4141/AB XXII. GP

Eingelangt am 30.06.2006
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

GZ BMF-310205/0041-I/4/2006

Anschrift:Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien

                                                                 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4196/J vom 2. Mai 2006 der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen, betreffend die steuerliche Behandlung der im ARA-System erzielten Überschüsse bzw. Gewinne, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Bevor ich auf die konkreten abgabenrechtlichen Fragestellungen eingehe, möchte ich einleitend Folgendes festhalten:

Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist eines der obersten Ziele der Finanzverwaltung. Mein Ressort ist daher stets auf die Einhaltung dieses Grundsatzes und damit auf Wahrung der Steuergerechtigkeit und Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs bedacht. Eine bevorzugte Behandlung einzelner Unternehmen durch die Finanzverwaltung findet nicht statt.

 

Ich darf zudem darauf verweisen, dass ich mich ausschließlich auf den in der Anfrage beschriebenen Sachverhalt beziehen kann und die Beantwortung keine rechtliche Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse darstellen kann, da dies dem jeweils zuständigen Finanzamt vorbehalten ist und weil die genannten Gesellschaften ein Recht auf die abgabenrechtliche Geheim­haltungspflicht haben.

 

Nun zu den konkreten Fragen:

 

Zu 1. und 2.:

Zur Beurteilung der Zulässigkeit einer steuerlich wirksamen Rückstellungs­bildung ist allein die Frage maßgeblich, ob es ungewisse Verbindlichkeiten oder drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gibt.  Die Bildung von steuerlichen Verbindlichkeitsrückstellungen ist insbesondere an drei kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen geknüpft:

 

-        Wirtschaftliche Verursachung im abgelaufenen Jahr

-        Außenverpflichtung bzw. Drittverpflichtung

-        Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme

 

Ob die Überschüsse geplant oder ungeplant anfallen, hat für die Beurteilung der steuerlichen  Zulässigkeit der Rückstellung keine Bedeutung, da es ausschließlich darauf ankommt, ob die oben angeführten Voraussetzungen erfüllt sind.

 

Hinsichtlich der Außenverpflichtung ist Folgendes festzuhalten:

Unter Punkt 2. der Anfrage wird angesprochen, dass in dem Vertragswerk der ARA AG eine Vereinbarung mit den BRG enthalten sei, welche die BRG und die ARA AG dazu verpflichtet, die Überschüsse über jährliche Tarif­kalkulationen zurückzuführen. Das bedeutet, dass dies sowohl seitens der ARA AG als auch seitens der BRG zivilrechtlich durchgesetzt werden könnte. Mir ist nicht bekannt, dass die ARA AG dazu verpflichtet sei, nur die tatsächlichen Kosten deckende Entsorgungsverträge abzuschließen. Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass die genauen Bestimmungen des Vertrags­werkes durch das zuständige Finanzamt zu prüfen sind und der abgaben­rechtlichen Geheimhaltungspflicht unterliegen.

 

Unter Berücksichtigung der verwaltungsrechtlichen Verankerung in den Systembescheinigungen des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft als Aufsichtsbehörde einerseits sowie des konkreten Verpflichtungscharakters aufgrund der zivilrechtlichen Festlegung im Vertragswerk zwischen der ARA AG und den BRG andererseits, liegt im gegenständlichen Fall eine Außenverpflichtung vor. Ob die ARA AG ihre Treuhänderbefugnisse gegenüber den Lizenzpartnern durch den Abschluss betreffender Verträge überschritten hat oder nicht, kann nur von den Lizenzpartnern im zivilrechtlichen Weg geklärt werden. Für die steuerliche Beurteilung kommt es nur darauf an, ob eine zivilrechtliche Verpflichtung der BRG und ARA AG besteht. Diese liegt aufgrund des gegen­ständlichen Vertragswerkes vor.

 

Im Übrigen würde es in Bezug auf die steuerliche Zulässigkeit der Rückstellung aus Sicht der BRG und der ARA AG keinen Unterschied machen, ob sie dazu verpflichtet sind, die Überschüsse an die Lizenzpartner unmittelbar auszuzahlen oder sie in die Tarifkalkulationen einzurechnen, da auch im ersten Fall eine entsprechende Rückstellung - oder möglicherweise sogar eine Verbindlichkeit - gebildet werden müsste.

