4056/AB XXII. GP

Eingelangt am 30.05.2006
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

GZ. BMF-310205/0032-I/4/2006

 

 

 

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien

 

                                     

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4106/J vom 30. März 2006 der Abgeordneten Dr. Christian Puswald, Kolleginnen und Kollegen, betreffend bedenkliche Geschäftspraktiken österreichischer Banken, beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zunächst möchte ich klarstellen, dass ich im in der Einleitung zur vorliegenden Anfrage angesprochenen Interview unmissverständlich gesagt habe, dass „ich glaube, wir haben eine gute, funktionierende Aufsicht nach internationalen Maßstäben“. Mit der Aussage „das ist keine Frage, die die BAWAG allein gemacht hat“ habe ich nicht – auch nicht sinngemäß – andere Kreditinstitutionen in Österreich angesprochen. Ich habe lediglich dargelegt, dass offenbar davon auszugehen ist, dass mehrere Personen oder auch Firmen involviert gewesen sind, um die zur Rede stehenden Geschäfte der BAWAG durchzuführen.

 

In diesem Zusammenhang betone ich nochmals, dass undurchsichtige Transaktionen am österreichischen Finanzplatz nicht geduldet werden. Jeder Versuch der Verschleierung durch der Finanzmarktaufsicht vorgelagerte Kontrollinstanzen ist daher auf das Entschiedenste zu verurteilen. Im Interesse des Ansehens Österreichs, im Interesse des Vertrauens, was den Wirtschaftsstandort Österreichs betrifft, ist es unverzichtbar, dass die Einhaltung der bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen von allen verantwortlichen Organen der Finanzmarktteilnehmer gewährleistet wird. Es geht hier um das Vertrauen der SparerInnen – es ist mir ein riesiges Anliegen, dass wir die Zukunft der BAWAG sichern können und dass wir den mehr als 1,2 Millionen SparerInnen Sicherheit geben können – aber auch um das Vertrauen in den Finanzplatz Österreich.

 

Zum Thema Aufsichtskonvergenz und Krisenmanagement gilt es der Tatsache Rechnung zu tragen, dass wir eine steigende Integration der Finanzdienstleistungen haben und die grenzüberschreitenden Aktivitäten zunehmen. Daher sind nationale Aufsichtskonzepte nicht mehr ausreichend und eine grenzüberschreitende verstärkte Zusammenarbeit wird notwendig. Alleingänge Österreichs sind dabei jedoch nicht zielführend. Mit ihnen würde nämlich die Position aller österreichischen Banken im internationalen Wettbewerb geschwächt.

 

Nun zu den konkreten Fragen:

 

Zu 1. und 2.:

Der Begriff "Offshore-Geschäft" bezeichnet Geschäfte in so genannten Offshore-Zentren, die im Übrigen nicht nur in der Karibik, sondern auch in Europa, zum Beispiel auf den Kanalinseln oder in Gibraltar, existieren. Die Attraktivität derartiger Handelsplätze ist primär durch wesentlich liberalere Aufsichts- und Steuerrechtsbestimmungen bedingt. Die Nutzung dieses liberalen Umfelds stellt im internationalen Kontext des Bankgeschäfts grundsätzlich nichts Unübliches oder Verbotenes dar.

 

Um allen österreichischen Banken den internationalen Wettbewerb zu gleichen Bedingungen mit den übrigen Marktteilnehmern zu ermöglichen, stehen solche Geschäfte auch ihnen offen. Dabei müssen allerdings selbstverständlich sämtliche im Kontext zu Österreich relevanten aufsichtsrechtlichen, handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorschriften eingehalten werden.

 

Es steht den heimischen Kreditinstitute somit grundsätzlich frei, ebenso wie ihre internationale Konkurrenz Geschäfte in Offshore-Zentren zu tätigen. Dafür benötigen sie keine Bewilligung der Finanzmarktaufsicht.

 

Zu 3.:

Offshore-Zentren entziehen sich definitionsgemäß dem strengen Regulierungsregime, welches in Europa, den USA, Japan und anderen entwickelten Kapitalmärkten etabliert ist. Das Problem der Einbeziehung von Offshore-Zentren in dieses Aufsichtsregime kann daher nur auf globaler Ebene gelöst werden. Mögliche Handlungsoptionen werden sowohl auf europäischer Ebene, unter anderem im Komitee der Europäischen Bankaufsichtsbehörden, teilweise im ECOFIN, als auch im Rahmen des EU-US-Dialogs diskutiert.

 

Ungeachtet des politischen Meinungsbildungsprozesses sind Offshore-Geschäfte bei allen europäischen Aufsichtsbehörden – und daher auch bei der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA – ein wesentliches Element bei der Aufsichtstätigkeit auf konsolidierter Ebene.

 

Zu 4.:

Hinsichtlich der Offshore-Geschäfte weise ich nochmals darauf hin, dass allen österreichischen Banken der internationale Wettbewerb zu gleichen Bedingungen mit den übrigen Marktteilnehmern möglich sein muss. Dabei müssen allerdings selbstverständlich sämtliche im Kontext zu Österreich relevanten aufsichtsrechtlichen, handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorschriften eingehalten werden.

 

Ich bringe in Erinnerung, dass es diese Bundesregierung war, welche zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes und zur Aufwertung des Finanzplatzes Österreich wesentliche Meilensteine gesetzt hat. So haben wir zuletzt ein Wirtschaftshygienegesetz beschlossen und der Finanzmarktaufsicht mit dem verabschiedeten Enforcement-Paket zusätzlichen Biss verschafft.

 

Die aktuellen Entwicklungen bei der BAWAG-P.S.K. bringen klar zum Ausdruck, dass wir es hier nicht mit einem Versäumnis der Finanzmarktaufsicht oder des Gesetzgebers zu tun haben, sondern vielmehr mit schwerwiegenden Verfehlungen des Bankenmanagements, mit denen auch die Strafgerichte befasst sind. Vor diesem Hintergrund gilt es daher aus meiner Sicht, den Finanzskandal rund um die BAWAG-P.S.K. vorbehaltlos aufzuklären, sowie hinkünftig ein noch größeres Augenmerk auf die Corporate Governance zu legen. Mit ihr werden Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer intensiver als bisher verpflichtet.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Heinz Grasser eh.