichkeiten wurden dennoch andiskutiert und werden in diesem Zwischenbericht …

als dunkel unterlegte Passagen kenntlich gemacht, wobei der wissenschaftliche Begleiter der Arbeitsgruppe nicht nur für die konkreten Formulierungen, sondern auch für die unter­breiteten Vorschläge verantwortlich zeichnet.

Alle TeilnehmerInnen der Arbeitsgruppe waren sich freilich bewusst, und dieser Um­stand sollte auch für die politisch Verantwortlichen außer Streit stehen, dass die Wei­terentwicklung der Sozialhilfe zu einem Instrumentarium, das eine Vermeidung und nachhaltige Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung wirklich zu ge­währleisten vermag, insgesamt nicht ohne höhere Aufwendungen erzielbar ist, selbst wenn einzelne der vorgelegten Vorschläge zu Einsparungen führen würden.

Der Auftrag der Arbeitsgruppe ist daher letztlich nur erfüllbar, wenn der Vermeidung und nachhaltigen Bekämpfung von Armut und sozia­ler Ausgrenzung auf Landes- wie auf Bundesebene entsprechende politische Priorität beigemessen wird.

II.   Weiterentwicklung des Verfahrensrechts

(Diese Vorschläge wurden - mit Ausnahme des dunkel unterlegten Teils - von der Landessozialreferentenkonferenz bereits mit Beschluss vom 19. 4. 2002 gebilligt)

 

1. Prämissen und Zielsetzungen

Die völlige Inadäquanz des „allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts“ (AVG) für die Be­dürfnisse in der Sozialhilfe und die auf diese angewiesenen Personen wird schon seit lan­gem bemängelt. Obwohl auf Auftrag der Landessozialreferentenkonferenz bereits 1994 ein entsprechender „Musterentwurf“ für eine Neuregelung vorgelegt wurde, haben bisher nur we­nige Länder von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, entsprechende Sonderregelungen zu schaffen.

Die zentrale Forderung für eine nachhaltige Weiterentwicklung des sozialhilferechtlichen Verfahrens und des Zugangs zum Recht besteht daher in einer Adaptierung des ...

è       AVG mit adäquaten Sonderregelungen ...

è       zur Gewährleistung rascher, nachhaltiger und effektiver Hilfe ...

è       mit hoher Rechtssicherheit und Transparenz ...

è       bei möglichst geringem Aufwand.

 

 

2. Konkrete Vorschläge

Gesetzestechnisch wären diese Ziele zunächst durch Etablierung eines ...

·        eigenen Abschnitts „Verfahrensrecht“ in den Sozialhilfegesetzen ...

·        unter Klarstellung der Anwendbarkeit des AVG mit dem Vorbehalt „soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt“ sowie ...

·        Aufnahme adäquater Sonderregelungen

zu erreichen. An der grundsätzlichen Behördenzuständigkeit sollte sich hingegen nichts ändern. Danach wären also ...

·        in erster Instanz die örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden und
in zweiter Instanz die jeweiligen Landesregierungen sachlich zuständig; ...

·        nur im Ersatzrecht sollte die Entscheidung weitgehend den Gerichten übertragen werden (s. unten V.5.).

Die wichtigsten verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zur unmittelbaren Verbesserung des Zugangs zum Recht in der Sozialhilfe bestehen in der ...

·        Ermöglichung der Antragseinbringung bei allen Stellen, ohne dass da­raus Nachteile für Hilfe Suchende resultieren, sowie der ...

·        Klarstellung/ Erweiterung der Antragsberechtigung bzw. Vertretungsbe­fugnis; insb. für Haushalts-/ Familienangehörige der Hilfe Suchenden; evt. auch (in eingeschränktem Umfang) für Einrichtungen.

Perspektivisch wäre überdies die Einrichtung von niederschwelligen und dezentralen Anlauf- und Beratungsstellen zu überlegen, die möglichst mit anderen Sozialleistungsträ­gern vernetzt sein sollten („Sozialzentren“).

Für die Entwicklung solcher (zumindest Vorstufen für) one-desk-Formen sollten möglichst rasch Pilotprojekte in Kooperation mit anderen Trägern eingerichtet werden.

Im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren müsste das AVG jedenfalls um eine ausdrück­liche ...

·        Informations- und Anleitungspflicht (wie sie bereits im Bgld-, NÖ- und OÖSHG vorgesehen ist)

ergänzt werden. Gerade, aber nicht nur in diesem Zusammenhang sind Regelungen der ...

·        (Vorkehrungen für) fachliche Qualifikation der MitarbeiterInnen ...

und natürlich auch deren unverzügliche Umsetzung unabdingbar.

·        Die ausdrückliche Verankerung einer Mitwirkungspflicht (mit entspre­chender Sanktionsmöglichkeit nach Belehrung) sowie einer Anleitungs­pflicht (wie sie ebenfalls bereits im Bgld-, NÖ- und OÖSHG vorgesehen sind) ...

würde wesentlich zur Transparenz und Verfahrensökonomie beitragen.

Bei der Entscheidung über Anträge auf Sozialhilfe ist dafür Vorsorge zu treffen, dass ...

·        eine Aussetzung des Verfahrens bei Vorfragen nur in besonderen Aus­nahmefällen in Betracht kommt, sowie ...

·        eine Bindung der SH-Behörde auch an gerichtliche Vergleiche (insb. Un­terhalt)

besteht. Besonders vordringlich ist freilich die ausdrückliche Verankerung einer...

·        Verpflichtung der Behörde zur Soforthilfe durch Mandatsbescheid, sowie der ...

·        grundsätzlichen Pflicht, Bescheide nur schriftlich zu erlassen, wobei ...

·        keine Bescheidpflicht in (allenfalls noch näher zu definierenden) Baga­tellfällen und bei der Anpassung von Dauerleistungen bestehen soll, au­ßer die Hilfe suchende Person verlangt dies binnen angemessener Frist.

Weiters muss es zu einer...

·        Verkürzung der Entscheidungspflicht kommen, die im Hinblick auf regel­mäßige (Geld-)Leistungen längstens drei Monate betragen darf, sowie sind ...

·        ausdrückliche Regelungen über die Einstellung, Neubemessung der Hil­fe zu treffen.

Im Rechtsmittelverfahren ist vor allem ...

·        die Berufungsfrist auf sechs Wochen zu verlängern,

·        die Möglichkeit eines Berufungsverzichtes auszuschließen, und ebenso ...

·        die aufschiebende Wirkung von Berufungen in Leistungsangelegenheiten auszuschließen, sowie ...

·        die Mitwirkungspflicht (samt Sanktionen) auch im Berufungsverfahren ausdrücklich zu verankern.

Weitere im Zuge einer Weiterentwicklung des Verfahrensrechtes zu berücksichtigende we­sentliche Punkte wären die in allen Ländern erforderliche ausdrückliche Verankerung ...

·        eines (Ver-)Pfändungsverbotes für Sozialhilfeleistungen sowie

·        eines Übertragungsverbotes, das aber Ausnahmen zulässt, wie sie der­zeit im OÖSHG vorgesehen sind,

und schließlich die ...

·        Reduzierung der Strafbestimmungen und die Vereinheitlichung des Strafausmaßes, wobei Verwaltungsstrafen
*  nur mehr bei Vorsatz,
*  nicht auch bei Versuch,
*  und nicht kumulierend mit einer gerichtlichen Verurteilung
vorgesehen sein sollten.

III.  Weiterentwicklung des Leistungsrechts

 

1. Lebensunterhalt, Richtsätze: Stärkere Pauschalierung

Die große konzeptionelle und ursprünglich auch faktische Stärke der Sozialhilfe, das Indivi­dualitäts- oder noch deutlicher: Bedarfsdeckungsprinzip, ist im Laufe der Zeit zunehmend ausgehöhlt und in der Praxis weitgehend vom Subsidiaritätsprinzip verdrängt worden. Dies gilt vor allem für die (laufenden) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Ein zen­traler Ansatz, um die Sozialhilfe in diesem Bereich (wieder) zu einem effektiven und effizien­ten Instrument der Bekämpfung und Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu machen, wäre die Ergänzung der Individualität um ein Mindestsicherungsprinzip in Form ei­ner stärkeren Pauschalierung bei den (insb. laufenden) Geldleistungen. Damit würde auch das Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ aufgewertet sowie die Transparenz und Rechtssicher­heit für die Betroffenen erhöht. Zudem käme es zu wohl beträchtlichen Verwaltungsverein­fachungen.

Ÿ        Im Rahmen des Lebensunterhaltes soll es daher in Hinkunft nur mehr ei­nen pauschalierten Betrag im Sinne eines Mindeststandards geben, der grundsätzlich alle Bedarfe abdeckt, außer jenen für Unterkunft und einige – näher zu definierende - anlassbezogene Bedarfe (Sonderbedarfe, dazu unten III.3.).

Diese Mindeststandards müssten daher in der Mehrzahl der Länder deutlich über den bis­herigen Richtsätzen liegen und wären unter Berücksichtigung der für den Wohnbedarf vor­zusehenden Leistungen (s. unten III.4.) festzusetzen.

Obwohl eine Vereinheitlichung nach oben aus sozialpolitischer Sicht wünschenswert und aus armutspolitischer Sicht unbedingt indiziert wäre, müssen hier doch die unterschiedlichen, aber durchwegs nur schmalen Möglichkeiten in budgetärer und politischer Hinsicht realis­tisch eingeschätzt werden: Zwar könnten durch Festlegung einer Bandbreite der Höhe der zukünftigen Mindeststandards, die in mehreren Etappen sukzessive verringert werden könnte, die Spielräume für eine Angleichung nach oben wesentlich erhöht werden. Ohne korrespondierende Maßnahmen auf Bundesebene (insb. durch stärkere Berücksichtigung des Wohnaufwandes im Rahmen der Ausgleichszulagenrichtsätze oder Etablierung von Min­deststandards in der Arbeitslosenversicherung), die ausschließen, dass Verbesserungen in der Sozialhilfe zu einer deutlichen Lastenverschiebung in Richtung Länder und Gemeinden führen, scheint diese Form einer Weiterentwicklung der Sozialhilfe freilich kaum vorstellbar.

In jedem Fall soll es an Stelle der Differenzierung zwischen Allein-, Haupt- und Mitunterstütz­ten und der zum Teil unzureichenden Erfassung von Lebens- oder Wohngemeinschaften ...

Ÿ        je einen „Mindeststandard“ für Alleinstehende und für Personen in Haus­haltsgemeinschaften geben,

wobei es als Vorstufe zu einer Annäherung der Höhe dieser Leistungen (s. oben) zumindest einheitliche Äquivalenzrelationen (danach könnte der Mindeststandard für eine Person in Haushaltsgemeinschaft etwa bei 75% des Mindeststandards für Alleinstehende, vgl. die ge­nau auf diesen Wert - in Anlehnung an die Standardisierungen im „Europäischen Haushalts­panel“ abstellende jüngste Anhebung der Ausgleichszulagenrichtsätze durch das SVÄG, BGBl I 2003/8) geben sollte.

Ÿ        Dazu kommt ein Mindeststandard für Kinder, der (als Orientierungshilfe) bei 30% des Betrages für Alleinstehende liegen soll, wobei die Familienbei­hilfe wie bisher nicht angerechnet wird (s. unten IV.2.).

Zur Sicherstellung einer wirklichen Bedarfsdeckung darf eine...

Ÿ        Unterschreitung dieses Mindeststandards nur mehr bei einer Anrechnung eigener Mittel und als Sanktion bei Arbeitsunwilligkeit ...

in Betracht kommen. In allen anderen Fällen, insb. bei „Verschwendung“ könnte mit einem ausnahmsweise Ausweichen auf Sachleistungen bzw. der Auszahlung in Raten und/ oder di­rekt an die Unterhaltsberechtigten das Auslangen gefunden werden.

Diese pauschalierten Mindeststandards sollten auch nicht durch (wiederholt gewährte) Aus­hilfen „unterlaufen“ werden. Vielmehr sollten ...

Ÿ        ab einer Hilfsbedürftigkeit von voraussichtlich mindestens drei Monaten (wiederkehrende) Dauerleistungen zuerkannt werden, während bei einer bloß vorübergehenden Notlage (= bis drei Monate) auch vorerst einmalige Leistungen oder nur befristeten Zuerkennungen möglich sein sollen.

 

 

2. Sonderzahlungen

Sonderzahlungen sind ein fixer Bestandteil der österreichischen Gehaltsstrukturen und fin­den sich daher auch bei Sozialleistungen, insb. in der Pensionsversicherung. Aus sozialhilfe­rechtlicher Sicht sind sie daher als Beitrag zur „Normalisierung“ sowie als Betonung des „Hilfe zur Selbsthilfe“-Prinzips und damit als wesentliche Ergänzung der verstärkten Pau­schalierung bei den „Mindeststandards“ zu sehen, wobei aber die bisher teilweise vorgese­henen Zweckbindungen entfallen müssten.

Ÿ        Daher sollten zwei jährliche Sonderzahlungen beibehalten werden, aber nur bei Dauerleistungen (im obigen Sinn, dh. ab dreimonatigem Bezug) gebühren.

Diese pauschalierten Mindeststandards sollten auch nicht durch (wiederholt gewährte) Aus­hilfen „unterlaufen“ werden. Vielmehr sollte ...

Ÿ        die Auszahlung der Sonderzahlungen höchstens vierteljährlich erfolgen, die weitestmögliche Parallelität mit anderen Systemen (insb. Pensionsversi­cherung) spricht eher für eine halbjährliche Auszahlung.

Ÿ        Die Sonderzahlungen gebühren in Höhe des jeweiligen monatlichen Min­deststandards, wobei aber darauf öfter als 12-mal pro Jahr zufließende re­gelmäßige Einkünfte, dh. andere „Sonderzahlungen“ (aliquot) anzurechnen wären.

 

 

3. Sonderbedarf

In besonderen Einzelfällen sollte das Individualitätsprinzip dennoch erhalten bleiben und Überschreitungen der jeweiligen Mindeststandards vorgesehen sein.

Ÿ        Bei individuellen Sonderbedarfen sollen daher Leistungen über den Min­deststandard hinaus gewährt werden können, wobei dies für bestimmte Personengruppen/ Bedarfsbereiche auch in Form von pauschalierten Zu­schlägen möglich sein soll.

Ÿ        Ein Rechtsanspruch sollte dabei jedenfalls bei wiederkehrenden krank­heits- und pflegebedingten Mehraufwändungen (zB. Diätkost) vorgese­hen sein.

Ÿ        Andere Sonderbedarfe sollten als „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ (dh. grundsätzlich ohne Rechtsanspruch) abgedeckt werden.

 

 

4. Wohnen

Der Bedarf an Unterkunft ist der wichtigste Sonderbedarf, der zusätzlich zum Mindeststan­dard im obigen Sinn und zwar in Form von Rechtsansprüchen abzudecken ist. Wegen der hier nicht zu überwindenden regionalen Unterschiede sollte dieser Bereich gesondert gere­gelt werden. Eine Harmonisierung in den Grundstrukturen und Kriterien für die Bemessung dieser Leistungen scheint dennoch sinnvoll und auch möglich.

Ÿ        Die Deckung des Wohnbedarfes soll durch ein vom Mindeststandard gänz­lich entkoppeltes „Wohngeld“ mit Rechtsanspruch erfolgen.

Ÿ        Damit sollen auch die Betriebskosten gedeckt werden, der Aufwand für Strom und Heizung soll dagegen bereits vom Mindeststandard erfasst sein.

Ÿ        Die Festlegung der Höhe des „Wohngeldes“ soll unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede erfolgen, wobei es Obergrenzen geben soll (zB. durch Festlegung einer angemessenen Miete pro m²).

Ÿ        Für die Ermittlung einer derartigen „angemessenen Miete“ sollen aber ein­heitliche Kriterien zugrundegelegt werden, insb. durch Festlegung einer zumutbaren Wohnfläche je nach Familien- bzw Haushaltsgröße.

Die Höhe eines solchen „Wohngeldes“ kann nur mit Blick auf das Niveau der Mindeststan­dards (s. oben III.1.) diskutiert werden. Angesichts der unterschiedlichen Systeme in den einzelnen Ländern (hohe Richtsätze und de facto geringe Zusatzleistungen für Wohnen auf der einen, niedrige Richtsätze und Übernahme fast des gesamten Wohnaufwandes auf der anderen Seite, mitunter aber auch niedrige Richtsätze und bescheidene Zusatzleistungen) kann die politische Umsetzung eines „Wohngeldes“ in einer bedarfsdeckenden Höhe nur ab­gestimmt mit der Weiterentwicklung von den Richtsätzen zu echten Mindeststandards erfol­gen.

Wie dort gilt auch für Erhöhungen durch ein solches „Wohngeld“, dass es korrespondieren­der Maßnahmen im Bundesrecht bedarf. So könnte etwa ein „Wohnzuschlag“ für Aus­gleichszulagenbezieherInnen mit nachgewiesenem hohen Wohnaufwand eine bessere Be­darfsdeckung auch für diese Personengruppe ermöglichen und gleichzeitig einen Einstieg in die bereits oben III.1. als erforderlich angeführte nachhaltige Anhebung der Mindeststan­dards auf Bundesebene bewirken.

Für die Finanzierung eines „Wohngeldes“ müssten auch das Instrumentarium und die Mittel aus der Wohnbauförderung nutzbar gemacht werden. Deren bundesweite Öffnung für alle Wohnformen gerade für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen wäre sicher ein ers­ter Schritt dafür.

 

 

5. Hilfe bei Krankheit und Schwangerschaft

Die gesonderte Erfassung von Personen ohne (hinreichenden) Schutz der Krankenversiche­rung (als Versicherte oder als Angehörige) in der Sozialhilfe ist wenig effizient und verwal­tungsaufwändig. Eine umfassende Lösung dieses Problems kann freilich nur im Zusammen­spiel mit Änderungen im Bundesrecht erfolgen.

Ÿ        Vor allem sollten SozialhilfeempfängerInnen ohne Krankenversicherungs­schutz in das Krankenversicherungssystem integriert werden, wobei der Bund die Einbeziehung vornehmen soll, die Länder aber einen pauschalen Beitrag leisten könnten.

Wie Beispiele in anderen Bereichen zeigen (vgl. die Erfassung von Kriegsopfern oder die Einbeziehung von AsylwerberInnen in der Krankenversicherung), wäre dieser Weg wesent­lich zweckmäßiger als die bisher bestehenden Möglichkeiten einschließlich der aufwändigen, vergleichsweise teuren und zudem erst nach einer Wartezeit wirksamen Selbstversicherung, die (teilweise) von der Sozialhilfe finanziert wird.

Da auch im Fall einer Einbeziehung in die Krankenversicherung nicht alle Bedarfe gedeckt sein würden, bedarf es zusätzlicher Vorkehrungen, insb. müssten ...

Ÿ        SozialhilfebezieherInnen hinsichtlich von Begünstigungen wie etwa einer Rezeptgebührenbefreiung den EmpfängerInnen einer Ausgleichszulage gleichgestellt werden, sowie

Ÿ        für die Tragung der Kosten, die von den Krankenversicherungsträgern nicht (zur Gänze) übernommen werden (zB. Selbstkosten für bestimmte Behand­lungen, Heilbehelfe etc.) und dadurch den Betroffenen entstehen, von den Ländern (zumindest im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung) Vorsorge getroffen werden.

 


IV.  Weiterentwicklung bei den
   Leistungsvoraussetzungen

 

1. Einsatz von Vermögen

Auch in einem weiterentwickelten Sozialhilferecht wird der Einsatz eigener Mittel vor oder zur Inanspruchnahme von Leistungen unverzichtbar sein. Im Rahmen der Regelungen über den Einsatz von Vermögen sollte es aber in allen Ländern einheitliche Standards und ent­sprechende Klarstellungen geben.

Ÿ        Gegenstände zur Erwerbsausübung und zur Deckung geistig-kultureller Bedürfnisse sind nicht als verwertbar anzusehen.

Ÿ        Im Hinblick auf Bar- und Sachwerte sollten jedenfalls bei der Hilfe in (teilstationären Einrichtungen zur Sicherung etwa der Begräbniskosten Frei­grenzen vorgesehen sein.

Ÿ        Ein Auto ist dagegen grundsätzlich zu verwerten, es sei denn, es wird be­rufs- oder behinderungsbedingt sowie in ländlichen Gebieten mangels ent­sprechender Infrastruktur benötigt. Jedes weitere Auto stellt einen Luxus­gegenstand dar und ist zu verwerten.

Ÿ        Auch bei Vorhandensein von mehreren Wohnungen und soweit der ange­messene Eigenbedarf gedeckt ist, soll eine Verwertung erfolgen. Im Übri­gen kommt es bei Eigenheimen zu einer Sicherstellung im Grundbuch.

Ÿ        Schmerzengeld und Erträgnisse daraus zählen nicht zum zu verwerten­den Vermögen.

 

 

2. Einsatz von Einkommen

Der Einsatz von eigenem Einkommen wird in einem weiterentwickelten Sozialhilferecht sogar erhöhte Bedeutung erlangen, da im Zuge der stärkeren Pauschalierung der Leistungen auch die Ausnahmekataloge der nicht zu berücksichtigenden Einkommen gestrafft und vereinheitlicht werden sollen.

Überdies sollten die bestehenden Differenzierungen beibehalten werden, nach denen insb. das Pflegegeld oder die Familienbeihilfe zwar grundsätzlich nicht als Einkommen angesehen werden, bei Inanspruchnahme von pflegerischen Leistungen (Pflegegeld) bzw stationären Leistungen (auch die Familienbeihilfe) aber sehr wohl zu berücksichtigen sind.

Demnach sollten in Hinkunft ...

Ÿ        das Kinderbetreuungsgeld sowie aus einem Übergabevertrag fließende Leistungen als Einkommen angerechnet werden, wobei auch der Bund Überlegungen in ebendiese Richtung in Bezug auf das Ausgleichszulagen­recht anstellen sollte;

Ÿ        die Familienbeihilfe beim Einsatz des Einkommens nicht berücksichtigt werden. Vielmehr soll es auch in Hinkunft einen eigenen Mindeststandard für Kinder geben;

Ÿ        auch Familienförderungen für einkommensschwache Familien nicht als Einkommen bewertet werden.

 

 

3. Berücksichtigung von Leistungen Dritter

Auf die Anrechnung faktischer Leistungen kann auch in einer weiterentwickelten Sozialhilfe ebenfalls nicht verzichtet werden. Allerdings sollten ...

Ÿ        die Ausnahmen bei der Anrechnung von Leistungen Dritter vereinheitlicht werden (insb. Zuwendungen der freien Wohlfahrt, andere freiwillige Leis­tungen).

Die praktisch größten Probleme liegen aber wohl in einer fairen und möglichst wenig aufwän­digen ...

Ÿ        Erfassung von Haushalts- oder Lebensgemeinschaften, die bereits im System der Mindeststandards erfolgen sollte (s. oben III.1.).

Darüber hinaus bedarf es einer Klarstellung, wie mit nicht realisierten Ansprüchen Hilfe Su­chender gegen Dritte umgegangen werden soll. Daher sollte in Hinkunft ...

Ÿ        eine Rechtsverfolgungspflicht ähnlich wie im OÖSHG ausdrücklich ver­ankert werden.

 

 

4. Einsatz der Arbeitskraft

Grundsätzlich wird auch in einer weiterentwickelten Sozialhilfe der Einsatz der eigenen Ar­beitskraft verlangt werden müssen. Hier sollten aber zunächst Doppelgeleisigkeiten und Widersprüche im Verhältnis zur primär zuständigen Arbeitslosenversicherung abge­baut werden. Das bedeutet konkret insb., dass ...

Ÿ        sich weiterentwickelte und harmonisierte Sozialhilfebestimmungen bei der Definition der Zumutbarkeitskriterien hinsichtlich der Begriffe „Erwerbs­unfähigkeit“ und „angemessene“ Entlohnung sowie des Berufschutzes am AlVG orientieren sollten; und

Ÿ        die Ausnahme vom Einsatz der Arbeitskraft „Pensionsalter“ mit dem Regel­pensionsalter (derzeit 65/60) klargestellt werden sollte.

Auf der anderen Seite sind in der Sozialhilfe auf Grund ihrer besonderen Funktion zum Teil großzügigere Regelungen als in der Arbeitslosenversicherung erforderlich, so insb. ...