 

Zu 3.:

Wie bereits ausgeführt, kommt es für die Beurteilung der steuerlichen Zulässigkeit einer Rückstellung darauf an, ob seitens der ARA AG eine wirksame Außenverpflichtung besteht oder nicht. Diese Außenverpflichtung liegt – wie in der Antwort zu den Fragen 1. und 2. dargestellt – vor. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob diese Rückzahlung ausschließlich an Personen erfolgt, die zum Entstehen dieser Überschüsse beigetragen haben oder ob auch andere Unternehmer davon profitieren. Es ist lediglich von Bedeutung, ob eine entsprechende Verpflichtung besteht oder nicht.

 

Selbst wenn die Lizenzpartner unmittelbar geleistete Rückzahlungen zu versteuern hätten, darf nicht übersehen werden, dass die Tarifzahlungen seitens der Lizenzpartner steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben darstellen. Werden also die Überschüsse bei der Tarifkalkulation berücksichtigt, verringern sich dadurch die Tarife für das laufende Jahr und damit auch die entsprechenden Betriebsausgaben. Der steuerliche Gewinn erhöht sich damit, wodurch eine Versteuerung der rückgezahlten Überschüsse auf diesem Weg stattfindet. Würden die Überschüsse nämlich unmittelbar zurückgezahlt, würden die Tarife des betreffenden Jahres entsprechend höher ausfallen und damit den steuerlichen Gewinn, der durch die unmittelbare Rückzahlung der Überschüsse erhöht wird, wieder entsprechend mindern. Die Behauptung, dass weder die BRG noch die Lizenzpartner aus dem angeführten Grund Steuern für die Überschüsse zahlen müssten, ist daher nicht nachvollziehbar.

 

Zu 4.:

Die Auflösung der für Überschüsse gebildeten Rückstellungen hat ehebaldigst zu erfolgen. Der Zeitraum von drei Jahren ergibt sich dadurch, dass die Kosten und Überschüsse der laufenden Periode erst im Laufe des folgenden Kalenderjahres feststehen. Überschüsse aus dem laufenden Jahr stehen erst im Folgejahr tatsächlich fest. Aus diesem Grund ist es zeitlich gar nicht möglich, die Überschüsse bei der Tarifkalkulation des nächsten Jahres zu berücksichtigen. Überdies soll eine relativ konstante Preisentwicklung ohne hohe Tarifsprünge ermöglicht werden. Da die Einrechnung in die Tarife bewirkt, dass die Leistungen unterhalb der tatsächlichen Kosten angeboten werden, könnte eine starke Senkung der Tarife wettbewerbsrechtliche Fragen im Bereich des EU-Rechts und des Kartellrechts aufwerfen.

 

Zu 5. und 6.:

Für die ARA AG und die BRG gelten dieselben Bilanzierungsgrundsätze wie für jedes andere Unternehmen in Österreich. Die Zulässigkeit einer Rückstellung ist abhängig vom Bestehen einer entsprechenden Außen­verpflichtung, die in diesem Fall aufgrund der zivilrechtlichen Verpflichtung zur Einrechnung der Überschüsse in die Tarife vorliegt. Die Überprüfung der Einhaltung der Verpackungsverordnung 1996 fällt nicht in die Zuständigkeit meines Ressorts. Ein etwaiges Vorliegen einer Beihilfe im Sinne des Art 87 Abs.1 EG ist von den zuständigen EU-Stellen zu prüfen.

 

Zu 7.:

Wenn die Aussage der Anfrage behauptet, dass eine Verpflichtung besteht, sämtliche Gewinne an die Lizenzpartner rückzuführen, dann wären in der Folge auch Zinserträge im Rahmen der Tarifanpassung an die Lizenzpartner weiterzugeben, wodurch sie auch in die Rückstellung einbezogen werden müssen.

 

Zu 8.:

Aus den Ausführungen zu den Fragen 1. bis 7. ist ersichtlich, dass eine Rückstellungsbildung für Überschüsse, die in spätere Tarife eingerechnet werden müssen, steuerlich eindeutig zulässig ist. Selbstverständlich wird jeder steuerlich relevante Sachverhalt von der Finanzverwaltung ordnungs­gemäß erhoben und entsprechend geprüft. Im Hinblick auf die bestehende Rechtslage entbehren die Vorwürfe, die Finanzbehörden würden die Bildung steuerlich unzulässiger Rückstellungen nicht verhindern, jeder Grundlage und werden daher von mir entschieden zurückgewiesen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen