4006/AB XXII. GP
Eingelangt am 19.05.2006
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BM
für Gesundheit und Frauen
Anfragebeantwortung
Herrn
Präsidenten
des Nationalrates
Dr.
Andreas Khol
Parlament
1017
Wien
GZ:
BMGF-11001/0033-I/3/2006
Wien, am 19. Mai 2006
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche
parlamentarische
Anfrage Nr. 4064/J der Abgeordneten Mag. Johann
Maier und Genoss/innen wie folgt:
Fragen
1, 6, 7 und 8:
Ein internes
Evaluierungsteam sowie eine unabhängige Expert/innengruppe haben bereits im Mai
2003 der Weltgesundheitsversammlung einen Bericht vorgelegt. Dieser wurde
ebenfalls der FAO-Konferenz im November 2003 präsentiert. Er enthält insgesamt
42 Empfehlungen, die vier Hauptbereichen zugeordnet werden:
- Beschleunigung der Arbeit der CAC
sowie der Expert/innenberatungen
- Verstärkte Einbeziehung der
Entwicklungsländer in den Entwicklungsprozess von Codex Standards
- Größerer Nutzen der Codex-Standards
für die Mitgliedsländer im Hinblick auf deren Bedarf und eine rechtzeitige
Beschlussfassung
- Effektiverer Aufbau von Kapazitäten
für die Entwicklung nationaler Nahrungsmittelkontrollsysteme
Der Bericht sieht
ferner die Notwendigkeit, ein präzises Mandat für den Codex zu definieren und
von den höchsten Gremien der FAO und WHO verabschieden zu lassen.
Des Weiteren
wird die folgende Priorisierung der Aufgaben der CAC vorgeschlagen:
a) Standards mit Auswirkungen auf die
Gesundheit und Sicherheit von Konsument/innen
b) Warenstandards, die dem expliziten Bedarf
der Entwicklungsländer entsprechen
c) Warenstandards bei
explizitem Bedarf der Industrieländer
d) Etikettierungen,
die sich nicht auf Gesundheits- und Sicherheitsfragen beziehen.
Im Sinne dieser Grundsätze
schlägt der Bericht eine Reform der Management-Strukturen des Codex (größere
Unabhängigkeit von WHO und FAO durch eine Stärkung des Sekretariats, Ersatz des
Exekutivkomitees durch einen kleineren Exekutivrat, Einführung eines Standards
Management Committee) und der Prozeduren zur Entwicklung von Standards vor.
Diese Prozeduren müssten eine schnellere Entwicklung von Standards ermöglichen,
aber gleichzeitig partizipativer orientiert sein („more inclusive“). Zu diesem
Zweck gehe es darum, die Struktur der Komitees zu vereinfachen sowie,
vermittelt über sog. facilitators und elektronische Arbeitsgruppen, einen
großen Teil des konsultativen Prozesses aus den aufwendigen Komitee-Sitzungen
heraus zu verlagern. Die bisherige achtstufige Prozedur der Standardentwicklung
sollte durch einen fünfstufigen Prozess ersetzt
werden. Die Unabhängigkeit und Transparenz der wissenschaftlichen Beratung des
Codex sei zu stärken; gleichzeitig müsse klarer zwischen Risikobewertung als
Aufgabe von Expert/innen und Risikomanagement als Aufgabe der Codex-Komitees
unterschieden werden.
Der
Evaluierungsbericht fordert eine bessere Koordination der Aktivitäten von WHO
und FAO für den Ausbau der Kapazitäten in den Entwicklungsländern und verweist
darüber hinaus auf den FAO/WHO Codex Trust Fund, der die Aufgabe hat, die
Teilnahme von Delegierten aus Entwicklungsländern an Sitzungen der
Codex-Institutionen finanziell zu unterstützen. In diesem Zusammenhang wird
angeregt, diesen Fonds in einen größeren „multi-donor trust fund for capacity-building
of national systems“ auszubauen.
Der
Evaluierungsbericht wurde von der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten insgesamt positiv aufgenommen.