Ÿ        im Hinblick auf die Ausnahme von der Pflicht zum Einsatz der Arbeitskraft bei „Erwerbsausbildung“, die grundsätzlich mit dem 18. Lebensjahr bzw. mit dem Abschluss einer ersten Erwerbsausbildung, die vor dem 18. Le­bensjahr begonnen wurde, begrenzt werden sollte, wobei ein Studium kei­ne geschützte Erwerbsausbildung im Rahmen der Sozialhilfe darstellen kann;

Ÿ        hinsichtlich der Berücksichtigung der familiären Situation beim Einsatz der Arbeitskraft, wo sich weiterentwickelte Sozialhilfebestimmungen an die jet­zigen Regelungen zur (Un-)Zumutbarkeit des Einsatzes der Arbeitskraft bei Kinderbetreuungspflichten im OÖSHG anlehnen sollten;

Ÿ        im Hinblick auf die Unzumutbarkeit des Einsatzes der eigenen Arbeits­kraft, wenn die Pflege eines Angehörigen eine bestimmte Intensität er­reicht, was jedenfalls durch die Inanspruchnahme der begünstigten Weiter­versicherung (§ 76 ASVG) oder durch Vorliegen der Pflegegeldstufe 3 indi­ziert wäre;

Ÿ        hinsichtlich der Sanktion bei Arbeitsunwilligkeit, die nur zu einer stufenwei­se Kürzung der Sozialhilfe und höchstens ausnahmsweise bis zu einem völligen Entfall der Leistung führen darf. Die erforderliche Versorgung der Angehörigen ist dabei auf jeden Fall (und zwar nach Möglichkeit auch im AlVG) sicherzustellen.

Auch sonst müssten Harmonisierungen mit der Arbeitslosenversicherung durch Anpassun­gen im AlVG erfolgen. Insb. sollte ...

Ÿ        auch in der Arbeitslosenversicherung bei der Zumutbarkeit die familiäre Si­tuation verstärkt berücksichtigt werden, indem auf Kinderbetreuung und die Pflege von Angehörigen mehr als bisher Bedacht genommen wird.

Ÿ        Perspektivisch sollte eine Mindestsicherung für BezieherInnen von Ar­beitslosengeld und Notstandshilfe (vor allem die bisherigen „Aufstocker“) angestrebt werden.

Damit könnte bereits ein wesentlicher Abbau der vielfach bestehenden und unnötigen Auf­wand für die Arbeitslosen wie für die jeweilige Administration verursachenden Doppelzu­ständigkeiten zwischen AMS-Geschäftsstellen und Sozialämtern erreicht werden.

Die zum Teil schon bestehenden Kooperationsformen zwischen AMS und Sozialhilfebehör­den sollten dennoch ausgebaut und durch Pilotprojekte ergänzt werden.

Auf Sicht sollte aber eine einheitliche Erfassung möglichst aller arbeitsfähigen Arbeitslo­sen bei einer Stelle angestrebt werden. Aus vielen Gründen ist dafür das AMS besser ge­eignet als die Sozialhilfe, wie es im Regierungsprogramm ins Auge gefasste ist:

* Zunächst ist zu betonen, dass die Sozialhilfebehörden für die notwendigen Betreuungs-, Vermittlungs- und Qualifizierungsaufgaben strukturell und von ihrer fachlichen und per­sonellen Ausrichtung nicht geeignet sind, und daher eine nachhaltige Überwindung der Not­lage Arbeitslosigkeit in geringerem Ausmaß bzw. weniger rasch zu erwarten ist.
* Daneben würde diese Verschiebung eine deutliche Verschlechterung der Rechtspositi­on von NotstandshilfebezieherInnen bewirken, die derzeit weder ihr Vermögen einsetzen noch mit Kostenersatzpflichten (zumal solchen für ihre Eltern oder Kinder) rechnen müssen, aber andererseits Ansprüche in der Krankenversicherung sowie auf die Anerkennung von Er­satzzeiten in der Pensionsversicherung haben.
* In vielen Fällen würde es zudem zu einer erheblichen Reduzierung der Leistungshöhe für die Anspruchsberechtigten kommen, wobei weibliche Arbeitslose ganz besonders betrof­fen sein würden.
* Schließlich würde eine Verlagerung der Notstandshilfe zur Sozialhilfe zu einer dramati­schen zusätzlichen Kostenbelastung für die Länder und vor allem die Gemeinden führen. Im Falle einer Zusammenführung auf der Ebene des AMS durch Einbau von Mindestsiche­rungselementen im AlVG sollten die Länder und Gemeinden aber entsprechend an der Fi­nanzierung beteiligt sein.

Ungeachtet dessen müssten auch in der Sozialhilfe (allenfalls in Kooperation mit dem AMS und anderen Einrichtungen) Vorkehrungen getroffen werden, um die Qualifikation und Inte­gration von arbeitsfähigen Hilfe Suchenden zu fördern (vgl. auch die „Hilfe zur Arbeit“ im OÖSHG).

Ÿ        Daher sollen zur Integration von arbeitslosen SH-Empfängern in das Er­werbsleben in den Sozialhilfegesetzen Anreize geschaffen werden.

Ÿ        Diese Anreizsysteme sollen zumindest vorübergehender Art (zB. sechs Monate) sein und können beispielsweise in Form von Wiedereinstiegshil­fen, Freibeträgen etc. bestehen.

 

5. Persönliche Voraussetzungen, insb. Staatsangehörigkeit

Die mit einer Ausnahme in allen Ländern vorgesehene – meist sogar mehrstufige – Differen­zierung nach der Staatsangehörigkeit Hilfe Suchender verursacht hohen und oft unnötigen Verwaltungsaufwand, erzeugt viele Härten und Ungerechtigkeiten und versucht Probleme zu bewältigen, die auf ganz anderen Ebenen als bei den Anspruchsvoraussetzungen in der So­zialhilfe gelöst werden müssten.

Einheitliche Grundregel für eine weiterentwickelte Sozialhilfe müsste daher sein, dass ...

Ÿ        Anspruch auf Sozialhilfe grundsätzlich alle Personen haben, die sich (im Sinne des Fremdenrechts) rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Für einzelne Personengruppen müssten dennoch Sonderregelungen getroffen werden. Dies gilt insb. für ...

Ÿ        Personen, die nur zu einem vorübergehenden Aufenthalt (= bis zu drei Monaten) berechtigt sind (insb. „Touristen“), für die (wie etwa bereits jetzt im StmkSHG) nur ein eingeschränkter Anspruch bestehen sollte bzw. an die (weitergehende) Leistungen nur im Privatrechtsweg erbracht werden sollten.

Für andere Personen, insb. AsylwerberInnen, rechtlich oder faktisch nicht abschiebbare Personen sollte die zwischen Bund und Ländern bereits weitgehend akkordierte Art. 15a B-VG- Vereinbarung „über die vorübergehende Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürfti­ge Fremde“ so rasch als möglich abgeschlossen und umgesetzt werden.

 


V.         Weiterentwicklung beim Ersatz

 

1. Allgemeines

Der Kostenersatz ist erwartungsgemäß einer der politischen heikleren Bereiche für eine Weiterentwicklung und Harmonisierung. Dies gilt umso mehr, als einige Länder ganz be­wusst Erleichterungen beim Kostenersatz vorgenommen haben, andere dagegen – ebenso bewusst – bei den bisherigen Modellen geblieben sind. Eine ernsthafte Diskussion der Mög­lichkeiten einer Weiterentwicklung erfordert daher in diesem Bereich ganz besonders eine differenzierte Betrachtungsweise.

In diesem Sinne gibt es einige Bereiche der Ersatzpflicht, die im wesentlichen unverändert bleiben sollten. Insb. sollte ...

Ÿ        der Kostenersatz durch Erben ehemaliger HilfeempfängerInnen, deren (ehemalige) EhegattInnen sowie durch Eltern für Leistungen an ihre min­derjährigen Kinder (jeweils im Rahmen der Unterhaltspflicht bzw. soweit für das Kind Familienbeihilfe bezogen wird) ebenso grundsätzlich beibe­halten werden ...

Ÿ        wie der Ersatz durch Sozialversicherungsträger (s. aber unten V.3.) ...

Ÿ        und durch sonstige Erbringer kongruenter Leistungen (einschließlich der schon bisher berücksichtigen Transferleistungen wie die Familienbeihilfe).

Grundsätzlich beibehalten (aber vereinheitlicht) sollten auch die Nebenbestimmungen wer­den, nach denen von der Einbringung des Ersatzes in Härtefällen abzusehen ist oä.

 

 

2. Ersatz durch (ehemalige) HilfeempfängerInnen

Bereits im Lichte der bisher geltenden Grundprinzipien der Sozialhilfe ist die Beibehaltung der Ersatzpflicht für (ehemalige) HilfeempfängerInnen unhaltbar, auch wenn diese praktisch durch Härteklauseln und Verjährungsfristen entschärft sind. Daher ...

Ÿ        soll der Kostenersatz durch die HilfeempfängerInnen grundsätzlich entfal­len. Davon ausgenommen sind die Fälle von sichergestelltem Vermögen.

Mit einer solchen Sicherstellung sollte freilich sehr behutsam vorgegangen werden. Dies gilt vor allem, wenn die Überwindung der Notlage möglich erscheint und/ oder die Sozialhilfe nicht auf Dauer (insb. stationäre) Leistungen zu erbringen hat. Aus dem gleichen Grund soll­te ...

Ÿ        der Ersatz auch bei einem nachträglichen Vermögenszuwachs (zB. Erb­schaft; Ansparung von Einkommen, auch wenn es an sich der Anrechung entzogen ist) nur bei stationären Leistungen zum Tragen kommen.

Grundsätzlich keine Änderung sollte es hingegen bei missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen geben. Daher sollte ...