FAO
und WHO haben z.T. bereits die Arbeit an Reformen in den angesprochenen
Bereichen aufgenommen (Risikobewertung und Rolle der Beratung durch die
Wissenschaft) bzw. wurden von der CAC aufgefordert, die Arbeit an der Reform
des Sekretariats möglichst kurzfristig in Angriff zu nehmen. Die Stärkung der
Kapazität von Entwicklungsländern, an der Arbeit der Kommission effektiv
teilzunehmen, wird allgemein als wichtig anerkannt.
Weitere
konkrete Reformansätze stellen die nun jährlich stattfindenden
Kommissionssitzungen und eine erhöhte Kapazität im Sekretariat des Codex dar.
Andere Maßnahmen, wie z.B. der vermehrte Einsatz des beschleunigten Verfahrens,
blieben in den Empfehlungen des Expert/innenteams stecken. Aufgrund der
ablehnenden Haltung der CAC-Mitglieder zur Einrichtung eines Management Boards
wurde ein Reformprozess zur Umstrukturierung des „Executive Committees“
eingeleitet. Auch das eindeutige Bekenntnis des Codex zu Risikoanalyse stammt
aus dem Prozess der Evaluierung.
Fragen 2 und 4:
In meinem Ressort fallen Codex Alimentarius
Angelegenheiten in die Zuständigkeit der Abteilung IV/B/11. Als nationaler
Codex Contact Point zur FAO/WHO Codex Alimentarius Kommission fungiert die
Abteilung III/4 des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt
und Wasserwirtschaft.
Eine Plattform für die Koordination der österreichischen
Standpunkte für die Tagungen der verschiedenen Gremien des FAO/WHO Codex
Alimentarius stellt die nationale FAO/WHO Codex Alimentarius Kommission (WEKO)
dar, die gemäß § 80 des LMSVG vom Bundesministerium für Gesundheit und
Frauen eingerichtet wurde.
Die
Vertretung Österreichs in den einzelnen Komitees übernehmen je nach materieller
Zuständigkeit Bedienstete des BMGF oder des BMLFUW bzw. im Auftrag eines der
genannten Ressorts Expert/innen der AGES. Zum CAC wird jeweils ein/e
Vertreter/in der zuständigen Abteilung im BMGF und ein/e Vertreter/in des Codex
Contact Point des BMLFUW entsendet.
Der Codex Alimentarius Kommission gehören derzeit über 170 Staaten
an. Auch
zahlreiche Nichtregierungsorganisationen nehmen an den Sitzungen als
Beobachter/innen teil. Die Beobachter/innen dürfen sich aktiv an den Beratungen
beteiligen, haben aber kein Stimmrecht.
Das oberste Lenkungs- und Beschlussorgan ist die Codex
Alimentarius Kommission (CAC), die nunmehr jedes Jahr abwechselnd in Rom
beziehungsweise in Genf tagt. Ihre Arbeiten sowie die der nachgeordneten
Gremien werden von einem gemeinsamen Sekretariat der FAO und der WHO
vorbereitet und koordiniert.
Die Kommission hat ein Exekutivkomitee (CC/EXEC) gebildet, dessen
Zusammensetzung den geographischen Weltregionen entspricht. Es unterbreitet der
Kommission Vorschläge für die allgemeine Ausrichtung des Arbeitsprogramms der
Kommission und fungiert zwischen den Sitzungen der Kommission als ihr
ausführendes Organ.
Erarbeitet
werden die Standards von rund 30 Ausschüssen, den Codex-Komitees, die sich
zumeist einmal jährlich treffen. Gastgeber/in ist dabei jeweils das Land, das
den Vorsitz des Komitees übernommen hat.
Es
gibt neun allgemeine, so genannte horizontale Komitees, die sich mit folgenden
Themen beschäftigen:
·
Allgemeine
Grundsätze
·
Tierarzneimittelrückstände
·
Lebensmittelzusatzstoffe
und Kontaminanten
·
Rückstände
von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln
·
Analyse
und Probenahmeverfahren
·
Lebensmittelimport-
und Exportkontrolle und Zertifikationssysteme
·
Lebensmittelkennzeichnung
·
Lebensmittelhygiene
·
Ernährung
und diätetische Lebensmittel
Fünfzehn
so genannte vertikale Komitees beschäftigen sich mit einzelnen Warengruppen.
Sie entwerfen Standards für:
·
Frisches
Obst und Gemüse
·
Verarbeitetes
Obst und Gemüse
·
Fette
und Öle
·
Natürliches
Mineralwasser
·
Kakaoerzeugnisse
und Schokolade
·
Zucker
·
Milchprodukte
·
Fleisch
·
Fleisch-
und Geflügelhygiene
·
Verarbeitetes
Fleisch und Geflügelprodukte
·
Fisch
und Fischereiprodukte
·
Getreide,
Linsen und Leguminosen
·
Pflanzenproteine
·
Suppen
und Fleischbrühen
Darüber
hinaus beschäftigen sich zeitlich begrenzt Ad-hoc-Arbeitsgruppen (Task Forces)
mit bestimmten Fragestellungen, wie mit biotechnologisch erzeugten
Lebensmitteln, Tierfütterung und Obst- und Gemüsesäften.
Die
sechs regionalen Koordinations-Komitees sorgen dafür, dass die regionalen
Interessen Asiens, Europas, des Nahen Ostens, Afrikas, Nord- und Südamerikas
von den anderen Gremien angemessen berücksichtigt werden.
Die
Ausarbeitung von Codex-Standards erfolgt grundsätzlich nach einem
Acht-Stufenverfahren, das eine mehrfache Prüfung in den Gremien und der
Kommission eröffnet.
Österreich
ist durch Bedienstete der sachlich zuständigen Ressorts bzw. durch von den
Ressorts beauftragte Expert/innen der AGES in allen horizontalen und in jenen
vertikalen Komitees sowie Arbeitsgruppen vertreten, die für die heimische
landwirtschaftliche Primärproduktion von Bedeutung sind.
Frage 5:
Der in der 24. Sitzung der Codex Alimentarius Kommission
angenommene strategische Rahmen setzt strategische Prioritäten für den Zeitraum
2003 bis 2007 fest. Eines der zentralen Anliegen, die der Codex gemäß diesem strategischen
Rahmen zu verfolgen hat, besteht darin, die Codex-Prozesse für alle
Interessensgruppen transparent zu machen. Außerdem müssen die Kriterien der
Risikoabschätzung und Entscheidungsfindung nachvollziehbar sein.
Eine größere Ausgewogenheit bei den Beobachter/innen könnte durch
eine noch stärkere Einbindung von NGOs erfolgen. Die Schwierigkeit liegt in der
Finanzierung der Teilnahme von NGO-Vertreter/innen an den Beratungen der
Komitees.
Frage 9:
Der Codex
Alimentarius bekennt sich im Verfahrenshandbuch (siehe CAC Procedural Manual
fifteenth edition ftp://ftp.fao.org/codex/Publications/ProcManuals/Manual_15e.pdf)
klar zum Prinzip der Risikoanalyse, das bekanntlich
ein Grundelement der EU-Verordnung 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen
Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts darstellt. Eine
ausdrückliche Verankerung des Vorsorgeprinzips, wie es im Artikel 7 der
Verordnung definiert ist, erfolgte im Codex-Rahmen nicht. Die Europäische
Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten setzen sich seit Jahren für die Aufnahme
des Vorsorgeprinzips ins Verfahrenshandbuch ein, konnten sich jedoch gegen die
überwältigende Mehrheit anderer Mitgliedstaaten (sowohl der Entwicklungsländer
Afrikas, Asiens und Lateinamerikas als auch hochentwickelter Länder wie USA, Kanada,
Australien, Neuseeland und Japan) nicht durchsetzen.
Als
Kompromisslösung legt das Verfahrenshandbuch in den „WORKING PRINCIPLES FOR RISK
ANALYSIS FOR APPLICATION IN THE FRAMEWORK OF THE CODEX ALIMENTARIUS“ fest, dass bei Risikomanagement-Entscheidungen zusätzlich
zu den wissenschaftlichen Kriterien auch die so genannten „other legitimate
factors“ berücksichtigt werden sollen: “Risk management should follow a
structured approach including preliminary risk management activities,
evaluation of risk management options, monitoring and review of the decision
taken. The decisions should be based on risk assessment, and
taking into account, where appropriate, other legitimate factors relevant for
the health protection of consumers and for the promotion of fair practices in
food trade, in accordance with the Criteria for the Consideration of the Other
Factors Referred to in the Second Statement of Principles.”
Mit freundlichen Grüßen
Maria Rauch-Kallat
Bundesministerin