Ÿ        die Rückerstattungspflicht grundsätzlich beibehalten, aber auf Fälle der Verletzung der Anzeigepflicht bzw. Erschleichung beschränkt werden.

 

 

3. Ersatz durch Unterhaltspflichtige

Neben den oben V.1. genannten unterhaltspflichtigen Personen sind in der Mehrzahl der Länder auch noch die Eltern für Leistungen an ihre volljährigen Kinder sowie Kinder für Leis­tungen an ihre Eltern ersatzpflichtig. Aus sozialpolitischer Sicht spricht vieles dafür, auch im Hinblick auf diese Personen eine Entkoppelung vom Unterhaltsrecht (wie bereits im Verhält­nis Enkel/ Großeltern) vorzunehmen. Auf der anderen Seite wird befürchtet, dass damit eine hohe Zusatzbelastung für die öffentlichen Haushalte sowie eine - gesellschaftspolitisch nicht erwünschte - de-facto-Aushöhlung des Unterhaltsrechtes bewirkt würde. Angesichts dieser Gegensätze konnte in dieser Frage kein Konsens erzielt werden.

Perspektivisch bieten sich aber durchaus Möglichkeiten an, hier doch zu einer Harmoni­sierung zu kommen. So könnte dem ersten oa. Einwand insofern begegnet werden, als ein Abgehen von der Ersatzpflicht von Eltern für Leistungen an ihre volljährigen Kinder bzw. von Kindern für Leistungen an ihre Eltern in allen Ländern durch eine (mit der Pensionshöhe pro­gressiv ansteigende) Erfassung von Teilen der Pensions-Sonderzahlung im Zuge der Le­galzession (vgl. insb. § 324 ASVG) „kompensiert“ werden könnte.

Dies könnte etwa in der Form erfolgen, dass die Legalzession auch jene Beträge (teilweise) erfasst, um welche die Summe aus Pensionssonderzahlungen und den allmonatlich von der Legalzession freibleibenden Pensionsteilen einen bestimmten Grenzbetrag (zB. in Höhe des n-fachen des Mindeststandards/ Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende) übersteigt. Wie bisher in § 324 Abs 3 ASVG müsste aber die Versorgung unterhaltsberech­tigter Angehöriger der stationär versorgten Person vorrangig gesichert sein.

Die befürchtete de-facto-Aushöhlung des Unterhaltsrechts wird wohl nur im Hinblick auf die Ersatzpflicht von Eltern für Leistungen an ihre großjährigen (zB. arbeitslose oder erwerbs­unfähige) Kinder in Betracht kommen. Hier könnte die uU. durch Rücknahme der Ersatz­pflicht indizierte erhöhte Inanspruchnahme von Sozialhilfe insb. durch stärkere Betonung der Pflicht zum Einsatz der Arbeitskraft und genaue Berücksichtigung von Naturalunterhalt ver­mieden werden.

 

 

4. Ersatz durch Geschenknehmer

Die mittlerweile in vier Ländern vorgesehene Möglichkeit, auch ohne herkömmliche zivil­rechtliche Instrumente (Anfechtung, Scheingeschäfte etc) auf Begünstigte einer Schenkung oder eines sonst auffällig günstigen Rechtsgeschäftes im Ersatzweg greifen zu können, ist rechtspolitisch fragwürdig und zudem verfassungsrechtlich bedenklich. Sollte dennoch ein Bedarf bestehen, an diesen Regelungen festzuhalten, sollte in einer weiterentwickelten Sozi­alhilfe ...

Ÿ        in Hinkunft beim Kostenersatz durch Geschenknehmer zumindest von einer höheren Erheblichkeitsgrenze ausgegangen und den Ersatzpflichtigen die Möglichkeit eines Gegenbeweises eröffnet werden.

 

 

5. Verfahren

Auch bei den Regelungen über die Durchsetzung von Ersatzforderungen besteht einiger Klarstellungs- und Harmonisierungsbedarf. Insb. sollte in allen Ländern ...

Ÿ        für den Ersatz in der „offenen“ Sozialhilfe eine einheitliche Verjährungs­frist von drei Jahren, für den stationären Bereich eine Verjährungsfrist von fünf Jahren gelten; sowie ...

Ÿ        einheitlich eine ausdrückliche Vergleichsmöglichkeit zur außerstreitigen Bereinigung von Ersatzforderungen geschaffen werden.

Die Vollziehung von Ersatzforderungen ist überdies wegen deren teilweisen civil-rights-Charakters verfassungsrechtlich bedenklich und zudem im Hinblick auf den damit verur­sachten Verfahrensaufwand verwaltungsökonomisch nicht sinnvoll. Daher sollten zwar ...

Ÿ          Ersatz- oder Rückerstattungsforderungen gegen ehemalige Hilfeempfän­gerInnen weiterhin im Verwaltungsweg erledigt werden;

Ÿ        in allen übrigen Fällen sollten Streitigkeiten in Ersatzangelegenheiten je­doch durch die Gerichte entschieden werden.